Preis vierteljährlich Mark . Redaktion, Druck und Verlag der — — Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. mit illuſtriertem Sonntagsblatt frei ins Haus. 10 Hofbuchdrucherei Karl Molitor, Ladenburg. N 9 ö 5 Der Hauptmann von Röpenick. rgermeiſtez — Berlin, 27. Okt. Zu ihrer großen eberraſchung hat die Welt erfahren, daß den nialen Gaunerſtreich von Köpenick kein Entgleiſter r ſogenannten höheren Stände, kein im Größen⸗ wahn befangener und im Examen durchgefallener Offizier oder Student, ſondern der Schuſtergeſelle Wilhelm Voigt aus Tilſit vollbracht hat, und dieſe nen Bürgernteiſtrnal e gekommen iſt, vi ereinigte, wird Tagen Bürgerausſchuß und b Tatſache verſöhnt keinesfalls mit dieſem originellen ber 1906 1 Gaunerſtreich, wie manche Beurteiler kühnlich und 8 Uhr. 25 lächerlich behaupten, ſondern ſie giebt der Mitwelt erſt recht ein großes ſeeliſches Rätſel auf. Wohl timmung und 5 11 iſt der Schuſter Wilhelm Voigt, der den Hauptmann r Wahlkommiſſian n; bon Köpenick in ſo genial⸗betrügeriſcher Weiſe ſpielte, Lin Erzſchelm und Gauner erſten Ranges, der gegen nitglieder und Genen; 27 Jahre von ſeinen 57 Jahren ſeines Lebens im r. Ausgenommen ſth Zuchthaus und im Gefängnis zugebracht hat, aber alle dieſe Belaſtungen und verbrecheriſchen Erfahr⸗ ungen geben nicht den geringſten Anhalt dafür, wie Voigt gerade auf den Gedanken gekommen iſt, in ſo kühner und genialer Weiſe bei Ausführung ſeines neueſten Verbrechens den falſchen Hauptmann zu ſpielen, zumal Vaigt niemals Soldat geweſen iſt und ſomit ſich mit einer genialen Beobachtungsart und einem außerordentlichen Scharfblick für ſeine Rolle als falſcher Hauptmann vorbereiten mußte. kommt dazu, daß auch die ganze Perſönlichkeit des Schuſters Voigt nicht das geringſte von der Haltung und Allüren eines gebildeten Mannes oder gar eines Offiziers an ſich hat. Er iſt ein einfacher, femlich ſtruppig ausſehender Schuſtergeſell mit ſchiefer Schulter, roter Naſe und leicht gekrümmten Beinen. Und dieſer Menſch hat ſich erdreiſtet, den ſt ſtehen; richtlich eröffnet vonn antverfahrens und 5 ſie nicht früher nahen N. in anderes Geſetz grp Birtsgewerbe treibt, ll der Stimmen aller 8. egt. l tsgeiſtliche, andert hullehrer können d telle niederlegen. ich jeder Staatsbin . Nit * Offizier zu ſpielen, Soldaten unter ſeine Befehle e 5 . zu nehmen und einem Reſerveoffizier, d. h. dem Bürgermeiſter Dr. Langerhans in Köpenick das Ehrenwort abzunehmen. Ja der Schuſter Voigt hat noch eine viel größere und höher ſtehende eingeladen, zahlte em Wahlberechtigt 22 ˙ m ĩ Anzeigen: Die einſpaltige Garmondzeile 10 Pfg. A2 eokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Reklamen 20 Pfg. Bei größeren Aufträgen Rabatt. Anzeigen welche am Tage des Erſcheinens bis Nachmittags 2 Uhr eintreffen finden ſofortige Aufnahme. ſeeliſche Eigenſchaft bei der ganzen Affäre von Er hat ſich der Gemahlin des Bürgermeiſters gegeaüber als tadelloſer Kavalier gezeigt, indem er alles das in vornehmer und ent⸗ gegenkommender Weiſe geſtattete, was in der pein⸗ lichen Verhaftung des Bürgermeiſters der falſche Hauptmann als Kavalier einer Dame gegenüber nur irgendwie erlauben konnte, um eben der Dame als Gemahlin des verhafteten Bürgermeiſters die Köpenick gezeigt. peinliche Situation zu mildern. Mag daher durch die Entdeckung, daß der falſche Hauptmann von Köpenick nur ein gewöhnlicher Schuſter iſt, die ganze Affäre an Romantik eingebüßt haben, und mag zumal die Damenwelt ſchwer enttäuſcht darüber ſein, daß der geniale Gauner nur ein krumm⸗ beiniger Schuſter mit roter Naſe iſt, das allgemeine Intereſſe an dieſer eigenartigen Affäre bleibt doch beſtehen und zwar nach zwei ganz verſchiedenen Richtungen hin. Der Schuſter Wilhelm Voigt iſt offenbar geiſtig ein ſehr begabter Menſch, von einer ganz hervorragenden Intelligenz und einem Scharf⸗ blicke für gewiſſe Schwächen in unſerem politiſchen und ſozialen Leben, um den ihn mancher Staats⸗ mann beneiden könnte. Der Schuſter Voigt hat in ſeiner überraſchenden Weiſe gezeigt, wie man in Deutſchland auf die einfachſte Art eine Autoritäts⸗ ſtellung erlangen und auf einige Stunden eine ganze Stadt ſammt deren Verwaltungs⸗ und Polizeibeamten in Schach halten kann. Die über⸗ raſchende Erfahrung wird wohl dazu führen, daß von höchſter Stelle aus für die Offiziere und Soldaten in Bezug auf Befehle, die nicht unmittel⸗ bar mit dem Tagesdienſte gegenüber den unmittel⸗ baren Vorgeſetzten zuſammen hängen, noch ganz andere Inſtruktionen erlaſſen werden müſſen, damit des Königs und Kaiſers Rock nicht zu Gaunereien mißbraucht werden kann. Aber auch die Behandlung von Verbrechern in den Gefängniſſen und Zucht⸗ häuſern könnte eine Reviſion vertragen, indem die Geſchäftsverwaltungen und diejenigen Organiſationen, die ſich mit der Verſorgung der aus den Straf⸗ anſtalten entlaſſenen Gefangenen beſchäftigen, künftig ihr Augenmerk ganz beſonders auf ſolche Ver⸗ brecher richten, die eine hervorragende geiſtige Begahung beſitzen, damit eine ganz andere Behandlung ſolcher ehemaligen Strafgefangenen platzgreifen kann, und ſie mit ihrer Intelligenz und hervorragenden Begabung vielleicht doch noch für die Kulturarbeit gerettet werden können. Der falſche Hauptmann von Köpenick iſt ein Erzgauner und er verdient natürlich wiederum ſeine Strafe, aber um ſeine Intelligenz und ſeinen genialen Scharfblick in der Beurteilung der Menſchen und Dinge iſt es ſchade, ſehr ſchade. Verſchiedenes. 5 Ladenburg, 28. Okt. Wie uns mit⸗ geteilt wird, findet die Auszahlung der Unfall⸗ Alters⸗ und Invaliden⸗Renten, wegen dem auf den 1. Nov. fallenden Feiertag, erſt am Freitag, den 2. Nov. Vormittags ſtatt. Ladenburg, 28. Okt. Auf Grund des Bundesratsbeſchluſſes vom 6. Okt. 1904 ſollen die in den bisherigen Formen geprägten Fünfzig⸗ pfennigſtücke zur Einziehung gebracht werden. Im Intereſſe einer beſchleunigten und vollſtändigen Ein⸗ ziehung dieſer Stücke wird das Publikum auf⸗ gefordert, die Fünfzigpfennigſtücke alten Gepräges an die ſtaatlichen Kaſſen abzuliefern. Ladenburg, 29. Oktober. Der Geſang⸗ verein „Sängereinheit“ Ladenburg brachte am Frei⸗ tag, 26. Oktober, ſeinem Ehrenmitgliede, Herrn Pfarrer Mut ſchler in Feudenheim, ein Geſangs⸗ ſtändchen. Nach luftiger Fahrt in Feudenheim an⸗ gekommen, wurde der Verein von dem dortigen Geſangverein „Teutonia“ im Badiſchen Hof em⸗ die Liſte der Will zimmer auf. Um Ehre und Namen. Roman nach dem Engliſchen von Clara Rheinau. 6. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.) Sie bedeckte ihr Geſicht mit beiden Händen und verharrte eine lange Weile regungslos auf ihrem Sitze. Als ſie endlich wieder aufblickte, ſtanden Tränen in ihren Augen, aber ihre bleichen Züge zeigten einen Ausdruck feſter Entſchloſſenheit. „Ich bin töricht,“ ſagte ſie, ſich erhebend, neben iſt nicht die Zeit, an meine eigene Gefühle zu denken. Mag Walter auch nie erfahren, wie ſehr ich ihn liebte, ich will nicht erlahmen in meiner Arbeit. Nichts will ich unverſucht laſſen, bis es ſchlands tags 3 Uhr us mlung : jam mir gelungen iſt, ſeine Ehre, und ſeinen guten der Organ Namen wieder herzuſtellen.“ igshafen. fel. Juliana Armand hatte in ihrer kalten, nord⸗ * Einbern iſchen Heimat eine eigenartige Kinderzeit erlebt. Miele bedauerten Lord Armand's Tochter, aber bis zu ihrem achtzehnten Jahre war Juliana ganz zu⸗ frieden geweſen mit ihrem Loſe. Allerdings hatte Zeiten gegeben, wo die Kleine ſich nach der toten Mutter ſehnte, die ſie nie gekannt hatte. Dann war die vor das Lebengroße Bildnis der Verſtorbeuen rein. fanhee 5 Schweineſchnun lechgefäßen al u 10 Pfd. Don en. 00 gute getreten und hatte ſich auszumalen geſucht, wie ihr 75 5 rlen jr. Leben, ſich unter den Augen eiuer zärtlichen, lieben⸗ Tec 34 4 N bollen Mutter geſtaltet hätte. e b. Preisl. „ Lord Armand, der älteſte Bruder von Lady der Sendung l: Diana's Gatte, hatte ſich ſ. Z. durch die Geburt einer Tochter bitterlich enttäuſcht gefühlt und den uhren bei. I 7 0 5 entführt und für immer in Wilberforce inſtalliert Verſuch gemacht, das Verſehen des Schickſals aus⸗ zugleichen, indem er ſeiner Tochter ungefähr die gleiche Erziehung gab, die er einem Sohne hätte zuteil werden laſſen. Sobald ſie leſen konnte, lehrte er ſie griechiſch und lateiniſch, er gab ihr ſchwere Aufgaben in beiden Sprachen zu löſen und fühlte ſich mit ihrem Geſchlecht faſt ausgeſöhnt, als er entdeckte, welch intelligente Schülerin er an Juliana hatte. Obſchon er ihren häufigen Verkehr mit Ida Merivale nicht gern ſah, legte er ihr doch kein Hindernis in den Weg. Zwiſchen den Familien von Wilberforce und Mallardine, dem Stammſitz der Armands, beſtand ſeit langen Jahren eine ſo intime Freundſchaft, daß es ganz natürlich war, wenn die beiderſeidigen jungen Töchter ſich eng an einander anſchloſſen. Es waren die glücklichſten Stunden in Juliana's Kinderzeit, die ſie mit ihrem jungen Gefährten, von Wilberforce verbrachte. Denn, wenn ſie auch nie über ihr einſames Leben im Hauſe klagte und von Stolz und natürlicher Zu⸗ neigung für ihren Vater erfüllt war, ſo hatte ſich doch nie, ein recht inniges Verhältnis, zwiſchen Vater und Tochter ausgebildet. Lord Armand war ein Mann, deſſen Herz nur eine Liebe gekannt hatte; ſeine wärmſten, zärtlichſten Gefühle, hatte er mit der früh verlorenen Gattin begraben. Wenn Ida Merivale ihren Willen gehabt hätte ſo würde ſie Juliana aus ihres Vaters Haus haben. Aber da dieſer Plan uicht ausführbar war, Kommen, da er, wie ſie meinte, ſich in ihrer länd⸗ lichen Einſamkeit doch ſehr langweilen müſſe. benutze ſie wenigſtens jede Gelegenheit, die Freundin ihren ernſten Studien und der, wie ſie es nannte, eiſigen Atmoſphäre von Mallardine zu entreißen. So kam es, daß Juliana in ſtetem Verkehr mit Ida und deren beiden Brüdern heranwuchs, und als der Tod den älteſten Sohn unerwartet aus dem fröhlichen Kreiſe abrief, ebenſo tief und auf⸗ richtig trauerte, als ſei es ihr leiblicher Bruder geweſen, den man auf dem alten Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Und dann war es wieder ganz natürlich gekommen, daß ſie, Ida's Beispiel folgend, ſich mit jugendlicher Schwärmerei an den über⸗ lebenden Bruder angeſchloſſen hatte. Uebrigens war Juliana von ihrer früheſten Kindheit an ſich bewußt geweſen daß ſie ihre beiden Spielgefährten mit ganz verſchiedenen Gefühlen betrachtete. Walter hatt ihr auch im Alter näher geſtanden, und als di Jahre vergingen und Juliana zur Jungfrau heran wuchs, wußte ſie daß ihre erſte reinesiebe ihmallein gehöre Vielleicht war ſie über ihr eigenes Herz ſich früher klar geworden, weil ſie ſah, daß ein anderer Mann ihr ſeine Neigung geſchenkt hatte und fühlte, daß ſie dieſe niemals erwidern könne. Alfred Merivale war von jeher ein eifriger Beſucher in Wilberforce geweſen. Bedeutend älter als die beiden Freundinnen konnte er dieſen kaum ein Gefährte ſein und Ida wunderte ſich oft über ſein „Mein Vater iſt gütig gegen ihn, wie gegen