Preis vierteljährlich Mark 1. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. 72 Ubl 11 mit illuſtriertem Sonntagsblatt frei ins Haus. i Redaktion, Druck und Verlag der Anzeigen welche am Tage des Erſcheinens bis 101 0 Hofbuchdruckerei Karl Molitor, Tadenburg. Nachmittags 2 Uhr eintreffen finden ſofortige Aufnahme. 2 * 38. 1125 0 1 85 Freitag, den 11. Mai. 1906 * 4 . Der Juſammentritt der Duma — eine neue Ara? Geeſtern trat in Petersburg die Duma zuſam⸗ men. Seit einigen Wochen iſt mit jedem Tag das Vertrauen in ihre Arbeitsfähigkeit gewachſen. Die meiſten von denjenigen, die früher die Boykottpolitik befürwortet haben, lenken jetzt die Aufmerkſamkeit auf die Möglichkeiten weiterer Entwicklung, die ſich in der Duma bergen. Zwar gibt es noch einige hartnäckige Boykottiſten, die in allem, was während der Wahlzeit geſchehen iſt, nur eine Beſtätigung ihrer ſchlimmſten Prophezeiungen finden; nur durch den Erfolg der Oppoſition bei den Wahlen iſt, wie ſie behaupten, die neue Anleihe ermöglicht worden. Aber auch ſolche Leute betrachten die Duma nun⸗ mehr als eine vollendete Tatſache und ſtellen ihr gegenüber gewiſſe Forderungen auf. Vor ein paar Monaten gab es ſehr wenige, die ihre Hoffnungen f auf die Duma ſetzten, und andere, wenn ſie ſich dad doch für die Wahlen vorbereiteten, taten es aus Verzweiflung, da ſie glaubten, nirgends ſonſt auch die Spur eines Auswegs zu ſehen. Jetzt iſt zum Teil infolge der pſychologiſchen Wirkung des Wahl⸗ lr prozeſſes, zum Teil infolge der unerwarteten großen 11 Erfolge der Oppoſition, die Duma zum Gegenſtand ſehnſüchtiger Erwartung geworden; in den Augen der großen Maſſe der Bevölkerung hat ſie den Rang einer wirklichen Nationalverſammlung erreicht. Es gibt eine Menge Zeichen, die darauf hindeuten, 9 daß das Bewußtſein des Entſtehens einer neuen, mit dem alten Regime konkurrierenden, ſie ſchon überwindenden Macht ſich mehr und mehr mit dem Begriff der Duma verbindet. Macht und Anſehen ſind alſo der Duma zu teil geworden, das merkt man jetzt ſchon, und es wird mehr und mehr be⸗ merkbar werden, wenn die Duma in ihrer vollen Stärke im Tauriſchen Palais zuſammentritt. Die Schach dem Mönigel Hiſtoriſche Novelle von Carl Caſſau. 14. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.) Währenddem brachte der Wachtpoſten den mitten durch die Bruſt geſchoſſenen, nur noch ſchwach at⸗ menden Wallis heran. Finſter ruhte des Königs Auge auf dem Sterbenden, deſſen Züge Fackeln grell beleuchteten: „Wie kamt ihr dazu?“ herrſchte ihn Friedrich an. „Warkotſch und der Förſter!“ ſtöhnte der Ver⸗ wundete und hauchte ſein Leben aus. „Warkotſch, der Leuteſchinder, und der giftige Förſter? Man verhaftete ſie ſogleich!“ Ein Trupp zog ab, den Befehl auszuführen. Unterdes erneuerte ſich das Schießen im Amts⸗ hofe. Eben wollte ſich die Amtmannsfamilie, welche 1 1 noch lange von der Liebenswürdigkeit des „Papa Fritz“ geplaudert und zur Ruhe begeben, da hörte man das Schießen in der Ferne. Während ſich nun 1 der Amtmann hinausbegibt, nach dem Tumulte zn ſehen, ſpringt ein halb Duzend Panduren durch's Fenſter ins Zimmer, raubt in Schnelligkeit das Zim⸗ mer aus, ergreift Eliſe trotz ihres Sträubens und ſpringt mit ihr zum Fenſter hinaus. Ehe die drau⸗ ßen ſtehenden Huſaren nur von ihren Karobinern Gebrauch machen können, ſind die Räuber auf und davon. Die Amtmännin behauptete, einen Menſchen darunter geſehen zu haben, der früher ſchon einmal als Knecht auf dem Gutshofe ſich aufgehalten habe. Regierung hat ſich unfähig gezeigt, die oppoſitionelle Bewegung in ihrem chaotiſchen Stadium zu unter⸗ drücken. Wird es ihr nun möglich ſein, den Gang der Entwickelung der Bewegung ernſtlich zu ver⸗ zögern, jetzt, wo ſie in der Errichtung einer neuen Staatsinſtitution Ausdruck gefunden hat? Offenbar iſt das Bureaukratentum durch ihre früheren Miß⸗ erfolge nicht in Verzweiflung geraten und hofft, die Duma, wenn nicht gerade auseinander zu jagen, doch zu ſchikanieren, ſie in eine ſolche Lage zu bringen, daß ſie in den Augen des Volkes ihr An⸗ ſehen verlieren wird. Das Projekt der Grund⸗ geſetze iſt ein Verſuch in dieſer Richtung. Der Duma ſoll keine Möglichkeit gegeben werden, die notwendige Reformarbeit auszuführen, ſie ſoll als beratendes Komitee für die Kanzleien verſchiedener Miniſterien dienen; aus all den großen Verſprech⸗ ungen der Konſtitutionell⸗Demokraten und der an⸗ deren Fortſchrittler ſoll gar nichts werden, und das Volk, in der Duma enttäuſcht und gegen die Führer der oppoſitionellen Bewegung entgiltig verbittert, ſoll noch einmal im Bureaukratentum ſeine Rettung ſuchen. Macht gegen Macht: die alte, ſtark nur an Waffen und an Scharen gehorſamer Soldaten gegen die neue, ſtark im Hoffen und im Glauben einer großen Maſſe des Volks. Der Konflikt wird jetzt akut, ein Zuſammenſtoß ſcheint unvermeidlich zu ſein. Aber welche Form wird der Zuſammen⸗ ſtoß annehmen, wird er notwendig zu einem gewalt⸗ ſamen Auseinanderjagen der Duma führen, oder gibt es eine Möglichkeit, daß es der fortſchrittlichen Mehrheit doch gelingen wird, die Grundſteine der großen Reformen zu legen? Welche Fragen bilden die Atmoſphäre, in der die Dumaabgeordneten ihre Arbeit anfangen werden, in der die konſtitutionell⸗ demokratiſchen Abgeordneten auf dem Parteitag ihre Taktik diskutieren werden? Und täglich tauchen neue Fragen auf: Wie wird die Politik der Regierung Groß war natürlich Leos Beſtürzung, bei ſeiner Rückkunft Eliſe nicht mehr fand: „Das hat Warkotſch getan, Amtmann!“ ſchrie er in der erſten Beſtürzung, „der Mörder, Dieb und Fälſcher!“ Dabei produzierte er den Schuldſchein, welchen er in der Bruſttaſche bei ſich trug, während er Znaim zugleich das ganze verhinderte Komplott eutwickelte. Der Amtmann und ſeine Frau waren erſtarrt; ſie ſchickten am frühen Morgen nach Selma, das Haus zu verlaſſen und zu ihnen zu kommen, erfuhren aber nun durch Kappel, wo die Frau Baronin weile. Jetzt hörte Kappel auch, was ſich bei Amt⸗ manns zugetragen. Nun erklärte er ſich den Brief an die Wannert und riet Leo, eine Kutſche unter als er Bedeckung von Huſaren abzuſenden, welche die Damen holen ſollte. — So geſchah es, und Leo ſelbſt wollte ſich an die Spitze der Truppen ſtellen, wurde aber durch Zuſammenberufung eines ſofortigen Kriegs⸗ den gerichts daran verhindert und Befehl einem Kameraden abtreten. mußte ſo Der Edelhof wurde ſofort nebſt dem Forſthauſe unter gerichtliche Siegel gelegt; Warkotſch und der Förſter hatteu ſich jedoch geflüchtet und wurden daher nicht abgefaßt. Strachnitz aber wurde ſofort zum Könige befohlen. Was dort geredet wurde, hat niemand erfahren; ſo viel iſt aber gewiß, daß Leo bald darauf zum General avancierte, während Mathias Kappel, durch deſſen Wachſamkeit eigendlich alles verhindert war, durch die Demiſſion Wittes geändert? Wird das Projekt der Grundgeſetze jetzt eine andere Form an nehmen? Und in der Duma ſelbſt: was für Kom binationen ſind zu erwarten, und wird es de Konſtitutionell⸗Demokraten gelingen, die farbloſen Bauerndeputierten für die Sache der dringend not wendigen politiſchen Reformen zu gewinnen, ode werden Schwierigkeiten und Zwiſt auf Grund de Agrarfrage entſtehen? Und die übrigen Linken werden ſie in der erſten Zeit mit den Konſtitutionell Demokraten zuſammen gehen, oder werden ſie ſi wie die Iren im engliſchen Parlament verhalten Und was werden die Polen tun! Fragen, Fragen und immer neue Fragen, auf die die nächſten Tag eine Antwort geben müſſen. Verſchiedenes. Ladenburg, 4. Mai. Aus der Ge meinderatsſitzung (mitgeteilt vom Bürgermeiſteramt. 1. Die hieſigen Bürgerſöhne Joſef Baumann Friſeur und Martin Schweiß, Maurer werden nach dem ſie die geſetzliche Taxe bezahlt haben, zum An tritt ihres angeborenen Bürgerrechts zugelaſſen. 2. Die für die freiwillige Feuerwehr hier z liefernden 30 Uniformröcke werden den Schneider meiſtern Jakob Lay, Michael Seel, Jakob Schäfer Anton Barth und Lorenz Schütz hier zum ang botenen Preiſe von 18.30 Mk. pro Rock übertragen Die weiter eingereichten Offerten von Liebman Hochſtetter und David Hirſch konnten nicht in Be tracht gezogen werden, weil ſie nur Angebote auf ö Lieferung von Tuch und Futter enthielten. N 3. An das Commando der freiwilligen Feuer⸗ wehr hier ſoll das Erſuchen gerichtet werden, dafür 1 Sorge tragen zu wollen, daß der Stand des frei⸗ willigen Feuerwehrkorps die Zahl 100 nicht weſent⸗ lich überſteigt. Das Erſuchen wird lediglich aus finanziellen Gründen geſtellt und ſoll keinerlei Ein⸗ 5 reichlich mit Geld bedacht und zum königlichen Gar⸗ teninſpektor zu Sansſouci ernannt wurde. f Noch in derſelben Nacht wurde, wie geſagt, das Kriegsgericht zuſammengeſetzt, welches über die Ver⸗ räter das Totesurteil ausſprach, gleichzeitig ſollten ihre Güter für den Staat konfisziert werden. Da man der Verbrecher nicht habhaft werden konnte, wurde wenigſtens ihr Bildnis an den Galgen ge⸗ 5 hängt. Außerdem verfügte der König, daß die eine Hälfte des Vermögens des p. Warkotſch der Gattin desſelben, geb. v. Znaim, verbleiben, die andere aber an das durch den Entwichenen geſchädigte Fräulein von Bohlen fallen ſolle; eine Entſchädigung aber von 10,000 Talern ſolle möglichſt aus den jenſeits der Grenze gelegenen Gütern des Verbrechers für das genannte Fräulein gezogen werden. 5 Kaum aber war der mißlungene Verrat bekannt geworden, ſo beeilte ſich die öſterreichiſche Regierung, den jetzt verſtorbenen Pandurenkapitän abzuleugnen, während der General Laudon, der Höchſtkommandie⸗ rende der feindlichen Armee, dem Könige verſicherte, daß er ſo einer abſcheulichen Tat nicht fähig und 0 an dem beabſichtigten Verrate vollſtändig unſchuldig ſei. Die beiden Verbrecher aber blieben verſchollen. VI. Frieden! ſei ihr erſt Geläute. Frau Selma wartete voll Unruhe auf den ihr von Matthias zugeſagten Wagen, als plötzlich ein Panduren⸗Offizier Eliſe in Oppertsberg ablieferte. (Schluß folgt.) 8