.. cc Schluß des Jahres 1905. Bis zur Feſtſtellung des Staatshaushalts für die Jahre 1906 und 1907 muß ihr dieſes Recht durch ein beſonderes Geſetz gegeben werden. Und deshalb iſt der Zu⸗ ſammentritt des Landtages noch im laufenden Jahre nötig, auch wenn der Erweiterungsbau des Stände⸗ hauſes noch nicht benutzbar ſein ſollte. — Karlsruhe, 7. Okt. Die badiſche Fabrikinſpektion, die bisher aus 6 akademiſch ge⸗ bildeten, einſchließlich der weiblichen Inſpektorin, und nur zwei aus dem Arbeiterſtand hervorge⸗ gangenen Beamten beſteht, ſoll ſicherem Vernehmen nach im nächſten Jahr durch Anſtellung eines Arztes erweitert werden. Die Mittel für dieſe Stelle ſollen im neuen Staatsvoranſchlag vorgeſehen ſein. Ein langjähriger Wunſch des erſten badiſchen, vor rats Wörishoffer, ginge damit in Erfüllung. — Mosbach, 8. Okt. Als am 5. d. Mts. der Landjäger ſich in den Hof des Pächters Binkele begab, um Nachforſchungen anzuſtellen, erfuhr er durch Zufall, daß ſich der älteſte Sohn Binkeles ſeit 3 Tageu nicht mehr habe ſehen laſſen. Der Landjäger wandte ſich nun an den alten Binkele, der ihm mitteilte, daß ſein Sohn im Bett läge. Sofort begab ſich der Landjäger an das Bett in dem der junge Menſch mit Kratzwunden im Geſicht und einer Schnittwunde am Finger lag. Derſelbe gab an, er habe eine Rauferei gehabt, die Wunde am Finger habe er ſich beim Abziehen eines Haſens zugezogen. Da dem Landjäger von einer Rauferei nichts bekannt war, führte er den Verdächtigen ins Gefängnis nach Neckarſulm ab. An demſelben Tag fand man den mit Blut bedrängten Anzug des Verhafteten im Heu verſteckt und das blutbe⸗ fleckte Taſchentuch. Vor die Staatsanwaltſchaft Mosbach verbracht, leugnete Binkele zunächſt, ſah ſich aber ſchließlich zu einem Geſtändnis genbtigt, als ihm ſeine blutgedrängten Sachen vorgehalten wurden. 7 Mal hat er das Taſchenmeſſer ange⸗ ſetzt, bis der Hals der Knoll durchſchnitten war. Mißbraucht hat er ſein Opfer nicht; er iſt vielleicht nach vollbrachter Tat, jedenfalls aus Angſt, nach Hauſe geflohen. — Mosbach, 7. Okt. Der Mädchenmörder Jakob Binkele iſt erſt 17 Jahre alt, er kommt alſo nicht vor das Schwurgericht, ſondern wird von der Strafkammer Mosbach abgeurteilt werden. Die Höchſtſtrafe, die ihn treffen kann, ſind 15 Jahre Gefängnis. Der Mörder iſt etwa 1.60 Meter groß und hat ein ſchmächtiges Ausſehen. Auch Tochter, überirdiſch ſchön, wie der Vater ſagt. Dieſe heiratete einen Grafen Bergwitz, der als Jung⸗ geſelle ein tolles, wüſtes Leben geführt haben ſoll. Nach ſeiner Verheiratung konnte ihm indes niemand etwas ſchlechtes nachſagen. Er war ſeiner Gemahlin ein guter, treuer Gatte; er muß ſie ja auch aus Liebe geheirat haben, denn die Holdern'ſche Familie iſt ſo zu ſagen arm. Der Graf war um ſo reicher. Nun kommt aber das traurige von der Geſchichte. Ein armes Mädchen, das vom Grafen hintergangen worden, gelobte, daß ſie ſich einſt an ihm rächen würde und zwar, wenn er je Kinder haben ſollte, durch dieſe. Der Graf hatte dieſe Drohung gar nicht beachtet; als ihm aber nach einem Jahr ein Töchterchen geboren worden, verſchwand dasſelbe eines Tages, während die Wärterin ſchlief. Alle Nachforſchungen blieben vergebens, und bis auf den heutigen Tag hat man von dem Kinde nichts wieder geſehen, noch gehört.“ „Wo lebten ſie? „fragte Aennchen. Welldorf?“ 5 „O, nein, der Graf lebte in der Reſidenz.“ „Und wie hat die arme Gräfin das ertragen?“ „Sie überlebte es nicht lange; wenige Monate ſpäter brach der Kummer um ihr verlorenes Kind ihr das Herz. Und der Graf ſtarb voriges Jahr in Rom. Das iſt, wie Du ſiehſt, Kummer genug für die arme, alte Frau von Holdern!“ 2. 5 Am nächſten Morgen erwachte Aennchen mit frohem Herzen. Heute über acht Tage war ihr Hochzeitstag, und dort auf dem kleinen Tiſche lag bereits der Brautkranz, den die gute alte Frau Telger, lange bevor Aennchen die Augen öffnete, ihr gebracht hatte. Aennchen dachte daran, daß es Unglück bringen an den Brautkranz vor dem ereignis⸗ „Hier in zwei Jahren verſtorbenen Fabrikinſpektors, Geheim macht er den Eindruck, als ob er idiotiſch veranlagt ſei. Die Eltern des Burſchen ſind ſelbſtverſtändlich ganz troſtlos und werden allgemein bedauert. — Freiburg, 9. Okt. Daß auch der Liberale das Herz auf dem rechten Fleck hat, be⸗ weiſt u. a. die Programmrede des lib. Kandidaten, Handwerkskammerpräſident Bea. Er führte aus: „Auf dem Gebiete von Handwerk, Gewerbe und Kleinhandel habe er am eigenen Leibe Gelegenheit gehabt, all die Schäden und Mißſtände, worunter dieſe Erwerbsſtände leiden, kennen zu lernen. Was hier Not tue, ſei in erſter Reihe eine beſſere Vor⸗ bildung in der Volksſchule für den jungen Nach⸗ wuchs, Verallgemeinerung der Gewerbe- und Han⸗ delsſchulen zur Unterſtützung der Lehre, Verſchärfung der Beſtimmungen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und Schwindelausverkäufe, ausreichende Beſteuerung der Warenhäuſer, mit einem Wort: Schutz dem Kleinen gegen den Großen! Schwer leide das Handwerk auch unter dem Submiſſions⸗ weſen. Die offizielle Vertretung des Handwerks, die Handwerkskammern verlangen in dieſer Bezieh⸗ ung u. a. jährliche Preisfeſtſetzungen unter Mit⸗ wirkung von Handwerksvertretern, das Mittel⸗ preisverfahren oder Ausſchluß der Angebote von 20 Prozent und mehr unter dem Voranſchlag, möglichſten Ausſchluß der Generalunteruehmer, Zer⸗ legung in kleinere Loſe, hinreichende Lieferfriſten und Berückſichtigung der zur Führung des Meiſter⸗ titels Berechtigten. So lange die Regierung hier nicht mit weſentlichen Verbeſſerungen ähnlich wie in Heſſen vorgehe, ſei auf eine Wendung zum Beſſeren nicht ſo ſchnell zu hoffen. Eine ſolche könne nach und nach eintreten nach Maßgabe der ſteigenden beſſeren Ausbildung der Handwerker in der Preis⸗ bewerbung durch die Gewerbeſchulen, Meiſterkurſe ꝛc. wie ja die Handwerkerfrage vornehmlich eine Bild⸗ ungsfrage ſei. Selbſthilfe ſei das wirkſamſte Heilmittel! Zu dieſer komme ein weſentliches Moment in dem Zuſammenſchluß der Handwerker zu Genoſſenſchaften — ein Gebiet, auf dem bei uns in Baden noch vieles zu tun übrig bleibe. Andere Bundesſtaaten ſeien uns hier weſentlich voraus. So hätten Heſſen, Bayern, Preußen u. a. ihre Zentralgenoſſenſchaftskaſſe und ſtaat⸗ liche Inſpektion, die nun bei Neugründungen dem Handwerker mit Rat und Tat zur Hand gingen. In Bayern würden z. B. die Werk- und Rohſtoff⸗ genoſſenſchaften mit namhaften Zuſchüſſen und mit ſich auf Hunderttauſende beziffernden Vorſchüſſen unterſtützt. Die Vorſchüſſe ſeien dabei für die erſten vollen Tage aufſetzt, — daß die, welche das tut, dieſen glücklen Tag nie erleben ſoll, — aber die 1 Verſuchung beſiegte den Aberglauben und in der nächſten Minute betrachtete ſie ſich mit dem Kranz in dem üppig blonden Haar wohlgefällig in dem Spiegel. Dann aber überkam ſie ein plötzlicher Schrecken und mit einem tiefen Seufzer nahm ſie den Kranz ſchnell ab. Wie, wenn ſie ihren Gottfried niemals heiraten ſollte! Wie ein nächtlicher Alp legte ſich der Gedanke ihr auf die Bruſt. Bald darauf begab ſie ſich in das ſchmucke Wohnzimmer, wo die übrige Geſellſchaft ſchon bei⸗ ſammen war. Eben ſamt ihrer Pflegemutter mit häuslichen Verrichtungen beſchäftigt, klopfte es an die Tür, und ohne große Umſtände traten zwei Herrn ein, in welch einem Frau Telger zu ihrer größten Verwunderung den jungen Herrn von Holdern erkannte. Aennchen wollte das Zimmer verlaſſen, doch der Advokat, Franz von Holdern's Begleiter, hielt ſie mit höflichen, aber beſtimmten Worten zurück. „Eutſchuldigen Sie, mein Fräulein,“ ſprach er. „Ich muß Sie bitten, hier zu bleiben. Die Angelegenheit, die uns hierherführt, verlangt vor allem Ihre Gegenwart.“ Bei dieſem Worten zog er ein großes Schrift⸗ ſtück aus der Taſche, offenbar im Begriff, dasſelbe vorzuleſen. Doch Franz von Holdern kam ihm zu⸗ vor, und ſich zu dem dareinſchauenden alten Ehepaar wendend, ſagte er in gütigem Tone: „Ich zögere faſt damit, Ihnen eine Mitteilung zu machen, die Ihnen, wie ich fürchte, Schmerz be⸗ reiten wird, doch hoffe ich, daß dieſer Schmerz auch ſein gut Teil Freude hat. Ich weiß, daß Sie Ihrer Adoptivtochter herzlich zugetan ſind, und bin über⸗ zeugt, daß Ihre Liebe ſelbſtlos genug iſt, um ſich über jedes Glück, das Fräulein Aennchen trifft, zi 2—3 Jahre unverzinslich, während dann nur 2—3 4 Prozent genommen würden. Aber auch auf anderen f Gebieten des bürgerlichen Lebens bleibt bei unz noch 1 Manches zu tun, ſo z. B. auf dem Gebiete des n Realkredits oder der Beleihung von ſtädtiſchen und ländlichen Grundstücken. Beſonders empfehlen fi m die Annuitäten⸗Darlehen mit regelmäßiger Tilgungs⸗ 4 quote. Dieſe Art Darleihen mit einer Tilgungs⸗ quote von ½ Prozent an (event. ſogar / Proz) und höher ſeien für den Bauern und Handwerker vorteilhafter wie eine freiwillige Abzahlung, weil ihnen auf dieſe Weiſe in abſehbarer Zeit der freie Beſitz ihres Auweſens garantiert würde.“ 9270 — Kappelrodeck, 7. Okt. Zum Fall Haas melden die „Mittelbad. Nachr.“: Der un⸗ glückliche Mann, der ein unbegrenztes Vertrauen und Anſehen genoß, hat die Höhe der Unterſchlag⸗ ungen bereits auf 500 000 Mark, darunter he⸗ deutende Wechſelfälſchungen, zugegeben. Es iſt gar nicht daran zu zweifeln, daß ſämtliche Mitglieder (ca. 670) der Vorſchußkaſſe (G. m. unbeſchr. H.) ihre Stammanteile a 200 Mark verlieren 134000 Mark, dann geht der Reſervefonds mit 89 000 Mark und der Spezialreſervefonds mit 20000 Mark verloren. Endlich wird das Vermögen, (wenn es nicht ganz zur Deckung mitverwendet werden kann) ca. 180 000 Mark betragen. Das macht zuſammen 423 000 Mark. Alles ſchüttelt und zerbricht ſich den Kopf, wie es nur möglich ſei, ſolche Summen zu verbrauchen bei Liner ausgeſprochenen Sparſam⸗ keit der geſamten Familie Haas. Es iſt, ſcheint es, der Spekulations⸗ und Spielteufel, der Haas ergriffen. Die Haas'ſche Familie iſt bei Verwandten in Steinbach. Ueber das Vermögen wurde der Konkurs verhängt. — Heilbronn, 7. Okt. Vor dem Schwur⸗ gericht begann geſtern vormittag die Verhandlung gegen den Bäckergeſellen Ernſt Mogler aus Böckingen, der in der Pfingſtmontagnacht den Bäckermeiſter Bullinger in Neckargartach, bei dem er in Arbeit ſtand, deſſen Frau und das Z3jährige Knäbchen der Eheleute durch Beilhiebe ermordete, um ungeſtört die Plünderung des Geldſchrankes vornehmen zu 9 können, und endete damit, daß Mogler wegen drei⸗ 3 fachen Raubmords dreimal zum Tode verurteilt Rittwe wurde. — Eſſen, 7. Okt. In der vergangenen 6 Nacht ſind aus dem Werdener Zuchthaus drei 5 ſchwere Verbrecher ausgebrochen. Sie ſind bisher noch nicht eingefangen worden. 0 bh 1 9 0 freuen, ſelbſt wenn es auch einige Opfer Ihrerſeits verlangt.“ 5 90 Na Während dieſer Rede trat Gottfried an Aenuchen 7 Ab heran und nahm ihre kleine Hand in die ſeine. 0 Ver „Mein Herr,“ anwortete der alte Fiſcher mit Wehn hi einem innigen Blicke nach dem jungen Mädchen hin, ch nit „ich weiß nicht, was Sie uns ſagen wollen, aber deſſen können Sie verſichert ſein, daß wir alle, wie wir hier ſtehen, uns über jedes Glück, das unſere Tochter treffen könnte, von ganzem Herzen freuen würden.“ i MI „Recht ſo, — das wußte ich!“ ſprach Herr MIC von Holdern, offenbar erleichtert. „So hören Sie denn, was ich Ihnen zu ſagen habe. Vor ungefähr vierzehn Tagen ward meiner Tante eine Mitteilung, Le auf die ſie ſchon ſeit vielen Jahren gehofft und ge⸗ wartet hat. Sie alle wiſſen, um was es ſich Al handelt. Ich brauche es Ihnen nicht zu wiederholen. 01 Sie war ſtehts der Meinung, daß ihr Enkelkind 03 noch am Leben ſei. Infolge der ſchon erwähnten i L0 Mitteilung hat ſie genauere Erkundigungen eingezogen, id alle nach welchen es keinem Zweifel unterliegt, daß das 0 Kind, das Sie vor ſechzehn Jahren in Ihrem Boote . gefunden haben, keine andere iſt, als die verſchwundene N Enkelin, die Tochter der Gräfin Bergwitz!“ e Be Ein mehrere Sekunden langes tiefes Schweigen entſtand. Dann erſcholl der Schmerzensruf: „O, Gottfried, Gottfried!“ und Aennchen ſchlang weinend 2 ihre Arme um den jungen Fiſcher. f Gottfrieds Kopf ſang tiefer und tiefer, bis ſeine Lippen ihren ſchönen Kopf berührten, aber er ſagte kein Wort. Nur ein Herz klopfte höher vor Stolz und Freude: das der alten Fiſchersfrau. Mit Stolz ſagte ſie ſich: meines Gottfried's Frau wird eine vornehme Dame ſein!