Zellen zu durchbrechen, und nur durch zahlreiche, herbeigerufene Truppen konnte die Ordnung wieder hergeſtellt werden. Leichtere Erdſtöße ſind auch heute noch zu verzeichnen. Die in der Meerenge von Meſſina ſich befindenden Kriegsſchiffe legten ſofort an der Küſte von Kalabrien an, und die Matroſen brachten die erſte Hilfe. Heute gehen verſchiedene Regimenter ab, verſehen mit Lebens⸗ mitteln und 2000 Zelten. Während der Veſuv eine geſteigerte Tätigkeit zeigt und ein mehrere Meter breiter Lavaſtrom ſich vom Atrio del Cavallo der Drahtſeilbahn nähert, kommen aus Kalabrien Nachrichten von neuen Erd⸗ ſtößen. In Palmi kampierte dem „L.⸗A.“ zufolge die Bevölkerung im Freien; es wurde die Räumung von 300 Häuſern angeordnet. In Parghelia ſind 300 Perſonen getötet; auf Güterzügen werden Hunderte von Verwundeten fortgeſchafft. Unter den Trümmern ihres Hauſes fand man dort eine Familie von elf Perſonen begraben. In Monteleone fanden überall Bittgottesdienſte ſtatt. Entſetzlich waren dort die Szenen im Gefängnis; die Gefangenen klammerten ſich an die Eiſenſtäbe an und ſchrien verzweifelt um Hilfe. Die Wärter verſuchten die Unglücklichen zu beruhigen, es gelang ihnen aber nicht eher, als bis ſie die Gefangenen zu ebener Erde untergebracht hatten. Stefaconi iſt am furcht⸗ barſten betroffen worden; dort ſind viele Perſonen vor Schreck irrſinnig geworden, eine Mutter grub mit ihren Händen in den Trümmern ihres Hauſes nach ihrem verlorenen Kinde. — Rom, 9. Sept. Die Opfer der ſüd⸗ italieniſchen Erbeben⸗Kataſtrophe betragen nach den letzten Meldungen 2000 Tote und 10000 Ver⸗ undete. — Petersburg, 11. Sept. Infolge Mangels an Naphtha für Heizzwecke hat die Riga⸗ Orlowa⸗Baltiſche Nikolai⸗Bahn beſchloſſen, für 10 Millionen Rubel engliſche Steinkohlen, Lieferung im September, zu kaufen, und ebenſo ein gleiches Quantum Donezkohlen. — Petersburg, 11. Sept. Meldungen aus Baku an hieſige Großkaufleute beſagen, daß in der Samstagnacht wiederum blutige Metzeleien tattfanden, die mit beiſpielloſer Beſtialität ausge⸗ führt wurden. Der Beſitzer einer Zeitung, der den Pöbel zur Mäßigung aufgefordert hatte, wurde auf offener Straße erdolcht, ſeine Tochter aufgeſpießt. Ganze Straßenzüge ſind mit Leichen bedeckt. Der Aufruhr nimmt zu. — Viele Armenierdörfer ſind ganz vernichtet. Viele Hunderte von Perſonen ſind ermordet. Da die Militärſtationen weit ent⸗ fernt ſind, verzögert ſich die Hilfeleiſtung. Die ge⸗ ſamte tartariſche Bevölkerung iſt im Aufruhr und 4000 bewaffnete Kurden vom perſiſchen Ufer des Aras⸗Fluſſes haben ſich den Tartaren angeſchloſſen. Es ſind Verhandlungen mit der perſiſchen Regierung eingeleitet worden. — Tiflis, 10. Sept. Die in Baku an⸗ weſenden Truppen ſind vollſtändig erſchöpft. Den letzten Nachrichten zufolge dauern die Unruhen un⸗ geſchwächt fort. Es wird geraubt, geplündert und gemordet. Auch die Straßenkämpfe dauern noch fort. Den Truppen iſt der Befehl zugegängen, auf alle Brandſtifter zu ſchießen ſowie auf alle Diebe, welcher Nationalität ſie auch ſeien. Die zahlreichen brotloſen Arbeiter haben ſich den Raub⸗ zügen der Tartaren angeſchloſſen. — Tokio, 9. Sept. Admiral Jamamoto erklärte heute, obgleich im Volke eine ſtarke Miß⸗ ſtimmung über die Friedensbedingungen herrſche, müſſe man doch eingedenk bleiben, daß die Ein⸗ nahme von Wladiwoſtok weit ſchwerere Opfer als die von Port Arthur erfordert haben würde, und außerdem ein erheblicher Geldaufwand erforderlich geweſen wäre. Es ſei daher rätlich, ſich mit den gegenwärtigen Friedensbedingungen zufrieden zu geben. Der Admiral bemerkte ferner, Rußland werde ſicher eine ſtarke Flotte bauen und Japan müſſe bereit ſein, auch ſeinerſeits die entſprechenden Maßnahmen zu treffen. — New⸗Nork, 11. Sept. Ein ſchrecklicher Unglücksfall ereignete ſich auf der hieſigen Hochbahn. An der Ecke der 6. Avenue und der 58. Straße ſtürzte durch falſche Weichenſtellung ein Wagen auf's Pflaſter, ein anderer hängt von dem Bahngerüſt herab. Die Wagentrümmer gerieten in Brand. Die Linie iſt durch den Unfall völlig geſperrt. Zehn Perſonen ſind tot, 40 verletzt. — Helſingfors, 12. Sept. Ein unbe⸗ kannter Dampfer von 300 Tonnen Gehalt kam in in der Nacht vom Donnerſtag an der Inſel Kaloſcher, 25 Kilometer von Jakobſtadt, an. Jufolge des ſtarken Nebels ſtieß das Schiff am Freitag auf eine etwa 2— 4 Kilometer vom Strande befindliche Sand⸗ bank. Dabei ereignete ſich eine Exploſion, wobei der Dampfer ſamt ſeiner Bemannung in die Luft flog. Ein Teil des Schiffes iſt geſunken. Der hintere Teil des Schiffes ſowie der Bug blieben ſichtbar auf der Oberfläche des Waſſers. Das Schiff war mit Gewehren und Munition beladen. Die Waſſeroberfläche iſt mit ſchwimmenden Gewehr kolben bedeckt. Am Ufer wurden 13 Maſchinen gewehre geborgen, außerdem 3 Kiſten, die mi Revolvern angefüllt waren. Der Name des Schiffe war mit Farbe überſtrichen. Bei dem Schiffe wurde ein ſchwediſches Rettungsboot, ſowie deutſche und engliſche Flaggen gefunden. Man vermutet, daß der Dampfer unter engliſcher Flagge fuhr. — Connellsville, 10. Sept. Eine große Exploſion fand geſtern in den Pulverwerken in der Nähe von Unionſtewn ſtatt. Von den aus zehn Gebäuden beſtehenden Werken blieb keine Spur übrig. Fünfzehn Menſchen kamen um. Im Um⸗ kreiſe von einer Meile ſtürzten Häuſer ein. Die deutſchen Lebensverſicherungsgeſellſchaften im Zahre 1904. Von 46 deutſchen Geſellſchaften wurden im Jahre 1904 insgeſamt 152091 eigentliche Lebensverſicherungen Über 712977960 Mark neu abgeſchloſſen. In Abgang kamen dagegen 77877 Verſicherungen über 323 079 705 Mark, darunter 25 289 über 100 107872 Mark durch den Toß und 6538 über 35 075 967 Mark durch Zahlbarwerden bei Lebzeiten der Verſicherten. Der Geſamtbeſtand eigentlicher Lebensver ſichernngen am Schluſſe des letzten Jahres erhöhte ſich um 74214 Po⸗ licen und 389 898 255 Mark Summe auf 1753010 Ver⸗ ſicherungen über 7725074387 Mark. Hieran waren die bedeutendſten Anſtalten mit folgenden Summen beteiligt: Gotha (gegr. 1827) mit 865987 875 Mark Stuttgart „ 1854) „ 692982177 Alte Leipziger „ 1830) „ 678571550 „ Victoria. , 1861) „ 654393440 „ Stettiner Germania (, 1857) „ 639271882 „ Karlsruhe („ 1864) „ 534042161 „ . Snmma 4065 249 185 Mark. Auf dieſe ſechs Anſtalten entfiel demnach die gute Hälfte (52, 0/᷑ des geſamten Lebensverſicherungsbeſtandes der 46 Geſellſchaften. Von letzteren betreiben 23 — darunter beſonders Victoria und Friedrich Wilhelm — außer⸗ dem die kleine (Volks⸗ und Sterbekaſſe⸗) Verſicherung mit geringen Summen, zumeiſt ohne ärztliche Unterſuchung und mit wöchentlicher Prämienzahlung: hierin wurden 765047 Verſicherungen über 153 695028 Mark neu abgeſchloſſen, und am Schluſſe des Berichtsjahres beſtanden 4812770 Verſicherungen über 858 536 153 Mark (durchſchnittlich 178 Mark). Von den 46 Geſellſchaften betreiben ſodann 42 auch die Verſicherungen nur auf den Lebensfall (Alters⸗, Ausſteuer⸗, Militärdienſtverſicherung!: hierin wurden 37189 Verſicherungen über 66638 409 Mark abgeſchloſſen und Ende 1904 beſtanden 560 182 Verſicherungen über 890380976 Mark. Der Geſamtbeſtand an Kapitalver⸗ ſicherungen bezifferte ſich ſomit bei den 46 deutſchen Lebens⸗ verſicherungsanſtalten Ende 1904 auf 9 473 991516 Mark Summe. abgebrochen heraus. „Als ich das Licht hier auf⸗ flammen ſah, da wußte ich, daß ſie noch hier waren, Und nun frage ich Sie, lieben Sie ihn wirklich, haben Sie ihn erhört?“ Leonore war einen Schritt zurückgetreten, ſie umklammerte krampfhaft, als bedürfte ſie einer Stütze, eines Haltes, die Lehne des ihr zunächſt ſtehenden Stuhles. Mit ſtarren, erſchrockenen Augen blickte ſie auf zu dem Manne vor ihr. Großer Gott, wie war er verwandelt! Was hatten die letzten Wochen und Tage, oder gar nur die letzten Stunden einer großen ſeeliſchen Erregung aus Steinweg ge⸗ macht? War er wahnſinnig vor Freude oder Schmerz geworden, als er heute geſehen, daß Doktor Erich um Leonore Warden geworben, und daß die, deren Liebe erſt er vor langen Jahren beſeſſen und die ſo lange ſo verlaſſen und elend war, nun durch die Liebe eines der edelſten Männer beglückt werden ſollte. a Als Leonore nicht antwortete und ſcheu vor ihm zurückwich, leuchtete es in Steinwegs Augen unheimlich. „Leonore! Ich will Antwort!“ rief er jetzt finſter und faßte mit eiſernem Griff ihre Hand. Wäre es nicht tanſendmal beſſer geweſen, ſie hätte ihm jetzt antworten dürfen: „Ja ich bin die Braut des Herrn Doktor Erich!“ Die Beſinnung würde dann Steinweg wohl ſofort zurückkehren; Eva's Bild in all ſeiner holden Lieblichkeit würde vor ſeinen Blicken auftauchen, ſein Herz würde ſich ihr wieder zuwenden und das häusliche Glück würde ſeine Seele vor dem Wahnſinn bewahren. Blitzähnlich zuckten ſolche Gedanken durch Leonorens Hirn, während Steinwegs Augen in banger Frage auf ihr ruhten. Aber nur die Wahrheit konnte Leonore in dieſen furchtbaren Augenblicken ſagen. „Ich bin noch frei, ich bin Doktor Erichs Braut noch nicht,“ ſtieß ich endlich hervor. „Einen ſolchen Schritt für das Leben kann man ſich ſchon überlegen und kann ſich fragen, ob man die Liebe eines edeln Mannes.“ Leonore ſtockte und hielt beide Hände vor die Augen, um das ſelbſt im Geſichte zu verbergen, was ſie nicht zu ſagen wagte. „Da liebſt Du wohl gar mich noch, Du ſchöne, falſche Schlange,“ ziſchelte Steinweg im Tone des Wahnſinnes. „Nun ja, wenn es einmal ſo iſt, ſo eile in meine Arme. Freilich hier und in der ganzen Welt iſt kein ehrliches Plätzchen mehr für unſere Liebe, aber drüben tief im Rheine, der heute ſo ſchön groß und tief iſt, da winkt uns ein goldenes Zauberſchloß, und dort hinein wollen wir fliehen. Komm, komm, Leonore!“ Steinweg wollte ſie mit beiden Armen faſſen, aber ſie entfloh ihm und eilte hinauf auf ihr Zimmer. Da erklang auch jetzt Evas Stimme wie diejenige eines rettenden Engels durch das Haus. Sie rief mit lauter Stimme den Namen ihres Mannes und der Klang dieſer bekannten lieblichen Stimme riß Steinweg aus ſeinen Wahnvorſtellungen. „Eva! Meine liebe Eva!“ ſtieß er ſeltſam hervor und ſank erſchöpft und wie aus einem böſen Traum erwacht, auf einen Seſſel. „Ich komme gleich, Eva,“ rief er dann ſeiner Frau zu. „Der heutige Tag hat mir ſo ſchreckliche Gedanken gemacht.“ „Ach ja, die Sorge wegen des Hochwaſſers und der Fabriken bedrückt mich auch,“ ſagte Eva herbeitretend und legte ihre ſanfte Hand auf des Gatten heiße Stirn. Inzwiſchen hatte Leonore eine ſchreckliche Stunde durchlebt. Sie kannte in dem Hauſe keinen Tag mehr bleiben, denn ein furchtbares Unheil konnte ſofort entſtehen, wenn ſie Steinweg morgen ſah. So fand ſie faſt die ganze Nacht keinen Schlaf und zermarterte ſich den Kopf darüber, wie ſie ſchon morgen fortkommen konnte. Der Morgen dämmerte ſchon herauf, als Leonorens Augen ſich endlich zum feſten traumloſen Schlummer ſchloſſen. Finſter und unheildrohend brach der neue Morgen an. Kein Sonnenſtrahl brach ſich Bahn durch den grauen bleifarbenen Himmel, der Sturm hatte ſich etwas gelegt, aber um ſo deutlicher vernahm man das dumpfe Rauſchen und Rollen des Rheins. n Steinweg, der dieſe Nacht auch wenig Schlaf gefunden, ſtand ſchon in früher Morgenſtunde im Garten. Drüben in N. läuteten die Sturmglocken und er wußte, was das zu bedeuten hatte. Die böſe Prophezeiung des alten Juſtizrates hatte ſich ſchon erfüllt, der ſtarke Damm war von den Fluten zerriſſen und eine furchtbare Ueberſchwemmung ge⸗ kommen. Wie gelähmt ſtarrte Steinweg auf die dunkle unheimliche Waſſermaſſe, die ſich näher und näher heranwälzte und in einer nie geſehenen Hohe und Ausdehnung die Umgebung überſchwemmte. Es war der furchtbar hohe Waſſerſtand des Rheins, der in N. den Damm durchbrochen hatte und nun weiter flutend überall das Verderben hinbrachte. In kurzer Zeit mußte das Waſſer die Fabrik⸗ gebäude Steinwegs erreichen, die Villa die etwa zehn Meter höher gelegen war, blieb wohl vor den Fluten geſchützt, aber die kleinen Häuſer der Arbeiter, in der Nähe der Fabrikgeände, waren unbedingt der Zerſtörung durch die hohen Waſſerwogen preis⸗ gegeben. N Die Leute kamen auch ſchon ſchreckensbleich aus ihren Wohnungen herausgeſtürzt. Einige Be⸗ ſonnene verſuchten ihre ärmlichen Habſeligkeiten noch zu retten, die meiſten aber flüchteten in wilder Auf⸗ regung nach dem Garten Steinwegs, und ſtarrten von dort aus auf die näher und näher kommenden Waſſermaſſen. FFortſetzung folgt.) —