Karlsruhe, 18. Juli. Das Mini⸗ ſterium des Innern hat ſoeben den Entwurf einer Landes⸗Bauordnung fertiggeſtellt und zur Begut⸗ achtung einer größeren Zahl gewerblicher Korpo⸗ rationen, u. a. den Handels- und Handwerkskammern zugehen laſſen. Der Entwurf enthält erſtmals Be⸗ ſtimmungen über die Feuerſicherheit in Warenhäuſern, Theatern und öffentlichen Verſammlungslokalen, ſowie Vorſchriften zur Regelung der Wohnungs- verhältuiſſe. Er kommt damit einem in den Kreiſen der Wohnungsreformer vielfach geäußerten Wunſche entgegen. Auf die Stellungnahme der gewerblichen Intereſſenten, beſonders der Hauseigentümer, wird man geſpannt ſein dürfen. f — Karlsruhe, 19. Juli. Das geſamte organiſierte Handwerk hat ſich nunmehr einſtimmig gegen den Befähigungsnachweis ausgeſprochen. „Im Laufe der letzten Wochen hatten die Konſtanzer und die Mannheimer Handelskammern gegen die aus Norddeutſchland kommenden Beſtrebung auf Einführ⸗ ung des Befähigungsnachweiſes entſchieden Stellung genommen. Jetzt hat ſich auch die Karlsruher Kammer gegen die Einführung des Befähigungsnachweiſes ausgeſprochen. In Uebereinſtimmung mit dem Ver⸗ band der badiſchen Handwerker⸗ und Gewerbevereine, der mit ſeiner Mitgliederzahl von 25 000 Handwer⸗ kern den größten Handwerkerverband im Deutſchen Reiche darſtellt, lehnt nunmehr das geſamte organi⸗ ſierte Handwerk in Baden den Befähigungsnachweis einſtimmig ab, fordert hinwegen eine Abänderung der Gewerbeordnung dahingehend, daß nur derjenige Lehrlinge halten und anlernen darf, der 24 Jahre alt iſt und die Meiſterprüfung beſtanden hat; außer⸗ dem vertreten die Handwerkskammern in Baden den Standpunkt, daß bei allen Vergebungen von Arbeiten diejenigen Handwerker in erſter Linie berückſichtigt werden ſollen, die berechtigt ſind, den Meiſtertitel zu führen. — Karlsruhe, 19. Juli. Zum Vereins⸗ geiſtlichen für innere Miſſion in Baden wurde ein⸗ ſtimmig Pfarrer Heinrich Günther aus Leibenſtadt bei Adelsheim gewählt. — Günther, der im 30. Lebensjahre ſteht, iſt ſeit vier Jahren Pfarrer in Leibenſtadt, vorher war er längere Zeit als Stadt⸗ vikar in Offenburg tätig. — Karlsruhe, 20. Juli. Wie verlautet, iſt demnächſt die Veröffentlichung einer Denkſchrift über die Errichtung von Sammelweihern und Tal⸗ ſperren im Gebiet des Wieſefluſſes zu erwarten. Die Schrift iſt von dem hydrographiſchen Bureau . und Straßenba arbeitet, auf deren Spitze der bekannte Waſſerbau⸗ techniker Geheimrat Honſell ſteht. der Oberdirektion für Waſſer — Schopfheim, 19. Juli. In dem be⸗ nachbarten Dorfe Maulburg brach heute nacht 1 Uhr ein Brand aus, der das von dem Pächter Johann Vetter bewohnte Wohnhaus nebſt Scheune vollſtändig in Aſche legte. Beim Aufräumen fand man heute morgen 8 Uhr auf der Brandſtätte eine gänzlich verkohlte Leiche. Man vermutet, daß es die des ehemaligen Blumenwirts Müller iſt, der ſeit heute nacht vermißt wird und dem das abgebrannte Haus gehörte. Wahrſcheinlich liegt Brandſtif⸗ tung vor. — Berlin, 20, Juli. Herzog Karl Eduard von Koburg⸗Gotha hat am Mittwoch ſelber die Regierung ſeines Landes übernommen, die bis jetzt vom Regenten, Erbprinzen Ernſt von Hohenlohe Langenburg geführt worden war. Letzterer hat in gewiſſenhafteſter und erfolgreichſter Weiſe ſeines verantwortungsreichen Amtes gewaltet und ſo den Boden für die Wirkſamkeit des jungendlichen Herzogs gut zubereitet. Hoffentlich führt dieſer die Regierung des ſchönen thüringiſchen Landes in der ſegens⸗ vollen Weiſe weiter, wie ſie vom Regenten Ernſt von Anbeginn bis jetzt geführt worden iſt. Zahl⸗ reiche Feſtlichkeiten, die zu Ehren des Regenten an⸗ läßlich der Niederlegung ſeines Amtes in Gotha während der letzten Tage veranſtaltet worden waren, haben Zeugnis von der großen Beliebtheit des hohen Herrn unter der gothaiſchen Bevölkerung abgelegt. Uebrigens hat der Regent dem Oberbürgermeiſter von Gotha, Liebetrau ſein Bild mit Widmung und eigenhändigem Begleitſchreiben überſandt. Es heißt in dem Schreiben: „Das Bild möge Ihnen ſagen, was ich mit Worten nicht auszudrücken vermag, nämlich die tiefempfundene Dankbarkeit für alles Gute und Liebe was ich und die Meinen in Gotha erfahren durften.“ — Berlin, 20. Juli. Es ſcheint erwartet zu werden, daß der Reichsſchatzſekretär eine kleine reduzierte Reichserbſchaftsſteuer, eine Brauſteuerreform und eine Tabakſteuervorlage im Herbſte den geſetz⸗ gebenden Körperſchaften des Reichs vorlegt. Die Reichserbſchaftsſteuervorlage iſt von vornherein dahin beſchränkt, daß Ehegatten und Deſzendenten nicht mit in Betracht kommen. Die Brauſteuer ſieht lediglich einen Ausgleich vor, der zwiſchen den größeren Brauereien und den mit minder vorzüg⸗ lichen Einrichtungen verſehenen Platz greifen ſoll, ermattet auf dem Sofa in ihrem Zimmer. Die Lampe, welche auf dem Tiſch ſtand, verbeitete ein gelbes Licht und erhöhte dadurch Hildas zarte Schön⸗ heit. Fräulein de Boiſſon las ihr vor, als ſie durch ein heftiges Läuten an der Haustüre leicht erſchreckt wurde. In der nächſten Minute trat ein Mann im Seemannsrock, die Mütze in der Hand haltend, in das elegante Gemach. Er ſchaute mit geblendetem Auge von der Franzöſin am Tiſche nach der weiß⸗ gekleideten Geſtalt auf dem Sofa hin, dann ſtreckte er mit einem ſehnſüchtigen Lächeln die Arme aus. Hilda ſtieß einen leiſen Schrei aus und warf ſich an ſeine Bruſt. Es war Kapitän Korneck. * EF ⁵˙üm ᷑⁵ .... „ * 2 Mit Sonnenunt Schlaf. Die Krankenflegerin, welche der Graf hatte kommen laſſen, war auf ihr Zimmer gegangen, um ein paar Stunden zu ruhen. Langenheim war ſeines Vaters Erkrankung wegen nach Hauſe berufen worden und ſo hielten der Graf und Kurt von Thiemer bei Werners Lager Wache. Die Septemberſonne ging in roter Glut unter; ie Dämmerung verſank in Nacht. In dem kleinen Haſthaus war alles zur Ruhe gegangen, kein Laut rachte die tiefe Stille, nur das Brauſen der Wogen, welche hoch an dem Felſen hinaufſpritzten. Das lackernde Licht der Nachtlampe warf geſpenſtige Schatten auf die weißgetünchten Wände und beleuchtete as bleiche Antlitz des Barons, wie es dort auf dem groben Kiſſen lag. Er war in den feſten Schlaf verſunken, welcher einer gänzlichen Erſchöpfung zu folgen pflegt. Gegen vier Uhr bewegte er ſich. Die Freunde hielten den Atem an; von ſeinem Erwachen hing 1 15 5 gang am dritten Tage ſeines Krankſeins verfiel Werner von Roßlingen in tiefen Leben und Tot ab. Welches von beiden würde es ſein? Es war Leben. Die blauen Augen begegneten den ihren ruhig — die Fieberhitze war von ſeinen Wangen und Lippen gewichen — ſeine Haut war feucht und von natürlicher Farbe. Als ſie ſich mit ſtockendem Atem über ihn beugten, lächelte er ſie friedlich an und dann ſchloß er zu neuem Schlaf die Augen. — Die beiden Männer reichten ſich über das Bett hinweg die Hände. Ueber die Augen Thiemers legte ſich ein Schleier und aus denen des Grafen fiel eine Träne auf Werners abgezehrte Hand herab, die auf der Bettdecke ruhte. i Am Morgen kam der Doktor. Nachdem er den Grafen und die Wärterin verſchiedene Fragen gerichtet hatte, winkte er den erſteren, ihm aus dem Zimmer hinaus zu folgen und hielt die Türe feſt zu, während er im Flüſtertone ſagte: „Die Sache hat eine gute Wendung genommen — das Fieber iſt bedeutend ſchwächer geworden — aber geiſtig leidet er noch ſehr. Die Dame iſt angekommen, ſagen Sie?“ „Ja, vor wenigen Minuten,“ antwortete der Graf gleichfalls mit gedämpfter Stimme. „Er mag ſie ſogleich ſehen; ich frage bald wieder nach. Guten Morgen.“ Der Graf legte die Hand Arm, um ihn zurückzuhalten. „Aber die Aufregung ?“ flüſterte er. „Wird ihm nicht ſchaden,“ lautete die Antwort. „Ihre Gegenwart wird ihn, wenn ich mich nicht ſehr täuſche, ſchneller kurieren als all meine Medizin. Sie mögen ihn auf ihren Beſuch vorbereiten, wenn Sie es für gut halten — aber regen Sie ihn nicht auf.“ — Damit ging er. Der Graf trat in das Krankenzimmer zurück und ſchickte die Wärterin unter einem geringfügigen Vorgeben hinaus. auf des Arztets iſt gekommen, Werner.“ damit die kleineren Brauereien neben den größeren und den mittleren weiter beſtehen können. Ob bei der ſtärkeren Heranziehung des Tabaks eine Erhöhung des Tabakzolles in Frage kommt, muß abgewartet werden. — Berlin, 20. Juli. Oberſt Deimling, der ruhmvolle Führer des zweiten ſüdweſtafrikaniſchen Feld⸗Regiments, weilt ſeit mehreren Wochen zur Kur in Baden Baden. Der ebenſo hochgebildete als tapferer Offizier, ein ſcharfſichtiger Beobachter von Land und Leuten, hegt von der Zukunft der Kolonie eine günſtige Meinung; das Klima ſei außerordentlich geſund; ſogenannte Erkältungskrank⸗ heiten kämen trotz des großen Temperaturwechſels beinahe nicht bor, man müſſe ſich nur gegen die Abendkühle ſchützen, das gegenwärtig ſtarke Auftreten des Typhus ſei nicht als ſtändige Erſcheinung an⸗ zuſehen. Wie andere Afrikakenner, warnt er davor, Buren in größerer Menge anzuſiedeln; dieſe ſeien ein ziemlich unfügſames Element, das ſich ſchwer in ein geordnetes Staatsweſen eingliedern laſſen. Zu dem in Ausſicht genommenen Gouverneur Lindequiſt dürfe man alles Vertrauen haben. Während der Oberſt von ſeinen eigenen Leiſtungen mit größter Beſcheidenheit ſpricht, iſt er der Aner⸗ kennung und des Lobes voll für unſere Truppen, die, wie er ſagt, an Mut und Todesverachtung im Gefecht und an Ausdauer in der Ueberwindung größter An ſtrengungen und Strapazen den viel⸗ bewunderten Japanern nicht nachſtänden. Wenn ein Patrouillenritt gegen die Hottentotten zu machen ſei, meldeten ſich immer zahlreiche Freiwillige, ob⸗ gleich ein ſolcher Ritt in vielen Fällen den ſicheren Tod bedeute. Daß es ſo ſchwierig ſei, die Häupt⸗ linge der feindlichen Stämme zu fangen, erkläre ſich daraus, daß dieſe ſich während des Gefechtes hinter der Front aufhalten und, wenn die Sache ſchief gehe, beizeiten an ihre Sicherheit denken. — Budapeſt, 19. Juli. Die Bäuerin Johanna Cſolany in Leutſchau, die ihren achtjährigen Jungen wiederholt bei kleineren Obſtdiebſtählen er⸗ tappte und deshalb gezüchtigt hatte, geriet bei einem neuen Vergehen des Jungen derart in Wut, daß ſie ſeine Händchen über das Herdfeuer hielt. Auf das Jammergeſchrei des gemarterten Kleinen herbei⸗ eilende Nachbarn entriſſen ihn der Mutter, doch waren die Hände bereits derart verbrannt, daß der Knabe dauernd verſtümmelt ſein wird, wenn er über⸗ haupt die Schmerzen überſteht. „Werner, alter Freund,“ ſprach er, während er ſich leiſe dem Bett näherte und ſich bemühte, ge⸗ faßt zu ſein, wobei er jedoch ſehr rot wurde, „ich hahe Ihnen etwas zu ſagen,“ Der Kranke wendete ihm langſam das Geſicht zu und ſah ihn fragend an. „Es iſt jemand oben — nein, unten wollte ich ſagen — der Sie zu — zu — zu —.“ Vier ſtockte der Graf. Werner wendete den Blick nicht von ihm, und eben dieſer ruhige, ernſte Blick ver⸗ wirrte den Grafen dermaßen, daß er ohne weitere 1 Umſchweife mit dem Geheimnis herausplatzte: „Sie Sobald die Worte von ſeinen Lippen waren, ſah er den Freund voll banger Beſorgnis an, um die Wirkung der haſtigen Mitteilung zu erwarten. Werner jedoch ſchien völlig ruhig, nur ein wenig überraſcht. „Wer iſt gekommen?“ fragte er mit matter Stimme. „Können — können ſie es nicht erraten?“ entgegnete der erregte Graf, während er ſich inner⸗ lich ſchalt, die Sache zu ungeſchickt augefangen zu haben. 5 Mit einer beinahe übermenſchlichen Anſtregung richtete ſich der Kranke im Bett auf; ein freudiges Licht glänzte in ſeinen Augen und eine dumpfe Röte färbte ihm Stirn und Wangen. Der Graf ſah, daß er richtig geraten hatte. „Ich muß ſie ſehen! rang es ihm von den Lippen, indem er laut atmend in die Kiſſen zurück ſank, alles Blut ihm nach dem Herzen zuſtrömte und Stirn und Wangen totenbleich ließ. n „Um des Himmels willen, bleiben Sie ruhig, Freund!“ beſchwor ihn der Graf, während es aus dem Zimmer ging. 91 5 (Fortſetzung folgt.)