Preis vierteljährlich Mark 1.— Redaktion, Druck und Verlag der irſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. mit illuſtriertem Sonntagsblatt frei ins Haus. Hofbuchdruckerei Karl Molitor, Ladenburg. —— Dienſtag, den 29. November Anzeigen: Die einſpaltige Garmondzeile 10 Pfg. Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Reklamen 20 Pfg. ö Anzeigen welche am Tage des Erſcheinens bis Nachmittags 2 Uhr eintreffen finden ſofortige Aufnahme. Bei größeren Aufträgen Rabatt. rabend großer politiſcher Reformen. In der ruſſiſchen Volksſeele vom einfachen auern bis zum Träger der Zarenkrone hinauf pollziehen ſich gegenwärtig ohne jeden Sweifel hr bemerkenswerte Vorgänge. Sie kommen lerdings ſehr verſchiedenartig zum Ausdrucke, ls Erregung und Sorn über den unheilvollen 11 rieg mit Japan, als dumpfe Gährung und 0 14A illes oder offenes Murren über Kegierungs⸗ oft ſaßregeln, die man für verfehlt hält und 1 Ln ließlich als ſchüchternes oder lautes Verlangen nd Streben nach gewiſſen Reformen im eiligen ruſſiſchen Reiche. Daß die Gährung er Unwille und der Verdruß über gewiſſe ückſtändige Zuſtände und Mißerfolge in Kuß⸗ Add ig u lh ud ſelbſt bis in die höchſten Kreiſe gedrungen eng „ zeigte ſchon die Ernennung des liberal eltenden Fürſten Swiatopolk⸗Mirsky zum ein, 2 Miniſter des Innern und die Einberufung des Semſtwos, das ſind eine Art beratende Prozin⸗ jalpertreter zu einem gemeinſamen Kongreß urch den Saren Nikolaus geladen. Auch eint die ruſſiſche Seuſurbehörde von dem Miniſter des Innern jetzt inſofern ine andere Juſtruktion zu haben, daß es bis uf weiteres den ruſſiſchen Seitungen geſtattet an Uebelſtänden der ruſſiſchen Verwaltung und Uebergriffen der Beamten eine kleine Kritik zu üben. Aber trotz dieſer deutlichen zeichen für das Beſtreben in Rußland, die dort vorhandene Hährung und Unzufriedenheit durch einige neue Maßregeln zu beſchwichtigen glauben wir an die Einführung großer poli⸗— ſcher Reformen nicht, weil Reformen, die Einführung eines Verfaſſungsſtaates in ußland führen könnten, dort noch ganz un⸗ 8 möglich ſind, wenn nicht etwa der Ausbruch einer großen Revolution die Verfaſſung er⸗ zwingt, was aber nicht wahrſcheinlich iſt. Ruß⸗ land hat noch keine Seit der Aufklärung durch⸗ gemacht wie die weſteuropäiſchen Staaten vor mehr als hundert Jahren, Kußland beſitzt daher auch gar keine öffentliche Meinung und keine freie Preſſe. Dabei ſitzt dem geduldigen und ſeit Jahrhunderten an Gpfer und ſklaviſchen Gehorſam gewöhnten ruſſiſchen Volke eine all⸗ mächtige, ebenſo brutale als raffinierte Beam⸗ tenherrſchaft im Nacken. Was ſollte wohl ein ſolches Volk mit einer freiheitlichen Staatsver⸗ ſaſſung anfangen ? Da wäre tatſächlich die größte Gefahr vorhanden, daß die Kuſſen die ihnen plötzlich geſchenkte politiſche Freiheit mißbrauchen und in einen Kadikalismuß und in ſchlimme politiſche Leidenſchaften geraten würden, die einen viel ſchlimmeren Suſtand in Rußland erzeugen würden wie es jetzt dort vorhanden iſt. Es müßte alſo für Rußland eine Art Uebergangsperiode geſchaffen werden. Aber es fragt ſich auch noch, ob dieſe ſchon erreichbar iſt. Swar iſt an dem guten Willen des edlen und menſchenfreundlich geſinnten Saren Nikolaus nicht zu zweifeln, und durch die Einberufung des Semſtwos hat der Sar ja auch gezeigt, daß er mit dem abſoluten Kegiment, wonach die Regierenden alles allein für den Staat beraten und entſcheiden ſollen, brechen will, aber es fragt ſich nur, ob der Sar lange genug ſtandhaft bleiben wird, um den Semſtwos Einfluß auf die Geſetzgebung und deren Ausführung und Einfluß auf die Steuer⸗ und Geldbewilligungen einzuräumen. Die Beamtenherrſchaft iſt in Rußland zu mächtig und das Beamtenheer zu groß, als daß ſich der Sar deſſen Einfluß entziehen könnte. Es nicht einmal alle dem Saren unterbreitet wor den teuern Beruf zurückkehren werde. 1904. iſt ſogar wahrſcheinlich, daß die lange Keihe der Bitten und Wünſche der Semſtwos noch — — ſind, denn die ruſſiſche Beamtenwillkür ſchafft alles aus der Welt, was ihr nicht in den Kram paßt. Aber ſchwer, ſehr ſchwer laſten die japaniſche Siege auf der ruſſiſchen Volks⸗ ſeele, und wenn die Japaner noch öfters ſiegen dann ſteigen die Ausſichten auf Reformen in Rußland. Verſchiedenes. Ladenburg, 28. Nov. Die hieſige evangeliſche Gemeinde und mit ihr weitere Kreiſe der hieſigen Bevölkerung haben einen ſchweren Verluſt zu beklagen. Am vorigen Freitag ver⸗ ſchied nach kurzem Krankſein Herr Stadtpfarrer Sievert. Leider machte ſich bei dem Ent⸗ ſchlafenen ſchon ſeit einigen Wochen eine gewiſſe Abnahme der Kräfte bemerklich. Aber man hoffte, daß er mit ſeinem eiſernen Willen ſich wieder aufraffen und neu geſtärkt in ſeinen ihm ſo Leider ſollte es nicht der Fall ſein. Ein ſanfter Tod erlöſte ihn in den Morgenſtunden des 25. November von ſeinem ſchweren Leiden. Und ſo verſammelte ſich dann am vorigen Sonntag eine ſehr große Zahl Leidtragender in der hieſigen evangeliſchen Kirche, um dem Entſchlafenen den letzten Scheidegruß zu entbieten. Mit beſonderer Anerkennung ſei erwähnt, daß Angehörige aller Konfeſſionen ſich an dieſer Trauerfeier beteiligten. Von auswärts waren zahlreiche Amtsbrüder und ſonſtige Freunde des Verewigten erſchienen, außerdem die Burſchenſchaft Franconia von Heidelberg mit ihrer Fahne und ihren ſämtlichen Aktiven. Bald nach 3 Uhr erhob ſich die Trauerverſammlung. Mit⸗ glieder des evangeliſchen Kirchengemeinderats Enterbt. Nach dem engliſchen frei bearbeitet von Klara Rheinau. 36. Fortſetzung. (Nachdruck verboten,) chlimmer machen, dies iſt der Kummer meines Lebens,“ ſagte ſie — „der Kummer, der wie eine chwere Wolke über mir hängt und alle Hoffnungen hüſtert, meinen Nächten den Schlaf raubt. chaftlich liebe, mir den Schimpf und die Schande herzuſtellen, die ein Geſchlecht treffen müſſen, das ſiemals Unehre gekannt hat — dies alles hat ir ein Weh bereitet, für welches er kein Heil⸗ mittel gibt.“ ö 3 fühle tief mit Ihnen,“ ſagte er nun anft. „Niemand weiß, was ich teide“, bemerkte ſie. „Wenn ich durch das Opfer meines Lebens Lance⸗ wood retten könnte, ich würde es tun.“ „Aber dieſe Freunde Lady Neßlie's — wer wer ſind ſie ?“ „Ich kann es Ihnen nicht ſagen. Es ſind 2 oder 3 Militärs — die den ganzen Tag Billard ſpielen und Kognak trinken. Die Damen — nun, ſie gleichen in keiner Weiſe den Damen meiner Neßlie.“ Bekanntſchaft; ſie disputieren den gauzen Tag miteinander; nur in einem ſind ſie alle einig — in Lobreden und Schmeicheleien für Lady „Warum verlaſſen Sie die Abtei nicht?“ fragte er. „Sie müſſen ſich ſehr unbehaglich dort a „Nein, meine Einmifchung würde alles noch berdunkelt — der Kummer, der meine Tage ver⸗ Das deim herabgewürdigt zu ſehen, das ich ſo leiden- Inſi fühlen.“ a „Gewiß,“ erwiderte ſie, „aber ich darf Lan⸗ wood nicht verlaſſen, Lord St. Juſt, weil mein Vater die Ehre ſeines Hauſes meinen Händen an⸗ vertraute.“ Und drun erzählte ſie ihm von dem Teſtament. „Wenn Ihr Vaier ſich nun dieſer gewich⸗ tigen Worte bediente, ſo muß er doch Zweifel über ſeine Gattin gehegt haben,“ ſagte Lord St. a „Ich bin deſſeu ſicher, aber mein Vater war zu edel, um deuſelben Ausdruck zu verleihen. Ich komme mir vor, wie an einen Felſen gekettet; ich ſehne mich fort zu kommen und weiß doch, hier häit mich die Pflicht zurück.“ „Und welcher Art iſt der Knabe, der Lance⸗ wood erben ſoll? Wie alt iſt er?“ „Beiuahe ſechs Jahre — ſehr geſcheidt, aber nicht offen, nicht wahrheitsliebend. Unter ſtrenger Disziplin würde vielleicht ein tüchtiger Mann aus ihm werden, ſo aber iſt er auf dem Wege zum Ruin. Seine Mutter hält ſeine Unarten für Geſcheidtheit, Der Himmel ſtehe Lancewood bei, wenn es in ſeine Hände fällt!“ 5 1 er war überraſcht durch den Ausdruck geduldiger wünſchte daß ich bis zu Oswalds Großjährigkeit Bbögel; ſie bewunderten die herrliche Natut; ſie „Dies iſt eine traurige Geſchichte,“ ſagte Lord St. Juſt gedankenvoll. „Der Ruin und Verfall gar manchen alten Hauſes iſt auf eine törichte Heirat zurückzuführen, glaube ich. O, könnte ich Ihnen nur in irgend efner Weiſe helfen, Miß Neßlie!“ Sie erhob ihr ſchönes Antlitz zu ihm und Ergebung in den edleu Zügen. „Für mich gibt es keine Hilfe,“ „ich muß ausharren in Gedulb.“ „Aber,“ ſagte er ernſt, „Sie beabſichtigen doch gewiß nicht, Ihr ganzes Leden in einer Geſellſcheft zu verbringen, die Ihnen verabſcheuenswert ſein muß?“ „Ich muß meinem Vater gehorchen. Er ſagte ſie; in Lancewood bleibe. Nur der Himmel weiß, was aus dem Hauſe werden würde, wenn ich es verließe.“ „Aber Sie werden ſich verheiraten, Miß Neßlie,“ ſagte er leicht, errötend. „Niemals,“ erwiderte ſie ernſt. „Ich habe uie daran gedacht. Aber ſehen Sie, Lord Juſt — der Schatten der Bäume fällt ſchon über uns, die Sonde geht unter — wir müſſen gehen.“ Er ſchritt an iheer Seite durch den Park; ſie plauderten von der untergehenden Sonne und den fernen Bergen; ſie lanſchten dem leiſen Geſang der