— Schwetzingen, 6. Juli. Während geſtern nachmittag die Ehefrau des Taglöhners Ludwig Reichert auf kurze Zeit ſich aus der Wohnung entfernt hatte und ihr fünf Monate altes Bübchen ohne Aufſicht allein im Wagen ließ, iſt das arme Kind durch den Schnuller, der in den Hals geriet, erſtickt. Sofort angeſtellte Wiederbelebungsverſuche blieben erfolglos. — Mannheim, 7. Juli. Auf dem der den Fracht⸗ und Perſonendampfer „Siegfried“, der hier im offenen Rhein vor Anker liegt, iſt heute mittag beim Reinigen des Dampfkeſſels eine Exploſion erfolgt, wobei vier Matroſen ſchwer verletzt wurden. Alle vier befinden ſichim Krankenhaus. — Karlsruhe, 6. Inli. Bei der Ent⸗ meiſter Schnetzler eine nicht unzeitgemäße Rede gehalten, wobei er der unvergleichlichen Staats⸗ kunſt des erſten Reichskanzlers die moderne Salon⸗ diplomatie gegenüberſtellte. Nicht als ſchlauer Auskundſchafter und gefügiger Vollſtrecker jeder Wunſchesregung iſt Bismarck dem alten Helden⸗ kaiſer zur Seite geſtanden, ſondern als der offene Ratgeber, der auch mit der unverwünſchten, ſelbſt mit der bitteren Wahrheit nicht zurückhielt, wenn die Treupflicht ihm gebot, ſie zu ſagen. Leicht und bequem trägt ſich die biegſame Gerte beim Spaziergang auf geebneten Pfaden, aber Halt und Sicherheit bei ſchwierigem Aufſtieg bietet doch nur der feſte wider ſtehende Stab. Nichts beſſeres alſo können wir dem deutſchen Kaiſertum wünſchen, als daß ihm auch in künftigen ernſten Zeiten je⸗ weils eine ſo zuverläſſige, wenn auch knorrige und rauhe Stütze zur Hand ſein möge, als es Bismarck war. Ein Realiſt iſt er geweſen, aber gewiß nicht im Gegenſatz zum Idealen, ſondern nur im Gegenſatz zu allem hohlen Glanz und Schein, zum Phraſentum und zur pathetiſchen oder ſenti⸗ mentalen Komödiantenhaftigkeit, das möge uns ſein Bildnis vom granitenen Sockel herunter lehren, daß wir unſern Sinn dem Kern der Dinge und nicht ihrer Schale zuwenden, daß wir mehr nach dem guten Erfolg als nach dem lauten Bei⸗ fall ſtreben und daß eine einzige wackere Tat tauſend Mal wertvoller iſt als ein ganzes Meer voll ſchöner Worte. Mut und Kraft haben ge⸗ flammt in ſeiner deutſchen Seele. Nun kann ja freilich ein Staatsmann auch vermittels glatter Geſchmeidigkeit durch zahlreiche Hinderniſſe heil „Antonie,“ rief der Fremde wieder, und ſeine heiſere Stimme klang immer angſtvoller, „haſt Du mich vergeſſen? Es kann ja nicht ſein! Sprich mit mir! Sage doch den Fremden da, daß ich Dein Oswald bin!“ Die eingeſunkene Geſtalt richtete ſich hoch auf. „Sage nicht daß Du mich nicht kennſt!“ „Ich kenne Sie nicht!“ klang es bebend von den Lippen der jungen Witwe; ihre Stimme ſchien eine ganz andere geworden zu ſein. „Sie verläßt mich! So hält ſie die Treue, die Sie mir geſchworen hat!“ ſchrie der Fremde auf. Jäh griff er gleichzeitig nach ſeiner Bruſt und ein dunkler, heißer Blutſtrom qnoll über ſeine Lippen. Erſchüttert ſprang Eberhard hinzu; er fing den Wankenden in ſeinen Armen auf und legte ihn behutſam auf ein Sofa. Noch immer quoll das Blut in großen Tropfen über die farbloſen Lippen. Ueberwältigt von Schmerz und Reue, ſank Antonie neben dem Jugendgeliebten nieder. „Oswald,“ flüſterte ſie, „vergieb mir! Ich war feige, ich war ſchlecht, ich wußte nicht, was ich ſprach. Vergib mir, ſieh mich an! O, Oswald, ſtirb nicht!“ Und ſie drückte ihre Lippen auf ſeine abgezehrten Hände. Frau Müller ſah ſchweigend vor ſich nieder. Sie wußte, dieſer Liebe gegenüber war ſie macht⸗ los, und machte darum keinen Verſuch mehr, die Täuſchung noch länger aufrecht zu halten. „Sage ihnen die Wahrheit, Antonie!“ flüſterte der Kranke, deſſen Augen ſeltſam zu leuchten be— gannen. „Sage ihnen wer wir beide ſind. Laß mich nicht ſterben mit dem Schmerz, daß Du etwas Beſſeres ſein wollteſt als ich bin. Sage ihnen daß Du mich geliebt haſt!“ „Ja, mein geliebter,“ antwortete Autonie feſt, Niederländiſchen Dampfſchiffs⸗Geſellſchaft gehören⸗ hüllung des Bismarck⸗Denkmals hat Oberbürger⸗ Blutes ſind ſtärker, auf die Knie und unverſehrt hindurchſchlüpfen, aber große Ziele wird er damit allein niemals erreichen; denn die erſchließen ſich, wie die ganze Geſchichte der Menſch⸗ heit lehrt, doch immer nur dem kühnen Wagemut, ſie wollen erkämpft und nicht erſchmeichelt ſein EL und jedenfalls hätte unſer deutſches Reich in der milden Temperatur freundlichen Diplomaten⸗ lächelns nicht zuſammengeſchmiedet werden können. Ewig bleibt es war, daß man erſt ſelber warm ſein muß, um zu erwärmen, daß man erſt ſelber brennen muß, um zünden zu können. Wir aber, die wir an Bismaucks Denkmal vorübergehen, wir wollen beachten, daß, der da oben ſteht, nicht nur ein Weiſer, ſondern auch ein Held geweſen iſt und daß er nur ſo dem Vaterlande wirken konnte, was er gewirkt hat. Die große Zeit der natio⸗ nalen Einigung, der ſchweren Uämpfe und ruhm⸗ vollen Siege, womit das Reich erſtritten wurde, iſt nun in die Vergangenheit geſunken und eine neue Zeit mit neuen Problemen und neuen Auf⸗ gaben iſt über unſerm Volk heraufgezogen. darin iſt kein Wandel eingetreten, daß wir in kleinlichem Hader und Streit, in eitlem Schein⸗ weſen und Phraſentum unfähig ſein würden zur Aber Betätigung ſchöpferiſcher Kraft, daß wir zu neuen glorreichen und beglückenden Errungenſchaften nur gelangen können, wenn wir über alles Trennende hinaus feſt zuſammenhalten in treuem uneigen⸗ nützigem Dienſte für die heilige Idee des Vater⸗ landes. — Lorſch a. B., 5. Juli. Der unter dem Verdachte des Mords an dem Polizeidiener Schneller dahier inhaftierte Arbeiter Roſenberger legte zu Hauſes gefäͤngen gehalten. 10 — Aus der Pfalz, 6. Juli. Am Sonn tag machte eine Geſellſchaft aus Alzey einen Aug, flug nach Hardenburg und beſuchte auch die Fu 1 ruine. Im ſog. „Hungerturm“ öffnete ein 55 adele empf den Deckel vom „Verließ“, um dasſelbe genen 1 1 beſichtigen zu können; er bekam aber dabei das len, Hause Uebergewicht und ſtürzte vor den Augen ſeſheg gg. Vaters in die Tiefe. Schwerverletzt wurde der 2 i junge Mann wieder herausgeſchafft und in daz 1 8 ſtädtiſche Krankenhaus nach Dürkheim verbracht. Wie verlautet, hat er einen Rückgratbruch einige Rippenbrüche erlitten. — Straßburg, 7. Juli. In Waltenheim (Kreis Straßburg⸗Land) löſte ſich in einer Gigs, mt grube eine gewaltige Menge los und verſchütkete 1 im Sache 7 Arbeiter, welche ſich gerade unterhalb der 10 5 Platte aufhielten. 3 Arbeiter blieben tot, die Indwig andern ſind ſchwer verletzt. Metz — Fürth, 5. Juli. In einer engen Gaſe ſtürzte infolge Radbruches ein hochbeladener Bret⸗ ohne terwagen um und begrub eine auf dem Buürger⸗ J gumern ſteig gehende Bauersfrau mit ihrer 13jährigen 6 59 ae gan 1. F bar Eng mier und ſdſe Woh een 2 Zimmer, Tochter unter ſich. Beide waren ſofort kot, — Nürnberg, 7. Juli. In dem Dorfe Speitern unweit Lauf hat ein Bauer ſeine Stef, ſchweſter 16 Jahre lang in einer Kammer feines Er hatte ſeinerzeit ausgeſprengt, daß das Mädchen nach Amerikg ausgewandert ſei. Infolge einer Denunzigtion ſah ſich die Gendarmerie zu Ermittelungen ver, n. 5 anlaßt und fand das Mädchen vollſtändig per⸗ in möblie wahrloſt, zum Skelett abgemagert, eine Beute des 94 ö Ungeziefers. Es mußte in das Krankenhaus ge⸗ Zimn bracht werden. tumieten. Mitte der letzten Woche ein umfaſſendes Geſtänd⸗ nis ab und wurde alsdann in das Landgerichts⸗ gefängnis nach Darmſtadt überführt. Von In⸗ tereſſe dürften die Vorgänge ſein, die der blutigen Tat des rohen Geſellen alsbald folgten. Roſen⸗ berger trieb ſich nach dem verhängnisvollen Zu⸗ ſammentreffen mit Schneller ganz frei in der nächſten Umgegend herum und betrat am ſelben Morgen eine Wirtſchaft zu Klein-Hauſen. Mit einem in der Wiitſchaft anweſenden Handelsmann fing er alsbald ohne Urſache Streit an und drohte dem erſchreckten Manne, indem er ihm einen Re⸗ volver entgegenhielt, mit den Worten: „Reicht der für Dich?“ Dann zog er auch einen Dolch her⸗ vor und meinte: „Wenn der nicht reicht, ſo reicht vielleicht der?“ Die Angaben des Handelsmannes führten zur ſpäteren Verhaftung des frechen Geſellen. „dieſen Wunſch will ich Dir erfüllen. Oswald Berg hat recht, meine Herren. Im Augeſicht des Todes kann ich nicht lügen. die Tochter des Tagelöhners Braun und dieſe Frau da iſt meine Tante, die Schweſter meiner Mutter, welche letztere bei meiner Geburt ſtarb. Sie hat es gut mit mir gemeint, als ſie die vater⸗ und mutterloſe Watſe in die leergewordene Wiege des Oberförſters legte. Herr Wendt hat mich vor der Welt als ſein Kind erzogen, aber ich habe es früh erfahren, dbß ich das in Wirklichkeit nicht war, und zwar durch ihn ſelbſt, denn er liebte mich nie. Die vornehmen Leute haben mich alle nicht geliebt. Das Arbeiterkind war ihnen, ohne daß ſie es wußten, unſympathiſch, und auch ich fühlte mich nicht zu ihnen hingezogen; ich fühlte mich ſtets wohler unter einfachen Leuten; die Bande des als man denkt. Reich und Ich bin von Geburt „Auch ohne das Majorat bleiben Ihnen die eich⸗ vornehm war ich vor der Welt, aber ich wußte, ö daß der Stand erborgt war, daß ich von den Aller⸗ nächſten tief im Herzen als ein widerwärtiger Ein⸗ dringling augeſehen wurde. mich die Liebe, die mir dieſer Mann eutgegenbrachte; es war die erſte, wirkliche Neigung, die der Waiſe zuteil wurde, und ſie erfüllte mein Herz. Dieſe Deshalb berauſchte — Warſchau, 6. Juli. In einer Straße im Zentrum der Stadt wurden die 70 Jahre glie Fabrikantenwitwe Goldmann und ihr Dienſtmädchen in beſtialiſcher Weiſe ermordet. Die Unterſuchung ergab, daß der Handlungsſchüler Alexander Iden⸗ . gert, J Wohn s 2 Zimm ſohn den Mord begangen hat, um ſich durch Be⸗ Mente. raubung der Goldmann die Mittel zu einer katdrich 8 Studienreiſe nach Sachalin zu verſchaffen. he Wol Kalser Borax Wüpp d 5 Zum taglichen Gebrauch im W i Süwarf Das unentbehrlichste Toilettemittel, verschönert den Teint, macht zarte weisse Hände. Nur echt in roten Cartons zu 10, 20 und 50 Pr. Kailser-Borax-Seife 50 Pf. — Tola-seife 28 Pf. Spezialitäten der Firma Heinrich Mack in Ulm . D. vern en ein an a hin möb n inplnen H gat die Exped wh ohr dächnt, sofort Ma us N. Au gekilt zu ale oh! Sind Sie mit dieſer Erklärung zufrieden, meine Herren, oder verlangen ſie noch eine ſchniftliche Verzichtleiſtung von mir? Dann will ich Ihnen ſelbſt dieſe ausſtellen!“ „Ihre Erklärung genügt uns volkommen, gnädige Frau,“ erwiederte Weſten achtungsvoll. lichſten Subſiſtenzmittel.“ Antonie nickte. „Noch heute verlaſſe ich Schloß Thurin!“ Sie beugte ſich über den Krauken, der während ihrer Erklärung kein Auge von ihr gewand hakte. „Nun bin ich Dein;“ flüſterte ſie und heiße Tränen tropften langſam auf ihn nieder. „Hab' Dank!“ ſagte der Sterbende leiſe, „Ich war nicht brav, aber Dich habe ich immer geliebt. Vergib mir — alles, — ich war doch — ah un 2 81 Dein Oswald!“ . r art zu v Die letzten Worte verklangen wie ein Seuf⸗ f zer; dann breitete ſich die Ruhe des Todes über die fahlen Züge. Woh „Es iſt zu Ende!“ ſagte Autonie leife und . 5 ließ die Hand, die ſie in der ihrigen gehalten, 70 dug ſinken. Sie war ganz ruhig geworden. „Seine 2 fare letzten Worte waren richtig. Er hat viel getan, ce ö was er nicht hätte tun ſollen, aber er war doch nöbliettes Liebe zu dem einfachen Jäger war das Glück meines Lebens, mein erſtes, mein einziges Glück!“ hielt inne und preßte hochaufatmend die Hände auf das Herz. Dann fuhr ſie fort: „Ich verzichte hiermit auf das Majorat für mich und mein Kind, den Sohn des Barons Hans von Thurin, und bitte um Verzeihung, daß ich dies Geſtändnis nicht gleich nach dem Tode meines Gatten abgelegt habe, aber damals konnte ich mich nicht dazu ent⸗ ſchließen, zu ſagen, daß ich ein Kind niedriger Her— kunft ſei. Dennoch wäre es für mich beſſer ge⸗ weſen. Die Komöde, die ich zu ſpielen gezwungen war, hat mir nur Kummer und Sorge verurſacht. Sie mein Oswald. Nun will ich auch gehen, aber eine Bitte habe ich noch. Laſſen Sie die Frau dort nicht noch nachträglich dafür beſtrafen, daß ſie das Kind ihrer Schweſter liebte und ihm ein ſorgen⸗ freies Leben bereiten wollte!“ Eberhard machte ein Gebärde des Unwillens und Weſten beeilte ſich, zu verſichern, daß davon unter keinen Umſtänden die Rede ſein würde. Antonie trat jetzt dicht vor Eberhard hin und ſah ihm ſtarr in das erregte Antlitz. 5 (Fortſetzung fol ˖