Ar. 92. und Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. f 9 Preis vierteljährlich Mark 1. 1 8 mit illuſtriertem Sonntagsblatt frei ins Haus. Redaktion, Druck und Verlag der Hoſbuchdruckerei Karl Molitor, Ladenburg. Umgehung. Anzeigen: Die einſpaltige Garmondzeile 10 Pfg. Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Reklamen 20 Pfg. Anzeigen welche am Tage des Erſcheinens bis Nachmittags 2 Uhr eintreffen finden ſofortige Aufnahme. Bei größeren Aufträgen Rabat „ 5. November Heutſchland und England. Die in ausländiſchen wie auch in deut⸗ ſchen Blättern aufgetauchten ſenſationellen Aus- ungen der Bedeutung des gegenwärtigen Muchs Kaiſer Wilhelms bei ſeinem könig⸗ chen Oheim Eduard VII., welche dahin gingen, daß hierbei eine förmlich deutſch-engliſche Ber⸗ Mndigung über die künftige Vertheilung des Poriugiſiſchen Colonalbeſitzes in Südafrika zu warten ſei, haben ſoeben von ſehr compe⸗ Riier Stelle aus ein entſchiedenes Dementi fahren. Der engliſche Premierminiſter Bal⸗ ur ſelber hat in ſeiner großen politiſchen Ride beim Londoner Cordmaporsbankett die Herüchte, welche ſich an die engliſche Reiſe Aaiſer Wilhelms geknüpft hatten, als „wilde hantaſtiſche Erfindungen“ gekennzeichnet, die Blätternachrichten über Verhandlungen beim ſehigen Kaiſerbeſuch jenſeits des Kanals wegen er Entſchädigung Deutſchlands in China i den angeblich geplanten Uebergang der Helagoabai in den Beſitz Englands ſind dem⸗ ach in das Gebiet müſſiger Combinationen verweiſen. Ein ſolcher politiſcher Huh⸗ handel mußte allerdings auch von vornherein Ils kecht unwahrſcheinlich gelten, ſchon deshalb, weil etwaige commerzielle Vortheile für Deutſch⸗ land in Schanghai und in Vangtſethale die ſchwere Benachtheiligung der deutſchen Inter⸗ een in Oſt⸗ und Südafrika, welche eine Beſitz⸗ igreifung der Delagoabai durch England zu bedeuten hätte, gewiß nicht wettmachen würden. Sicherlich iſt aber Haiſer Wilhelm überhaupt Nicht zu ſeinem Familienbeſuche in Sandringham ausgezogen, um dann mit demſelben die Be⸗ Reibung derartiger weitgreifender Abmachungen wr ren —— 1902. — — Deutſchland wegen der kurzen Unterredung, mit welcher der Kaiſer den engliſchen Colonial⸗ miniſter Chamberlain vor der Sandringhamer Hirche beehrte, wahrlich keine Kopfſchmerzen bereiten. Das Nämliche kann ſicherlich auch vom Empfange des engliſchen Miniſters des Auswärtigen Lord Cansdowne in Sandringham durch den kaiſerlichen Gaſt behauptet werden, und ebenſowenig iſt in den flüchtigen Beſprech⸗ ungen deſſelben mit dem Premierminiſter Balfour und mit dem Uriegsminiſter Brodrick ein irgendwie bedeutungsvollerer Vorgang zu erblicken, offenbar hat es ſich bei all dieſen Swiegeſprächen des erlauchten Monarchen mit den engliſchen Miniſtern lediglich um allgemein⸗ politiſche Erörterungen und Betrachtungen ge⸗ handelt. Die hie und da in der öffentlichen Meinung Deutſchlands laut gewordenen Beſorgniſſe, daß der jüngſte Aufenthalt Kaiſer Wilhelms auf engliſchem Boden eine intimere Geſtalt um des officiellen deutſch-engliſchen Verhältniſſes, viel⸗ leicht gar ein Einlenken der deutſchen Politik in das Fahrwaſſer der britiſchen Politik, nach ſich ziehen könnte, ſind daher zweifellos nicht begründet. Es iſt ja auch in der gegenwärtigen Weltlage kein ſichtlicher Anlaß vorhanden, der es Deutſchland und England als gerathen er⸗ ſcheinen laſſen würde, ſich enger aneinander zu ſchließen, im Gegentheil, wenn nicht alles täuſcht, ſo ſpielen gerade jetzt zwiſcheu den beiden Mächten gewiſſe Schwierigkeiten handels⸗ politiſcher Natur in China, die zu ihrer Bei⸗ legung vielleicht noch einen gegenſeitigen diplo⸗ matiſchen Meinungsaustauſch der Cabinete von Berlin und London nöthig machen dürften. Und ſelbſt wenn die beiderſeitigen Regierungen ein innigeres Hand⸗in⸗Hand⸗Gehen Deulſchlands und Englands erſtreben ſollten, zu verbinden, man braucht ſich deshalb in g Heimathlos. 5 Roman von L. Ideler⸗Derelli. 30. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.) Wir kamen ſpät, und die jungen Leute ver⸗ Hhügten ſich bereits mit allerlei Spielen; eine ganz junge Dame, mehr noch ein übermüthiges Kind, heluſtigte die Anweſenden damit, daß ſie ihnen aus den Linien der Handfläche die Zukunft verkündete. gab viel Scherz und Gelächter, und als ich eintrat, rief man allgemein: hin, ſie verfolgte die Linien mit großer Aufmerk⸗ ſamkeit, dann ſah ſie mich einen Augenblick ernſt an und ſagte: „Nicht in Erfüllung gehende Wünſche“, und ließ meine Hand ſinken. Da begegnete mein Blick den dunklen Augen Eberhards, und ich erkannte plötzlich deutlich den einzigen Wunſch meines Lebens. Er ging nicht in Erfüllung.“ „Ward auch er treulos?“ fragte Thekla mit Bitterkeit. „Er ward niemals treulos, denn er hatte keine Verpflichtung mich zu lieben,“ entgegnete Urſula 98 ernſt. „Aber er ging an mir und allen meinen Schlöſſern vorüber ei in armes Fräulein S orüber und heirathete ein arme 10 N 5 0 5 5 den feinen Diplomaten, der ſich Zeit ſeines Lebens 10 5 f e 3 5 0 das Feuer auf ſeinem Leibe erweckt wurde. aus Neigung. An mich hat er niemals gebacht und hat auch meine Liebe nie erfahren; ich aber konnte mich nicht entſchließen, einen Andern zu f „ „ N 1 8 Hambach die Zukunft, Ursula r cen der Geiſtliche mit freundlichem Gruß auf Fräulein 30h hielt willi 1 15 Mädchen 1 Hand Arſula zutrat und ihr die Hand bot, betrachtete ihn 10 lag 0 Thekla intereſſirt. Er war ein kleiner, ſchmächtiger heirathen; mein Frühling war in der Knoſpe ver⸗ welkt, und das Herz blieb kalt. So blieb trotz aller Anträge die reiche Erbin unvermählt, weil ſte den einen Traum nicht vergeſſen konnte.“ Die Greiſin ſchwieg, und ihre Augen ſchloſſen ſich müde. Thekla aber rang nach Faſſung, denn ſie fühlte immer wieder, daß auch ſie den Traum ihres Herzens nicht vergeſſen konnte. Da klopfte es leiſe an die Thür, ein Diener trat ein und meldete den Herrn Kaplan. Den Damen war die Unterbrechung willkommen, und als Mann, unter Mittelgröße, den Kopf bedeckte eine Fülle lichtbraunen, lockigen Haares, aus dem die Conſur ſcharf hervortrat, ein Paar weicher blauer Augen leuchtete mild und klug zugleich aus dem blaſſen Geſicht, das einen ausgeprägt kranken Zug Thekla wurde ihm vorgeſtellt; er beachtete braver 5 für ſeine Kinder ſorgte. gegenüber Platz und erzählte von armen und kranken ruhte er von ſchwerer Arbeit aus und ſetzte ſich Er hatte eine leiſe, trug. ſie wenig, nahm auf einem Seſſel der Schloßherrin Leuten in ſeiner Gemeinde. melodiſch klingende Stimme, und wenn ihn etwas beſonders feſſelte, blitzten die ſonſt müde darein⸗ ſchauenden Augen ordentlich auf. Seine Ausdrucks⸗ weiſe war ſehr gewählt und verrieth in jedem Worte in den beſten Kreiſen bewegt hatte, bis ihn das Schickſal in dieſem einſamen Städtchen vergrub. ſo müßten ſolche Beſtrebungen doch an der Volksſtrömung in beiden Ländern ſcheitern, die weder hier noch dort von irgend einem Projekte etwas wiſſen will, das einem deutſch⸗engliſchen Bünd⸗ niſſe nur einigermaßen ähnlich ſähe. Sicherlich iſt nur lebhaft zu wünſchen, daß die aus dem Burenkriege reſultirenden Verſtimmungen zwiſchen dem deutſchen und engliſchen Volke jetzt, nach längſt erfolgtem Friedensſchluß in Südafrika, wieder verſchwinden und beſſeren Beziehungen Platz machen möchten, entſprechend den uner⸗ ſchütterlich fortbeſtehenden guten amtlichen Be⸗ ziehungen zwiſchen den Cabineten von Berlin und Condon. Eine größere Verdichtung der⸗ ſelben wird aber in weiten Kreiſen des deut⸗ ſchen Volks entſchieden nicht gewünſcht, und das deutſche Keich hat es bei ſeiner Stellung im Dreibund auch wahrhaftig nicht nöthig, eine nähere Anlehnung an das britiſche Welt⸗ reich zu ſuchen. Es genügt vollſtändig, wenn ſich Deutſchland mit England auf einen nor⸗ malen Freundſchaftsfuße ſtellt, und die weiteren Auslaſſungen Balfours in ſeiner Banketrede zu Guildhall laſſen ja auch erhoffen, daß die beiden großen Mächte dieſes gegenſeitige Ver⸗ hältniß beibehalten werden. Ob aber je eine brüderliche Verbindung zwiſchen dem deutſchen und engliſchen Volke bis faſt zum Verſchwinden der Raſſenunterſchiede platzgreifen wird, wie ſie Biſchof Ripon in ſeiner Predigt zu Sandringham vor Kaiſer Wilhelm und König Ebuard als möglich hingeſtellt hat, das muß einſtweilen ſtark bezweifelt werden. Bei ſo manchem Gemeinſamen im deutſchen und im engliſchen Weſen und bei aller Stammesrerwandt⸗ ſchaft ſind doch wiederum ſo große Gegenſätze hüben und drüben vorhanden, daß dieſe ſich ſchwerlich im Lauf der Zeit überbrücken laſſen werden. Die Wege der beiden Nationen können Thekla hörte ihm mit Vergnügen zu. Sie erinnerte ſich aus Fräulein Urſulas Erzählungen ſeiner Liebhaberei für alte Bolksmärchen und wußte die Rede auf dies Thema zu bringen. Der Kaplan wurde ganz lebendig und ſagte eifrig: „Es iſt ein reicher Schatz von wunderſamen Geſchichten unter dieſer armen Bevölkerung, und weil ſie ſo abgeſchloſſen und fern der Welt leben, rinnt der Born der Sage in ungetrübter Reinheit. Am meiſten zu erzählen wiſſen ſtets die Schäfer, die einſam den ganzen Sommertag mit ihrer Herde auf den ſtillen Feldern weilen. Vieles, was ſie erzählen, iſt uralte Tradition, manches aber, und nicht das Schlechteſte, iſt eigene Erfindung; den Leuten fehlt es nicht an Phantaſie, und die Einſamkeit machte ſchon mauch einen zum Dichter, wenn ſeine Poeſie auch nur im Herzen ſchläft. Seltſam iſt nur das, daß faſt alle Sagen dieſer Gegend einen traurigen Abſchluß haben. So erzählt man hier von einem braven Landmann, einem Familienvater, der treu Am Rande eines Sees auf einen Baumſtamm, der am Ufer lag, und den er ſonſt nie bemerkt hatte. Er wollte ſein Pfeifchen anzünden und legte den brennenden Zunder neben ſich, da begann der Stamm, auf dem er ſaß, ſich zu regen; es war ein Drache, der auf dem Lande einen Mittagsſchlummer gehalten hatte und nun durch Ehe der entſetzte Mann die konnte, Flucht ergreifen