Preis vierteljährlich Mark 1.— Redaktion, Druck und Verlag der ——— —— — Ar 86. Die erſte Entſcheidung in der Zolltariffrage. Nach fünftägigen heißen Debatten hat ich der Reichstag in ſeiner Dienstagſitzung Adlich äber die Sollſätze für Roggen und Weizen, und hiermit über den eigentlichen Kernpunkt der geſammten Solltarifvorlage, ſchläſſig gemacht. Die theilweiſe durch Namens aufruf ſtattgefundenen zimlich verwickelten Ab⸗ ümmungen ergaben die Genehmigung der Commiſſionsbeſchlüſſe ſowohl hinſichtlich der Mindeſtzoͤlle für Roggen und Weizen, als auch Freunden und eliebte Ga or sanft ah betreffs des Koggenzollſatzes im autonomen Tarif und der Getreidezollſätze des allgemeinen Tarifs unter Ablehnung aller aus dem Hauſe ihnmeiſter gestellten Abänderungsanträge, womit alſo auch die Kegierungsvorlage ſelbſt in dieſem 2. wichtigen Punkt geſcheitert iſt. Dies Keſultat war allerdings in Hinblick auf den Verlauf des langen parlamentariſchen Hampfes um de Mindeſtzölle für Getreide ſchon einiger⸗ Maßen zu erwarten und kann daher nicht mehr Aberraſchen, nur iſt das Weitere noch unklar. Irgendeine Kegierungskundgebung nach der Derwerfung der Kegierungszollſätze für Roggen und Weizen iſt noch nicht erfolgt, lediglich liegt aus der Dienstagsdebatte die nochmalige ganz beſtimmte und offizielle Erklärung des Reichskanzlers Grafen Bülow vor, daß für r einigen J die verbündeten Regierungen die Commiſſions⸗ tikel in der J beſchlüſſe wie alle ſonſtigen Anträge zu den der Verfaſſn h Mindeſtzöllen durchaus unannehmbar ſeien, 8 2 2 Htung igen „Stadlrcz mer Bloom berhaupt beit tlich, daß ich was die Mehrheit des Reichstages freilich nlch irgend nicht hinderte, ſich dennoch zu Gunſten der gegeben hol, Commiſſtonsbeſchlüſſe zu entſcheiden. ſſung von Zang Wie ſich nun die Solltarifangelegenheit er immer kalle weiter entwickeln wird, das iſt, wie geſagt Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. mit illuſtriertem Sonntagsblatt frei ins Haus. Hofbuchdruckerei Karl Molitor, Ladenburg. tariſche Action in der Solltariffrage zunächſt Parlamente würde nachher begreiflich erſcheinen. Verſtändigungsverhandlungen zwiſchen der Ke⸗ Anzeigen: Die einſpaltige Garmondzeile 10 Pfg. Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Reklamen 20 Pfg. Bei größeren Aufträgen Rabatt. 1 5 Anzeigen welche am Tage des Erſcheinens bis 9 Nachmittags 2 Uhr eintreffen finden ſofortige Aufnahme. Samstag, den 25. Oktober — noch einigermaßen dunkel, nachdem man es regierungsſeitig einſtweilen nicht für angezeigt gehalten hat, die zweifelloſe Niederlage in der Frage der Getreidezölle entweder durch eine Auflöſung des ſtürmiſchen Parlaments oder durch die Surückziehung der Solltarifvorlage zu quittiren. Es geht demnach die parlamen⸗ weiter, und zwar heißt es, daß noch die Vieh⸗ zölle zur Erledigung gebracht werden ſollen, worauf angeblich eine Unterbrechung in den zollpolitiſchen Verhandlungen des Keichstages eintreten würde. Faſt möchte man da an⸗ nehmen, daß die verbündeten Regierungen ſelber noch nicht im Hlarem darüber ſind, wie ſie die Sache eigentlich behandeln ſollen, ſonſt hätte doch gleich nach den Abſtimmungen am Dienstag irgend eine Kegierungskundgebung erfolgen müſſen, zumal ja das Ergebniß des Votums des Hauſes ſchon zu erwarten ſtand, wie es auch ausgefallen iſt. Sollte man im Kegierungslager vielleicht doch noch immer auf einen „Unfall“ des Groß des Centrums und der conſervativen Fraktionen zu Gunſten der Sollſätze des Kegierungsentwurfes rechnen, nachdem dieſe Parteien geſehen haben, daß die Regierungen ihr letztes Wort in der Ge⸗ treidezollfrage anſcheinend wirklich und wahr⸗ haftig geſprochen haben? Dann wäre aller⸗ dings das Verhalten der Reichsregierung erklärlich, und die angekündigte baldige Ver⸗ tagung der ferneren Solltarifberathung im Denn es könnten in ſolchem Falle bequem gierung und den Mehrheitsparteien über die Geitreidezölle hinter den Couliſſen geführt werden, und bedenkt man, daß beide Theile ener in ihren Auſchauungen nur durch eine Differenz von 50 POfennig getrennt werden, ſo iſt den Stimmen, welche immer wieder zu einer Ver⸗ ſtändigung mahnen, gerade nicht ſo Unrecht zu geben. Inwieweit aber die Mehrheit des Reichstages, welche ſoeben die Mindeſtzölle für Getreide nach den Commiſſionsbeſchlüſſen ge⸗ nehmigt hat, bereit ſein würde, doch noch die Schwenkung zum Regierungsſtandpunkte hin zu machen und in einer eventuellen dritten Leſung der Tarifvorlage ſchließlich die Commiſſions⸗ beſchlüſſe zu Gunſten der Regierungsvorlage preis⸗ zugeben, das muß mindeſtens noch völlig dahin⸗ geſtellt bleiben. Vielleicht zieht ſich ſo die letzte Entſcheidung in der Getreidezollfrage und hiermit über die Zolltarifvorlage noch bis zum nächſten Frühjahre hin, was freilich in mehr als einer Bezeichnung eine höchſt unerquickliche und gerade⸗ zu haltleſe Situation wäre. Man könnte da allerdings lieber wünſchen, die definitive Ent⸗ ſcheidung fiele eher, ſelbſt wenn ſie das Scheitern des neuen Zolltarifs beſiegeln ſollte, ein nutzloſes weiteres hinquälen in der Zolltarifangelegenheit wäre nur vom Uebel. Verſchiedenes. Mannheim, 22. Okt. Die Mannheimer Handelskammer hat in ihrer geſtrigen Sitzung beſchloſſen, an die Regierung eine Petition zu zu richten, in der um die Einverleibung Rheinaus in das Stadtgebiet Mannheim gebeten wird. Dem „M. Gen.⸗Anz.“ zufolge iſt beſtimmte Aus⸗ ſicht vorhanden, daß die in den nächſten Tagen zu erwartende Entſchließung der Großh. Regierung dahin gehen wird, den Rheinauhafen in Staatsbetrieb zu übernehmen, allerdings nur in⸗ ſoweit, als der reine Hafen⸗ und Eiſenbahnbetrieb in Betracht kommt. de Person, d. N 75 . geitungsartilt! Heimathlos. 5 — zut Auf i 75 Roman von L. Ideler⸗Derelli. 24. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.) „Leider nein, der kommt Memals, wenn ich Beſuch habe. An Sie wird er ich nun wieder erſt gewöhnen müſſen. Die beiden Herren, mit denen ich häufig verkehre, ſind die ein⸗ digen Standesperſonen, die Tutzau aufzuweiſen hat, der Amtsgerichtsrath und der Doctor. Sie ſind heide alt, ſomit paſſen ſie ganz gut zu meiner Geſellſchaft; aber trotzdem paſſen ſie mir beide gar licht. Der Rath iſt ein Wittwer, ſeine Frau iſt ſchon lange todt, und Kinder hat er nie gehabt; er I Anfang der Sechzig, aber er hält ſich noch für jung und ſchön, und beſonders für ungemein ge⸗ fährlich Damen gegenüber. Hüten Sie ſich vor ihm, Thekla!“ Dieſe lachte. leicht Feuer fange.“ Fräulein Urſula ſah mit einem eigenthümlichen Blick nach ihr hin; dann fuhr ſie in ihrer Beſchreibung fort: „Der Doctor iſt unverheirathet, etwa zehn Jahre jünger als der Rath, aber den erſteren mag ich trotz aller ſeiner gewaltigen Eitelkeit doch bedeutend lleber. Der Doctor iſt nicht verſchwiegen genug; er trägt alles, was er hört, in alle Häuſer, und ſehr ſelten, und „Ich glaube nicht, daß ich ſo gewarnt, vor dem Doctor warne ich ſie im Ernſte.“ hat durch boshafte Klatſchereien ſchon viel Unheil „ich kann doch ſchließlich nur in einem ſein.“ angerichtet. Habe ich ſie im Scherz vor dem Rath Und auf dieſe beiden Herren iſt der Verkehr im Schloſſe angewieſen?“ fragte Thekla. „Faſt gänzlich“, entgegnete die Schloßherrin. „Meine Gutsnachbarn ſind lauter Großgrundbeſitzer, die den Winter in großen Städten und die Sommer⸗ monate in vornehmen Bädern verleben; ſelten iſt einmal eine von den Familien hier, und dann immer nur auf Wochen. Sie verſäumen es freilich nie, mir dann eine ſteife Viſite zu machen, die ich ſtets ebenſo erwiedere; Wagen und Pferde werden eine ganze Woche hindurch vorher geputzt, und Karl fährt mit weißen Leinen Viere lang, damit wir nicht zu ſehr gegen die Grafen abſtechen. Früher bin ja auch ich auf Reiſen gegangen, in den letzten Jahren aber, wo meine Geſundheit ſo ſehr wankend wurde, habe ich in Tutzau ein einſames Stilleben mit ver⸗ ſchiedenen Geſellſchaftsfräuleins geführt; aber den Damen wurde es bald zu einförmig, manchmal freilich konvenirten auch ſie mir nicht.“ „Und mich engagirt ſie auf zwei Jahre,“ dachte Thekla wieder mit Verwunderung. Das alte Fräulein ſtand auf. „Ich muß jetzt zu Bett gehen“, ſagte ſie. „Meine Jungfer wird 1 Ihnen Ihr Schlafgemach zeigen; die ſechs Zimmer, deren Thüren Sie geöffnet finden, ſind für Sie be⸗ ſtimmt. Richten Sie ſich ganz nach Gefallen ein!“ „Sechs Zimmer?“ erwiderte Thekla lachend; 0 „Das iſt Ihre Sache“, entgegnete das Fräu⸗ lein gleichfalls lachend. „Gute Nacht!“ 8 * Am anderen Morgen erwachte Thekla ſchon in der Frühe. Seltſame ſüße Töne klangen an ihr Ohr. Sie horchte und konnte ſich erſt gar nicht zurechtfinden; als der lieblichen Stimmen draußen aber immer mehr wurden, rief ſie entzückt: „Nachtigallen!“ und öffuete vorſichtig das Fenſter, um die Sänger nicht zu ſtören. Weiche, ſehnſuchts volle Klänge zogen durch die Morgenfrühe, es klang bald wie Liebesjubel, bald wie Klage um ewig ver⸗ lorenes Glück; ein eigenthümliches Gefühl beſchlich bei den ſüßen Tönen das Herz des vereinſamten Mädchens. Es war ihr, als blickten zwei liefe, dunkle Angen ſie vorwurfsvoll an mit der geheimen Frage: „Warum verließeſt du mich und wußteſt doch, daß wir beide ewig zu einander gehören?“ Und durch den Nachtigallenſchlag glaubte ſie deutlich die tiefe, leiſe Stimme des Mannes zu hören, der ihr geſagt: „Ich war nicht ſchuld, daß es ſo kam; Gott weiß es, ich war nicht ſchuld.“ Sie hatte damals in hell aufloderndem Zorn, alles von ſich geworfen, was ihn mit ihr verband und glaubte damit auch jeden Gedanken an ihn ge⸗ tödtet zu haben. An das Nichtvergeſſen können hatte ſie nicht gedacht. Fortſetzung folgt.)