frei ins Haus. Anzeigen: Die einſpaltige Garmondzeile 10 Pfg. Lokale und Privatanzeigen 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Redaktion, Druck und Verlag von Karl Molitor Hofbuchdruckerei b ur Mittwoch, den 29. Jan 55 urg und Umgegend. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.— mit illuſtrirtem Sonntagsblatt Geſchäfts⸗ eutſchland und England. Der gegenwärtige Beſuch des engliſchen Gebustsfeſtes Kaiſer Wilhelms kann zweifellos Is Beweis betrachtet werden, daß die offiziellen eziehungen zwiſchen Deutſchland und England J urch die Chamberlaine Affaire keine Trübung erfahren haben. Anderſeits iſt es jedoch ebenſo unzweifelhaft, daß das Erſcheinen des nun⸗ mehrigen Prinzen von Wales in Berlin eine beſondere politiſche Bedeutung durchaus nicht beſitzt, zum allerwenigſten in der Kichtung einer etwaigen verſtärkten Intimität in dem amtlichen Verhältniſſe Deutſchlands zu England, das Ereigniß charakteriſirt ſich eben einfach als ein Act internationaler Höflichkeit und wird durch die nahen verwandtſchaftlichen Lande zwiſchen dem deutſchen Kaiſerhauſe und der engliſchen Hönigsfamilie hinlänglich erklärt. Ob man nun freilich an den maßgebenden Londoner Stellen wirklich kein Bedürfniß zu einer weiteren freundſchaftlichen Annäherung an das mächtige Deutſche Reich empfinden ſollte, das mag dahingeſtellt bleiben, die „glänzende Vereinſamung“ Englands, von welcher neulich der Colonialminiſter Chamber⸗ lain ſelbſtbewußt und doch die politiſche Cage für ſein Land richtig charakteriſirend ſprach, könnte wenigſtens einen ſolchen Wunſch ganz begreiflich machen. Schwerlich iſt indeſſen anzunehmen, daß in den maßgebenden Berliner Kegierungskteiſen die Neigung beſtehen ſollte, noch engere Fühlung zu der engliſchen Politik zu nehmen, als bislang, angeſichts der man⸗ cherlei Unfreundlichkeiten und Gehäſſigkeiten, mit welchem England die ihm wohlwollende Neutralität Deutſchlands im Burenkriege ge⸗ hronfolgers am Berliner Hofe anläßlich des hältniß zum Condoner nner lohnt hat und wird ſich die deutſche Regierung wohl damit begnügen, das „correcte“ Ver⸗ Cabinet aufrecht zu erhalten. Im deutſchen Volke würde man es jeden⸗ falls nicht begreifen, wenn die offizielle deutſche Politik etwa noch mehr im Geiſte eines intimen Hand⸗ in Handgehens mit England geleitet werden würde, denn die Freundſchaft Englands iſt Deutſchland faſt immer theuer zu ſtehen ge⸗ kommen, an dieſer Erfahrung wird auch nichts durch die Thatſache geändert, daß England auf ſeine Anſprüche auf Samoa zu Gunſten der deutſchen Rechte verzichtete. Wäre der Burenkrieg England nicht in die Quere ge⸗ kommen, ſo würde vielleicht heute noch nicht die Samoafrage gelöſt ſein, außerdem hat ſich ja England ſeinen Verzicht auf Samoa durch die Uebernahme eines Theils der deutſchen Beſitzungen im Bismarck⸗Archipel gut genug bezahlen laſſen. Gewiß wünſcht kein Einſichts⸗ voller bei uns eine Entfremdung zwiſchen Deutſchland und England oder gar einen feind⸗ lichen Suſammenſtoß beider Mächte. Wir pflegen alte und lebhafte Handels beziehungen zu dem Juſelſtaate, außerdem ſind wir ſchon infolge des Umſtandes, daß unſere colonialen Beſitzungen faſt über den geſammten Erdkreis hin zerſtreut liegen und weiter in Anbetracht deſſen, daß unſere große von ſelbſt darauf angewieſen, uns mindeſtens auf einen erträglichen Fuß mit dem ſeegewal⸗ tigen Albion zu ſtellen. Aber von einem ſolchen Verhältniß bis zu einer „dicken Freund⸗ ſchaft“ iſt denn doch noch ein weiter und es iſt wahrlich nicht einzuſehen, weshalb Deutſchland mit dem engliſchen Vetter durch dick und dünn gehen ſollte, das Bündniß mit Handelsflotte, die zweite der Welt, in allen Ozeanen ſchwimmt, Schritt, Oeſterreich⸗Ungarn und Italienen und die her⸗ geſtellten guten Beziehungen zu Kußland ge⸗ währen Deutſchland auch ohne die engliſche Vetterfreundſchaft einen hinreichenden Kückhalt in der Weltpolitik. Empfindungen und SGe⸗ fühle dürfen ſelbſtverſtändlich eine auf dem Standpunkte realer Intereſſenpolitik ſtehende kaltblütige Staatspolitik nicht beeinfluſſen, und ſo iſt es ja auch ſeitens der deutſchen Regier⸗ ung England gegenüber gerade namentlich in den letzten Jahren angeſichts der antiengliſchen Stimmung der ungeheuren Mehrheit des deut⸗ ſchen Volkes wegen der brutalen Vergewaltig⸗ ung der Burenrepubliken durch England ge⸗ halten worden. Mehr als einmal hat es ja auch der Reichskanzler Graf Bülow im Keichs⸗ tage auseinandergeſetzt, daß ſich die offizielle deutſche Politik in ihrer Stellungnahme zu England an die lebhafte Symphatien des deutſchen Volkes für die Buren nicht kehren können, ſie habe da höhere und gewichtigere Intereſſen wahrzunehmen. Sicherlich iſt Graf Bülow in ſeiner Stellung als der leitende und zunächſt verantwortliche deutſche Staatsmann berechtigt und verpflichtet für die Aufrecht⸗ erhaltung eines möglichſt guten Verhältniſſes des Deutſchen Reiches auch zu England zu ſorgen, und hiervon ergiebt ſich von ſelbſt die Nothwendigkeit für die Leitung der aus wär⸗ tigen Politik Deutſchlands, die burenfreundliche Strömung in der Nation gegenüber den An⸗ forderungen der realen Intereſſen des Keichs zurückzuſetzen. Aber anderſeits läßt auch eine zu ſtarke Hinneigung Deutſchlands zu England vermeiden, und man darf von der Bülow'ſche Staatskunſt gewiß erwarten, daß ſie da kluge verſtehen wird, die richtige Mittellinie ein⸗ zuhalten. Novelle von J. Pia. i (Nachdruck verboten.) Es wird in Italien mehr und mehr ein heißer Frühling, ſo heiß und ſchwül, daß er trotz der prachtvollen Schönheit der italieniſchen Natur den fremden Kurgäſten und Reiſenden läſtig wird und die meiſten derſelben au die Heimreiſe denken. Auch Helga und Ulrike laſſen in San Remo ihre Koffer packen und wollen in den nächſten Tagen über Nizza, Monte Carlo und Paris in die Heimath reiſen. Morgen gegen Mittag ſoll die Reiſe angetreten werden und heute beſchließen die Damen, in Be⸗ gleitung eines Führers noch einmal die ſchönſten Punkte in der Umgebung von San Remo aufzusuchen. 2 Gemächlich ſchreiten ſie erſt eine halbe Stunde an dem maleriſchen Meeresufer hin und bewundern zum tauſendſten Male die tiefblaue See und nehmen faſt wehmüthig bon ihr Abſchied. ortſetzung. Dann gehen die Damen nach einem beliebten Ausſichtspunkte auf eine nahneliegende Bergkette und betrachten von dort aus nochmals die ſatten, bunten Farben der italieniſchen Landſchaft, die hoch⸗ ragenden ſtolzen Palmen, die ſchlanken Pinien und die ſchimmernden Citronenbäume. In ſtummer Bewunderung ſtehen ſie dort, das herrliche Naturbild in ſich aufnehmend und ganz ſtill und feierlich iſt es rings um ſie in der ganzen Umgebung. Da ertönen von der anderen Seite bergab⸗ wärts laute Schritte und eine hohe Männergeſtalt, das Geſicht mit einem breitkrempigen Hute halb bedeckt, um es vor der Sonne zu ſchützen, nähert ſich dem Ausſich tspunkte. Tante Ulrike und Helga blicken ſcharf nach dem Ankömmling und der Führer beruhigt ſie mit dem Zurufe, daß es nur ein fremder Touriſt ſei. Aber Helga wendet die Augen nicht von dem immer näher kommenden Manne und eine ſeltſame Erregung bemächtigt ſich ihrer. „Was haſt Du denn nur, daß Du ſo auf: geregt nach dem Fremden ſiehſt?“ fragt die Tante ihren Schützling beſorgt. Aber Helga ſtarrt noch immer nach der Richtung und auf den Weg, auf dem der Fremdling naht und hört gar nicht, was die Tante zu ihr ſpricht. Dann ſtößt auf einmal Helga laut rufend die Worte aus: „Er iſt es, er iſt es!“ und eilt im vollen Laufe dem Ankömmling entgegen. 5 Erſtaunt folgt ihr die Tante ſo raſch, als ſie ihre allen Beine tragen und hört es wie einen jauchzenden Freudenlaut von Helgas Stimme! „Du biſt es, Horſt, der immer gute Hocſt, der uns in Italien beſucht!“ Und Horſt Tiefeneck, der es wirklich iſt, ſchließt das ſchon ſo lange und ſo heiß geliebte ſchöne Mädchen mit den Worten in ſeine Arme: „Endlich habe ich Dich, Du ſtolze, harte Helga! Weiß ich doch ſchon lange, daß Dein Herz für treue, aufrichtige Liebe nicht ewig unempfänglich bleiben kann.“ Dabei berührt er keuſch Helgas Stirn mit den Lippen und eine heiße Thräne perlt in ſeinen Augen. Aber als wenn es nur die Freude des Wieder⸗ ſehens und nicht die endlich ſieghafte Liebe zu dem edlen Vetter geweſen, reißt ſich Helga wieder von ihm los und hat kein Wort der Zuſtimmung für ſeine zarte Liebeshoffnung. „Woher weißt Du, daß wir in San Remo ſind?“ fragt ſie wieder in ihrem kalten Tone. „Nun, Herr Sernau hat es mir nach Kairo geſchrieben, und da ich über Genua und Nizza heim⸗ reiſe, ſo iſt es mir nicht ſchwer geweſen, nach San Remo zu kommen“, entgegnet Tiefeneck und reicht der Tante Ulrike die Hand zur Begrüßung. Dieſe ſchüttelt herzlich Tiefenecks Rechte und ſagt dann erregt: „Wir gartuliren Dir auch, Horſt, zu Deiner hiſtoriſchen Entdeckung an den Pyramiden in Egypten, denn Du biſt doch der Doctor Tiefeueck, über deſſen Forſchung in den Blättern berichtet wurde.“ „Das ſtimmt ſchon“, erwidert Tiefeneck leicht erröthend, „aber ich habe nie gewünſcht, daß man n meiner Forſcherarbeit ſo viel Weſen macht.“ „Und von der Juriſterei biſt Du umgeſattelt