— Canſtatt, 8. Jan. Geſtern Abend gegen 9 Uhr wurde Bäckermeiſter Schweikhardt in der Wilhelmsſtraße durch einen Schuß, wäh⸗ rend er in der Backſtube war, verwundet. Die Familienangehörigen und die ſchnell herbeigeeilte Polizei glaubten anfänglich an einen Racheakt eines früheren Bäckergeſellen. Schließlich wußte ein Bäckerlehrling der ſich an der Arbeit befand, geſtehen, daß er einen geladenen Revolver in der Taſche trug, der duſch Zufall während der Arbeit ſich entladen hatte. Ein geladenen Revolver in der Taſche eines an der Arbeit ſich befindlichen Bäckerlehrlings iſt gewiß etwas noch nie da⸗ geweſenes. — Darmſtadt. 7. Jan. In einem heſſiſchen Dorf ſaßen Abends nach der Wirihſchafts⸗ Feierabendſtunde noch einige ſpäte Gäſte beiſammen, trotz dem Verbote des Geſetzes. Auf einmal heißt es: „Der Gendarm kommt!“ — Allgemeine Flucht durch Fenſter, Thüren, dann tiefe Stille! — Inzwiſchen iſt der Gendarm, hoch zu Roß, am Wirthshauſe angelangt, vom Pferde geſtiegen und, da er beſtimmt wußte, daß vor wenigen Augen⸗ blicken noch „Leben in der Bude“ war, durchſuchte er die Nebenräume; vergebens! Flnchend geht er vor's Haus, um nach ſeinem Pferde. das er an einen Zaun gebunden hatte, zu ſehen, aber zu ſeinem nicht geringen Schrecken mußte er wahr⸗ nehmen, daß ſein treuer Begleiter fort war. — Nach langem vergeblichen Suchen im Dorfe zieht dann der Gendarm dem heimiſchen Herd zu Fuße zu. Er fand am erſten Hauſe des nächſten Dorfes ſein Rößlein wieder, das ihn zwar freudig wiehernd begrüßte, ſonſt aber jede Auskuft verweigerte, ge⸗ rade ſo wie der Wirth, der in dieſer Sache ver⸗ nommen wurde. Bis jetzt iſt noch nicht aufge⸗ klärt, wer „ſo ſpät durch Nacht und Wind“ ge⸗ ritten iſt! — Frankfurt a. M., 8. Jan. Die „Internationale Vereinigung von Züchtern und Liebhabern des raſſenreinen Bernhardiners, Sitz Frankfurt a. M.“ veranſtaltet am 2. Februar dieſes Jahres hier eine Ausſtellung von Hunden aller Raſſen. Programme und nähere Auskunft ſind durch Herrn Ferdinand Wirth, Frankfurt a. M., Biebergaſſe Nr. 11, erhältlich. i — München, 9. Jan. Der frühere Her⸗ ausgeber des „Bayeriſchen Vaterlands“, Dr. Sigl, iſt heute Mittag in ſeiuer Wohnung geſtorben. — Eckartsweiler a. Kehl, 9. Jan. Kommt vor einigen Tagen ein Fechtbruder um Unterſtützung bittend zu einem Bauern. Da es gerade Eſſenszeit iſt, ſo giebt man ihm vom Tiſch, was gerade vorhanden iſt. Nachdem der Mann ſeine Schüſſel geleert und weggeſtellt hat, läßt ſich der Bauer mit ihm in ein Geſpräch ein über das „woher und wohin“? Im Laufe des Geſpräches bietet der Bauer dem Stromer Arbeit an weil er doch ſo geſund und ſtark wäre. Aus⸗ weichend erwiederte der Stromer: „Ich kann keine Arbeit vertragen; ich habe ſeit 17 Jahren nicht mehr gearbeitet und fange jetzt auch nimmer an.“ Treffend antwortet darauf der erzürnte Bauer: „Das hätteſt Du mir vorher ſagen ſagen ſollen, dann hätteſt Du aber bei mir nichts gegeſſen!“ Sprachs und jagte den frechen Stromer zum Hauſe hinaus. Von dieſer Sorte, meinen die „Mb. N.“, wird wohl noch mancher herum⸗ ziehen. g — Durmersheim, 9. Jan. Dieſer Tage ereignete ſich infolge Unvorſichtigkeit beim Schießen hier ein Unglücksfall. Ein Knabe der Fortbildungsſchule ſchoß mit einer geladenen Piſtole den Volksſchüler Schorpp, Sohn des hieſigen Kaufmanns Schorpp, unvorſichtiger Weiſe derart in den Unterleib, daß an dem Aufkommen des Knaben gezweifelt wird. — Mud au, 8. Jan. Mitte des Monats wird im benachbarten Oberſcheidenthal Herr Kirchen⸗ rechner Valentin Schnetzler mit ſeiner rüſtigen Gemahlin das Feſt der goldenen Hochzeit feiern. Zugleich wird deſſen Tochter die ſilberne und die Enkelin die grüne Hochzeit begehen. — Ober roth, 6. Jan. Heute vormittag wurde durch Kirchgänger der verheirathete ca. 40 Jahre alte Gutsbeſitzer Jakob Kühnle von Kornberg Gemeinde Oberroth, erſtickt im Chauſſee⸗ graben liegend aufgefunden. Soviel die Nach⸗ forſchungen ergaben, iſt ſicher, daß Kühnle geſtern Nacht beim Nachhauſegehen mit dem 21jährigen Dienſtknecht Fürſt von Oberroth in Streit geriet, in deſſen Verlauf gegenſeitig Schläge ausgetheilt wurden. Die Unterſuchung der Affaire wird nun feſtzuſtellen haben, inwieweit den Dienſtknecht Fürſt am Tode des Kühnle eine Schuld trifft, ob dieſer von ihm erdroſſele wurde, oder ob er in bewußt⸗ loſem Zuſtand in den Graben kam und dort er⸗ lickte, da bis jetzt an dem Toten äußerlich keine ſchwere Verletzung wahrzunehmen iſt. Der Ge⸗ tötete hinterl t eine Wittme mit vier jüngeren Kindern. — Bingen, 8. Jan. Der D⸗Zug 163 Köln⸗Baſel, in Bingerbrück fällig 2.50 Nachm,. iſt geſtern auf der Fahrt von Trechtlingshauſen nach Bingerbrück, linksrheiniſche Seite, nicht weniger als dreimak entgleiſt. Erſt um 7.10 Uhr Abends ſetzte der Zug ſeine Reiſe über Mainz fort, während Nachmittags bereits ein Sonderzug von Bingerbrück über Münſter a. St. nach Baſel abgelaſſen wurde. Beſonderer Materialſchaden oder Verletzungen von Perſonen ſind nicht vor⸗ gekommen. — St. Etienne, 7. Jan. Nach einer heftigen Eiferſuchtsſcene hat der hieſige Conditor Tantole ſeine Frau durch einen Revolverſchuß getödtet und die Leiche im Backofeu verbrannt, Danach verübte er Selbſtmord. — Feodo ſa, i. d. Krim, 9. Jan“ Nach; mittags wurde hier ein Erdſtoß verſpürt, welcher an mehreren Wohnhäuſer Schaden anrichtete, — Newyork, 8. Jan. Eir Vorſtadtzug aus Whiteplains fuhr im Tunel der Newyorker Centralbahn in einen Paſſagierzug aus Connecti⸗ cut, wodurch eine entſetzliche Kataſtrophe herbei geführt wurde. Man ſpricht vou 17 Todten und 20 Verletzten. Grauenhafte Scenen ſpielten ſich im dunklen Tunel ab, da die Lokomotive des erſtereren Zuges auf dem letzten Paſſagierwagen des letzteren Zuges lag und die Paſſagiere ein⸗ geklemmt und durch den Lokomotivendampf per⸗ brüht wurden. Umgekommen ſind meiſtens Ge⸗ ſchäſtsleute aus Newhork, welche in New⸗Rochelle wohnen, darunter befindet ſich auch der bekannte deutſche Juwelier Oskar Meyrowitz. Die Ur⸗ ſache des Unglücks ſcheint die Nichtbeachtung des Halteſignals ſeitens des Lokomotivführers des Connecticuter Zuges zu ſein. Dieſer ſowie das übrige Fahrperſonal und der Signalwärker wurden verhaftet. — Newyork, 8. Jan. Die Tunnelkalg⸗ ſtrophe iſt darauf zurückzuführen, daß die Cen⸗ tralbahn trotz manigfacher Anregung und behörde licher Aufforderung unterließ, den Betrieb im Tunnel elektriſch einzurichten, ſodaß derſelhe häufig von dichtem Rauch und Dunſt erfüllt, mithin die Unterſcheidung der Signale ſchwierig war. Mehrere Perſonen wurden verhaftet, weil ſie Todte und Verletzte beraubten. „Ich muß Sie bitten, dieſe Papiere hier genau durchzuſehen,“ fuhr Sernau ohne direkte Antwort auf die Frage ſeines Chefs fort. „Jetzt nicht, Sernau, jetzt nicht,“ entgegnete Gülden, „ich will ausfahren, habe heute zu derlei unliebſamen Dingen keine Luſt. Die Sache wird doch nicht gar ſo ſchlimm ſein!“ Damit ſchob er die ihm von Sernau unter⸗ breiteten Papiere ruhig beiſeite. „Die Sache duldet keinen Augenblick Aufſchub, Herr Gülden,“ erklärte jedoch Sernau in ehrer⸗ bietigem, aber feſtem Tone, „ich muß Sie dringend bitten, die Papiere ſofort einer genauen Durchſicht zu unterwerfen. Es iſt eine von mir letzte Nacht ganz allein gemachte Bilanz.“ Halb ärgerlich nahm der alte Herr die Papiere zur Hand und ließ ſeine Augen mit faſt gleichgiltigem Blicke darüber hing leiten; plötzlich aber nahmen dieſelben einen vollſtändig anderen Ausdruck an, die ruhige Sorglosigkeit ſchwand aus ſeinen Zügen, auf ſeinem Geſicht malten ſich tiefſte Angſt, tödtlicher Schrecken. Er wurde bleich bis zu den Lippen, feuchter Schweiß trat auf ſeine finſter zuſammen⸗ gezogene Stirn. „Wie? Meine Verpflichtungen ſollten meine Vermögen um fünfmalhunderttauſend Mark über⸗ ſteigen ! Unmöglich!“ ſtieß Gülden in heiſerem Tone hervor. „Und doch iſt dem ſo — leider“, ſagte Sernau mit traurigen Kopfnicken. „Kann ich auf meine Beſitzung nicht eine ge⸗ nügend hohe Hypothek aufnehmen, um meinen Ver⸗ pflichtungen nachzukommen?“ „Das würde die traurige Lage nur verſchlimmern, die Kataſtrophe nur hinausſchieben, ohne ſie ab⸗ wenden zu können.“ „Mein Gott! Wie furchtbar! Was , was ſoll ich thun ?“ ſtöhnte Gülden, indem er das verhängnißvolle Schriftſtück von ſich ſtieß und ſein farbloſes Geſicht in den zitternden Händen vergrub. „Sie müſſen dieſes Papier hier unter ſchreiben,“ verſetzte Sernau, und legte dem Bankier ein anderes Schriftſtück vor. über das Schriftſtück gleiten. Dann aber machte ſich ſeine Empfindung im Tone höchſter Entrüſtung Luft. daß Ihnen kein „Wie?“ ſtieß er krampfhaft hervor, „das, das ſoll ich unterſchreiben? Meinen eignen Bankrott 2!“ „Es iſt das Beſte, was Sie unter den ob⸗ waltenden Umſtänden noch thun können — es kommen dabei für die Gläubiger noch circa fünfundſechzig Procent heraus, und alle Welt wird ſagen, Herr Gülden iſt ein Ehrenmann.“ „Schöne Ehre! Bankrott!“ Bankrott!“ ächzte Gülden. „O Gott! Dieſe Schmach, dieſe Schande überlebe ich uicht! — Und meine Helga, meine liebe Helga, wie ſoll ſie das tragen ?!“ „Es iſt ein bittrer harter Schlag für Sie, gewiß, Herr Gülden,“ ſuchte Sernau mit feuchten Augen und bebenden Lippen den von dem eben Ver⸗ nommenen gänzlich erbrochenen Bankier zu tröſten, „indeſſen, Sie ſind ja noch ein kräftiger, rüſtiger Mann, — und wenn Alles geordnet iſt, beginnen Sie von Neuem. Jedenfalls iſt es beſſer, Ihrer Tochter dereinſt einen makelloſen Namen als eine unehreuhaft erworbene Erbſchaft zu hinterlaſſen. Wülden wollte etwas erwidern, aber der Athem verſagte ihm, er vermochte kein Wort hervorzubringen. Sernau legte wie beſänftigend ſeine Hand auf des Unglücklichen Arm. „Vor allem beruhigen Sie ſich, Herr Gülden, finden Sie Ihre Faſſung wieder,“ ſprach er; „Sie ſind augenblicklich viel zu erregt, um zu erkennen anderer Ausweg bleibt. Sei 5 0 ſoll ich unterſchreiben?“ 5 Sie verſichert, daß ich Ihnen ſonſt nicht dazu rathen würde.“ Mehrere Minuten lang ſtarrte Gülden, — de Kopf in die Hand geſtützt, — mit glanzloſem Auge bor ſich hin. Dieſer ließ die Hände ſinken und ſeine Augen „Ja“, ſtieß er dann plötzlich in wilder Haſt hervor, „ja, Sernau, Sie haben recht, die Feder Schnell, ſchnell, die Feder![ Wo. wo . Sernau reichte ihm eine Feder und wies a die auszufüllenden Stelle, — hier, bitte.“ Gülden nahm die Feder, doch eben im Begriff ſeinen Namen zu ſchreiben, ſank ſeine Rechte plötzlich kraftlos herab. „Sonderbar!“ brachte er mühſam herby „wie wie ... wird mir denn? . Mei Augen! — O Gott, dieſe Finſterniß! ... „ N „Luft! — Ich Ein gräßlicher, gellender Ton entrang ſich noch Guͤldens Bruſt. Dann entfiel die Feder ſeiner Hand, auf ſeinen bleichen Lippen zeigten ſich ei paar rothe Tropfen, der Kopf ſank ſchwer auf die Bruſt herab, im nächſten Moment lag der Unglückliche beſinnungslos am Boden. Sernau griff ſchnell nach der auf einem Seiten⸗ tiſch ſtehenden Karaffe, er netzte dem Ohnmächtigen die Stirn mit kaltem Waſſer, er fühlte nach ſeinem Puls, er legte ihm die Hand aufs Herz und began aufs Neue mit den Belebungsverſuchen. Aber ſie blieben erfolglos. Da öffnete Sernau in ſeiner Angſt die Thüre und rief nach Hilfe. Da mitten unter der voll Schreck herbeieilen⸗ den Dieuerſchaft erſchien auch Helgas ſtolze Geſtal in Begleitung Lottis. .erſticke!“