lte 00 Nad ſort. U Anzeigen: Anzeiger für Ladenburg und Umgegend. Erſcheint jeden Dienſtag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.— mit illuſtrirtem Sonntagsblatt frei ins Haus. und Privatanzeigen 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Redaktion, Druck und Verlag von Karl Molitor, Hofbuchdruckerei. Die einſpaltige Garmondzeile 10 Pfg. Lokale Geſchäfts⸗ I. 93. Miftwoch, den 21. November Politiſches. Berlin, o. Nov. Mit Empörung und Enlrüßung hat man gewiß in allen patriotiſch und monarchiſch fühlenden Kreiſen des deutſchen Volkes die ernſte Kunde von dem Attentat auf zen Naiſer in Schleſiens Hauptſtadt vernommen. As der hohe herr nach Beendigung ſeines Jagdbeſuches in Trachenberg am Freitag Milag in Breslau eingetroffen war und nun dom Gberſchleſiſchen Bahnhöfe aus durch die Hartenſtraße fuhr, um das in der Haſerne zu Neinburg liegende Leib⸗Hürraſſier⸗Kegiment zu beſichtigen, ſchleuderte eine in der vorderſten Reihe des Publikums ſtehende Frau ein kurzes Handbeil, das ſich bei der nachgefolgten Beſich⸗ ung als ſehr ſcharf geſchliffen erwies, nach der kafſerlichen Equipage, von welcher das Bell abprallte, um dann unmittelbar hinter dem Gefährt niederzufallen. Die Attentäterin wurde ſofort verhaftet, während der Kaiſer und der Erbprinz von Meiningen, welcher ſich un im Wagen befand, weiterfuhren, anſcheinend hae der Monarch von dem Swiſchenfall zu⸗ löchſt gar nichts bemerkt. Das alsbald nach den Atentat aufgetauchte Gerücht, die ver⸗ Haftete fei in Wirklichkeit ein verkleideter Mann, gag ich kaſch als ebenſo unbegründet erwieſen, ie die Angabe, ſie ſei aus Italien. Vielmehr polzzeilich feſtgeſtellt worden, daß die Atten⸗ eri Selma Schnapka heißt, 41 Jahre alt und unperehelicht iſt; ſie iſt Händlerin und wohnt erſt ſeit einigen Wochen in Breslau. Ii erſte Vernehmung der Schnapka durch den Sigals anwalt hat es bereits außer jedem Zweifel elt, daß man es in ihr mit einer Geiſtes⸗ Konken zu thun hat und daß demnach die von ihr begangene verbrecheriſche That keinerlei politiſche Bedeutung beſitzt. Die Schnapka wohnt in einer ärmlichen Hinterhauswohnung der Gartenſtraße, wo ſie exmittirt werden ſollte, weil ſie den Miethzins nicht zahlen konnte. Der Hauswirth hatte deshalb die Räumungs⸗ klage gegen ſie angeſtrengt, in welcher für Freitag Termin anſtand, zu welchem die An⸗ geklagte bereits das Beil mitgebracht hatte. Der Termin wurde jedoch vertagt, und die Schnapka kam nun gerade auf die Straße, als der Haiſer in ſeinem Wagen vorüberfuhr. Auch ſchwebt gegen ſie ein gerichtliches Ver⸗ fahren wegen Beamtenbeleidigung und Wider⸗ ſtands gegen die Staatsgewalt. Jedenfalls iſt es alſo nur Sufälligkeit, die bei dem Beil⸗ angriff der Schapka auf den kaiſerlichen Wagen obwaltete, überdies ſtellt ſich der Vorgang als die That einer Geiſteskranken dar, die ſich demnach der Aburtheilung durch den Strafrichter entzieht. Trotzdem hätte der Kaiſer durch das geſchleuderte, ſcharf geſchliffene Beil leicht min⸗ deſtens eine ernſte Verletzung erhalten können, und ſo giebt ſich denn im deutſchen Volke über⸗ all berechtigte lebhafte Genugthuung darüber kund, daß der geliebte Herrſcher unverſehrt bei dem verbrecheriſchen Vorgange geblieben iſt. Von Breslau begab ſich der Kaiſer im Laufe des Freitag nach Groß⸗Strehlitz weiter, wo er abends 6 Uhr eintraf. Verſchiedenes. — Ladenburg, 20. Nov. Sicherem Ver⸗ nehmen nach wird das Landesgefängniß nicht hierher verlegt, ſondern verbleibt in Mannheim, wo ein entſprechender Bauplatz gefunden wurde. — Ladenburg, 19. Nov. Geſtern er⸗ öffnete der hieſige Geſangverein die Reihe ſeiner Wintervergnügungen mit einem Konzert, deſſen Hochſtetter und begleitet von Fr. Dihl, 3. ein Duett aus Troubadour, geſungen von Frl. Hoch⸗ ſtetter und Herrn Prof. Metzger, 4. ein Violin⸗ — und ein Celloſollo, vorgetragen von Herrn Meſſinger und endlich ein Theaterſtück, Das Stiftungsfeſt.“ Die Soliſten leiſteten durchweg Vorzügliches, und der ihnen geſpendete Beifall veranlaßte ſie zu einigen hübſchen Zugaben. Von den Männerchören, welche ein fleißiges Studium verrieten, ſind beſonders „Die Bitte“ und „Der liebe Herrgott hält die Wacht“ hervorzuheben. Das Theaterſtückchen von Arnau fand ebenſo reichen Beifall. Somit iſt der Verlauf des Abends als gelungen zu bezeichnen und allen Mitwirkenden Anerkennung auszuſprechen. — Jedoch möchten wir nicht verfehlen, an dieſer Stelle darauf hin⸗ zuweiſen, daß, wie auch von allen Anweſenden em⸗ pfunden wurde, die Räumlichkeiten im Gaſthaus zum Schiff für derartige Gelegenheiten durchaus unzureichend ſind, namentlich, wenn den Abend wie gewöhnlich, ein Tanz beſchließen ſoll. All⸗ gemein hatte man erwartet, daß die neuen Be⸗ ſitzer für einen Verein, der über 200 Mitglieder zählt, einen Saal bauen würde, worin dieſer alle Feſtlichkeiten abhalten könnte. — Ladenburg, 20. Nov. Das am 1. Oktober d. J. ins Leben getretene neue Geſetz be⸗ treffend die Unfallverſicherung weiſt eine Reihe von Neuerungen auf, welche im folgenden kurz dargeſtellt werden: Künftighin beträgt die Rente bei Perſonen, welche in einem gewerblichen oder landwirthſchaft⸗ lichen Betrieb verletzt werden und bei vollſtändi⸗ ger Arbeitsunfähigkeit hilflos erſcheinen und ohne fremde Pflege nicht beſtehen können, 100 Proc. des angenommenen Jahresarbeitsverdienſtes; dieſe Vollrente wird dem Verletzten ſo lange gelaſſen, Programm enthielt: 1. Männerchöre, ſowie einen ge⸗ miſchten Chor, 2. Roſenlieder, geſungen von Frl. als er ohne fremde Pflege und Wartung nicht beſtehen kann. Wird einem in einem Betrieb ver⸗ Seine Schweſter. Erzählung aus der Gegenwart von Fanny Stöckert. 6. Nachdruck verboten. 5. An einem ſolchen Abend, wo der Prediger mit Keler Schweſter ſich eingeſtellt, wo draußen ein ſcarfer Nordoſt wehte und Melitta ſogar Punſch ante, kehrte ganz unerwartet die Frau Amtsrä⸗ hin mit Flora heim. Sie hatte ſich ſo ſchnell zu der Rückreiſe entſchloſſen, daß keine Zeit mehr ge⸗ denen ein verlockendes ſtanden auf dem Sophatiſch, fröhliche Tafel⸗ Aroma entſtrömte. Dazu dieſe bei ihrem unerwarteten Eintritt; mit etwas langen verwunderten Geſichtern erhob man ſich, nur Clär⸗ chen Minde, die Schweſter des Predigers, griff noch eilends nach ihrem Glas Punſch es anzu⸗ trinken, denn ſo gut wurde es hier für's erſte nicht wieder. Ueber ihres Bruders Geſicht glitt ein flüchtiges Lächeln, ſie ließ doch niemals etwas umkommen ſeine kleine wirthſchaftliche Schweſter und aus der Faſſung brachte ſie auch ſo leicht nichts. blieben war, ſich vorher anzumelden. f Melitta hatte ſoeben ein luſtiges Capitel aus der „Stromtied“ vorgeleſen und in dem kleinen Kreis herrſchte eine ſolche Heiterkeit, daß man das Wagenrollen draußen gänzlich überhört hatte. Frau Anna traute ihren Ohreu nicht, als ſie das fröh⸗ liche Lachen aus dem Wohnzimmer vernahm. War Geſellſchaft hier? energiſch riß ſie die Thür auf und ſtand nun in ihrem großen Reiſemantel und Pelzkapotte auf der Schwelle, anzuſchauen wie der Fecht Ruprecht. Ihre Blicke irrteu im hellen Staunen im Zimmer herum. War denn das noch ihr altes Wohlgemach, in ſeiner, mit ihrer ien Nüchternheit? Da dufteten Blumen am Fenſter, da brodelte heißes Waſſer in hine, die auf einem Credenztiſch am Ofen ſtand, Punſchgläſer Perſönlichkeit harmonierenden der Theemaſchine, die Melitta war nach der erſten Begrüßung an den Credenztiſch getreten, „darf ich Euch Thee be⸗ reiten Tante, oder zieht Ihr vor ein Glas Punſch zu trinken?“ „Ich bitte um Thee,“ verſetzte dieſe, indem ſie auf dem Sopha Platz nahm, „Punſch zu trin⸗ ken war bei uns bis jetzt nicht Mode.“ Melitta biß ſich auf die Lippen, das war die erſte bittere Pille, wie manche würde ſie noch ſchlucken müſſen, unn die beiden Damen wieder hier waren. i „Das arme Fräulein Melitta, nun beginnt wieder ſchlimme Zeit für ſie,“ ſagte Fräulein Clär⸗ chen als ſie ſich jetzt mit ihrem Bruder auf dem Heimwege befand. Sie hatten ſich beide ſo ſchnell wie möglich verabſchiedet, da ihre Gegenwa runde! Das Lachen freilich war ſofort verſtummt genſcheinlich von der Frau Amtsräthin nicht ſehr erwünſcht ſchien. „Bei ihrem Lebensmuth, ihrem heitern Sinn hat das Alles nicht viel auf ſich,“ verſetzte der Prediger „und bei Dir ſindet ſie ja immer die auf⸗ richtige Theilnahme für alle ihre kleine Kümmer⸗ niſſe.“ „Sie ſpricht ſich nur zu wenig aus, ich muß größtentheils alles errathen. Klagen, das iſt ihre Sache nicht, dazu iſt ſie viel zu ſtolz. Aber es iſt immerhin ein Troſt für ein ſo junges Ding, ein paar Menſchen nahe zu wiſſen, die ſie innig lieb haben.“ Sie hatte Recht, es war das ein Troſt für Melitta in der trüben Zeit, die jetzt für ſie an⸗ brach. Ihre Tante und Couſine Flora waren von ihrer Reiſe in nicht ſehr roſiger Lauue zurück⸗ gekehrt, aber um eine Erfahrung reicher, nämlich, daß der Reichthum doch nicht überall den Ausſchlag gab in den verſchiedenen Geſellſchaftskreiſen, die ſie beſucht. Die jungen Damen der Reſidenz trieben ſo viele ſchöne Künſte, von denen Flora auch nicht das Geringſte verſtand. Sie malten, muſieirten auch, mit der Modellirkunſt befaßten ſich einige, und es war nicht nur Alles Dilletantismus, nein, es gab wirklich Künſtlerinnen darunter, und wahre Kunſt findet immer und überall Anerkennung. Ein ge⸗ iſſer Zauber ſchwebt um künſtleriſche Perſönlich