Erſcheint jeden Dienſtag und Freitag Abend. Anzeigen: Raum 10 Pfg. Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 1 Druck und Verlag von Karl Molitor, Die einſpaltige Corpuszeile oder deren 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Ladenburg. Mittwoch, den 13. September moraliſchen und ſozialen Verkommenheit, daß Frankreichs Gegner wahrhaftig keinen Grund zu der Sorge einer Gefahr von dort her zu min 5 Preis vierteljählich Mark 1.— mit illuſtrirtem Unter irc, h haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. 9 shaken mg Für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, und Mich Ladenburg. g Cort 3 2e Sit. I 73. neiſttrant. Ae. 50 — i. — — ͤ ä — rm ann. a 2 N 1 Das Ende der Tragödie. 1 Ada Das Uriegsgericht verurteilte in Rennes 6, den g. . am Samſtag Dreyfus mit 5 gegen 2 Stimmen haben brauchen. unter Zubilligung mildernder Umſtände zu 10 Jahren Gefängnis. Damit hätte dieſer Fall der Fälle ſein vorläufiges Ende gefunden, an das niemand dachte, ein Ende das wie der Anfang und der ganze Verlauf der Drepfus⸗ Affaire jedem vernünftig denkendem Menſchen zeigt wohin Frankreich und ſeine Offiziere ge— gsproh halb 9 Uhr. De. Wet — AUen Armee ſolche Gaukeleien treiben, wo ſie hinter einer Verſchanzung von Lügen und Verdrehungen klatſchſüchtiger Männer ſich doch nicht ſicher fühlen vor der Wahrheit, ſondern Tag und Nacht nur darauf ſinnen, ihr von hinten eine Schlinge über den Hopf zu werfen, da iſt die Fäulnis und Disziplinloſigkeit ſolche, daß „der große Urach“ nur noch eine Frage der Seit ſein kann. Mit dem Richterſpruch, den das Uriegsgericht zu Rennes gefällt, hat es nicht j kommen ſind. Die Verurteilung Dreyfus e die wir indeſſen mit allem Vorbedacht „nur er Lenel eine vorläufige nennen möchten, iſt, man mag Abein N. 1. über die Perſönlichkeit des Angeklagten ſelbſt 0 Suuln denken wie man will, ein Fauſtſchlag ins . Heſicht der Gerechtigkeit, ein Fauſtſchlag hſteint, 1. ff nachdem einen Tag zuvor noch die deutſche 6 Halatil Regierung in unzweideutiger Weiſe die Unſchuld ligen Neri des Dreyfus dokumentirte, und damit dem 3 F. El Kriegsgericht in Rennes die Votwendizkeit — eines Freiſpruches gerade auf den Tiſch gelegt Ascn hatte. Daß die Herren Generäle und Oberſten FB EUR N die ja alles thun, auf Shre und Gewißen f von dieſer Erklärung einfach keine N Rol; nahmen, iſt ſo ſchmählich und kiederträchtig, daß hierüber kein weiteres Wort zu verlieren wäre, wenn es ſich nicht um das handeln würde, die es ja wohl zu überlegen haben werden, ob ſie ſich eine ſolche Bezichtigung der Unwahrheit gefallen laſſen und nicht nach⸗ drückliche Henugthuung hiefür erlangen müſſen. Daß die Heldenherren in Rennes ſich mit ſtolzem Lächeln über den Spruch des Uaſſations⸗ hofes hinwegſetzen und mit der Wahrheit und der Mannesehre ein ſo elendes und erbärm— liches Fangballſpiel treiben durften, wie dies in That geſchah, das zeugt von einer ſo tiefen Anſehen des deutſchen Reich und ſeiner Vertreter mehr lange nötig, ſich nach einem ſogannten Wahrheitsbeweis umzuſehen. Denn ſo viel ſteht für denjenigen, der den Verlauf der Affaire ruhig und nüchtern prüfte abſolut feſt: Dreyfus iſt völlig unſchuldig. Auch nicht der Schein eines Schuldbeweiſes 1 Denn wo die Vertreter einer konnte gegen ihn vorgebracht werden, und die Art und Weiſe, wie die Herren Richter und Zeugen die harmloſeſten Worte förmlich zu einer Anklage gegen ihr Opfer zuſammenkneteteten zeigt deutlich und klar, wie ſehr ſte ſich ihrer eigenen Schwäche und Haltloſigkeit bewußt waren. Der blindwütende Haß gegen Dreyfus ließ ſie zu den abenteuerlichſten Mitteln ihre Suflucht nehmen; der famoſe General Mercier, der ſich bis zur Stunde noch ſeiner goldenen Freiheit und ſeiner ritterlichen Heldenthaten freut, dur fle einem Richter⸗ Kollegium ſogar einen elenden Schwindler wie den Serben Cernuschi, als Kron⸗ zeugen präſentieren und bis in das Schlafzimmer den deutſchen Kaiſers hinein, wollten wichtigthuende und großmaulige Schnüffler die Spuren des Verbrechers Dreyfus verfolgt haben. Man muß ſich wahrhaft wundern, daß es den Herren gelang, bei ſolchen und anderen Und in der That — heute wo das Kollegium dieſer ſehr ehrenwerter Richter ſeinen Spruch gefällt hat, ſteht die ganze Menſchheit gegen ſie auf als Kläger. Sie will nichts wiſſen von den kalten und feindſeligen Erwägungen derer die ſich und andern die Phraſe von der 1899. patriotiſchen Tiraden ernſt zu bleiben — die Farce des Uriegsgerichts zu Rennes, die man wohl die grauſamſte Satire auf menſchliche und männliche Gerechtigkeit! nennen darf, wurde dadurch freilich um etliche prächtige Scenen reicher. Ja man müßte heute, wo man ja gezwungen iſt, einen Kückblick auf die ganze Affaire zu werfen, wahrhaftig lachen über dieſes traurige Soldatenſpiel, wenn nur nicht in der Menge desſelben ein Unglücklicher, ein Unſchuldiger ſtünde, ein Menſch mit fühlendem Herzen, der ſeine Unſchuld hinausſchreit in die Welt, dem die Verzweiflung die Seele zuſammen⸗ krampft, der um die Ehre der Seinigen ringt mit übermenſchlichen Kräften, und dem als Antwort auf ſeinen Schrei nach Gerechtigkeit nur das Hohnlachen einer wilden und von gewiſſenloſen Führern verhezten Menge ent⸗ gegenſtellt. Mag Dreyfus ſein, wer und was er will, mag er ein Beſſerwiſſer geweſen ſein, und als Menſch wenig Sympathien gehabt haben, von dem Augenblick an, da ſeine Unſchuld erwieſen war, und die Meute hinter ihm wie hinter einem ſchußwunden Wild, mußten alle die, denen die Gerechtigkeit auch heute noch als unverletzlich gilt, ſich auf die Seite derer ſtellen, die Mut hatten, die Wahrheit zu bekennen und den Feinden des Unglücklichen das wuchtige Wort Wir klagen Euch an entgegenzuſchleudern. Politik und Diplomatie, die auch über Leichen Ein Vaterherz. von Klara Rheinau. 47. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.) Antonio Baretti bereitete den Thee für ſeinen kkanken Schützling, aber dieſer verhielt ſich ſehr ſchweigſam, aß und trank ohne Appetit, und ſeine aud zitterte, wenn er die Haud zum Munde führte. Antonio beobachtete ihn mit ernſter Beſorgniß Sie fühlten ſich nicht wohl heute Abend?“ fragte r ängſtlich. „Ich habe nicht erwartet, mich wohl zu fühlen. ch hörte genug Betrübendes heute. Hat ſie Ihnen on Elſie erzählt 2“ 5 „Nur wenige Worte.“ „Sie haben ein Recht, Alles zu erfahren, gretti. Sie haben meine Elſie einſt geliebt, wie glaube.“ , Sie wiſſen es, lieber Oberſt, Sie wiſſen ie zuletzt meine Liebe zu ihr mein Uuglück ver⸗ ehrte.“ „Ja — ja — das erzählten Sie mir ge⸗ keulich in Ihren Fieberträumen, Antonio,“ ſagte kord mit mattem Lächeln. Antonio hielt dies für ein gutes Zeichen und agte eifrig: „Sie haben Hoffnung, Oberſt, ich bin berzeugt davon.“ 5 „Ja — ich bin voller Hoffnung, Baretti; koman in Originalbearbeitung nach dem Engliſchen Elſie wird gefunden werden. Dieſe Leute haben Alles verkehrt angefangen — ich will ſo raſch als möglich geſund werden und dann ſelbſt nach meinem Kinde ſuchen, daß Ihr zum Wahnſinn getrieben habt.“ „Zum Wahnſinn!“ rief wahnſinnig! O, lieber Oberſt, es nicht ſo iſt!“ „Hoffentlich befindet Sie ſich wieder beſſer,“ verſetzte Nord, und wartet auf mich und hält ſich ferne von jenem ſchrecklichen Frauenzimmer, dem ſie ebenſo wenig trauen kann, als wir es können.“ „Fräulein Dering?“ fragte Antonio, wie im Zweifel, wen Frank Nord im Sinne babe. „Ja — Fräulein Dering. „Sie verdient unſer volles Vertrauen, Herr Oberſt.“ „Ich hatte vergeſſen, was Sie mir früher erzählten, Baretti. Ei, wenn Sie je ihre Liebe beſeſſen haben, ſo haben Sie auch jetzt noch Ausſicht.“ „Martern ſie mich nicht — erzählen Sie mir von Elſie,“ flehte Antonio, ſtützte beide Ellenbogen auf ſeine Kuie und barg ſein Geſicht in den Händen. Aber Frank Nord erzählte nicht ſogleich die Ge⸗ ſchichte von Elſie's Verſchwinden; er wollte zuvor einer andern Sache auf den Grund gehen. „Sie denken doch nicht an Elſie Baretti? Sie haben es mir verſprochen.“ f 195 Antonio. „Elſie ſagen Sie, daß „Es war ein Verſprechen, ſie zu vergeſſen — ſo ſchwach und haltlos wie ich ſelbſt.“ „Bereuen Sie es?“ fragte Nord ſtrenge. „Ich finde ein Vergeſſen unmöglich — das iſt Alles.“ „Ich ſagte Ihnen, daß Sie Zeit dazu brauchen würden, und ich erbat jenes Verſprechen als die einzige Gunſt die Sie mir erweiſen könnten. Schließlich wird ſie gar nichts mehr von Ihnen wiſſen wollen, denn ſie iſt ein ſtolzes Mädchen, eine echte Nord, und die Vergangenheit ſtellt ihren Lieb⸗ haber in kein ſchmeichelhaftes Licht.“ „Warum ſagen Sie mir dies?“ ſtöhnte An⸗ tonio. „Ich weiß nur zu wohl, welch' berechnender Schurke ich war; ich habe es Ihnen und ihr ſelbſt eingeſtanden.“ „Ja, das iſt richtig,“ ſagte Nord nachdenklich „ich dachte in letzter Zeit nicht viel an Ihr Ver⸗ ſprechen, denn Elſie ſchien mir ferner gerückt, als Ihnen. Aber da ſie nun dies Unrecht, welches ſie mir augethan, einſieht und beklagt, ſo hielt ich es für möglich, daß ſie eines Tages zu mir käme — nicht ich zu ihr,“ fügte er plötzlich mit auffalleudem Stolze bei, „und daß noch in elfter Stunde Friede und jenes reine, uns vollkommenem Vertrauen her⸗ vorgehende Glück uns zu teil werden möge. ſo es Gottes Wille iſt. Ich erinnere Sie an dies,“ ſagte er, ſeine Hand auf Antonios Schulter legend „weil Sie vorhin ſprache b ich Ihnen während 0