8 Ladenburg. — — enburger Anzeiger für Erſcheint jeden Dienſtag und Freitag Abend. Preis vierteljählich Mark 1.— mit illuſtrirtem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. i die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg und Umgegend. Anzeigen: Raum 10 Pfg. Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen Druck und Verlag von Karl Molitor Die einſpaltige Corpuszeile oder deren 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Ladenburg. ig Ao. 66. 5 Mittwoch, den 23 Auguſt 1899. Das Land der Anarchie. Die politiſchen und ſozialen Erſcheinungen Vorgänge in Frankreich ſind gegenwärtig angehäuft verblüffender Natur, daß es imm wäre, wenn die politiſche Welt daraus ö das heißt ſie nehmen das Fortjagen eines von ihnen gewünſchten Miniſters nicht ruhig hin, und dann erſtehen unendliche Miniſterkriſen, wie man es auch in Frankreich ſchon erlebt hat. Ferner fühlt ſich jeder Parteichef in Frankreich ſelbſt als Autorität und erachtet ſich berechtigt, nicht nur Oppoſition zu machen ſondern gelegentlich ſelbſt der Regierung zu bemächtigen. Angeſichts der letzten Ver⸗ ſchwörungen und des hartnäckigen Wieder⸗ ſtandes des Verſchworenen Guerin, in ſeinem verſchanzten Hauſe in Paris darf es wohl keiner neuen Beweiſe mehr, wie weit es in Frankreich die Parteiführer mit der Mißach⸗ tung der Staatsautorität treiben. Ohne jeden Sweifel geht ein anarchiſtiſcher, ungeſetzlicher Zug auch durch die ganze franzöſiſche Armee. Die Generäle, Officiere und Soldaten Frank⸗ reichs haben alle den Eid der Treue für die Republikaniſche Regierung geleiſtet, aber es iſt eine Thatſache, daß eine ganze Menge Offiziere der franzöſiſchen Armee und wahr⸗ ſcheinlich auch Mannſchaften Orleaniſten oder Bonapartiſten im Herzen ſind und wohl keine Minute zögern würden, ihren Eid zu brechen, wenn der ihnen erwünſchte Thronkanditat erſcheinen und die Republik zu ſtürzen ſuchen würde. Die einzigen Stützen der Autorität in einer Republick ſind Recht und Freiheit und Gleichheit, aber in Frankreich herrſchen dieſe Staatsſtützen nicht, ſondern dort Cule und Chanoine erhielt Oberſtleutnant Klobb ſind die Götzen des Tages, Ehrgeiz, Eitelkeit, Herrſch⸗ ſucht und Känkeſucht und die Lüge, Falſchheit und Ehrloſigkeit ſind ihre Begleiterinnen. Daraus entſteht dann in einem Staate der anarch. dem Geſetze und der Autorität Hohn ſprechende Zuſtand, wie wir ihn jetzt in Frankreich ſehen. Wem kann man denn dort noch glauben oder trauen d! Alle gefallen ſich in der Bolle g die Beurtheilung des franzöſiſchen Staats- 12 1 b weſens nicht eine große Wahrheit ſchlußfolgernd min ziehen würde. Die franzöſiſche Kepublick iſt d 310% enbar ein Land der Anarchie, allerdings nicht N u Land der akliwen gewaltthätigen Anarchie, Jar ohl aber ein Staat mit latenter Sügelloſigkeit 5 d Mangel an Achtung vor der Autorität 5 id dem Recht, und dieſer Suſtand herrſcht it Amit Frankreich keineswegs ſchlechthin, ſondern her d finde ſich in den Spitzen der Regierung, m. * Leflung des Heeres, den Bureaus der den. Verwalfung und den Parteien der Kammern. ersol. Wer iſt denn in Frankreich eigentlich Herr und d, Vue laalsautorität? Niemand oder vielmehr zihe, er % Miniſter, und alle Parteioberhäupter Rübe wollen es ſein. Die Aus ſagen des früheren „ann, Oräſidenten der Republik, des Herrn Caſimir Nan b Oerſer, im Dreyfusprozeſſe haben bewieſen, tler, t, daß damals ſowohl der Uriegsminiſter Mercier cken el als auch der Miniſter des Auswärtigen maler en, Hannataur ſchalteten und walteten wie es ihnen „ Ahe gut dünkte, und mit dem Staatsoberhaupte, inet dem Präſidenten Caſimir Perier, kein Einver⸗ 1. nehmen unterhielten in Fragen, f die zum t Kriege führen konnten. Caſimir Perier , dankte deßhalb ab. Der Präſident der Kepu⸗ 5 blik wird alſo, wenn es die Miniſter und . Parleſchef? ſo wünſchen, einfach als eine irh ln Staatspuppe behandelt, was will auch der 5 ame Präſident thun. wenn die Miniſter ſeine 5 Stimme nicht hören wollen? Er muß ſie zur U Eb Abdankung zwingen, doch in ſolche Abdankungen in, miſchen ſich die Parteien der Kammern auch, Le * Ahe Ein Daterherz. 4 oman in Originalbearbeitung nach dem Engliſchen uchen. von Klara Rheinau. 75 J. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.) ddp. „Was iſt hier zu riskiren?“ fragte Helene. „Fieber — eine Krankheit, vor der die meiſten Franen ſich fürchten; und Sie ſind nicht tapfer und furchtlos mit der Minderheit ihres Geſchlechts. Laſſen Sie mich Ihnen rathen, ſich zurückzuziehen. „Ich fürchte das Fieber nicht. Ich kann nicht elle“, weniger ſchurkiſch, ſondern Ihrer Achtung würdig erſcheinen ließ. Allein mich berührte dies nicht mehr — es war zu ſpät für eine Entſchuldigung.“ „Nein, nein, nicht zu ſpät,“ rief Helene flehentlich. „Ich bitte Sie, nicht grauſam zu ſein in Ihrer Feſtigkeit — ſich zu erinnern —“ „Wollen Sie ſich um eines ſchwachen Mannes willen gefälligſt erinnern, Fräulein Dering, daß ich Ihren Beſuch zu anderer Zeit vorzuziehen würde,“ nuterbrach er ſie ruhig: „Ihre Mittheilung iſt unwichtig und kann keinen Einfluß haben auf das Leben, welches ich mir ſelbſt vorgezeichnet habe. Fragen Sie meinen Freund, ob ich heute nicht ohne⸗ hin genug zu denken habe.“ 5 eggehen, nachdem ich monatelang nach Ihnen ge⸗ 100 a cht — ich habe Ihnen ſo Vieles zu ſagen.“ f 1 „Dann muß ich Sie bitten, ein andermal vor⸗ an iſprechen,“ verſetzte Nord in dem gleichen gemeſ⸗ 6. ſenen Tone. „Es iſt mir eben unmöglich, Fräulein Dering, Ihnen Gehör zu geben. In wenigen bſchluß gebracht werden.“ „Nitts kann wichtiger ſein als was mich erhergeführt,“ rief Helene. „O, Herr Oberſt, Sie müſſen die Aufrufe in den Blättern geſehen haben, durch welche wir Sie zur Rückkehr auf⸗ forderten. Warum gaben Sie keine Antwort?“ „Ich habe ſie geſehen, ſie erzählten ihre eigene eſchichte und bedurften keiner Antwort.“ „Welche Geſchichte?“ „Daß Sie Ihren Sinn geändert — vielleicht was entdeckt hätten, was mich in Ihren Augen linnten ſollen hier wichtige Angelegenheiten zum Ihre Verzeihung zu erbitten. Helene blickte auf Antonio Baretti, deſſen An⸗ weſenheit hier ſie ſich nicht im Entfernteſten zu erklären vermochte. „Sie ſind ungerecht, Herr Oberſt,“ murmelte ſie; „die Nachrichten, die ich bringe, berühren Sie ſehr nahe und verurſachen Ihnen neuen Kummer. Ich, ein armes, ſchwaches Mädchen trage die Schuld daran und bin hier, um Ich that Alles, ſtrebte nach dem Beſten, aber es mißlang mir gänzlich.“ Sie wandte ſich ab Beſorgniß nicht, die aus ſie ihn wieder anblickte, Nords Zügen ſprach; als war es das harte unbe⸗ wegliche Geſicht, welches nicht das mindeſte Gefühl Wir ſind alle für Erfolge geboren, junge verrieth. Dame,“ verſetzte Nord in belehrendem Tone; „wenn und bemerkte die plötzliche eine Nachricht eingetroffen, nach weicher die Mit⸗ frommer Heuchler, keiner ſpricht: Vaterland“ wir haben an Dir geſündigt! Politiſches. Algier, 21. Auguſt. Hier i iſt geſtern glieder der Expedition Klobb und Meunier, welche nach dem Innern entſandt worden waren, und die bereits ſeit längerer Zeit unbefugt Handel mit Eingeborenen treibende Expeditition Culet und Chanoine aufzuſuchen und als Gefangene zurückzubringen, von dieſen ermordet worden ſind. Einige die Expedition begleitende Einge⸗ borene konnten ſich nach Timbuktu retten und erſtatteten Bericht, worauf ſofort eine große Abtheilung Militär zur Verſolgung der genannten Expedition aufbrach. Paris, 21. Auguſt. Die Meldung aus dem Sudan, daß Oberſtlieutenant Klobb, welcher den Auftrag hatte, den Befehl über die von den Hauptleuten Culet und Chanoine befehligte Miſſion zu übernehmen, mit ſammt dem ihn begleitenden Lieutenant Meunier ermordet worden und zwar wie es heißt, in Folge eines Streites zwiſchen dem Oberſtlieutenannt Klobb und den Hauptleuten Culet und Chauoine, ruft ungeheures Aufſehen hervor. Der Figarro erzählt über die Ermordung der beiden franzöſiſchen Offiziere: Infolge einer Unterſuchung über die Miſſion Befehl, das Kommando übe, die Miſſion zu über⸗ nehmen und die bloßgeſtellten Offiziere nach der Küſte zu führen. Klobb und Meunier waren von einer Abheilung eingeborener Soldaten begleitet, als ſie auf die Miſſion ſtießen. Klobb theilte der Miſſion den ihm ertheilten Auf rag mit, wurauf Culet erwiederte, wenn Klobb darauf be⸗ harte, den Befehl auszuführen, könne er ſich als einen todten Mann betrachten. Als Klobb und Sie nach beſtem Ermeſſen handelten, brauchen Sie nicht die Vergebung deſſen zu erbitten, der Ihr Ankläger nicht iſt.“ „Ihre Tochter Elſie — Sie ſprechen nicht von ihr — Sie fragen mich nicht, ob —“ Wieder unterbrach er ſie. „Ich weiß nicht, daß ich mich des Segens einer Tochter erfreue,“ ſagte er ſtrenge; „es lebt noch eine ſchwache Er⸗ innerung an ein blondlockiges Kind, das, wie ich zu glauben verſuche, mit drei Jahren ſchon ſtarb — weiter nichts mehr. „Ich würde ſicher nicht allein in der Welt ſtehen, wenn ich mit Kindern geſegnet wäre — nicht wahr ?“ „Ach, Sie denken an unſere frühere Verblend⸗ ung und ſind hart gegen uns in Ihrem neuen grau⸗ ſamen Stolz; aber bitte, hören Sie meine Geſchichte. Ich werde nicht weggehen, bevor ich Ihnen nicht jedes Wort erzählt habe.“ „Wollen Sie gefälligſt Platz nehmen,“ ſagte der Oberſt, mit einer auffordernden Handbewegung nach einem der Stühle, und Helene ſtammelte ein leiſes „Ich danke“. Aber während ſie noch forſchend in die Züge des Kranken blickte, mit dem ſehnlich⸗ ſten Verlangen, in ſeinem Herzen leſen zu können, oͤffnete ſich die Thüre, und zwei ausändiſch ausſehen⸗ de Männer mit gebräunten Geſichtern und langen Bärten traten in das Zimmer und ſchritten auf Elſie's Vater zu. „Mein lieber Oberſt — endlich, alter Freund,“ riefen ſie.