87 e Erſcheint jeden Dienſtag und Freitag Abend. 1 Preis vierteljählich Mark 1.— mit illuſtrirtem Unter⸗ 5 haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. 1 Für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Laden burg. c Druck und Verlag von Karl Molitor, adenburger Wochenblatt. AAlnzeiger für Ladenburg und Umgegend. Raum 10 Pfg. Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. . Ladenburg. No. 27. Mittwoch, den 5. April Der Miethuertrag und das Bürgerliche Geſetzbuch. Jeder Deutſche wohnt entweder in eigenem Hauſe oder „zur Miethe“. Faſt jeder Deutſche ſteht in einem „Dienſtverhältniß“ ſei es als Dienſtherrſchaft, ſei es als Dienender (3. B. Gutsinſpektoren, Hauslehrer, Gouvernanten, Wirthinnen, Stützen der Hausfrau, Geſinde). Es iſt daher klar, welche große Bedeutung für die Geſammtheit des Volkes die Vorſchriften des am J. Januar 1900 in Kraft tretenden „Bürgerlichen Seſetzbuches“ über Mieth⸗ und Dienſtverträge haben. Das Einführungsgeſetz zum „Bürgerlichen Geſetzbuch“ enthält folgende Vorſchriften: Artikel 170. Für ein Schuldverhältniß, das vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Geſetz⸗ buches entſtanden iſt, bleiben die bisherigen Ge⸗ ſetze maßgebend. Artikel 171. Ein zur Seit des Inkraft⸗ tretens des neuen Bürgerlichen Geſetzbuches beſtehendes Mieths⸗, Pacht- oder Dienſtverhält⸗ niß beſtimmt ſich, wenn nicht die Hündigung nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Ge⸗ ſetzbuches für den erſten Termin erfolgt, für den ſie nach den bisherigen Geſetzen zuläſſig iſt, von dieſem Termin an nach den Vor⸗ ſchriften des Bürgerlichen Geſetzbuches. Während alſo Art 170 den Srundſatz aufſtellt, daß die vor dem 1. Januar 1900 eentſtandenen Schuldenverhältniſſe bis zu ihrem Erlöſchen in alle Zukunft nach dem alten Kecht beurtheilt werden ſollen, macht hiervon Artikel 171 für die aus Mieths⸗, Pacht⸗ oder Dienſtverhältniſſen hervorgehenden Schuldenver⸗ hältniſſe eine einſchneidende Ausnahme, indem dadurch den Vorſchriften des neuen Geſetzbuches in gewiſſem Umfange rückwirkende Kraft bei⸗ gelegt wird. Bei der großen Sahl und Be⸗ deutung der Mieths⸗, Pacht und Dienſtverträge erſchien es dem Geſetzgeber im öffentlichen Intereſſe wünſchenswerth, eine längere Geltung des alten Rechts möglichſt abzuſchneiden. Der Sinn des Artikels 171 iſt folgender: Vor dem 1. Januar 1900 geſchloſſene Miehts⸗ Pacht⸗ und Dienſtverträge gelten ſo lange, wie die betreffenden Verträge dies feſtſetzen, oder (in Ermangelung einer Vereinbarung über die Dauer des Mieths⸗, Pacht⸗ oder Dienſtverhält⸗ niſſes) ſo lange, wie das alte Geſetz beſtimmt, und ſind wie alle anderen Schuldverhältniſſe, gemäß Artikel 170 noch ſo lange, nach dem alten Recht zu beurtheilen. Wenn aber das Mieths⸗, Pacht oder Dienſtverhältniß nach dem 1. Januar 1900 nicht für den erſten Termin angekündigt wird, für den eine Kündigung vertragsmäßig oder nach dem alten SGeſetz zuerſt zuläſſig iſt, gelten von dieſem Termin an ohne Weiteres die Vorſchriſten des „B. G.⸗B.“ ſoweit der Mieths⸗ Pacht- oder Dienſtvertrag nichts anderes beſtimmt. Beiſpiele: A miethet von B am J. Oktober 1899 durch giltigen Vertrag eine Wohnung auf 3 Jahre bis J. Oktober 1902 mit der Beſtimmung, daß, wenn bis J. April 1002 von keiner Seite Hündigung erfolgt, der Vertrag auf weitere drei Jahre bis erſten Oktober 1905 gelten ſoll. Hier iſt das Mieths⸗ verhältniß bis 1. Oktober 1902 in allen Be⸗ ziehungen nach dem alten Recht zu beurtheilen. Wenn aber keine Partei vor J. April 1902 zum J. Oktober 1902 kündigt, ſo unterliegen die gegenſeitigen Rechte und Pflichten der Parteien vom J. Oktober 1902 den Vorſchriften des „B. G.B.“, ſofern und ſoweit dieſe Kechte und Pflichten nicht im Vertrage beſonders ge⸗ regelt ſind; es finden 3. B. die Vorſchriften 1899. über das Pfandrecht des Vermiethers, 88 5 559ff. „B. G.⸗B.“, über welche die Mieths⸗ verträge in der Regel keine beſondere Beſtimmung enthalten, vom 1. Oktober 1902 Anwendung; es muß ferner die Vertragserneuerung über den J. Oktober 1902 hinaus gemäß 88 556, 580 „B. G.⸗B.“ ſchriftlich ſein, ſelbſt wenn dies nach dem alten Recht nicht nötig geweſen wäre. — Ein junger Mann in Berlin miethet ein möbliertes Simmer am J. Dezember 1899 gegen monatliche Zinszahlung. Wenn weder er noch ſein Wirth am 15. Januar 1900 kündigen, unterliegt das Miethsverhältniß vom 1. Februar 1900 den Vorſchriften des „B. G. ⸗B.“ bis dahin iſt es nach dem alten Recht zu urtheilen. — Sine Hausfran miethet im September 1899 ein Dienſtmädchen, welches den Dienſt am J. Oktober 1899 antritt; wenn von keiner Seite das Dienſtverhältniß am 15. Februar gekündigt wird, unterliegt es vom J. April 1900 nicht bloß den Beſtimmungen der in Kraft bleibenden preußiſchen Seſindeordnung ſondern auch in Artikel 92 Einf.⸗Geſ. bezeich · neten bedeutſamen Vorſchriften des „B. G. B. über Dienſtverträge. Verſchiedenes — Zuzenhauſen, 1. April. Schon ſeit einer Reihe von Jahren hat die hieſige Gemeinde zur Förderung und Hebung der Ziegenzucht recht Erſprießliches geleiſtet und durch den Ankauf von Zuchtböcken von anerkannt guter Raſſe ſehr be⸗ friedigende Reſultate erzielt. In Folge deſſen wurde im Jahre 1894 hierorts eine Ziegenzucht⸗ Genoſſenſchaft — die erſte in Baden — gegründet, welcher Verein ſeit ſeinem Beſtehen neues Zucht⸗ material, beſonders durch direkten Bezug aus der Schweiz 30 Ziegenlämmer und 2 junge Böcke der Saaner und Brienzer Raſſe, eingeführt hat. Ein VDaterherz. Roman in Originalbearbeitung nach dem Engliſchen i von Klara Rheinau. 1. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.) Der Fremde ſaß beute wieder, in tiefen Ge⸗ danken verſunken, ohne zu rudern, im Stern des Bootes. Eine finſtere Entſchloſſenheit prägte ſich in ſeinen dunkeln Zügen aus; er ſah nicht aus wie ein Mann, der vor irgend einer Gefahr feige zurückweicht, und dennoch ſcheute er ſchließlich ſeine Aukunft in Wolſton, als einem Orte, der voll bitterer Erinnerung für ihn war oder in welchem er Glück und Frieden zu finden gehofft hatte, bis der rauhe Fährmann vom Tode und von den Ver⸗ änderungen, die in fünfzehn Jahren ſich vollziehen können, zu reden begonnen. Erſt als der Aveny ſich plötzlich zu einer jener ſeeähnlichen Waſſerflächen erweiterte, die man in den öſtlichen und nordöſt⸗ lichen Theilen Englands mit dem Namen „Broad“ bezeichnet, da ſchlug er mit der flachen Hand auf ſein Knie und lachte laut. 5 „Robert Schmitt, Sie ſind das armſeligſte Geſchöpf auf Erden! Ich wollte, Sie wären in Cheſtwich ertrunken, ehe mir Ihre häßliche Phyſiog⸗ nomie vor Augen gekommen. Die Nords von Wolſton nicht zu kennen! Jedermann wird ihren Namen hier kennen; denn Wolſton iſt ſeit Genera⸗ tionen das Heim der Nord's und ihr Heim ſoll es bleiben, denn ich bin für immer N und dieſer zweite halbe zurückgekommen“ Robert Schmitt enthielt ſich jeder Erwiederung auf dieſe aufgeregte Rede, fühlte ſich aber ungemein erleichtert, als ſein Paſſagier eine Börſe aus der Taſche zog. „Hier iſt ein Sovereign für die Reiſe Schmitt, und drei Thaler für die Rückfahrt — eine Summe, die meiner Freigebigkeit überlaſſen war; Sovereign — für was mag dieſer ſein?“ Er hielt ihn zwiſchen Daumen und Zeigefinger, und Schmitt blickte verlangend nach dem glitzernden Goldſtück. „Für mich, hoffe ich,“ rief er raſch und laut. „Ja, für Sie, Schmitt, damit Sie ſagen, „Alles Glück für Frank Nord, und möge er am Ende ſeiner Reiſe ſeine liebſten Hoffnungen ver⸗ wirklicht finden!“ Der Fahrmann wiederholte voll Eifer die Worte ſeines ſo freigebigen Paſſagiers und barg vergnügt auch dieſes Goldſtück in die Taſche ſeiner rothen Weſte. „Liebes altes Wolſton!“ ſagte Nord, als er ſich anſchickte, den Torniſter wieder umzuſchnallen; „nicht im geringſten hat es ſich verändert. Es ſcheint mir gerade, als wäre ich erſt geſtern hier geweſen, Schmitt; und all dieſes Leben und Lärmen bringt mir die alten Zeiten ſo nahe, daß ich ihre Stimme in meinem Herzen vernehmen kann, Schmitt.“ Robert Schmitt zweifelte nicht an dieſer Mög⸗ lichkeit, aber jetzt, da er ausbezahlt war, hatte er alles Intereſſe an ſeinem ſeltſamen Paſſagier ver⸗ 9 loren und bedauerte nicht, daß das Ende ihrer Reiſe nun ſo nahe war. f Ein heiteres Leben und Treiben herrſchte an dieſem Morgen in Wolſton. Aus den Feuſtern der Schenke flatterten zahlreiche Fahnen, und an dem Ufer wie auf der eiſernen Zugbrücke, welche ſich eine vielköpfige Menge. In dieſem Augenblick ertönte ein Flintenſchuß, die Segel der Yachten, welche ſich um einen Preis bewarben, blähten ſich im Winde, und am Ufer und auf dem Fluſſe herrſchte große Erregung, als jetzt die erſte Wett⸗ fahrt des Tages begann. Aber Frank Nord ach⸗ tete alles deſſen nicht, er lauſchte den Stimmen der Vergangenheit; war doch die Stunde gekommen, wo er das Schickſal, jener erfahren würde, zu denen ſein ganzes Herz ihn hinzog. „Die „Elſie“ wird gewinnen,“ rief Schmitt, in dem Boot in die Höhe ſpringend. „Fünf Thaler gegen einen, die Elſie trägt den Sieg davon.“ „Die Elſie — wie?“ fragte Nord; iſt dies der Name?“ „Ja; er ſteht in goldenen Lettern an der Seite.“ f „Ich nehme es als ein Zeichen, daß die Elſie meines Herzens ſich hier befinden,“ ſagte Nord. „Warum bleiben Sie nicht ſitzen und rudern an das Ufer 2“ „Wie Sie wollen, Herr; nach der Schenk oder ſonſt wohin?“ 1 5 2 mit der Hauptſtraße in Verbindung ſtand, fle 14 1 9