4 Politiſches. 5 erlin, 31. März. Der Kaiſer empfing am Dienſtag eu A. den Generalleutnant v. Caprivi, welcher die Orden ſeines verſtorbenen Bruders, des früheren Reichkanzlers Grafen Caprivi, über⸗ brachte. Bekanntlich hat Kaiſer Wilhelm an der glücklichen Rettung des Hamburg⸗Amerika Dampfers „Bulgaria“ aus langer und ſchwerer Seenoth das lebhafteſte Intereſſe genommen und der wackeren Beſatzung des Schiffes, ſowie vor Allem dem tüchtigſten Capitain Schmidt ſelbſt, ſeine warme Anerkennung ihres tapferen Verhaltens telegraphiſch ausſprechen laſſen. Dieſem Intereſſe des kaiſerlichen Herrn entſpricht es denn auch nur, wenn er jetzt den Geſandten Preußens bei den Hanſeſtädten, Graken Metternich⸗Wolff, den neuen General⸗Inſpector der Marine Admiral Köſter, und den commandirenden General des 9. Armeecorps, von Maſſow, mit ſeiner Vertretung beim Empfang der heimkehrenden „Bulgaria“ reſp. bei der feierlichen Begrüßung ihrer Be⸗ ſatzung, beauftragt hat. Die Ankunft der „Bul⸗ garia“ in der Elbmündung bei Brunshauſen erfolgt vorausſichtlich heute Abend. Dort werden die Vertreter des Kaiſers, die Mitglieder der Verwaltung der „Hamburg⸗Amerika⸗Linie“ und ſonſtige Deputationen am Sonnabend Vormittag zur Begrüßung der Beſatzung der „Bulgaria“ ein⸗ treffen, um mit derſelben dann nach Hamburg zurückzukehren. Daſelbſt findet Sonnabend Nach⸗ mittag Empfang der Beſatzung der „Bulgaria“ ſeitens des Senats ſtatt, woran ſich verſchiedene Feſtlichkeiten zu Ehren der glücklich Heimgekehrten anreihten. In den nächſten Tagen nach der Heimkehr der „Bulgaria“ wird Capitain Schmidt „Bulgaria“ am Dienſtag Plymouth an, in welcher engliſchen Hafenſtadt der Beſatzung des Schiffes eine auszeichnende Aufnahme bereitet wurde. Petersburg, 31. März. Rußland hat den in Petersburg gemachten Vorſchlag Englands einer förmlichen Theilung Cainas — wenigſtens ſoll nach Londoner Meldungen der britiſche Bot⸗ ſchafter am Petersburger Hofe einen ſolchen Vor⸗ ſchlag gemacht haben — wie „Morning Poſt“ erfährt, entſchieden zurückgewieſen. Miniſter Graf Murawie erklärte dem Vernehmen nach hierbei, Rußland würde einem ſolchen Plane niemals 0 nöthigenfalls aus ganzer Kraft beanſtanden. Will ſich das eee wirklich als Beſchützer Chinas aufſpielen? Eben⸗ falls aus engliſcher Quelle verlautet, daß die ruſſiſche Regierung beſchloſſen habe, die 3 5 ruſſiſche Artillerie ſchleunigſt mit neuen Schne a feuergeſchützen zu bewaffnen. Das wäre ja eine recht draſtiſche Illuſtration zu dem ruſſiſchen Abrüſtungsvorſchlag. Jerſchiedenes * 277 1055 27. März. Ein ſchreck⸗ liches Familiendrama hat ſich am Samſtag, in Gutach im Schwarzwald abgeſpielt. Unter den erwachſenen Söhnen des Martinsbauers Blum im Unterthal war ein Streit entſtanden, in welchem der 23jährige Konrad Blum von ſeinem 37 Jahre alten Bruder Johann erſchoſſen wurde. Die beiden Brüder Johann und Chriſtian Blum gerieten in Wortwechſel, der ſchließlich zu Thät⸗ lichkeiten ausartete, wobei Johann Blum von ſeinem Bruder Chriſtian, ſowie von ſeinem ver⸗ mittelnten Vater und Conrad übel zugerichtet wurde. In der Wut holte er das ſcharfgeladene Jagd- gewehr ſeines Vaters und ſchoß im Dunkeln dem ihm zunächſt ſtehenden Conrad ſo unglücklich in die Bruſt, daß er ſofort entſeelt niederſank. Der Mörder ſtellte ſich der Gendamerie. — Berlin, 27. März. Der Oſterhaſe hat in dieſem Jahre ganz beſondere Gelegenheit, bei vielen durch goldene Oſtereier ſich auszuzeichnen, werden doch Gewinne, wie 100 000 M., 50 000 Mark, 15 000 Mark, 2mal 10 000 Mark u. ſ. w. bei der am 14., 15., 17., 18. und 19. April ſtattfindenden Ziehung der zweiten Wohlfahrts⸗ lotterie zu Zwecken der Deutſchen Schutzgebiete ausgelooſt. Es eignen ſich deshalb die Wohl⸗ fahrtslooſe 4 „ 3.30 vorzüglich zu Feſtgeſchenken und ſind ſolche vom General⸗Debit Ludwig Müller & Co., Bankgeſchäft in Nürnberg und München, und überall von den bekannten Loos⸗ verkaufsſtellen zu beziehen. — Oberbühlert hal, 30. März. Geſtern Nachmittag iſt ein Waldbrand im ſogn. Wolfing ausgebrochen. Es iſt eine Fläche von 40 Ar abgebrannt. Zehnjährige Knaben hatten Dornen und Hecken verbrannt, wobei in Folge des herr⸗ zuſtimmen und ihn ſchenden ſtarken Windes der Wald in Brand ge⸗ ſetzt wurde. Die Feuerwehr zog mit Hilfe anderer Leute Gräben zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung des Feuers und löſchte das letzetre. Offizier Hannemann, der Dragoner Moot und der Ingenieur Vorſchulte wurden auf dem Wege nach Itſchenſu unweit dieſer Szadt von der ein geborenen Bevölkerung angegriffen. Es ſulgt ein Kampf, wobei mehrere Ehriſten getobig wurden. Hannemann und ſeine Begleiter ſind wohlbehalten in Tſintau zeingetroffen. Landwirthſchaftliches. Obſtfreunde muß ein Aufſatz intereſſiren, den der praktiſche Ratgeber im Obſt⸗ und Garten⸗ bau in ſeiner neueſten Nummer veröffentlicht. Ju Fermersleben bei Magdeburg hat ſich ein Har Bertling einen 2½¼ Morgen großen Spalierobſſ⸗ garten vor 10 Jahren angelegt, der ihm heute reichlichen Gewinn — 1000 Mark pro Morgen — bringt. Er hat viele Sortenverſuche gemacht und iſt zu dem Ergebniß gekommen, von Birnen die Sorten: Gute Luiſe, Diel, Clairgeau, Es perens Bergamotte und Ligels Winterbutterbbirne, von Aepfeln: Wintergoldparmäne, Kaſſeler Rei⸗ nette, Pariſer Rambourreinette und Gelben Belle, fleur für beſonders anbauwürdig zu empfehlen, Im vorigen Frühjahre hat Herr Bertling zur Blüthenzeit ſein kleines Oſtparadies photographieren laſſen und zeigen die Abbildungen noch beſſer wie die Beſchreibung das fröhliche Gedeihen dieſer ſchönen Anlage. Möchten ſie doch viele, beſonders kleinere Landwirthe, an dem Obſtgarten des Herrn Bertling ein Beiſpiel nehmen Erprobte Rezepte. Barben mit Sardellenſauce. 1½ Kilo gereinigte Fiſche werden rund gebogen, (ber Kopf mit der Hinterfloße zuſammengebunden), ein⸗ 8 —.— ferngehalten, ſchien er jetzt in entſetzlicher Eile, zwei oder drei Stunden zu gewinnen. Er wollte kaum Zeit geben, die Mahlzeiten einzunehmen, ſondern erwartete, daß man ſein Eſſen förmlich herunterwürge, wie Schmitt ſich ausdrückte. Nur am ſpäten Abend, wenn der Mond aufgegangen war, wurde Frank Nord etwas umgänglicher, und dann ſchien es dem Fährmann, als ſei er doch keine ſo üble Geſellſchaft. Sie hatten am zweiten Tage wieder eine tüchtige Strecke zurückgelegt, und der Freund ſprach ſeine Befriedigung darüber aus „Wir nähern uns Wolſton,“ ſagte er, „ich denke, für den Reſt der Fahrt brauchen wir uns nicht mehr ſo abzumühen. Zu was dieſe Eile Niemand erwartet mich — Niemand träumt von Frank Nord's Rückkehr — Niemand wird über ſein Kommen erfreut ſein. Nehmen Sie ſich Zeit, Schmitt.“ „Sie werden viele alte Bekannte in Wolſton antreffen,“ bemerkte dieſer auf ſein früheres Thema urückkommend; „vielleicht kann ich mich einzelner Namen erinnern.“ a „Ich hatte niemals liebe Bekannte,“ verſetzte Nord; „wenigſtens wüßte ich ſelber keine zu nennen. Meiner Feinde erinnere ich mich noch vortrefflich — ortrefflich,“ wiederholte er mit einiger Bitterkeit. War es die Erinnerung an einen dieſer Feinde, welche dieſen finſtern Ausdruck auf ſeine Züge zau⸗ erte?“ Selbſt Robert Schmitt, der nicht zu deu Scharfſichtigſten gehörte, dachte dies und ſeine Neugierde erwachte von Neuem. „Kennen Sie einen Mann, Namens Dering?“ fragte der Fremde: „Dering!“ rief Schmitt augenblicklich: „und b ich den kenne.“ „Ein ſchmaler, bleicher Burſche, der wie eine atze auf den Futzſpitzen umherſchleicht?“ fragte ord geringſchätzig. „Ein großer Mann — ſo groß wie Sie, Herr Nord, mit rot jem Geſicht und kurzem Hals das iſt mein Dering.“ „Ein Advokatenſchreiber ?“ 5 „O nein, ein Friedensrichter, der in großen weißen Haus am Fluſſe wohnt. „Wie, in Mellikin's Haus?“ „Dem gehörte es früher, aber er ſpekulirte in Staatspapieren und ging zu Grunde.“ „Ja aber Dering. Iſt es Friedrich Dering? Wiſſen Sie dies beſtimmt?“ „Ja, er heißt Friedrich Dering Erſt geſtern las ich ſeinen Namen bei dem Komitee der Re⸗ gatta, die morgen oder übermorgen in Wollſton ſtattfindet. Ich hoffe ſie iſt morgen, da ich nun doch einmal den weiten Weg hierhergerudert bin. „Friedrich Dering — pah!“ ein leiſes Ziſchen beendigte den Satz. Wenn es der Friedrich iſt, den ich meine pah! — wie muß er ſelbſt überraſcht geweſeu ſein, ſich als Gentlemann zu finden. Ich möchte wiſſen, wie er es angefangen.“ „Glaube, ich hörte eiuſt, daß er früh arm war, meinte Schmitt. „Arm! Er war ein Bettler und ein höchſt unangenehmer dazu.“ Nord lachte herzlich über Friedrich Derings frühere Lage, und es war ein angenehmes melo⸗ diſches Lachen, welches über das Waſſer dahin ſcholl. Die veränderte Lebensſtelluug Derings hatte nicht ſeine Neid, ſondern nur für den Augenblick ſeine Heiterkeit erregt. Jetzt verdüſterte ſich ſein Antlitz wieder. „Ich wünſche, Sie hätten ſich der Nords erinnert, Schmitt,“ ſagte er ernſt. „Sie ſind nicht weggezogen — wohin hätten Sie gehen ſollen — und ſie können nicht geſtorben ſein. Die eine war ein junges Mädchen und die andere erſt drei Jahre alt. Thor, der Sie ſind! Iſt es währſcheinlich dem geſalzen und in einem vorher mit Wurzelwerk, dene Lorbeerblatt und gequetſchten Pfefferkörner ge⸗ okenhel kochten Sude aus 2 Teilen Waſſer und 1 Teil u Wicht Eſſig, nur gelinde wallend 10 Minuten gekocht Zur Sauce verrührt man 3 Kochlöffel Mehl in — geſchmolzener Butter, läßt's nur leicht anziehen 5 und mit 6 gereinigten, feingewiegten Sardellen I und einem Eßlöffel Kapern durchdünſten, dere 90 dünnt mit Fiſchſud und vollendet die Saues fach nochmaligem Aufkochen mit etwas „Maggi“, Dieſe Sauce wird extra gegeben, die Fiſche da⸗ Hern gegen, mit Grün geputzt, auf ſchön gebrochener Serviette ſerviert. dünn — daß Beide geſtorben und ich heil und geſund zurück⸗ gekehrt bin?“ a Er ſprach mit ſeiner früheren Wildheit, und Robert Schmitt's gute Meinung ſank wieder be⸗ deutend. „Ich bin kein Thor, weil ich den Tod nicht für wähleriſch halte,“ ſagte er. f „Ganz richtig,“ verſetzte Nord nach einer Pauſe, „ich bin der Thor, nicht Sie.“ . Als ſie ſich wieder einem Dörfchen näherten, das mit ſeinen erleuchteten Hütten zur Linken des Fluſſes auftauchte, bemerkte Schmitt plötzlich; „ iſt ſonderbar!“ „Was iſt ſonderbar?“ fragte der Andere. „Wo Sie geweſen ſein mögen, Herr, daß Sie ſo gar nichts von Ihren Leuten in Wolſton wiſſen.“ 1 „Wo ich geweſen bin, möchten Sie wiſſen, entgegnete Nord, „ich war im Gefängniß, Schmitt, damit nahm er ſeinen Torniſter von dem Boden des Schiffes trat ans Ufer. 5 „Barmherziger Himmel!“ murmelte der Fähr: mann, ihm langſam folgend; „hoffentlich iſt Alles in Ordnung, und ich werde mein Geld bekommen, 2. Kapitel. niedergedrückt, und er hielt es für hart, möglicher“ 5 weiſe einen Taſchendieb umherrudern zu müſſen . Frank Nord wurde in ſeinen Mann, auf den man ſcharf aufpaſſen mußte; ſeine merkwürdige Offenheit ſollte wahrſcheinlich nur eine Falle ſein, abet Robert Schmitt war auf ſeiner Hut. e e N Am folgenden Tage bemerkte Frank Nord D ſogleich, daß ſein Schiffer ihn mit tieferem ernſterem Intereſſe betrachtete. Die kühle Eröffnung betreffs des Gefängniſſes hatte den ehrlichen Mann förmlich Fortſetzung folgt.