verändert und ungekürzt erſcheinen. Die Aus⸗ rlaubt, der ihnen eine Freiheitsſtrafe wegen groben Unfugs eintragen dürfte. — Kirchheim, 3. Oktober. Vergangene Nacht wurde der 86 Jahre alte Windiſch auf der Strecke zwiſchen Leimen und Kirchheim von einem von Karlsruhe kommenden Zug überfahren und war ſofort todt. feinen Sohn, der auf der Strecke Bahnwart iſt, beſucht hatte. — Pforzheim, 2. Oktober. Wie der „Pforzheimer Beobachter“ meldet, iſt der Vor⸗ ſteher der Reichsbank⸗Nebenſtelle, Heyrith, Samſtag Nacht verhaftet worden. Ihm fehlten in der Kaſſe bei der Uebergabe des Beſtandes an einen Vertreter 5000 M., welche ſich Heyrith, wie er ſſelbſt zugab, angeeignet hat. Die Vorſtands⸗ Beamten der vorgeſetzten Reichsbankſtelle in Karlsruhe veranlaßten darauf das gerichtliche Einſchreiten. Die unterſchlagene Summe iſt durch die von H. geſtellte Kaution (20,000 M.) gedeckt. — Pforzheim, 3. Oktober. Wie der „Pf. Anz.“ mittheilt. ſoll die von dem Vorſtand der hieſigen Reichsbanknebenſtelle, Heyrich, unter⸗ ſchlagene Summe ca. 25,000 Mk. betragen Heyrich ſoll auch deponirte Werthe angegriffen und größere Summen von befreundeten Perſonen geliehen haben. Der „Pf. Beob.“ hört noch, daß H. ſchon längere Zeit über ſeine Verhältniſſe elebt, Privatſchulden in größerem Umfange bei einzelnen Geſchäftshäuſern und Privatleuten gemacht haben und hierdurch zu ſemem unbegreiflichen Schritt getrieben worden ſein. In einer Corre⸗ ſpondenz des „Bad. Odsb.“ werden die Privat⸗ chulden Heyrich's anf 33,000 Mk. beziffert, dar⸗ nter 20,000 Mk. bei hieſigen Bankiers. Nach Lesarten der „Frankf. Ztg.“ werden die Unter⸗ chlagungen Heyrich's auf 12,000 Mk. reſpk. 33,000 Mk. angegeben. Heyrich, ein mittlerer A iſt oerheiratet und Vater von vier indern. 8 — Freiburg, 2. Oktober. Aus dem Hirtenbrief des Erzbiſchofs Dr. Thomas Nörber heben wir folgende bemerkenswerthe Stelle hervor: Es giebt Zeiten ruhiger Entwickelung; da mag die von der Gnade Gottes erleuchtete und unter⸗ ſtützte menſchliche Weisheit genügen, um die Ge⸗ ſellſchaft in den gewohnten Bahnen weiter zu führen. Es giebt aber auch Zeiten großer Um⸗ wälzungen, wo alle Verhältniſſe ſchwanken und Mann nimmt an, daß Windiſch — ſogenanten Memoiren übergeben. neue Geſtalt zu gewinnen ſuchen, Zeiten, in welchen die menſchlichen Leidenſchaften alle Zügel verloren haben und die Welt in's Verderben zu ſtürzen drohen, und in ſolchen Zeiten kann nur ein außerordentliches Eingreifen Gottes die Menſchheit retten. Unſere Zeit iſt ernſt und wird immer ernſter. Die Religion, die Anerkennung und Verehrung Gottes iſt thatſächtlich in weiten Kreiſen bereits Privatſache geword en. Viele öffentliche Einrichtungen werden mehr und mehr confenſſionslos und daher auch religionslos. Immer weiter greift der Unglaube um ſich, und Zweifelſucht beherrſcht die Geiſter. Man will den Menſchen ein Paradies auf Erden bereiten, während uns doch Gott in Wirklichkeit für ein ewiges Glück geſchaffen hat, deſſen Genuß erſt durch die Leiden und Opfer des Erdenlebens verdient werden muß. Man ſpricht ſoviel von Liebe, und doch ſind kalter Stolz und herzlo e Selbſtſucht faſt die einzig treibenden Kräfte in vielen Kreiſen der heutigen menſchlichen Geſell⸗ ſchaft. Mit einem Wort: die Anzeichen mehren ſich, daß wir einem neuen Heidenthum entgegen⸗ eilen. Und wie es Aufgaben der Apoſtel war, das alte Heidenthum zu überwinden und zu be⸗ kehren, ſo iſt es heute Aufgabe der Biſchöfe, dem neuen Heidenthum zu wehren und chriſtlichen Glauben und christliches Leben der Welt zu erhalten.“ — Bayreuth, 3. Oktober. Einen drei⸗ fachen Mord und Selbſtmord beging der Spinnerei⸗ arbeiter Reuther. Er ſchnitk geſtern ſeinen drei Kindern die Hälſe ab und ließ ſich dann von der Eiſenbahn überfahren. Das Motiv iſt wahr⸗ ſcheinlich plötzliche Geiſtesſtörung. Reuther war ein fleißiger Arbeiter und lebte in guten Ver⸗ hältniſſen. Infolge eines Betriebsunfalles war er ſeit drei Wochen arbeitslos. Seine Frau liegt krank. Stuttgart, 28. Sept. Der „Schwäb. Merkur“ meldet: Am heutigen Tage wurden der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung die letzten Nachträge des Fürſten Bismarck zu ſeinen — den Titel „Gedanken und Erinnerungen“ führenden Das vom verſtorbenen Fürſten eigenhändig durchkorrigirte Diktatniſt von Profeſſor Horſt Kobl mit einer Einleitung und kurzen orientierenden Noten ver⸗ ſehen und wird im Uebrigen, abgeſehen von kleinen Korekturen irriger Daten, Namen ꝛc. un⸗ gabe des Werkes wird im November d. J. be⸗ ginnen. ö — Berlin, 1. Oktbr. Wie aus Kiel gemeldet wird, wird das kaiſerliche Kanalamt die Pariſer Welt⸗Ausſtellung 1900 beſchicken mit einem großen Modell der Holtenauer Schleuſe, ſowie einem den Kanal und das umliegende Terrain darſtellenden Relief und Plänen über Bau und Anlagen des Kanals. Litterariſches. Für den Kalenderleſer iſt es immer wieder eine Freude, ſeinen alten Freund, den „Lahrer Hinkenden Boten“ im neuen Jahresgewande zu begrüßen. So auch heuer zum Jahre 1899, Der „Hinkende hat ja einen alten, guten Ruf; er iſt jederzeit ein Vorkämpfer geweſen für den geſunden, 0 freiheitlichen Geiſt im Leben des Volkes und der Nation, er hat allezeit ſeine Tendenz offen und ehrlich bekannt und ſich nicht einſchüchtern laſſen. Aber er hat ſeinen Leſern auch wahrez Volksleben geſchildert, und darum iſt er auch der Liebling vieler Tauſende geworden. Auch fürs kommende Jahr bringt er eine Fülle herrlicher Geſchichten und Geſchichtchen, ernſtens und hei⸗ teren Inhalts. Die bekannten „Standreden“ ſind ein Muſter prächtiger Dialoge geworden. „Die Standrede über die Schwarzen,“ die es auf der Erde giebt, iſt eine gelungene Unterhaltung des „Hinkenden“ mit ſeiner Stammtiſchgeſellſchaft. Von den vielen Geſchichten, die er bringt, wollen wir keine beſonders hervorheben, denn ſie ſind aus bewährten Federn gefloſſen, ſie zeigen in ihrer Anlage, ihrem Inhalte, ihrer volkstümlichen Sprache, wie ſehr es der „Hinkende“ verſteht, fürs Volk zu ſchreiben. Die ganze Ausſtattung iſt mit einem Wort dem „Hinkenden“ angepaßt und macht ihn zum allbekannten lieben Freund und zum Volkskalender erſten Ranges. Getroſt darf er auch dieſes Jahr wieder hinausgehen zu ſeinen alten Freunden und wird hoffentlich recht viele neue gewinnen. Wir wünſchen's ihm, denn er verdient's von Rechts wegen! f Humoriſtiſches. Bosheit. „Herr Baron, wenn ich Sie ſehe, muß ich immer an das Waſſer des Meeres denken, dem Sie gleichen! — Wieſo meinen Sie wegen ſeiner Tiefe und ſeiner Unergründlichkeit? „Nein, aber weil es ſo ungenißbar iſt!“ ihr kaum zürnen konnte, ſie paßte eben nicht mit ihrem kinderhaften Glauben an die Menſchheit in dieſe falſche Welt. i „Rege Dich doch nicht unnütz auf, Staufen,“ mit dieſen Worten trat der Profeſſor Mehlo jetzt zu ihm heran, und faßte ihn unter den Arm ihn nach einer Fenſterniſche geleitend. 5 „Das Erwachen und Erkennen wird auch Deiner Frau nicht erſpart werden!“ 5 „So, meinſt Du, daß ſie ſich noch ändern könnte?“ 1 Aber ich bitte Dich, ſie iſt jung, und wie ändert man in ſolcher Jugend ſeinen Charakter, ſeine Anſichten. Dazu iſt ſie Deine Frau, nach und nach wirſt Du ſie für Deine Anſichten zu gewinnen ſuchen. Sie muß Deine neuſten Werke kennen und verſtehen lernen, Dein Drama —.“ „Mein Drama,“ unterbrach ihn Staufen mit einem bitteren Auflachen; „meine Frau und dieſes Geiſteswerk, das ſind die denkbar ſchroffſten Gegen⸗ ſätze. Wenn ſie je eine Aufführung desſelben ſehen ſollte, fürchte ich, würde ſie das gänzlich von nir entfremden!“ „Aber wie ſoll das vermieden werden?“ „Nun ich werde ihr ſagen müſſen, daß ich es nicht wünſche, daß ſie es ſieht.“ „So wird das Drama ſicher zu der verbotenen cht am Baume der Erkenntniß für ſie. Die chlange wird ſie vielleicht auch finden, die ſie veranlaßt, ſich es dann heimlich anzuſehn.“ 5 „O Erica wird nie etwas gegen meinen Wunſch und Willen thun!“ . „So biſt du deſſen ſo ſicher! Sie iſt doch auch nur eine Eyastochter, nicht frei von den Schwächen ihres Geſchlechts, eine ſo vollkommene Frau wäre ja auch langweilig.“ 5 Langweilig! Wie Wetterwolken flog es über Staufens Geſicht. Langweilig, das war wohl das Prädikt, was die Geſellſchaft ſeiner Frau ſchon * 8. beigelegt, und ihn, den geiſtreichen Mann, bedauerte man natürlich, daß er keine beſſere, paſſendere Wahl getroffen. Finſter flog ſein Blick zu ihr hinüber, da ſprach ſie wahrhaftig noch mit dem odiöſen Menſchen, dem Rechtsanwalt! Hätte er gehört, was ſie geſprochen, wäre ſeine Stimmung wohl noch etwas erregter geworden. Erica glaubte nämlich ihren Mann entſchuldigen zu müſſen; er hatte ſicher die Bitte des Herrn Wolter ganz falſch aufgefaßt, wohl gar ſie für Spott und Hohn ge⸗ halten. In einfachen Worten ſprach ſte ſich dem Rechsanwalt gegenüber aus in dieſer Weiſe, von dem feſten Glauben ausgehend, daß er an ſo etwas nicht gedacht. Warum ſollte er nicht gern Choräle hören, waren doch nicht alle Menſchen ſo glaubens⸗ los wie ihr Mann. Der junge Mann ſah ſie erſt ſprachlos an, und dann ging es wie eine tiefe Bewegung über ſeine Züge p es war ihm plötzlich als athmete er eine reinere Luft, ein Bild aus fernen Zeiten ſtieg vor ſeinem Geiſt auf, ſeine längſt verſtorbene Mutter, wenn ſie in ſeinen Kindertagen an ſeinem Bettchen ſaß und mit ihm betete. „O, gnadige Frau,“ ſtammelte er, und beugte ſich dann in ſeiner Verwirrung tief herunter, um ihr voll Ehrfurcht die Hand zu küſſen. „Frau Doktor Staufen iſt ein Engel,“ ſagte er, als er nachher wieder in den ſpottluſtigen Kreis der jungen Damen und Herren trat. „Ich habe mich wirklich geſchümt und kam mir wie ein un⸗ gezogener Bube vor, als ſie ſo ahnungslos von meiner Schlechtigkeit vor mir ſtand und ihren Mann zu entſchuldigen ſuchte, der natürlich meine Abſicht ſofort durchſchaut hatte.“ Er ſagte das alles ſo ernſthaft, daß Niemand ſich perſucht fühlen konnte, die Sache lächerlich zu nehmen. Nur Valentine ſah mit geringſchätziger Miene auf den Reuigen, es war eben auch nur wieder das hübſche Geſicht, was ihn gefangen ge⸗ nommen, von dem rührenden Zauber eines ſolchen Charakters, wie Ericas, hatte ſie keinen rechten Begriff. Der Rechtsanwalt Wolter aber war vor dieſem Abend an der eifrigſte Vertheidiger der jungen Frau, und duldete nie wieder, daß man in ſeiner Gegenwart über ſie ſpottete. 5 Was hatteſt Du nur Dich noch ſo lange mit dem Rechtsanwalt Wolter zu unterhalten?“ fragte Staufen Erica auf dem Heimwege. „O, ich habe Dich nur entſchuldigt, Du warſt doch ſehr ſchroff, als er mich um die Choral⸗ melodie bat.“ „Mich entſchuldigt! Herr des Himmels, iſt es denn möglich! Und ich meinte wunder was filr Selbſtbeherrſchung ich gezeigt!“ rief Staufen auf⸗ geregt. Nein, das ging denn doch zu weit, un⸗ möglich konnte es ſo länger fortgehen, er mußte verſuchen, ſeine Frau für die Geſellſchaft, in welcher man nun doch einmal lebte, zu erziehen, mochte ihr Glaube an die Menſcheit, ihre kindliche Un⸗ befangenheit dann auch zerſtört werden, es war immer noch beſſer, als wenn ſie zu einer lächerlichen Figur in dieſen Kreiſen wurde, wie es heute ſchon faſt den Anſchein gehabt, daß es grade dieſe Un⸗ befangenheit, dieſes rührende Vertrauen, mit welchem ſie in dieſe Welt des Haders und des Mißtrauens geſchaut, geweſen waren, was ihn nicht ſo ſehr angezogen, daß machte er ſich heute nicht mehr klar, wo die Furcht ſich lächerlich zu machen, ihn ſo ganz und gar beherrſchte. 5 So begann er denn nach an demſelben Abende ſeine Erziehungsverſuche, und ſuchte ihr klar zu machen, daß der Rechtsanwalt Wolter der letzte wäre, der ſich Choralmelodien vorſpielen ließe. 1 dan dinzlader — — dn mchte in Tunzunter rn A Reiner