Ladenburg. enstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, 12 wage „ 0 5 5 „ — — — er, dug i Mittwoch, den 7. Feptember 1898. Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen Druck und Verlag von Karl Molitor, „ „ 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Ladenburg, Politiſches. Berlin, 4. Sept. Ueber neue deutſch⸗ engliſche Abmachungen bringen engliſche Blätter eine Keihe von Angaben, die auch in die deutſche PDreſſe übergegangen ſind. In erſter Linie wird die Nachricht von einem deulſchzengliſchen Schutz und Trutzbündnis lanciert. Damit werden dann Abreden über die Delagoa Bai, die Stellung Englands in Aegypten und angebliche deutſche Pläne in HMleinaſten in Zuſammenhang gebracht. Wie man ſieht, eine ſonderbare Vermengung von „ Af Möglichkeiten und Phantaſien. Für deutſche . Leſer braucht kaum betont zu werden, daß dieſe Mütheilungen dem wirklichen Stande der Dinge nicht entſprechen können, denn wenn ſie kichtig wären, ſo müßte daraus geſchloſſen werden, Deutſchland habe ſich verpflichtet, in allen Teilen der Welt der britiſchen Politik Heeresfolge zu leiſten. Dies aber wäre gleich⸗ bedeutend mit einem Frontwechſel unſerer Politik, von dem ſelbſtverſtändlich nicht die Bede iſt Damit ſoll nicht geſagt ſein, daß Deutſchland und England ſich nicht über eine beſondere Frage verſtändigt haben könnten, B. über eine gemeinſame Anleihe für Por⸗ ugal, die der notleidende Zuſtand der portugiſiſchen Finanzen über kurz oder lang erheiſchen könnte. Paris, 4. Sept. miniſter Cavaignac mit allen anderen Miniſtern a ſelbſt mit dem Miniſterpräſidenten Priſſon noch einmal konferiert hatte und dabei feſtſtellte, daß er mit ſeinem Wiederſtand gegen die Reviſton des Dreyfus⸗PDrozeſſes faſt allein ehe, gab er ſeine Demiſſion. Als ſein Nach⸗ felger wird Freycinet bezeichnet. Der Kück⸗ keit Cavaignacs wurde erſt ſpät Abends be⸗ Nachdem der Uriegs⸗ die fortgeſetzten Rüſtungen für alle Völker eine geſammten Welt aufgenommen worden kannt gemacht und rief die größte Senſation hervor, weil man nunmehr annimmt, daß der Keviſton des Dreyfus⸗Prozeſſes nichts mehr im Wege ſteht. Ueberall bildeten ſich auf den Boulevards Gruppen, die dieſes Ereigniß be⸗ ſprachen. Der Umſchwung der öffentlichen Meinung iſt ein vollkommener. Der Kück⸗ tritt des Generalſtabsſchefs Boisdeffre wie auch der des Kriegsminiſters Cavaignac wird mit größter Genugthuung aufgenommen. Es wird nach wie vor der Kücktritt des geſammten Generalſtabs gefordert, weil er kein Vertrauen mehr genieße. ö Petersburg, 4. Sept. Das „Journal de St. Petersburg“ ſchreibt: Alle Kund⸗ gebungen der ausländiſchen Preſſe des Kund⸗ ſchreibens vom 24. Auguſt beweiſen überein⸗ ſtimmend, mit welcher Syimpathie das Vor⸗ gehen der ruſſiſchen Regierung in der iſt. Man hat dem edlen und hochherzigen Gedanken, welcher dieſe große That her⸗ vorbrachte, hohe Anerkennung gezollt. Die Einmütigkeit dieſer Aufnahme beweiſt in der ſchlagendſten Weiſe, bis zu welchem Grad die Erwägungen, welche dem ruſſiſchen Vor⸗ gehen zur Unterlage dienten, dem innerſten Empfinden aller Völker und den teuerſten Wünſchen derſelben entſprechen. Man iſt überall zu der Ueberzeugung gekommen, daß drückende Caſt ſind, und daß ſie ein hhemmnis für die Entwicklung der öffenlichen Wohlfahrt bilden. Der glühendſte Wunſch der Völker iſt mit Ruhe in die Sukunft blicken und ſich fried⸗ licher Arbeit hingeben zu können. Sie ſind ſich darüber klar geworden, daß das Syſtem des gegenwärtigen, bewaffneten Friedens ſeiner Beſtrebungen auf, als alle vorhergehenden, Tendenz nach nichts Friedliches mehr an ſich hat, als den Namen, und den Ausſchreitungen dieſes Syſtems will der Schritt Rußlands ein Ende machen. Die Frage, welche jetzt zu löſen iſt, iſt ohne Sweifel eine ſehr verwickelte, und ſchon haben einige Organe der öffentlichen Meinung die Schwierigkeiten berührt, welche ſich der praktiſchen Ausführung entgegenſtellen. Dieſe Schwierigkeiten kann ſich verhehlen, aber man muß ihnen mutig gegenübertreten, und das Kundſchreiben vom 24 Auguſt will ge⸗ rade eine aufrichtige und eingehende Prüfung dieſer Fragen durch einen internationalen Meinungsaustauſch anregen. Gewiſſe andere ſchwer zu löſende, aber ſicher nicht weniger bedeutungsvolle Fragen ſind in dieſem Jahr⸗ hundert ſchon durch internationale Vereinbar⸗ ungen in einer Weiſe gelöſt worden, welche den großen menſchlichen und kulturellen Intereſſen Gerechtigkeit wiederfahren ließ. Die Keſultate, welche man in dieſer Beziehung namentlich auf dem Wiener und Pariſer Kongreß und auf mehreren internationalen Konferenzen erreicht hat, beweiſen, was die vereinten Bemühungen der Regierungen durch⸗ zuſetzen vermögen, wenn ſie mit der öffentlichen Meinung und den Bedürfniſſen der Völker im Einklang ſtehen. Das ruſſiſche Vorgehen fordert alle Staaten zu eventuell noch höheren aber es wird der Gerechtigkeit zur Ehre ge⸗ reichen, beim Anbruch des 20. Jahrhunderts ſich dieſer Aufgabe gewidmet und geſchloſſen ans Werk gemacht zu haben, um den Völkern die Möglichkeit zu geben, die Wohlthaten des Friedens zu genießen, indem ihnen die drücken⸗ den Caſten abgenommen werden, welche ihre öͤkonomiſche und ſittliche Entwicklung hemmen. (Nachdruck verboten.) „Gar nichts iſt er Ihnen ſchuldig, Herr amerad,“ antwortete Stolzing ſtatt des Augere⸗ deten. „Laſſen Sie Herrn von Berg nach eigenem Ermeſſen verfahren! Wenn Sie Luſt haben zum berſpielen, kommen Sie her, ich will ihre Vorräthe rleichtern! i „ ab. Gegen ein Uhr empfahl ſich Baron Stolzing. keutenant von Berg begleitete ihn bis zur Thüre, e ſchüttelten ſich die Hände — und ohne ein Wort zu wechſeln ſchieden ſie. Als Berg an den Tiſch zurückkehrte, empfing lan ihn mit lautem Lachen. „Herr Kamerad, — Ihre Pflegemama iſt ge⸗ augen,“ ſpotteten ſie, „jetzt können Sie uns die chuldige Revanche geben.“ 5 Das Blut ſtieg dem jungen Manne zu Kopf. „Ich verbitte mir Ihre Spöttereien,“ erwiederte heftig; „ich bin Niemand Rechenſchaft ſchuldig über mein Thun und Laſſen!“ Wohl wurden beſchwichtigende Stimmen laut, ber die Sticheleien begannen doch wieder. Berg elt noch eine Weile an ſich, dann ſagte er: „Sie ſollen Ihre Revanche haben. Hier ſind undert Mark auf's Aß !“ 1 Er verlor. 5 Berg Der Spieler. 1 Nopellette von Fr. Ferd. Tamborin i. Auf dieſe Weiſe glitt die Verſuchung an. berſpielt. „Noch einmal hundert Mark — — und nochmals hundert Mark!“ Er verlor wieder und wieder. „Mein baares Geld iſt zu Ende!“ ſagte Berg. „Macht nichts, Herr Kamerad ſind ja ein ſicherer Mann, können Bons ſchreiben.“ Als Adolf von Berg den erſten Zettel aus dem Notizbuch riß, erhob ſich etwas Beklemmendes in ſeiner Bruſt, es war wie eine warnende Stimme. Nur noch fünfhundert Mark, ſagte er ſich beſchwich⸗ tigend — ſchrieb und verlor und — — — ſpielte dennoch leidenſchaftlich gereizt weiter. Als man gegen fünf Uhr morgens aufhörte, hatte der Bankhalter über dreißig tauſend Mark Bons von Berg in ſeinen Händen. Berg hatte ſein „Vermögen“ bis auf einen kleinen Reſt „Es iſt gut; Herr Kamerad,“ ſagte er mit erzwungener Nachläſſigkeit, „heute noch ſende ich Ihnen das Geld!“ — Die Wachſtube war inzwiſchen leer geworden, ein ekelhafter Dunſt zog um die trübbrennende Lampe. Berg hatte ſich auf das alte Sopha geworfen und verſuchte ſeine Gedanken zu ordnen. Die Stunden verrannen im Halbſchlummer und als um acht Uhr der Unteroffizier den Wachtrapport zum Unterſchreiben brachte, wunderte er ſich, wo die Zeit geblieben war. Er verſank abermals in ein dumpfes, gedan⸗ kenloſes Brüten, da kam Baron Stolzing ſtaubbe⸗ deckt geradewegs vom Dienſt. „Sie brauchen mir nichts zu ſagen, ich weiß alles.“ Mit dieſen Worten trat er dem jungen Manne entgegen. „Als ich dieſe Nacht auf dem Heimwege war, hatte ich plötzlich die Empfindung, hierher zurückkehren zu ſollen, denn ich wußte, daß nur meine Gegenwart Ihre Vorſätze vor dem Um⸗ fallen bewahrte. Aber, ich kaun Sie doch nicht fortwährend beſchützen! Nun iſt's aus mit Träumen und Hoffnungen, jetzt heiß's, den Schmachtriemen wieder feſter ziehen!“ 5 Da faßte ein tiefer Schmerz der Reue den jungen Maun mit elementarer Gewalt, ein krampf⸗ haftes Schluchzen erſchütterte ſeine Bruſt und er ließ ſich kraftlos auf den nächſten Stuhl ſinken. „Sie wiſſen — noch gar — nicht, was — ich verſpielt habe!“ brachte er ſtoßweiſe hervor, „das Geld? — bah! — Aber Elli, meine arme Elli!“ Stolzing ſprang auf und packte ihn am Arme. „Was ?“ ſchrie er, „Sie haben — ſich ver⸗ lobt?! Ihre Frau unglücklich gemacht? — Pfui, das iſt erbärmlich!“ Er griff nach ſeinem Helm und wandte ſich zur Thüre. „Schelten Sie nur, liebſter Baron,“ flehte Berg, aber laſſen Sie mich nicht allein, ich werde ſonſt verrückt.“ N 4