Politiſches. Berlin, 1. Sept. In der Verhaftung des Oberſtlieutenants Henry ſchrieb geſtern die „National⸗Zeitung“: Der franzöſiſchen Regierung bleibt nach den Zugeſtändniſſen des Henry nur eins übrig nämlich den Kaſſationshof durch den Juſtizminiſter unverzüglich mit der Reviſion des Dreyfus⸗Prozeſſes betrauen zu laſſen. Das Schlagwort von der Ehre der franzöſiſchen Armee, die durch einen Reviſionsprozeß angegriffen würde, kann nach den Fälſchungen der Offiziere von dem Schlage Henriy's, Dupaty de Clams und Eſter⸗ hazy's wohl kaum noch wiederholt werden. Paris, 31. Aug. Eine Note der „Agence⸗ Havas“ vom 30. d. Ms. beſagt: Im Kabinett des Kriegsminiſters wurde heute Oberſtlieutenant Henry vernommen und bekannte ſich ſelbſt als Verfaſſer des Briefes vom Oktober 1896, worin Dreyfus genannt wird. Der Kriegsminiſter ver⸗ fügte die ſofortige Verhaftung Henri's, derſelbe wurde ſofort in das Fort von Mont Valerien abgeführt. Paris, 1. Sept. Oberſtlieutenant Henry verübte im Gefängniß einen Selbſtmord, indem er ſich mit einem Raſiermeſſer die Kehle durch⸗ ſchnitt. Der Chef des Generalſtabs, Boisdeffre, reichte in Folge der Affaire Henry ſeinen Abſchieds⸗ geſuch ein. Kriegsminiſter Cavaignac nahm auf Drängen Boisdeffre das Entlaſſungsgeſuch des Generalſtabschefs unter voller Anerkennung der oyalität desſelben an. Verſchiedenes. — Mannheim, 31. Aug. In dem ieſigen L. Kramer'ſchen Teppichklopfwerke wurde er 29 Jahre alte Taglöhner Ignaz Mehrbrei on einem Transmiſſionsriemen erfaßt und ſo chwer verletzt, daß er bald darauf ſeinen Geiſt aufgab. — Schwetzingen, 30. Aug. Infolge alſcher Weichenſtellung fuhr heute Früh im hie⸗ igen Bahnhof ein leerer Güterwagen auf einen uf demſelben Geleiſe ſtehenden, mit Brettern eladenen Wagen, ohne jedoch erheblichen Schaden nzurichten. — Kirchzarten (A. Freiburg), 31. Schlechten Dank für erwieſene Gaſtfreundlichkeit rhielt laut „Breisg. Ztg.“ ein Hofbauer in Wittenbach, Gemeinde St. Wilhelm. Ein talie⸗ niſcher Arbeiter, dem er auf deſſen Wunſch Nacht⸗ herberge gewährt hatte, war am nächſten Morgen mit drei ſilbernen Taſchenuhren, welche in der Stube aufgehängt geweſen waren verſchwunden. — Bingenbrück, 30. Aug. In nächſter Nähe der Station Oberſtein ſtießen zwei Güter⸗ züge zuſammen. Beide Maſchienen wurden ſtark beſchädigt und 20 Wagen total zertrümmert. Vom Perſonal erlitt wunderbarer Weiſe Niemand ernſtlich Schaden, nur ein Bremſer wurde leicht an der Wange verl tzt. Ein zweiter Bremſer wurde mitſamt ſeinem Bremshäuschen den 8 M. hohen Bahndamm hinabgeſchleudert, konnte aber unten unverſehrt ſeinen Sitz verlaſſen. Der Ver⸗ kehr auf der Nahebahn war während des ganzen Tages gehemmt. Sämmtliche Züge erlitten Ver⸗ ſpätungen von über eine Stunde. — Dortmund, 30. Aug. (Von Hunden zerfleiſcht) wurde hier der Kaſſenboote Kiene. Er kam auf den Hof des Kaufmanns Emanuel Roſe, um Steuerzettel zu überbringen. Hierbei wurde er von den beiden großen Doggen Roſe's ange⸗ fallen und derart zugerichtet, das er nach einigen Tagen infolge der Biſſe geſtorben iſt. Die Tiere hatten ihm ganze Stücke Fleiſch aus dem Leibe geriſſen. — Kiel, 1. Sept. Bei der Kanalpaſſage des Kaiſer Wilhelm⸗Kanals gerieth der Panzer „Bayern“ unweit Levensau auf Grund. Er wurde von „Brevo“ und „Pelikan abgeſchleppt. — Um halb 5 Uhr heute Früh begann die Durch⸗ ſchleußung der Flotte durch den Kanal, um halb 7 Uhr diejenige der Panzer. Die Herbſtmanöver⸗ flotte hatte geſtern ſchwer mit dem Sturm zu kämpfen. Die „Oldenburg“ fiel aus dem Ge⸗ ſchwaderverbande aus, die Torpedoboote wurden ſchwer beſchädigt. Der ganze Proviant iſt ver⸗ dorben. Das Panzerſchiff „Achen“ traf mit doppelter Keſſelhavarie ein. Man hofft, d ſſelbe bis Sonntag zu reparieren. — Erlaß des preußiſchen Krieg⸗ miniſters. Der „Reichs⸗Anzeiger“ veröffent⸗ licht folgende Bekanntmachung des Kriegminiſters von Goßler: „Es wird hiemit erneut zur all⸗ gemeinen Kenntnis gebracht, daß den Unteroffi⸗ zieren und Mannſchaften dienſtlich verboten iſt: 1. jede Beteiligung an Vereinigungen, Verſamm⸗ lungen, Feſtlichkeiten, Geldſammlungen, zu der nicht vorher beſondere dienſtliche Erlaubnis erteilt iſt, 2. jede Dritten erkennbar gemachte Beha, gung revolutionäre oder ſozialdemokratiſcher G ſinnung, insbeſondere durch entſprechende Ausrufe, 230 Ballen umgeſetzt. Zum heutigen Markt kam Geſänge oder ähnliche Kundgebungen. 3. Daß Halten und die Verbreitung revolutionäre oder ſozialdemokratiſcher Schriften ſowie jede Ein führung ſolcher Schriften in Kaſernen oder ſon⸗ ſtige Dienſtlokale. Ferner iſt ſämmtlichen An⸗ gehörigen des aktiven Heeres dienſtlich befohlen, von jedem zu ihrer Kenntnis gelangenden Vor⸗ handenſein revolutionärer oder ſozialdemokratiſcher Schriften in Kaſernen oder anderen Dienſtlokalen au Vit dnn ſofort dienſtliche Anzeige zu erſtatten. Diele , inn en li Verbote und Befehle gelten auch für die z vt n 1 55 Uebungen eingezogenen und für die zu Kontroll 1 Wautta Verſammlungen einberufenen Perſonen des e 15 0 urlaubtenſtandes, welche gemäß 5 6 des Milt, e ee Strafgeſetzbuchs und 8 38 ; 1 des Reichs⸗ M. fen litärgeſetzes bis zum Ablauf des Tages der Wie; din porte 9, velche ſic 97 derentlaſſung beziehungsweiſe der Kontroll⸗Ver⸗ n vile ſammlung den Vorſchriften des Militär⸗Straf⸗ geſetzbuches unterſtehen. Landwirthſchaftliches. — Ladenburg, 2. Sept. Der Hopfen⸗ einkauf iſt ein ſehr reger. Bezahlt wurde heute hier und in Neckarhauſen bis zu 150 Mar 7 Orkpul eil b n dn 1 dart ubellnen . 15 1 den Bez n kuftregt per Zentner. In Schwetzingen wurden geſtern Air Ea bis zu 130 Mark bezahlt. 1 48 ld f — Nürnberg, 30. Aug. Offtzieller wehen Marktbericht des Syndikats der verein. Hopfen⸗ iu brite, J n auffilig chenden? em gent bitens des Galeta zu er kommiſſionäre Nürnbergs. Bei feſter Tendenz und unveränderten Preiſen wurden geſtern eg die überraſchend große Landzufuhr von 800 Ballen, welche in Anweſenheit zahlreicher Käufer zu ei 0 5 nigen Mark höheren Preiſen um ſo raſcher ver⸗ 4 v kauft wurden, als die Beſchaffenheit der War Tagen im allgemeinen ſehr befriedigte. Die Zuſendung ) daß di auswärtiger Sorten treffen noch ſpärlich ein und henne und dürften die heutigen Umſätze hierin kaum 150 1 5 Ballen betragen, wofür ſeitherige Preiſe bewilligt 1 v wurden. Es iſt wohl noch bemerkenswert, daß J ub die Beſtände in 97er Kundſchaftshopfen bei an⸗ fücke haltender Nachfrage und feſten Preiſen heute 5 5 nahezu geräumt ſind. Stimmung feſt. Preiſe; neh u eit Prima Markt⸗ und Gebirgshopfen 110120 % ange geringe und Mittelſorten 80—105 , Haller⸗ tauer, Württemberger und Badiſche 85—140 dr esel ag bu Keonde du Ottzpoli hen und der Ahtemlos hatte er die Worte hervorgeſtoßen. Das junge, hübſche Mädchen hörte ihm ungläubig zu. „Es iſt ſo, wie ich Dir ſage, wir haben geerbt und ſind wohlhabend. — —“ Er fühlte, wie ihm bei der Lüge die Ohren heiß wurden; da ſeine Braut noch nicht antwortete, fuhr er nach einer Pauſe fort: „Unſerer Verbindung ſteht nichts mehr im Wege. Schau' mich nicht ſo ungläubig an, Beſte; zieh den Mantel an und komm mit zu meiner Mutter —“ Geſichtchen zu ihm herab, er faßte mit beiden Händen und drückte ihr einen herzhaften Kuß auf den Mund: „Elli, meine Braut, meine Elli!“ rief er beglückt. 4 Die Frau Conſiſtorialräthin betrat das Zimmer und ſchlug vor Verwunderung die Hände über dem Kopfe zuſammen! „Kinder, was bedeutet denn das?“ klang es aus ihrem Munde. „Hochverehrte Frau Conſiſtorialräthin,“ ent⸗ gegnete der junge Mann lachend und wirbelte die alte Dame im Kreiſe herum, das bedeutet, daß Elli und ich ein Paar werdeu wollen, und wenn Sie in den nächſten zwanzig Minuten Zeugen des zweiten Aktes dieſes Luſtſpiels ſein wollen, dann folgen Sie mir zur Wohnung meiner lieben Mutter, die ſehnſüchtig harrt, uns ihren Segen zu er⸗ theilen.“ Am nächſten Abend ſaß ein Kreis glücklicher Menſchen um den Theetiſch der Frau von Berg. Es hatte der alten Dame einen ſchweren Kampf gekoſtet, als ſie die Lüge von der unerwarteten Erb⸗ ſchaft bekräftigte und es lag etwas in ihrem Weſen, das ſie verhinderte, ſich, wie die anderen, der Fröhlichkeit hinzugeben. Und fröhlich waren die Da neigte das junge Mädchen ihr erröthendes e malten, von Zeit zu Zeit von dem ſorgenvollen, mahnenden Blick der Mutter geſtreift. Als die Stunde des Auseinandergehens kam faßte Frau von Berg ihren Sohn in beide Arme und flüſterte mit thränenerſtickter Stimme: „Mein Sohn, Du ſtehſt jetzt nicht mehr allein, ſondern trägſt ein zweites Menſchenſchickſal auf Deinen Schultern — pergiß nicht Dein gegebenes Wort!“ „Liebe Mutter,“ verſetzte der junge Mann. „ich werde es halten.“ 3. Inzwiſchen waren wieder Monate verſtrichen der Hochſommer war ins Land gezogen. An einem ſonnigen Julitage begegnete Lieu⸗ tenant von Berg dem Baron Stolzing. Es kam ſelten vor, daß Berg außerdienſtlich mit ſeinen Kameraden zuſammen traf, da er die Abende meiſt im Hauſe der Frau Conſiſtorialrath bei ſeiner Braut verbrachte. „Nun,“ fragte Adolf von Berg ſelbſtbewußt, „wie ſind Sie mit mir zufrieden? Was ſagen Sie zu meiner Standhaftigkeit?“ „Abwarten!“ erwiederte Stolzing trocken. Die Antwort verdroß den jungen Mann ſehr. „Sie ſind ein Pedant!“ ſagte er und wollte weiter gehen. Doch jener hielt ihn am Arme zurück. „Ein Pedant? — Junger Herr? — Ich bin nicht pedantiſch, aber mißtrauiſch gegen die ſoge⸗ nannten guten Vorſätze. Ein Menſch, der nur mit ſittlichen Vorſätze arbeitet, hat für mich immer etwas zweifelhaftes. Ich habe gar keine Vorſätze, weder gute noch böſe; ich laſſe mich von den Umſtänden tragen und behalte nur ſtets meinen kühlen Kopf und meinen kalten Verſtand, der mir in jedem Augenblicke nüchtern vorrechnet, was ge⸗ und ungen Leute, die ſich die Zukunft ſo roſig aus⸗ rade beſſer iſt — thun oder laſſen. Danach han⸗ Aan Angabe de dele ich. Gehen Sie hin und thunsie des gleichen. dba n Mit einem kurzen Händedruck verabſchiedeten ſich die beiden Offiziere. king dee Tags darauf hatte Lieutenant von Berg die u enn gin Wache. Mit klingendem Spiel zogen die jungen dach in berhelen Krieger durch die Straße, in welcher Elli wohnte, 1. 2 Als der junge Lieutenant ſeine Frau in Gemein⸗ * ſchaft mit ſeiner Schweſter am Fenſter ſtehen ſah, fr gt ward er übermüthig und kommandierte: „Faßt das e e bez Gewehr — an!“ bah Klirrend flogen die Gewehre von den Schultern, a 5 taktmäßig dröhnte der Paradeſchritt der Grenadiere; bal Die beiden Mädchen wurden roth und zogen ſich An wn ihn lachend zurück. Als Berg wieder übernehmen ließ, Wan 1. flüſterte ihm der Wachtunteroffizier reſpectvoll zu: a de „Herr Lieutenant haben ſich wohl geirrt, es a war kein Stabsoffizier in der Nähe.“ „Sie haben recht, mein Lieber,“ erwiederte Berg, „es war kein ſolcher in Sicht, wohl aber eine Königin.“ Schwunzelnd ſah ihn der Brave flüſterte: „Herr Lieutenant, ich verſtehe — — Des Abends waren die Spielratten wieder verſammelt, — nach langer Zeit wieder einmal, denn ſie fürchteten die Strenge des Oberſten. Lieutenant von Berg ſah ſie mit einem gewiſſen Hohngefühl kommen — — mochten ſie ſpielen, ſo viel ſie wollten. Er war gefeit gegen jede Anfechtung, — Schon vor elf war die Spielgeſell ſchaft etabliet, es wurde getempelt, ein Lieutenant vom Train hielt die Bank. 5 „Nun, wollen Sie nicht auch ein wenig mit⸗ machen?“ fragte er von Berg, „Sie ſind uns doch noch Revanche ſchuldig.“ a In dieſem Augenblick betrat Baron Stolzing das Zimmer. f Fortſetzung folgt.