Für die Redaktion verantwortlich: Karl Mo ä — —— —pV— Aus. 59. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. g und litor, Umgegend. 1 Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen Druck und Verlag von Karl Molitor, 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Ladenburg. Sams ſtag, den 23. Juli eee, 1898. Politiſches. — Von der Nordlandsreiſe des deut ſchen Kaiſres wird aus Bodo in Norwegen depeſchirt, daß nach guter Fahrt bei mehr aufklärendem Wetter die „Hohen⸗ dllern“ am 19. Juli Vormittag kurz nach 11 Uhr bei herrlichſtem Sonnenſcheine den nörd⸗ lichen Polarkreis paſſirte. Die Ankunft in Digermulen fand Abends gegen 10 Uhr ſtatt. An Bord der Hohenzollern iſt Alles wohl. Vor der Abreiſe nach Digermulen hat der Kaiſer in Drontheim den Dom am 18. Juli heſichtigt und dem deutſchen Honſul Jenſſen auf deſſen Einladung einen Beſuch gemacht. Im Intereſſe der deutſchen Aus⸗ fuhr hat das deutſche Reichsamt des Innern an die Miniſterien der ſämmtlichen deutſchen Bundesſtaaten eine Suſchrift zur weiteren Mittheilung an die betheiligten Kreiſe gerichtet uin welcher betont wird, daß ein Theil der Jiahlreich entſtandenen deutſchen Exportzeitſchriften verletzende Angriffe gegen das konkurirende — ad, namentlich England richtete. Ein 0 ſolches Verfahren iſt geeignet, das U Ausland zwecklos zu reizen und die feind⸗ liche Strömung zu verſtärken, in Folge deſſen f 5 aber den Abſatz deutſcher Igduſtrieerzeugniſſe ale, zu beeinträchtigen, anſtatt zu fördern. Das en auswärtige Amt hat die in Betracht kommenden kaiſerlichen Konſulate mit der Weiſung ver⸗ ſehen, den im Aurlande zur Verbreitung gelangenden Exportzeitſchriften ihre Aufmerkſam⸗ keit zuzuwenden und jedesmal zu berichten, wenn dieſe Seitſchriften ſolche Artikel bringen. Daneben dürfte es ſich empfehlen, die deutſchen Exportſirmen darauf hinzuweiſen, daß es in ihrem Intereſſe liegt, die Exportſchriften, denen ſte Inſerate zuwenden, daraufhin zu kontrolieren ob ſie zweckentſprechend redigirt werden und ſich von dem Fehler, das Ausland durch unkluge Angriffe unnöthig zu reizen, fernhalten. Paris, 20. Juli. Die ebenſo endloſe als widerwärtige Dreyfuß⸗ und Sola ⸗Affaire iſt in ein ganz neues Stadium getreten. Sola ſcheint ſich durch die Flucht in's Ausland ſeiner Verhaftung, reſp. der nochmals gegen ihn verhängten Gefängnißſtrafe entzogen zu haben. Seit dem 19. Juli iſt Zola aus Paris ver⸗ ſchwunden, und er ſoll ſich nach Genf oder nach Holland oder nach Norwegen begeben haben. Die Freude Sola's verſichern dagegen, Sola habe Frankreich nicht verlaſſen, halte aber ſeinen gegenwärtigen Aufenthalt ver⸗ borgen, um eine gerichtliche Suſtellung des gegen ihn verhängten Urtheils zu vermeiden. Er werde ſich in dem Verläumdungsprozeſſe gegen Judet vom „Petite Journal“ vor dem Suchtpolizeigerichte vertreten laſſen. Die „Aurore“ veröffentlicht ferner einen Artikel Sola's, in dem dieſer ausgeführt, er habe eine eingehende Verhandlung über den Juſtizirrthum veranlaſſen, die Regierung habe aber verhindern wollen, daß Licht in die Angelegenheit gebracht werde. „Ich wünſche“, ſchließt der Artikel, „daß der Caſſationshof ſich über mein Kecht, Beweis abzulegen, ausſpricht. Im Oktober werde ich mich meinen Kichtern wiederum ſtellen und den Beweis führen, den abzulegen man mir in den bisherigen Verhandlungen nicht geſtattet hat.“ Die Aus ſichten auf den Frieden zwiſchen Spanien und Nordamerika ſind wieder ganz bedeutend geſunken, denn die Spanier finden die Forderungen Amerikas viel zu hoch und hoffen, daß die Schwierigkeiten bei der Fortſetzung des Urieges die Anſprüche der Amerikaner ſchließlich milder geſtalten werden. So ganz verfehlt ſcheint dieſe Speculation der Spanier nicht zu ſein, denn das amerikaniſche Heer ſoll auf Cuba von den Kegengüſſen und dem gelben Fieber viel mehr leiden als die Amerikaner zugeben. Auch werden die Beziehungen der Amerikaner zu den Aufſtändigen Cubanern von Tag zu Tag geſpannter; jeder Verkehr zwiſchen beiden Armeen hat thatſächlich aufgehört. General Schafter erklärte, keinem Aufſtändigen werde das Betreten der Stadt erlaubt werden. Caſtillo, der von den Inſurgenten erwählte Gouverneur, macht keinen Hehl aus ſeiner Unzufriedenheit. Ebenſo wenig halten die Amerikaner mit Aeußerungen über ihre wach⸗ ſende Verachtung der Inſurgenten zurück. Man fürchtet ſogar, daß es binnen kurzem zu einem Suſamenſtoße zwiſchen den Amerikanern und den cubaniſchen Aufſtändigen kommen wird. Tritt dieſer Fall ein, dann werden ſich natürlich die Amerikaner erſt recht auf Cuba feſtzuſetzen ſuchen. Im Vebrigen iſt ſelbſtver⸗ ſtändlich, daß Spanien den erſten Schritt zur Herſtellung des Friedens unternehmen muß und die bisherigen zum Theil auf offtzisſen ſpanniſchen Muellen beruhenden Mittheil⸗ ungen ans Madrid ließen auch erkennen, daß dieſer Schritt unternommen werden ſolle. Es iſt äalſo immer noch nicht jede Aus ſicht verſchwunden, daß die ſpaniſche Regierung doch noch die Indiative ergreift, auch wenn man bisher in Waſhington davon nichts er⸗ fahren hat. Thatſächlich haben auch die amerikaniſcheu Miniſter erklärt, daß ſie von den friedlichen Abſichten Spaniens noch nichts wüßten. Der Urieg nimmt deßhalb ſeinen Die Sirene. Novelle von F. von Lim purg. 2. Fortſetzung (Nachdruck verboten.) Fräulein von Halden raffte ſich zuſammen, ihr Lochen klang etwas unnatürlich, ihre Hand bebte, Glück — aber nur für kurze Minuten, dann gewann ſie ihre * bolle Selbſtbeherrſchung zurück. U Vivat, es lebe das neue Jahr,“ rief ſie, das II bolle Glas erhoben, „mag es bringen, was immer mi, wir wollen es lächelnd durchleben. auf uns allen!“ Anna ſtand nicht weit von ihr, ein leuchtender Blick hatte Konrad Baumann geſucht, welcher ſoeben mit der Mutter glückwünſchend anſtieß; die gute dicke Frau Amtmann wiſchte abermals eine Thräne der Rührung aus ihren Augen und drückte die Hand des Kandidaten. „Nun, Anna,“ frug Jutta, dicht neben die Freundin tretend, „wollen wir nicht miteinander anſtoßen, auf Deine Zukunft? Der Kandidat hat Mir ſoeben mitgetheilt, daß er in nächſter Zeit um Deine Hand werben will.“ . „O Jutta, wenn Du wüßteſt, wie glücklich das macht!“ Fräulein von Halden ſenkte den Blick vor dem Glücksſchimmer in Annas Augen, das Gewiſſen II * . 5 KFahnte ſie ernſt; ſie kam ſich vor wie eine Ver⸗ brecherin. Doch nur kurze Zeit hielt dieſe beſſere Regung an, dann warf ſie trotzig das blonde Locken⸗ köpfchen empor. Was konnte ſie dafür, wenn der alberne Kandidat ſich in ſie verliebte? Sie wollte ihn ja nicht heirathen, ſie hatte nur mit ihm ge⸗ tändelt, wie mit ſo manchem zuvor! „Ja, ja, es iſt auch etwas ganz Wundervolles um die Liebe ſolch eines Kandidaten, der einen eines Tages zur Frau Oberförſterin machen kann! Alſo Glückauf für's neue Jahr!“ rief Jutta. Sie ſtießen an und in dem Augenblick ſah Konrad Baumann herüber — der helle Klang der Gläſer erreichte ſem Ohr, aber ihm ſcholl es wie Hohn. „Vorüber, vorüber! Sie hat Dich niemals geliebt — ſie iſt eine Kokette!“ dachte er. II. Am folgenden Tage hielt der Reiſewagen vor dem Hauſe des Amtmanns Freiſe; er ſollte Jutta zur Bahnſtation bringen. Lachend, plaudernd ſtand ſie mit der gaſtfreundliche Familie vor der Thür, während der Koffer zuerſt aufgeladen wurde; droben erſchien ein Männerkopf an dem einen Fenſter, doch niemand bemerkte ihn. Die junge Dame ſah bild⸗ ſchön aus; ein dunkelrothes ſamtnes Kapottehütchen ſaß auf den blonden Locken, der weiße Tüllſchleier war heraufgeſchoben, ein ſchwarzer Reiſemantel mit Pelz verbrämt lag über den Schultern und die kleinen Händen ſtaken in langen däniſchen Stulphandſchuhen. „Und nun adieu, adieu,“ rief ſie lebhaft, Hausherrn, ſowie dem ſiebzehnjährigen Sohn Oskar die Hand und ſtieg dann leicht und graziös in den Wagen; ein raſcher aufleuchtender Blick ihrer Sirenenaugen hatte doch noch droben jenes Fenſter geſtreift und erbleichend trat Konrad Baumann zurück in's Zimmer, während das Rädergeraſſel des abfahrenden Wagens an ſein Ohr ſchlug. „Vorüber, vorüber,“ murmelte er abermals, „es war eine Verſuchung, der mein Herz erlag aber nie mehr — nie mehr! Unſere Pfade werden wohl im Leben nicht wieder ſich kreuzen und wenn auch — ich werde durch Annas Liebe gewappnet ſein vor neuen Verſuchungen dieſer grauen Sterne.“ Die Sonne ging in ſtrahlendem Glanze unter, es war ein köſtlicher Neujahrstag geweſen; Oskar kam ſoeben in's Zimmer Baumann's hereingeſprungen, um ihn zu einem Spaziergang abzuholen. Die Eltern und Mama wollen auch mitgehen, rief Oskar fröhlich, „die Tage nehmen ja zu und es bleibt noch eine ganze Weile hell.“ Der Kandidat ſeufzte ſchwer auf, wie ein Fingerzeig des Schickſals erſchien ihm dieſer Spa⸗ ziergang, aber er wich nicht zurück. Er wollt Heilung ſuchen von jener tiefen blutenden Wunde drinn im Herzen und die freundliche ſanfte Amt⸗ mannstochter war bereit, alles was in ihren Kräften ſtand zu thun, um ihn glücklich zu machen für's ganze Leben. Ja, es war ein ereignißreicher Weg! Die umarmte Frau Freiſe und Auna, ſchüttelte dem Eltern gingen voran, das Paar hinterdrein und