Ladenburg. ———......... ͤ—X—— No. 15. Politiſches. Harlsruhe, 15. Febr. In der heutigen Sitzung der Verfaſſungskommiſſion des Cand⸗ tags gab Miniſter Eiſenlohr bezüglich der Anträge auf Einführung der direkten Wahlen zum Candtag im Namen der Regierung die Erklärung ab, daß die Regierung an dem indirekten Wahlverfahren nicht unbedingt feſt⸗ halte, zum direkten Wahlverfahren aber nur unter der Voraus ſetzung überzugehen vermöge, daß zu den kraft des allgemeinen Wahlrechts in geheimer direkter Wahl gewählten Mitgliedern der zweiten Kammer eine Anzahl durch Organe der Selbſtverwaltung gewählter Abgeordneten trete. Gegen geſetzliche Feſtſtellung der Wahl⸗ zeit und eine Heſammterneuerung der Kammern beſtehen keine Bedenken. Die Gppoſition betrachtet dieſe Erklärung als eine thatſächliche Ablehnung der Einführung der direkten Wahl durch die Regierung. Karlsruhe, 16. Febr. Der Entwurf des neuen Dienſtbotengeſetzes ſieht folgende Be⸗ ſtimmungen vor. 5 die häuslichen Dienſt⸗ boten beginnt die Dienſtzeit am erſten Tage der Monate Januar, April, Juli, October u. dauert bis zu dem nächſtfolgenden dieſer Tage. Bei der Miethe zu Dienſtleiſtungen in der Cand⸗ wirthſchaft gilt der Vertrag für ein Jahr und beginnt am J. Januar. Wer einen Dienſtboten zu widerrechtlichem Verlaſſen verleiten oder widerrechtlich in Dienſt nimmt, iſt als Geſammt⸗ ſchuldner mit den vertragsbrüchigen Dienſtboten dem Dienſtherrn zu Schadenerſatz verpflichtet. Minderjährige Perſonen dürfen nur mit einem Arbeits buch verſehen, als Dienſtboten beſchäftigt werden. Beim Abgang können die Dienſtboten ein Zeugniß fordern. Mit Geldſtrafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft wird der Dienſtherr Twerburger. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag 1 Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. Für die Redaktion verantwortlich:: Karl Molitſor, erde d breed ere ar mr drm derer Samſtag, den 19. Februar Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen Druck und Verlag von Karl Molitor, 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. 55 Ladenburg. — ̃ 1898. eee beſtraft, der J. eine Eintragung in das Arbeits⸗ buch mit einem Merkmale verſieht, das den Inhaber des Arbeitsbuches günſtig oder nach⸗ theilig zu kennzeichnen bezweckt. 2. Ein Dienſt⸗ zeugniß mit Merkmalen verſieht, die den Zweck haben, den Dienſtboten in einer aus dem Wort⸗ laute des Seugniſſes nicht erſichtlichen Weiſe zu kennzeichnen. Die Vorſchriften über die Dienſtzeit finden keine Anwendung, ſoweit eine von dem Gemeinderath mit Suſtimmung des Bürgerausſchuſſes beſchloſſene ſtatutariſche Be⸗ ſtimmung, die der Genehmigung des Miniſteriums des Innern bedarf, abweichende Vorſchriften gibt. Berlin, 17. Jan. Der Haiſer präſtdirte am Dienſtag Vormittag der ſchon angekündigten Sitzung des preußiſchen Kronrathes. In derſelben wurden, laut einer Mittheilung des Candwirth⸗ ſchaftsminiſters v. hammerſtein im Herrenhauſe, verſchiedene Beſchlüſſe wegen der möglich ſten Verhütung künftiger Hochwaſſergefahren gefaßt. Dem Staats ſecretair des Auswärtigen Staats⸗ miniſter v. Bülow wurde vom Kaiſer der Rothe Adlerorden J. Cl. mit Eichenlaub ver⸗ liehen. Vielleicht hat man in dieſer Herrn v. Bülow abermals zu Theil gewordenen Ordens ⸗ auszeichnung den Ausdruck beſonderer aller⸗ höchſter Zufriedenheit mit den kürzlichen Keichs⸗ tagsreden des genannten Staatsmannes über China und Ureta zu erblicken. Einförmig plätſchern im Reichstage die Reden dahin, kaum, daß dann und wann einmal eine kurze intereſſantere Wendung in die Debatten kommt; dabei iſt der Beſuch des Hauſes Tag für Tag ein außerordentlich ſchwacher, durchſchnittlich ſind immer nur etwa 25 bis höchſtens 30 Reichsboten anweſend — und der deutſche Reichstag zählt bekanntlich 597 Mitglieder! Auch die Dienſtagſitzung bot wieder dies wenig anziehende Doppelbild faſt des Keichszuſchuſſes zu den Betriebskoſten der eee re eee leerer Bänke und monotoner Verhandlungen Zunächſt wurde die Berathung des Etats der Sölle und Verbrauchsſteuern zu Ende geführt; die Erörterung über die noch reſtirenden Titel deſſelben, wie über die Titel „Zuckerſteuer“, „Salzſteuer“, „Branntweinſteuer“, „Brau⸗ ſteuer“, war überall nur eine kurze. Nachdem dann noch der Etat des Rechnungshofes und einige Theile des Etats des Reichsſchatzamtes Erledigung gefunden hatten, wurde der Geſetz⸗ entwurf über die freiwillige Gerichtsbarkeit in zweiter Teſung im Ganzen und einſtimmig angenommen. Schließlich begann das Haus noch die Generaldebatte über die Novelle zum Poſtdampfergeſetz, welche in ihrem Kernpunkt die ſofortige Einführung IAtägiger Keichspoſt⸗ dampferfahrten nach Oſtaſien und Erhöhung ſubventionirten Dampferlinien um 1% Mill. Mark ausſpricht. Staatsſekretair von Pod⸗ bielskt faßte ſich in ſeiner Begründung der Novelle ziemlich kurz, mit Kecht hervorhebend, daß die dem Reichstage ſchon im vorigen Jahre unterbreitete ähnliche Vorlage eingehend begründet und erörtert worden ſei. Er richtete einen warmen Apell an den Reichstag, die Vorlage in Hinblick auf die wachſenden Intereſſen Deutſchlands in Oſtaſien und deſſen hervor⸗ ragende Bedeutung im geſammten Welthandel zu bewilligen. Auch Abg. Freſe (freiſ. Verein.) trat lebhaft für die Poſtdampfer⸗Novelle ein, dann wurde Vertagung beliebt. Am Mittwoch hielt der Keichstag ſeinen herkömmlichen Schwerinstag ab. Verſchiedenes. — Laudenbach, 17. Febr. Der Schnell⸗ zug Heidelberg⸗Frankfurt wurde kurz nach Paſſiren der hieſigen Station plötzlich geſtellt. Die erſchreckten 8 „„ Aſchenbrödel. Novelle von Fanny Stöckert. 8. Fortſetzung. (Nachdruck verboten.) Auch ihr letzter Trumpf, daß ein Zuſammen⸗ treffen dort mit Frau von Barnewitz gar nicht un⸗ wahrſcheinlich wäre, verfehlte gänzlich ſeine Wirkung bei Iſidoren. „Was wollen ſie mir denn thun, dieſe Menſchen! erwiederte ſie ihr lächelnd auf all ihre Einwendungen. „Jetzt bin ich frei, bin unabhängig und auch jung und ſchön,“ ſetzte ſie dann leiſe und für ſich hinzu. Jedenfalls war Iſidorens Jugend und Schönheit zwei nicht zu unterſchätzende Eigen⸗ ſchaften, die denn auch am Tage des Eisfeſtes zur vollen Geltung kamen. Hedwig war am Tage des Feſtes ſprachlos, als Iſidore ſich ihr in ihrem Coſtüm präſentirte. „Nun etwas auffallenderes konnteſt Du nicht gut wählen, als dieſes weiße, glitzernde Gewand,“ meinte ſie, und blickte ärgerlich auf den bunten und ziemlich geſchmackloſen Polenanzug, den Hans Dalcho für ſie ausgewählt hatte. Er hatte weder Gedanken, noch Geſchmack oder Schönheitsſinn der arme Haus, und ſein holdes Bräutchen dachte grollend, daß ſie ſich wie eine Köchin, die mit ihrem Grenadier einen Volksmasken⸗ ball beſucht, heute neben Iſidoren ausnehmen würde, die in dem weißen reich mit Schwan beſetzten und mit Kriſtallperlen beſtreuten Coſtüm einer Schneekönigin, ſo fürſtlich, ſo berückend ſchön aus⸗ ſah wie der holdeſte Märchentraum uns ein ſolches Bild vorzaubert. Hedwig wurde ordentlich bange, bei dem Ge⸗ danken, daß Hanſens Augen auf die ſo berückende Erſcheinung ruhen würden, er wollte die Damen mit ſeinem Landauer abholen, und konnte jede Minute erſcheinen. „Es war ihr eine ordentliche Beruhigung, daß Iſidore jetzt mit ihrem weiten Theatermantel all die glizernde Pracht verhüllte. Ueber das kleidſame Barett wurde dann von Hedwig ein loſes Tuch geſchlungen, dadurch war der gefährliche Zauber von Iſidorens Märchenerſcheinung gebannt, und Hans Dalcho konnte eintreten, ohne daß ſeines biederen Herzens Ruhe in Gefahr gerieth. Und da kam er auch ſchon mit wuchtigem Tritt die Treppe herauf und mit ſtrahlendem Antlitz trat er herein. Sein Polenkoſtüm, worüber er nur loſe einen Kaiſermantel geworfen, war eben ſo geſchmacklos bunt, wie dasjenige Hedwigs, er aber war viel zufriedener damit, denn er fand ſich reizend ganz unwiederſtehlich. . „Gefall' ich Dir Schatz?“ fragte er höchſt ſelbſtgefällig ſeine kleine mißgeſtimmte Braut; die jedoch mit bewunderungswürdiger Selbſtbeherrſchung alle ihre Mißſtimmung zu verbergen wußte, und dem argloſen Hans ſo viel Schmeichelhaftes über die Koſtüme und über ſeinen feinen Geſchmack zu ſagen wußte, daß dieſer ganz verwirrt wurde. Iſidore, für die er kaum einen Blick hatte, ſchaute mit geringſchätzigem Lächeln auf das Paar von welchem der eine Theil ſo erbarmungslos be⸗ trogen wurde. Und warum? einzig und allein um das leidige Gold, den ſchnöden Mamon. Sie erſchienen Iſidoren beide wie die Perſonificirung der ganzen materiellen Zeitrichtung der Gegenwart. Hans Dalcho, der gedankenloſe Genußmenſch, deſſen ganzes Sinnen darauf gerichtet war, zu genießen, was das Leben an werthvollen Genüſſen gebot, und Hedwig, die berechnende Schöne, die aus ihren jugendlichen Reizen mit Verſtand und Glück, Kapital zu ſchlagen verſucht hatte. War nun das, was ſie erreicht, wirklich das Höchſte und des Ringens und des Kampfes werth geweſen. Nein, es gab noch Höheres wonach es ſich zu ſtreben lohnte! Noch gab es Poeſie auf Erden, noch ertönte das hohe Lied der Liebe, noch rauſchten durch das Weltall zitternde, gewaltige Stimmen edler Leiden⸗ ſchaften, noch gab es Geweihte, deren Ohren das Alles vernehmen durften; und ſie war vielleicht eine von dieſen Geweithen!“ Mit ſolchen Gedanken fuhr Iſidore mit dem ihr ſo verächtlichen Brautpaar durch die belebten Straßen der Reſidenz, und je näher ſie ihrem Ziele kamen, je gehobener wurde ihre Stimmung, denn es war ihr, als müßten ſich ihr heute alle Wonnen des Lebens erſchließen und in ihrem Daſein ein großer Wendepunkt eintreten.