8 r Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, enburger Wochenbl Anzeiger für Ladenbur Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ g und Umgegend. 7 Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. i Akt Ladenburg. Druck und Verlag von Karl Molitor, 0. . Ladenburg. 0 — —— ——— 10 Bo. 95. 5 Samstag, den 27. November 1897. 9 N 5 550 0 1 — 90 Eine Prügelſceur im öſterreichiſchen verweigerte ihm jedoch das Wort. Da ergreift [Geheul der Kömpfenden und auch der Galerie⸗ ö 1 2 Abgeordnetenhauſe. 77 5 0 e und beginnt beſucher begleitet. Endlich läuft Präſident 85 e zu läuten, während der Präſtdent eiligſt] Abrahamowicz davon t die Sitzun Das hat gerade noch gefehlt, um das Bild davonſchreitet. „Die Sitzung iſt 100 halbe . geſchloſſen f e e e keoſtleſen parlamentariſchen Ruins in unterbrochen. Abg. Wolf mit anderen radikalen Unter großer Bewegung dauert die Er⸗ Oeſterreich zu vervollſtändigen. Bis jetzt hat Man ſich wenigſtens auf Schimpfworte beſchränkt, kun aber kommt es zu offenen Gewaltthätig⸗ keiten. Meſſer und Stühle werden geſchwungen, und man ſcheut ſich nicht vor Anrempelungen, wie ſie ſonſt nur in den niederſten Volksſchichten vorkommen. Ueber dieſe Vorgänge wird heute berichtet: Wien, 24. Nov. Im Abgeordnetenhaus erfolgten heute von 11 bis 2 Uhr namentliche Abstimmungen. Plötzlich beantragt der Jung⸗ ſcheche Dyk, alle Petitionen zuſammen mit Alger Abſtimmung zu erledigen. Auf der Linken ez Tumult, während Miniſterpräſident Graf Badeni lächelnd vor den Miniſterſtühlen auf und ab ſchreitet. Die Führer der Linken geßen der Reihe nach Wiederſpruchserklärungen — Regen den Antrag Dyks ab, der als eine ie Aenderung der Geſchäftsordnung unzuläſſig ſei, 94 und ſtellen gleichzeitig verſchiedene Anträge. 1 Präſident Abrahamowiez: Der Abgeordnete Fru Schoͤnerer hat das Wort, doch muß er zuvor 32 mit Ja oder Nein erklären, ob er einen Antrag „„ ſtellen oder zur Abſtimmung ſprechen will. au Letzteres würde ich nicht zulaſſen. (Tumult und Wiederſpruch links.) Schönerer: habe ich das Wort oder nicht 7 Präs.: Ja oder Nein 7 Der Abgeordnete Schönerer verzichtet alſo auf fach das Wort und ich erteile das Wort an den b ent Abgeordneten Schücker. n en Unter allgemeinem Lärm eilt Schönerer von den oberen Bänken herab und von der kechten Seite zum Präſidentenſtuhl hinauf, ein Blatt mit Anträgen ſchwingend. Der Präſident Dentſchen und auch Gemägßigteren hält den Kaum zwiſchen den Präſidenten und den Miniſterbänken dicht beſetzt. Allgemeine Spann⸗ ung. Der Pole Abrahamowiez erſcheint wieder auf dem Präſidentenſtuhl und erklärt, nachdem Schönerer dem Präſidenten die Glocke entriſſen, nehme er eine neue Glocke. Wolf läutet mit dieſer Glocke, Potaczek entreißt ſie ihm und giebt ſie dem Präſidenten, der ſie nun ebenfalls beiſeite ſtellt und ohne Glocke zu walten verſucht. Vergeblich ſpricht er gegen den Lärm und die Pfuirufe der Deutſchen. Da fordert der PDräſident die Abgeordneten der Rechten auf, die Deutſchen vom Podium vor dem Präſidententiſch herabzudrängen. Es entſteht von rechts ein Drängen. Man will Wolf hinauswerfen. Die Linke kommt ihm zu Hilfe. Hundert Fäuſte ſind in der Luft und hauen drauf los. Man ſieht Miniſterſtühle durch die LTuft heben. Jemand ſchüttet ein Glas Waſſer auf die erhitzten Köpfe. Plötzlich blitzt ein Meſſer in die Luft. zek hat dem Prager deutſchen Profeſſor Pferſche von rückwärts einen Fauſtſchlag auf den Schädel gethan und ſucht ihn zu würgen, daß er faſt ohnmächtig wird. Dferſche zieht, ſich ſeiner Adgreifer zu erwehren, ſein Federmeſſer. Doch Wolf und Lemiſch entreißen es ihm ſogleich und ſchleudern es ſeitwärts. Geßmann erhält eine kleine Wunde am Finger, der Deutſch⸗ Liberale Shon einen Schlag auf die Naſe, daß das Blut herunterrinnt. Wolfs Kleider ſind völlig zerriſſen. Dieſer tolle Auftritt wird unterbrochen vom Der Pole Potac⸗ örterung im Hauſe und den Wandelgängen fort. Der Abgeordnete Heger will beeiden, daß der Drofeſſor Pferſche das Meſſer nur in der höchſten Notwehr gezogen habe. In den Vor⸗ raum iſt eine größere Abteilung Sicherheitswache eingerückt. Weitere Poliziſten eilen herbei; doch entfernen ſich die Abgeordneten langſam, die Deutſchradikalen unter Drohungen für die nächſte Sitzung. Nach der Sitzung trat das Bureau des Hauſes zuſammen, um diejenigen Abge⸗ ordneten protokollariſch zu vernehmen, die über die geſchehenen Dinge Ausſagen machen können. Su bemerken iſt, daß der Präſident Abra⸗ hamowicz nach Beratung mit dem Bureau ſogleich nach der erſten Unterbrechung der Sitzung die Rechte zu thätlicher Gewalt auf⸗ forderte mit den Worten: „Meine Herren, ich bitte, mich zuerſt von den Abgeordneten Wolf und Kittel zu befreien!“ Somit gab er ſelbſt das Seichen zum Fauſtkampf. Trotzdem möchte man Wolf, Schoͤnerer und Pferſche unter der Anſchuldigung öffentlicher Sewaltthätig⸗ keit verhaften, ohne Kückſicht auf die Immunität. Doch ſoll das noch zweifelhaft ſein, ebenſo wie der Termin der neuen Sitzung, die vielleicht morgen 1 Uhr ſtattfindet. Schönerer iſt durch ſlaviſche Fauſthiebe übel zugerichtet. Er wehrte ſich mit dem hochgeſchwungenen Miniſterſeſſel des Eiſenbahnminiſters. Der Deutſchliberale Oberbergrat Lorbeer erhielt eine Armverletzung durch einen Schlag mit dem Seſſel. Politiſches. Karlsruhe, 24. Nov. Der badiſche Im Banne des Wahns. Novelle von H. von Limpurg. i Nachdruck perboten. Mitten im duftenden Tannenwalde, gerade an einer Lichtung, die hinüber leuchtete nach der See, lag ein alterthümliches Schloß mit ſpitzen Thürmchen und kleinen Fenſtern, deſſen Schieß⸗ ſcharten und Zugbrücke, längſt mit Moos bewuchert, noch erzählten von einer ſtolzen Vergangenheit. leber dem Eingangsportal ragte in Stein gehauen das Wappen des Hauſes, eine einzige Lilie auf blauem Felde, empor; Unſchuld und Treue, das Wahrzeichen der Familie von Schönerbeck, die ſeit Menſchengedenken hier lebte. And nun ſtand das Geſchlecht nur noch auf hier Augen. Denn von dem ſtolzen Stamme lebte nur noch der alte Majoratsherr Rudolf von Schönerbeck, und deſſen jugendlicher Neffe der Lientenaut Albrecht von Schöne rbeck. Rudolf bon Schönerbeck, der Majoratsherr hatte erſt vor fünf Jahren geheirathet, obſchon dies bei ſeinen Jahren kaum mehr erwartet wordeu, denn er war bercits ein Sechziger. Seine Gemahlin Bertha hingegen zählte erſt zweiundzwanzig Jahre. Sie war eine blühende Schönheit und vor ihrer Verhei⸗ rathung Mündel ihres nunmehrigen Gemahls ge⸗ weſen. Bertha von Randaus Vater und Rudolf von Schönerbeck hatten einſt zuſammen das Gym⸗ naſium und dann die Univerſität beſucht, ſpäter war erſterer Offizier geworden, der letztere hatte das Beſitztum ſeiner Familie, Schloß Lilienort übernommen. Doch die alte Freundſchaft verband beide Männer durchs ganze Leben und als General von Randau ſtarb, nahm er dem ehemaligen Kame⸗ raden und Corpsbruder den ernſten Schwur ab, Bertha, welche keine Mutter mehr beſaß, zu beſchützen unb nicht zu verlaſſen. Hatte der alte General geahnt, wie ſich das Schickſal der beiden geſtalten ſollte? Sein letzter, befriedigter Blick flog von dem in Berthas Anblick verſunkenen grau⸗ bärtigen Manne zu der lieblichen Mädchenblume, welche ſchluchzend an ſeinem Lager kniete. „Gott behüte Euch,“ hatten des Generals erblaſſende Lippen gemurmelt und es hatte ausge⸗ ſehen, als wollte er die Hände ſegnend über Beider Häupter erheben. 8 . Und es kam in der That ſo, daß Rudolph von Schönerbeck ſich mit Bertha von Randau ver⸗ lobte. Die Welt zuckte wohl etwas mitleidig die Achſeln, dann aber meinte ſie ſpöttiſch: „Sehr natürlich, der Majoratsherr iſt reich, das Mädchen aber arm! So verkauft ſie ihre Jugend und Schönheit dem Mamon!“ Bertha konnte allerdiugs, ſo jung ſie war, kühl und klug die Lage überſehen und berechnete dann auch all die Vortheile, welche eine Verbindung mit ihrem Vormunde für ſie zur Folge haben mußten. Sie war vom Vater verwöhnt worden und nun ſtand ſie plötzlich der bittren Armuth, einem Leben voll Abhängigkeit von fremden Menſchen gegenüber! Nimmermehr ſollte ſie, das ſchöne ſtolze Mädchen, dieſes Schickſal ereilen! Sie wußte, daß ihre Schönheit und Jugend Zauberkraft auf den Majoratsherrn ausübte. Ihre dunkle Augen blitzten energiſch, ſie nickte ihrem Spiegel entſchloſſen zu und, als Herr von Schönerbeck dann vor ihr ſtand, um mit bewegten Worten ſie zu bitten, ſein Weib zu werden, da beugte ſie ſo klug, lieblich, ſo demüthig das ſchöne Köpfchen und flüſterte Worte voll ſo hiureißender, mädchenhafter Hingebung und Liebe, daß der ältere Mann ſein Herz erbeben fühlte und mit einem Gefühl von Scheu und In⸗ brunſt dies ſchöne junge Geſchöpf an ſein Herz zog. Hätte er ſehen können, welch' ein Ausdruck von Triumph und Genugthuung ſich, nachdem er gegangen, auf Berthas ſchönem Antlitz ſpiegelte, es hätte ihn empört. Doch er war ein treuer, ehr⸗ licher Charackter, dem Berechnung all ſein Lebtag fern gelegen. Er hätte denjenigen ſicher zu Boden geſchlagen, der ihm über ſeine Braut abfällig ge⸗ urtheilt. Und ſo wurde bereits einige Wochen ſpäter dieſer ſo ungleiche Bund geſchloſſen. Voll innigem, ehrlichem Glück zog der neue Ehemann voll größter Befriedigung und doch etwas mit innerem Wiederwillen die junge Frau in das alte Schloß unterm Lilienwappen ein. Seitdem