5 Anzeiger für Ladenburg und Umgegend. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. N 5 Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. Für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, „ n 5 Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeige 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. f Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. No. 79. Zur Einrichtung eines dentſchen Zollbeirathes. In den heftigen wirthſchaftlichen Kämpfen der Gegenwart hat ſich nicht nur wiederholt gezeigt, daß die Intereſſen der Induſtrie und der Landwirthſchaft, des Handels und der Gewerbe ſich zu ſchroffen Gegenſätzen aus⸗ gebildet haben, ſondern es iſt auch eine ganz offen zu Tage liegende Thatſache, daß alle dieſe Streitfragen und Intereſſenkämpfe einen zollpolitiſchen Hern haben, und die ebenſo ſchwierige als wichtige Entſcheidung ſowohl allgemein als auch oft für beſondere Fälle getroffen werden muß, ob Sollerhöhungen oder Zollermäßigungen die richtige Wirthſchafts⸗ politik ſein werden. Gegenüber ſolchen endloſen und unabſehbaren Streitigkeiten, welche trauriger Weiſe noch dazu angethan ſind, das deutſche Volk politiſch zu entzweien und in zwei feindliche Cager zu ſpalten, muß das Beſtreben mit eee fich n di Mü f 156 it un 00 * 0 3 begrüßt werden durch hervorragende ug ertreter der Induſtrie, des Handels, der i i Landwirthſchaft und der Sewerbe einen Soll⸗ beirath zu bilden, welcher dem Keichskanzler und auch dem Keichstage Gutachten und Wünſche der Erwerbsklaſſen unterbreitet. In den letzten Sitzungen des gegewärtig in Berlin tagenden deutſchen Handelstages iſt die Frage der Ein⸗ richtung eines Sollbeirathes auch berathen und als die geplante Gründung einer Centralſtelle für die Zollfragen angeregt worden. Natürlich befindet ſich dieſe ganze Angelegenheit noch im Stadium der Vorberathungen, aber dieſe fanden unter der Leitung des Staatsſecretärs des Keichsamtes des Inneren Grafen Poſadowsky am 25. September in Gegenwart der Vertreter des deutſchen Landwirthſchaftrathes, des Central⸗ verbandes deutſcher Induſtrieller und des Wi E N l E Nunla f. Cach E Pig 0 Ladenburg. . Hamstag, den 2. Oktober 1897. eee ame e deutſchen Handelstages ſtatt und zeigten, daß in dem Wunſche, daß der Reichskanzler einen Sollbeirath berufen möge, vollſtändige Ueber⸗ einſtimmung herrſcht. Der deutſche Landwirth⸗ ſchaftsrath, der Centralverband deutſcher Indu⸗ ſtriellen und der deutſche Handelstag wollen zum Sollbeirathe je fünf Vertreter wählen, und der Reichskanzler ſoll das Recht haben, nach eigenem Ermeſſen noch zehn verſchiedener Berufsklaſſen in den Sollbeirath zu berufen. Wenn der geplante Sollbeirath ins Leben treten und dazu beitragen wird, Deutſchland in der Wirthſchaftspolitik in ſeinen verſchiedenen Erwerbsklaſſen einer Verſtändigung entgegen⸗ zu führen, ſo würde er ein ſegensreiches Werk vollbringen helfen. Politiſches. Berlin, 50. Sept. Für die Theilnahme, welche der Untergang des Torpedobootes „8 26“ und der hierbei ſtattgefundene Tod des Herzogs A Wilhelm pon Mecklenburg auch im uslande erregt haben, zeugen eine ganze Reihe von Beileidskundgebungen aus dem Auslande. Von ihnen iſt namentlich der Schritt bemerkens⸗ werth, welcher der PDräſident der franzöſiſchen Republik aus dem genannten Anlaß in Berlin unternommen hat. Auf Befehl des Herrn Faure ſtattete der Marineattache der franzöſiſchen Botſchaft in Berlin dem commandirenden Admiral v. Unorr und dem Staatsſekretär des Reichs⸗Marineamtes Tirpitz einen offfziellen Beſuch ab, um die Theilnahme des Präſidenten Faure und des Miniſters Hanotaux an jenem ſchmerzlichen Ereigniſſe auszuſprechen. Staats⸗ ſekretär Tirpitz ließ dieſen Beſuch durch einen Marineoffizier erwidern und hierbei dem PDräſidenten Faure und dem Miniſter Hanotaux den Dank der deutſchen Marine für die bekundete Theilnahme an dem ſtattgefundenen Unglücks⸗ fall ausdrücken. — Dieſe offizielle Beileidskund⸗ gebung der franzöſiſchen Republik anläßlich des jüngſten Unglückes, welches die deutſche Marine betroffen, berührt ungemein wohlthuend und beweiſt ſie zugleich erneut, daß die amtlichen Beziehungen zwiſchen Deutſchland und Frankreich durchaus ungetrübte und normale ſind. Verſchiedenes. — Ladenburg, 1. Okt. Geſtern waren es 25 Jahre, daß Herr Reallehrer Schmitthelm ununterbrochen an der hieſigen Realſchule als Lehrer thätig iſt. Seine Wirkſamkeit iſt eine ſegensreiche geweſen, und ſind im viele Schüler zu großem Danke verpflichtet, wenn im ſolcher auch leider nicht von Allen gezollt wird. — Ladenburg, 1. Okt. Am Sonntag den 10. Oktober l. J. nachmittags halb 3 Uhr veranſtaltet der hieſige Evangeliſche Geſangverein ein Kirchengeſangfeſt an dem die Geſangvereine von Doſſenheim, Feudenheim, Handſchuhsheim, Heddesheim, Hohenſachſen, Laudenbach, Lützel⸗ ſachſen Neckarau, Schriesheim und Weinheim teilnehmen. Das Programm iſt ein reichhaltiges und iſt ein bei günſtiger Witterung ein ſtarker Beſuch zu erwarten. Der Eintrittspreis beträgt nur 30 Pfennig. — Baden-Baden, 29. Sept. Badiſche und Berliner Blätter erzählen folgendes heitere, allerdings bis jetzt noch unverbürgte Geſchichchten Am vergangenen Sonntag wollte ein in Baden⸗ Baden weilender Badegaſt ſich früh einige Blumen kaufen, fand aber, da 9 Uhr bereits vorüber war, die Blumenbuden in der Luiſenſtraße geſchloſſen. Da bemerkte er, daß ſich in einer der Buden noch ein älterer Herr aufhielt, der anſcheinend das gleiche Bedürfniß hatte, wie er, und trat deshalb von hinten in die Bude ein. Eben war er damit „Es waren zwei Hönigskinder — “. Nouvelle von F. von Pückler, 1 Nachdruck verboten. Droben in den lichtengrünen Lindenwipfeln lärmten die Staare, die Pfingſtröschen blickten ver⸗ ſchämt aus ihrer Blätterhülle hervor und nickten den leuchtenden Anemonen und den zarten Leber⸗ blümchen ein zartes „Grüß Gott“ zu, denn die warme Maiſonne hatte ja alles rings umher von Neuem hervorgelockt zu neuem Leben und neuer Wonne. Ein junges Mädchen ritt ſoeben auf ſtolzem Roſſe durch die ſorgfältig gepflegten Parkwege dem nahen Walde zu, deſſen ernſtes Dunkelgrün einen wohlthuenden Gegenſatz bildete zu der friſchleuchten⸗ den Farbenpracht ringsumher. Sie mußte tief in Gedanken verſunken ſein die kleine Hand hatte Zügel läſſig auf den ſchlanken Hals des Pferdes geleiten laſſen, die großen kühlen Augen ſchauten in die Ferne und ſie bemerkte es kaum, daß ſie immer weiter den Park hinter ſich ließ und der Wald ſich vor ihr öffnete. Hier und da ſtreifte wohl ein vorwitziges Zweiglein oder ein feingeſchnittenes Tannen⸗ zäpfchen die roſige Wange oder den lichtblauen Schleier, dann hob die Reiterin die in bäniſches Leder gekleidete Hand, knickte das Hinderniß ab und warf es zu Boden. Ob es dort elend verdorrte, ſtatt da droben weiter zu grünen und zu treiben, galt ihr gleichviel; ſie kannte den Smerz noch nicht deßhalb ſchien nichts für ſie zu exiſtiren als was ihr Vergnügen oder Annehmlichkeit. War es vielleicht dies, was dem edelgeſchnit⸗ tenen, ſchönen Antlitz der ſchönen jungen Dame fehlte? Es ſchien ſo kalt, trotz ſeiner roſigen Friſche, faſt, als fehle ihm etwas, was das Leben ihm noch hineinprägen müſſe, ehe es vollkommen werden könne war es der Smerz war es die Liebe? Gräfin Ada Heldenreich beſaß alles, was das Leben ſchön und begehrendswerth machen konnte; Reichthum einen allfeudalen Namen nebſt fleckenlo⸗ ſem Wappenſchild, Schöhnheit Jugend Eſtern, die ſie auf den Händen trugen und ſeit Kurzem — auch einen Verlobten! Was begehrte ſie mehr, weshalb träumte ſie in den Wald hinein, während ein Zug herber Ueberſättigung die feinen Lippen umſpielte? „Glück“ ſagte ſie leiſe vor ſich hin und brach abermals das lichtgrüne Spitzchen eines Tannenzweigchens, „ſie ſagen“ ich beſäße es und preiſen mich deshalb beneidenswerth. Mein Gott, wie iſt nur einem Menſchen zu Muthe der glück⸗ lich iſt!“ Drunten im Mooſe raſchelte es ein wenig, die junge Gefährtin ſchaute hinab und bemerkte eine Eidechſe, deren kluge Augen zu dem ſchönen, hohen Menſchenkinde ickten, al llten ſie 2 . geben auf die träumeriſche, wunderliche Frage des⸗ ſelben. Glück! Gräfin Ada hatte in Romanen geleſen wie es ſei, wenn über den Menſchen das Glück käme, wie es dann rings um ſie ſinge und klinget wie die Bäume in dem Walde, die Wellen des Bächleins und die jubilirenden Vögel unterm freien Himmel, die eine ehrliche, unvergeßliche Melodie anſtimmten und die pochende Menſchenbruſt zu enge werde, um das Glück zu faſſen, welches man eben „Glück“ nenne. Mußte das nicht herrlich ſein? Ada hatte gemeint, ſie könne vielleicht das wundervolle Empfinden kennen lernen, wenn ſie im ſchimmernden Ballſaale dahinfliege nach Tönen der Muſik; aber nein, während der ganzen glänzenden Karnevalszeit in der Reſidenz hoffte ſie umſonſt auf das Glück — es kam nicht. Und dann waren ſie nach Italien gereißt, hatten Venedig in bleichem Mondſchein geſehen, das ewige Rom mit all ſeinen Herrlichkeiten beroundert, doch auch hier zog kein Glück in Adas Seele. Sie war nur ſehr müde und ſehr blaſtir. Aber dann als beim Heimkehren in das vä⸗ terliche Schloß Prinz Egon von Fürſtenau um Gräfin Adas Hand geworben und auch das feier liche Jawort erhalten hatte, da triumphirte das junge Mädchen: „Nun wird es endlich kommen, jenes Glück, welches ſo über die Maaßen herrlich ſein ſoll, nun werde ich es kennen lernen!“ S lt b egantes