begab ſich das deutſche Kaiſerpaar nach der Villa Alexandria zu Beſuch des Sarenpaares und beſuchte ſodann die übrigen Mitglieder des Sarenhauſes. Petersburg, 8. Aug. Bei dem geſtrigen Galadiner in Peterhof hielt der Sar, ſich an Haiſer Wilhelm wendend, in franzöſiſcher Sprache olgenden Trinkſpruch: „Die Anweſenheit Ew. Majeſtät und Ihrer Majeſtät der Kaiſerin und Königin bei uns hat bei mir ſehr lebhafte Genugthuung hervorgerufen. Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen hiefür meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Dieſe neue Kundgebung den tradionellen Beziehungen, die uns einigen, und der guten Verhältniſſe, die zwiſchen unſern beiden benachbarten Kaiſerreichen o glücklich hergeſtellt ſind, iſt gleichzeitig eine wertvolle Garantie für die Erhaltung des all⸗ emeinen Friedens, welcher den Gegenſtand unſerer ortwährenden Bemühungen und unſerer innigſten Wünſche bildet. Ich trinke auf das Wohl Sr. Majeſtät des Kaiſers und Königs Wilhelm und Ihrer Majeſtät der Kaiſerin und Ihrer ganzen rhabenen Familie.“ Kurz nach dem Toaſte des Saren erhob Haiſer Wilhelm ſein Glas zu folgendem Trink⸗ pruch: „Ew. Majeſtät danke ich aus warmem Herzen, gleich namens Ihrer Majeſtät der Kaiſerin, für en uns zu Teil gewordenen ſo herzlichen und roßartigen Empfang und für die gnädigen Worte, womit Ew. Majeſtät uns liebevoll willkommen eheißen. Zugleich möchte ich insbeſondere den iefgefühlteſten und freudigſten Dank Ew. Majeſtät u Füßen legen für die erneute, mich ſo über⸗ eihung in Ew. Majeſtät glorreiche Flotte. Es ſt dies eine beſondere Ehrung, die ich in ihrer ollen Ausdehnung zu ſchätzen weiß, welche auch meine Marine in beſonderer Weiſe mit auszeichnet. Ich erblicke in der Ernennung zum ruſſ. Admiral icht nur eine Ehrung meiner Perſon, ſondern einen neuen Beweis für die Fortdauer unſerer tradionellen innigen, auf unerſchütterlicher Baſis egründeten Beziehungen, ſowie unſerer beiden Reiche. Ew. unerſchütterlicher Entſchluß, nach wie vor Ihrem Volke den Frieden zu erhalten, ndet auch in mir freudigſten Wieder hall. So werden wir mit einnander die gleichen Bahnen wandeln, vereint dahin ſtreben, unter dem Segen aſchende Auszeichnung, womit Ew. Majeſtät die Gütte hatten, mich zu bedenken, durch die Ein⸗ desſelben die kulturelle Entwicklung unſerer Völker zu leiten. Vertrauensvoll kann ich erneut das Gelöbnis in Ew. Majeſtät Hände legen. Dabei ſteht, das weiß ich, mein ganzes Volk hinter mir — daß ich Ew. Majeſtät bei dem großen Werke, den Völkern den Frieden zu erhalten, mit ganzer Kraft zur Seite ſtehen und Ew. Majeſtät meine kräftigſte Unterſtützung auch gegen jeden angedeihen laſſen werde, der verſuchen ſollte, dieſen Frieden zu ſtöreu oder zu brechen. Ich trinke auf das Wohl des Kaiſers und der Kaiſerin!“ Die letzten Worte ſprach der Kaiſer ruſſiſch. Peters burg, 9. Auguſt. Die von dem Stadthaupte den deutſchen Majeſtäten bei Ge⸗ legenheit des Empfangs im Winterpalais über⸗ gebene Silberſchüſſel zeigt in ihrer Mitte auf gol⸗ denem Grunde das deutſche Wappen, auf den vier dasſelbe umgebenen Medaillons, den Adler des Peterburger Wappens, ſowie die Namen der beiden Kaiſer. Die Inſchrift auf der Schüſſel lautet: „Dem deutſchen Kaiſer und der deutſchen Kaiſerin von der Stadt Sanct Petersburg“. Bei der Ueberreichung der Schüſſel drückte das Stadthaupt Rotkow⸗Roſchnow in franzöſiſcher Sprache dem Stadthaupt ſeinen Dank für den Empfang in Petersburg aus. Es ſei ihm eine Freude, ſeinen erlauchten und geliebten Freund beſuchen zu können. Er bewundere den Aufſchwung den die Stadt in den letzten Jahren genommen, und hege die aufrichtigſten Wünſche für die weitere Entwicklung derſelben. Als der Kaiſer geendet, ergriff das Stadthaupt nochmals das Wort, um in deutſcher Sprache für die Anſprache und Kundgebung gnädigen Wohlwollens zu danken. Verſchiedenes. — Mannheim, 7. Aug. In die bekannte Kohlendiebſtahls⸗Affaire der Firma Math. Stinnes ſind bis jetzt drei hieſige Kohlenhändler wegen Hehlerei verwickelt. Einer derſelben wurde vor⸗ geſtern verhaftet, aber wegen einer Kautions⸗ leiſtung wieder auf freien Fuß geſetzt. Die Unterſuchung dauert fort. Der Verhaftete Vor⸗ arbeiter Grün hat die Diebſtähle dadurch zu ver⸗ heimlichen gewußt, daß er immer die Ueberladungen der Schiffe für ſich behielt und veräußerte. Einer ſeiner „Abnehmer“ ſoll bereits eingeſtanden haben, daß er etwa zwanzig Eiſenbahn⸗Wagons geſtohlener Kohlen von Grün bezogen. — Aus Schleſien, 6. Aug. Der geſammte durch das Hochwaſſer in Schleſen erwachſene Schaden, der Anfangs auf 12 Mill Mark geſchätzt war, wird jetzt bereits auf 20 Millionen Mark berechnet. Die Noth iſt alſo noch erheblich größer, als bisher angenommen wurde, und dabei ſteht noch nicht einmal feſt ob noch neue Hochwaſſer zu befürchten find Theilweiſe ſind bereits wieder ſtarke Regengüſſe niedergegangen, die aber glücklicher Weiſe nicht lange angehalten haben. — Ruſtſchuck, 8. Aug. Auf der Unglücks, ſtelle der Patronenexploſion ſind bis heute früh 3 Uhr 48 Todte gefunden worden. Von den Verwundeten werden vorausſichtlich nur ſehr wenige mit dem Leben davon kommen. Sämtliche Vergnügunslocale der Stadt ſind geſchloſſen Morgen wird ein Trauergottesdienſt für die . Opfer der Kataſtrophe abgehalten werden, unter denen ſich viele Armenier und Juden befanden, Gerüchte, daß mit der Exploſion ein geplantez Attentat gegen den Fürſten Ferdinand von Bul⸗ garien im Zuſammenhang ſtehe, finden keinen Glauben. Laut dem „Neuen Wiener Tageblatt“ waren in der durch die Explosion in die Luft geſprenkten Baracke ca. 320 Perſonen, meiſt Frauen und Kinder mit der Entlehrung einiger Millionen alter Patronen beſchäftigt. Bloß 20 Arbeiter erreichten unverſehrt das Freie, da zur Verhinderung von Diebſtählen lediglich eine Thüre offen war. 130 Perſonen waren ſofort tot. Die Leichnahme ſind unkenntlich und teil⸗ weiſe nicht aufzufinden. Die Verletzten wurden in das eine halbe Stunde entfernte Spital geſchafft. Die Exploſion wurde angeblich durch die Unvorſichtlichkeit eines jugendlichen Arbeiters herbeigeführt. Die Baracke gehörte der Sofianer Firma Brüder Jvanow, welche zur Verantwortung gezogen werden ſollen, weil nach der Vorſchrift nur kleine getrennte Baracken für ſolche Arbeit geſtattet ſind. — Wie nunmehr feſtgeſtellt iſt, wurden 22 Arbeiter ſofort getötet und 62 ſchwer verletzt, von denen 29 bereits ihren Verletzungen erlegen ſind. Die übrigen ſchweben in Lebens⸗ gefahr. Madrid, 9. Aug. Nach amtlicher Mel; dung aus Santa Agueda wurde der Migniſter⸗ präſident! Canovas durch drei von Anarchiſten abgefeuerte Revolverſchüſſe tödtlich verletzt. Er ſtarb Mittags mit dem Rufe „Hoch lebe Spanien!“ Der Mörder iſt ein Neapolitaner Namens Michel Angelo Rinaldini. eblich gebracht worden war. Die leichtſinnige Ader, welche ihr Mann von eher beſeſſen, war immer zum Durchbruch gekom⸗ Das Lotteriegeld war zu leicht verdient Nur an dem Gelde hängt der Menſch elches er im Schweiße ſeines Angeſichts ſauer erdient hat. Faſt ausnahmslos gereicht auch olch verdientes Geld nur zum Segen. All den Bitten und Thränen ſeiner Frau geachtet hatte ſich Wilhelm leichtſinnig losgeſchlagen nur um die weiteren Klaſſen der Lotterie bezahlen u können, Ach, was wollten die geringen Entbehrungen edeuten, welche Frau Karline daheim ſich wegen es Wochenthalers auferlegen mußte, der für die Verſicherung bereit liegen mußte. Wie würde die verblendete Frau, die tagtäglich ihren Kindern zur gewohnten Stunde den Mittagstiſch herrichten und ihre wenn auch nur beſcheidene Haushaltung pünktlich im Stande halten konnte, lamentirt haben wenn mir auch nur einen Teil der Entbehrungen uferlegt werden ſollte, welche die weinende Schwägerin über ſich und ihre Kinder ergehen aſſen mußte. „Gar in der letzten Zeit iſt es ſchlimm eworden,“ endigte Frau Miena ihre trübe Schil⸗ erung. „Dir, Schwager, kann ich es ja ſagen. Nähte ich nicht von früh bis ſpät für ein Geſchäft o hätten meine armen Kinder oft ſchon zu Bette gehen müſſen. So langt es zuweilen noch kaum ür trockenes Brot —“ Konrad war entſetzt und zugleich r ſchlug die Hände zuſammen. 0 „Aber das iſt doch himmelſchreiend!“ rief er. Das kann Dein Mann doch nicht zugeben. Ihr rennt 10 dem Untergang mit offenen Augen in die rme!“ „Er läßt ſich nichts ſag „ . empört. „Ach, was habe ich alles angeſtellt um ihn zur Vernunft zu bringen. nichts mehr anzuziehen. Wenn er nur wenigſtens ihnen die Schuhe machen wollte — er hat ja ſo viel der Zeit — — aber nein da geht er lieber mit ſeinen Freunden und läßt ſich freihalten. Geſtern erſt war der Lotteriekolecteur wieder bei uns. Da hat er mir ſogar die Nähmaſchine ver⸗ kaufen wollen, nur um die Looſe erneuern zu können — und er hätte es auch gethan, wenn ſie nicht geſtegelt wäre. Glücklicherweiſe muß ich doch ſagen: So vernünftig iſt er doch noch um ſich nicht ins Gefängniß zu bringen.“ Weinend führte ſie den Schwager an das Küchenfenſter ſtehende Stück und wies dieſem den blauen Adler vor, der unter der Tiſchplatte ange⸗ bracht war. Noch ſtand Konrad in faſſungsloſem Schreck wie verſteinert, da öffnete ſich die Thür. Die beiden Kinder der Weinenden traten ſtill in die Küche. Guter Gott, wie ſahen die beiden kleinen Weſen aus. Sie waren juſt ebenſo alt, wie die Kinder Meiſter Waldow's. Aber während dieſen die Lebensfreude aus den Augen ſprühte und ſie munter und aufgeweckt waren, ſchlichen die Beiden bleich, hohläugig, mit greiſenhaften Geſichtern einher. Scheu verkrochen ſie ſich in der Ecke und waren nur ſchwer zu bewegen, dem erſchütternten Mann eine Hand zu reichen. Sie mochten ihm nicht trauen, ſondern ſchielten mit frühreifem Ver⸗ ſtändnis, ob bei dem Unbekannten nicht etwa aus einer Taſche die gefürchtete blaue Mütze hervor⸗ lugen mochte. Alſo das war der Segen, welchen Wilhelm ſeiner Familie bereitet hatte, das war die Zuknnft elche g kränklichen, hohläugigen, abgeharmten . Die Kinder haben [Meiſter Waldow's in dieſem Moment zum lichten Frau und dieſen verkümmerten, kaum lebensfähig erſcheinenden Menſchenpflänzlein zu bieten gehabt hatte?“ Ein inniges Dankgebet ſtieg aus dem Herzen N ſhiſe o, Urſprung aller Welt empor. u kite, In dieſem Augenblicke begriff der ſchlichte Mann Anf es von neuem, welch ein unendlicher Segen in der Volksverſicherung verborgen liegt. Indem dieſe ihn zum ſparen gezwungen hatte, da hatte ſie ihn zugleich fern von den Verlockungen dieſer Welt gehalten. Sie hatte ihn gelehrt, daß ein ſelbſtperdienter Thaler wertvoller und ſegensreicher iſt, als ein img Fluge gewonnenes Geldſtück. Und dabei hatte Wilhelm noch vor Zehntan⸗ ſenden ſeiner Geſinnungsgenoſſen Glück gehabt! Et hatte die trügeriſche Hoffnung, welche er auf fein Spielerglück geſetzt, bewahrheitet gefunden — u zum Herzen gehende Elend! a Die Schwäger kamen hart aneinander. „Das verſtehſt Du nicht, Konrad!“ lachte der halbtrunkene, nur noch ſchwer ſich auf den Füßen halten könnende Mann. „Du biſt immer noch der alte Eſel. Heute geth mirs ſchlecht, na ja, ich will e zugeben. Aber ich zwinge das Glück — und dann regnet das Gold gleich ſcheffelweiſe bei mir in das Haus — und Du üherhaupt, wie ſiehſt Du dn aus! Haha, laß Dich nicht auslachen. Als oh Du Dein Totdenhemd anhätteſt. Wenn das der ganze Segen Deiner knickerigen Sparſamkeit iſt!“