9 nur 4 auf dieſen Charakter Anſpruch haben. Nicht nur ziffernmäßig, ſondern auch bezüglich er Tüchtigkeit des Vorhandenen ſind wir in Niedergang gerathen. Was die moderne Technik ermöglichte und erforderte, iſt von Uleinſtaaten, wie Spanien und Chile, mehr und beſſer erfüllt, als von Deutſchland. Mitte der 80er Jahre dagegen beſaßen wir noch die drittmächtigſte Flotte der Welt. Das wäre ſo ungefähr die Summe deſſen, was die graphiſchen und ziffernmäßigen WeperſchenUeberſichten reden. Es iſt die aktenmäßige Darlegung einer „Selbſt⸗ entwaffnung“, wie ſie ſonſt in der Geſchichte nur bei abſterbenden Völkern verzeichnet wird. 5 Politiſches. Berlin, 26. Juli. Das Abgeortneten⸗ haus hat das Vereinsgeſetz in der Faſſung des Herrenhauſes mit 209 gegen 205 Stimmen abgelehnt. Verſchiedenes. — La denburg, 26. Juli. Nach dem zur Ausgabe gelangten Jahresberichte der Großh. Realſchule hier war dieſelbe im abgelaufenen Schuljahr von 164 Schülern beſucht; nach Kon⸗ feſſionen verteilt waren es 88 evangeliſche, 66 katholiſche, 3 altkatholiſche und 7 Israeliten; 60 Schüler ſind von Ladenburg, von Edingen 16, Friedrichsfeld 6, Großſachſen 2, Heddesheim 21, Heidelberg 1, Ilvesheim 16, Leutershauſen 10, Mannheim 2, Muckenſturm 1, Neckarhauſen 12. Schriesheim 7, Seckenheim 6, Wallſtadt 1, Weinheim 1, Karslruhe 1 und St. Petersburg 1. Im Laufe des Schuljahres ſind 11 Schüler ausgetreten, ſo daß die Schülerzahl am Ende des Schuljahres 153 beträgt. Die öffentlichen Prüfungen finden am Freitag am 30. Juli und die Schulfeier am 31. Juli ſtatt. Das neue Schuljahr beginnt Mittwoch, den 15 September. — Mannheim, 24. Juli. Das Geſchäft nach außerhalb iſt fortgeſetzt in Einlagen Blatt⸗ tabaken lebhaft. In Loco wurden wieder ein⸗ ige Partien 96er entrippte loſe Einlage und zwar zu 83 bis 87 Mark verſteuert gehandelt. Rippen ſind fortgeſetzt ruhig und geſchäftslos bei geringeren Voräthen. — Während aus Nord⸗ und Mitteldeutſchland neuerdings gute Tabak⸗ ſtandsberichte an die „Südd. Tab.⸗ Ztg.“ ge⸗ langen — die freilich wegen des zu frühen Zeit⸗ punktes zu einer Urtheilsbildung über die Tabak⸗ ernte vorerſt noch nicht regiſtrirt werden — wird ſeit einigen Tagen in den Süddeutſchen Tabak⸗ diſtrikten geklagt, was freilich im Auguſt einer erfreulicheren Beurtheilung weichen kann. Die Tabakpflanzer im badiſchen Oberlande, in der Rheinpfalz, am Neckar ꝛc. warten auf einen durchweichenden Regen, da die ſchweren Gewitter⸗ regen der letzten Zeit nicht durchgedrungen ſind die fortgeſetzten warmen Winde den Boden raſch austrocknen. Für Böden, auf welchen Zigarren⸗ tabacke erzielt werden, hat das noch nichts zu bedenten, allein für die Schneid- und Herbſttabake thut ergiebiger Regen noth. Während die Tabak⸗ und Cigarrenbranche im letzten Jahr von größeren Verluſten im Allgemeinen verſchont blieb, werden neuerdings einzelne Zahlungsein⸗ ſtellungen im Erzgebirge und im Ruhrgebiet in der Zigarrenfabrikation und im Fabrikat⸗ Großhandel, lebhaft beſprochen. Heidelberg, 25 Juli. In einer heute hier ſtattgehabten Verſammlung von Ver⸗ trauensmänner der nationaliberalen Partei wurde für den Wahlbezirk Heidelberg⸗Land, nachdem der ſeitherige Abgeordnete dieſes Bezirks, Herr Kreisſchulrath Strübe ſich damit einverſtanden erklärt hat, Herr Stabhalter Schuh von Grenzhof als Kanditat für die nächſte Landtagswahl aufgeſtellt. Für den Wahlbezirk Heidelberg — Wiesloch hat Herr Fabrikant Greif eine Kandidatur wieder angenommen. — Seitens der Antiſemiten wurde Herr Fabrikant Köſter in den Bezirk Heidelberg⸗Wiesloch als Kandidat aufge⸗ ſtellt, für den auch das Zentrum ſtimmen dürfte. — Kaſſel, 26. Juli. Der Schnellzug 72 Hamburg⸗Frankfurt iſt geſtern bei Freden entgleiſt. 11 Wagen wurden aus den Schienen gehoben davon ſind 3 ſtark beſchädigt. Drei Reiſende wurden leicht verletzt. Die Entgleiſung wurde durch einen Bruch der hinteren Tender⸗ achſe herbeigeführt. — Konſtanz, 55. Juli. Das am 3. Februar in Sigmaringen verloren gegangene Kiſtchen mit 40,000 Mark Werthangabe iſt geſtern bei Scheer in der Donau mit unverſertem Inhalt wieder aufgefunden worden. — Graudenz, 26. Juli. In der Gegend von Lauterburg ſind ſchwere Gewitter nieder⸗ gegangen. 10 Perſonen wurden durch Blitzſchlag getödtet. — Fourmies, 25. au Valenciennes kommender mit Kochs beladen Güterzug nahm bei der Auffahrt aus dem Bahnhof in Fourmies eine falſche Richtung und ſtürzte in eine fünf Meter tiefe Schlucht. Der Loe⸗ motivführer und der Heiz er wurden ſchwer per⸗ letzt. Die Locomotive iſt vollſtändig zertrümmert. 4 Wagen ſind in die Schlucht geſtürzt. — Tanger, 26. Juli. Eine Karawane, der ſich auch Franzoſen anſchloſſen, wurde bei Marakeſch von Räubern angegriffen. Zwei Mauren wurden getötet, ein Franzoſe ſchwe verwundet. Die Räuber plünderten die Karawan vollſtändig aus. — Ein Stücklein vom ſchwäbiſche Superlativ weiß die „Augsburger Abendztg.“ zu berichten. Ein württembergiſcher Premie wurde nach Berlin kommandiert und ließ ſi im Officiers⸗Caſino einen prenßiſchen ſcharf latein ſprechenden Leutnant gegenüber zu dem ſchwä biſchen Superlativ hinreißen. „Aber höre Se an, Herr Kamarad, des iſcht amal ſaumäßi⸗ verloge.“ Der Preuße fuhr auf und ſchrie na Genugthuung: der wackre Schwabe aber lächelt gewinnend und ſagte: „Ha, des derfet Se ne für übel nehmen, wenn mir ſaget; „ſaumäßi verloge,, na iſcht des grad, wie wenn ſie ſaget faſcht unglaublich.“ Tandwirtſchaftliches. Durch die Zeitungen lief vor einigen Woche die beunruhigte Nachricht, daß unſern Kirſch bäumen in dieſem Jahre eine Epidemie drohe, indem der bekannte Pilz Monilia ſtellenweiſe ſo maſſenhaft aufträte, daß die Kirſchbäume daran einzugehen drohen. Auf Veranlaſſung der Redaction ſpricht ſich in der neueſten Num; mer des praktiſchen Ratgebers der bekannte Profeſſor Dr. Paul Sorauer über dieſe Monilis⸗ Epidemie aus und zwar im allgemeinen beruhigend. Er weißt nach, daß an dem maſſenhaften Auf⸗ treten des in jedem Jahre und an allen Obſt⸗ ſorten vorhandenen Pilzes Monilia die naſſe Witterung ſchuld ſei und daß man dieſes epide⸗ miſche Auftreten in jedem naſſen Jahr beobachtet habe. Die Nummer des praktiſchen Ratgebers mit dem betreffenden Aufſatze des Herrn Profeſſor Sorauer wird Intereſſenten gern auf Verlangen umſonſt zugeſchickt von der Verlagsbuchhandlung Trowitzſch und Sohn in Frankfurt a. Oder hat geſund werden laſſen. Warum willſt mir denn das Leben durchaus verbittern!“ Aber ſeine begütigenden Worte entfenelten nur einen Thränenſtrom bei der Frau. 5 „Zu was lebt man denn eigentlich?“ fragte ſie herb. „Immer nur, um zu darben und zu ſparen? Da möchte man lieber gar nicht da ſein. Ich bin gewiß keine ungerechte Frau, aber etwas muß der Menſch haben. Nun ſind wir acht Jahre verheirathet und noch kein Vergnügen gehabt, nichts Jetzt wird man ſchon älter. Bei unſereinem iſt es nicht, wie bei den reichen Leuten; wo die Frauen von vierzig Jahren noch wie die jungen Mädel herumſteigen, da iſt eine Frau von unſerm Schlag ſchon alt. Das iſt es, was nicht wurmt, kein Tanz, kein Vergnügen, in zehn Jahren womöglich einen einzigen Hut —“ „Karline, erſt voriges Jahr einen ſchönen gekauſt. Zwei Jahr iſt's her und der war auch dannach. Wie eine Vogelſcheuche ſieht man drin aus — und die Kinder gehen mit geflickten Sachen herum — und dabei läßt man ſich Frau Meiſterin ſchimpfen ſolch' ein Hungerleiderpack, wie wir ſind und darum wird man auch immer über die Achſeln angeſchaut.“ „Wer das thut, Karline, der fegt beſſer vor der eigenen Thür,“ begütigte Meiſter Waldow. „Geflickte Kleider iſt zudem keine Schande, nur ein zerriſſenes Kindergewand ſchändet die faule Mutter, ſag es doch aufrichtig, haben wir nicht immer unſer Auskommen gehabt? der liebe Gott hat uns treulich geführt. Ich kann Dich gar nicht begreifen, Mutter mir iſt ſo dankbar zu Mute. hab ich Dir „Nein weil Du Dir gar nichts gönnſt, d'rum biſt Du ſo elend!“ ſchluchzte nun die Frau. „Da ſchau Dir den Wilhelm an, der iſt wie das blühende Leben, der lebt aber auch danach — da wird ordentlich gelebt und die haben aber auch etwas vom Leben. Wäre meine Schweſter nicht ſo dumm, daß Sie auch am liebſten alles ſparen möchte, ſo könnte Sie in Sammet und Seite gehen.“ „Mutter, da hätte Sie was Rechtes!“ lachte Konrad gutmütig. „Gottlob, unſer Feiertags⸗ ewand hat noch nicht auf das Verſatzamt wandern güſſen, aber ich meine! als unſer Schwager weiß den Weg zu finden.“ „Das ſchad't auch nichts!“ entgegnete ſeine Frau gringſchätzig. Hat man einen guten Tag gehabt, ſo erträgt man auch ſchlimme. Aber dies ſchreckliche Einerlei, immer grau in grau — mich faßt's bald wie ein Abſcheu vor dem Leben an.“ Da flammte es bitter in den Augen des Meiſters auf und er bezwang nur mit Mühe einen herben Vorwurf. Aber dann wendete er ſich doch wieder und ging, ohne noch ein Wort hinzugeſügt zu haben in ſein Zimmer zurück. Zum Arbeiten kam er ſobald nicht wieder denn nun beſtürmte ihm ſein Junge; er mußte dieſem bei der Schularbeit helfen und darüber verging ein Stündlein um das andere. „Nun, ich ſchaffe halt des Abends etwas länger, da wirds ſchon wieder ſetzte er zur Selbſtentſchuldigung. Frau Karoline wollte ihre gute Laune nicht zurückfinden. Sie ging brummig und einſilbig aus und ein, deckte den Tiſch und ſetzte das Abend⸗ brot, dampfende Kartoffeln in bauchiger Schüſſel und friſchen weißen Käs darauf. Das kleine Mädchen mußte ein Gebet ſprechen und dann wurde das frugale Abendbrot verzehrt. eingeholt!“ ver⸗ „Die beiden Kinder hockten dabei einträchtig auf den Knien ihres Vaters, dieſer mußte ihnen die Kartoffeln ſchälen und in den weißen Käſe tunken; ja, ſogar in die roſigen Mäulchen ließ ſich die kleine Geſellſchaft die Biſſen ſchieben. Daft herrzten ſie aber auch den Vater, der immer ein gutes oder ſcherzendes Wort fand und nicht müde wurde, ſie leuchtenden Blickes zu betrachten und ſie zärtlich liebkoſend an ſein Herz zu drücken. Als die Kinder zu Bett gebracht waren, rückte der Meiſter das Licht an die Schuſterkungel und begann unverdroſſen weiter zu arbeiten. Poch! poch! das hämmerte ſchon wieder ſtundenlang und es mochte bald abends 10 Uhr geworden ſein, da wurden von dranßen wieder ſchwere Schritte hörbar und ehe der Meiſter zu ſeiner ſchweigſam in einer Zimmerecke ſitzenden und vor ſich hinſtarrenden Frau noch ſeine Ver⸗ wunderung ausſprechen konnte, da wurde auc ſchon die Thüre aufgeriſſen und herein kam Meſſter Naſſe geſtolpert. f Er hatte getrunken, das ſah man ſeinem gerötheten Angeſicht an. In den letzten Jahren war er bedeutend ſtärker geworden und machte nun mehr einen maſſigen, groben Eindruk. „Halloh ho und Viktoria !“rief er mit debh⸗ nender Stimme ſchon beim Hereinſchwanken. „Hurrah — und nochmals Hurrah— hahaha, dachte mirs doch, da ſitzt ja der arme Kerl und ſchuftet, um den Sündenthaler zu verdienen, den er alle Woche berappen muß — Konrad, Du biſt ein guter Kerl, aber ein jammervoller Eſel — das habe ich Dir immer geſagt, haſt Dich von dem Kerl dem Agenten beſchwatzen laſſen — und wer iſt Mun der Schlaue, hahaha?!“ Fortſetzung folgt. 1