85 die Quartiere in der Hoffnung, daß ſich im Laufe des Nachmittags das Wetter beſſere und das Wettturnen abgehalten werden könne. Leider war dieſe Hoffnung eine trügeriſche. Herr Gauturn⸗ wart Filſinger machte nun den Vorſchlag, das Wettturnen am nächſten Sonntag, mittags 2 Uhr abzuhalten, was bei den Turnern freudige Zu⸗ ſtimmung fand. Es dürfen ſich übrigeus nur an dieſem Wettturnen nur Turner betheiligen, welche die Gauturnfahrt über den Weißen Stein mitgemacht haben. — Mannheim, 8. Mai. Rheiniſche Hypothekenbank. Die Bank wird, wie wir hören, demnächſt eine Verlooſung reſp. Kündigung ihrer 4 „igen Pfandbriefe der Serien 63, 64 und 65. vornehmen. Den Inhabern der Pfandbriefe wird jedoch, vorher eine Convertirung derſelben durch Umtauſch in 8 / „ige neue bis 1. Juli 1904 unkündbare Pfandbriefe offerirt werden. — Leutershauſen, 10. Mai. Das Feſt der Fahnenweihe, das der hieſige „Männer⸗ geſangverein“ geſtern beging, wurde durch den anhaltenden Regen ſehr beeinträchtigt. Die ganze Gemeinde hatte zur Verherrlichung des Feſtes die Häuſer geſchmückt und die Schloßgarten⸗Allee bot ein prächtiges Bild. Als um 3 Uhr der Regen etwas nachließ, bewegte ſich der Feſtzug unter Begleitung einiger Muſikkapellen durch das Dorf zum Feſtplatz, wo Herr Martin Förſter die erſchienenen Gäſte im Namen des Vereins will⸗ kommen hieß. Hierauf wurde durch Fräulein Kätchen Förſter in einer wohlgelungenen Anſprache die neue Fahne dem Vereine übergeben. Der Fahnenträger, Herr Ad. Holzmann, übernahm dieſelbe dankend mit dem Gelöbniß, die Fahne ſtets als Kleinod in Obhut zu behalten. Der feſtgebende Verein trug ſodann unter ſeinem tüchtigen Dirigenten, Herrn Hauptlehrer Merz, den „Fahnen⸗ ſchwur“ von Th. Mohr mit Orcheſterbegleitung ſehr wirkungsvoll vor. Alsdann ſchilderte Herr Stud. phil. Guſtav Kolb als Feſtredner die hohe Bedeutung des Geſanges in frohen und trüben Tagen und ſchloß mit einem Hoch auf den deutſchen Geſang und das deutſche Vaterland. 9 7 Sitzung nahm der Bürgerausſchuß den Vertrag mit dem Miniſterium des Innern wegen Erbauung eines Rheinhafens bei der Stadt einſtimmig und ohne Debatte an. Die Geſammtkoſten des Baues des Hafens und Kanals zum Rhein ſind auf drei — Karlsruhe, 8. Mai. In der geſtrigen 1 nahme der Arbeiten zum Hafenbau dürfte nunmehr energiſch vorgegangen werden. — Karlsruhe, 9. Mai. Heute tagte hier der erſte allgemeine Badiſche Handwerkertag. Beſucht war er von über hundert Handwerkern, darunter 50 Delegierten, die etwa 3000 Hand⸗ werker vertraten. erklärte, die badiſche Regierung werde dem neuen Geſetz zur Organiſation des Handwerks zuſtimmen, obwohl es von dem von ihr eingenommenen Standpunkt weſentlich abweicht. Sie laſſe ſich hierbei von der Rückſicht leiten, auch demjenigen Teile der Handwerker, der eine Innung verlangt, entgegenzukommen. Bezüglich der Organiſation des Handwerks wurde vom Handwerkertag eine Reſolution angenommen, in der es heißt: „Der „allgemeine Badiſche Handwerkertag“, der eine Klärung der Anſichten aus den intereſſierten Kreiſen über eine zweckdienliche Organiſation des Handwerks herbeiführen will, ſteht auf dem Standpunkte, daß eine durchgreifende einheitliche Organiſation des ganzen deutſchen Handwerkes, einſchließlich des handwerksmäßigen Fabrikbetriebs, auf geſetzlichem Wege angeſtrebt werden muß, und zwar mit der Gliederung in Meiſter, Geſellen und Lehrlinge. Den bereits beſtehenden Innungen und Handwerkervereinigungen müſſe ihre Rechte unverkürzt erhalten bleiben. Meiſter ſoll ſich nur derjenige nennen dürfen, der ſein Handwerk ordnungsmäßig erlernt hat, und ſoll auch nur ſolchen Meiſtern das Recht zuſtehen, Lehrlinge heranzubilden. Ueber dieſe Befähigung haben die Handwerkerkammern zu entſcheiden. Trotzdem ein Teil der ſüddeutſchen Handwerker dem Entwurf einer Zwangsorganiſation vorderhand noch unbeſtimmt gegenüberſteht, ſo iſt dennoch die Errichtung obligatoriſcher Handwerkerkammern freudig zu begrüßen. In dieſe Kammer ſind nur ausübende Handwerksmeiſter wahlberechtigt und wählbar. Eine Neuorganiſation des Handwerks muß vollſtändig unabhängig ſein von den be⸗ ſtehenden Gewerbevereinen, da dieſelben wegen ihrer vielſeitigen Intereſſen niemals eine reine Handwerkervertretung ſein können. Weiter beſchloß der Handwerkertag, eine Reorganiſation des badiſchen Handwerkerbundes reſp. deſſen Neu⸗ konſtituierung mit Sitz des Vorſtandes in Karlsruhe. Dem Bunde gehören die Innungen und Hand⸗ werkervereinigungen von Konſtanz, Freiburg, Lahr, Millionen Mark bemeſſen. Mit der Inangriff⸗ Baden⸗Baden, Pforzheim, bevollmächtigen, dahin zu wirken, daß die genannte Der Vertreter der Regierung i Bretten, Karlsruhe, Heidelberg und Mannheim an. Schließlich wurd noch eine Reſolution gegen die Bäckereiperorduung 1 72 Betriebe zu Grunde richte, und an die Badiſche Regierung die Bitte gerichtet, ihren Vertreter zu angenommen, die die mittleren und kleineren 1 Verordnung aufgehoben und von jeder weiteren Anwendung des 8 120 b gegenüber dem Hand⸗ werkerſtand Abſtand genommen werde. — — Paris, 8. Mai. Der Trauergottes; — dienſt in der Notre⸗Dame⸗Kirche für die bel dem 6 de Brande Verunglückten hat heute Vormittag unter großer Beteiligung ſtattgefunden. Das mittlere in fe Eingangsthor der Kirche war ſchwarz ausgeſchlagen 1 1 Seht und von einem großen, die Initialen „R. f tragenden Schilde überragt, wodurch angedeutet iſt, daß die Trauer eine nationale ſel. 5 de Mittelpunkt der Kirche war ein großer Katafalf % . errichtet, auf dem die Särge der Gräſin Jallin ebenbut und der Frau Julian aufgebahrt waren. Der Katafalk war mit zahlreichen Kränzen, darunte, derjenige des deutſchen Kaiſerpaares bedeckt. Auf der Eſtrade zur Linken des Thores befand ſich Präſident Faure. Nach der von dem Doyen des Metropolitenkapitels zelebrierten Totenmeſſe hielt Piere Olivier eine Anſprache. Der weite Naum der Kirche war mit Andächtigen dicht gefüllt, Während der Trauerfeier blieben alle größeren Geſchäfte in Paris geſchloſſen. — Paris, 9. Mai. Fürſt und Fürſſig Radziwill werden das Kaiſerpaar bei der Beerdig⸗ ung der Herzogin von Alencon in Dreur vertreteß, welche dem vernehmen nach dort an demſel ben Tage ſtattfinden wird, wie diejenige des Herzogs von Aumale. — Paris, 10. Mai. Das Komité des Wohlthätigkeitsbazars in der Rue Jean Goujon erhielt von einem ungenannten Geber den Betrag von 957 438 Fr., welcher mit der am erſten Tage eingenommenen Summe von 45,000 Fr. genau den Betrag ausmacht, der im vorigen Jahr von dem Wohlthätigkeitsbazar erzielt wurde, — Paris, 10. Mai. Im Cirque Molſere wo eine Wohlthätigkeits⸗Vorſtellung unter dem Vorſitz Caſimir⸗Periers ſtattfinden ſollte, brach Feuer aus, wodurch ein Feuerwehrmann und ein Poliziſt ziemlich erheblich verletzt wurden. Lina vorgegangen, nicht entgehen, er ahnte, welchem Einfluß er derſelben zu danken hatte. i Nur ſie allein vermag ſo wahrhaft gut zu handeln,“ ſagte er ſich und ſeine Blicke folgten Hildegard mit einer faſt ſcheuen Verehrung, wenn ie hin und wieder im Krankenzimmer erſchien. Er ragte nicht, warum ſie ihn nicht mehr pflege, er hatte ſie verſtanden ohne Worte und Auseinander⸗ ſetzungen. 5 In ſeinem Innern wurde es ruhiger und ſeine Geneſung nahm ſchnellere Fortſchritte. Die holde liebliche Erſcheinung ſeiner Frau aber, die ihn mit ſolcher rührenden Aufopferung letzt pflegte, erſchien ihm jetzt in einem ganz andern Lichte wie früher. Das kindiſche oberflächliche Geſchöpf hatte ſich in den letzten Wochen zur ernſten ruhigen Frau verwandelt, die da mit ſchüch⸗ terner Zärlichkeit um ihres Gatten Liebe warb. „Ich hätte nie gedacht, daß Du zur Kranken⸗ pflege ſo viel Ruhe und Geduld haben könnteſt,“ ſagte Benno eines Tages zu ihr und ergriff ihre Hand, die er zärtlich an die Lippen drückte. Ein jähes Roth ſtieg in Linas Antlitz, der innige Blick Bennos, der Kuß auf ihre Hand, ließ ihr Innerſtes erbeben. Ob er ſie doch noch lieben lernte? f Sie kniete nieder an ſein Lager, Thränen drängten ſich in ihre Augen. „O Benno, wirſt Du mich dennoch lieben können, nachdem Du Hildegard wieder geſehn!“ rief ſie erregt. — „Ich bete täglich zum lieben Gott, daß ich ihr hnlicher werden möchte. Sie iſt eine Heilige, ein Engel, und wenn ich noch einmal eine würdige Gattin für Dich werde, dann dankſt Du es ihr lein!“ g Benno nickte tiefbewegt. Ja, ſie iſt ein Eng⸗ el wo eine Seele ſich aus allem Leid zu ſolcher Größe empor ringt, da wachſen ihr unſichtbare 8 Flügel, die ſie höher tragen. Wenn ich ſie ſehe, dann überkomt es mich wie heilige Andacht, als müßte alle Liebe zu ihr zum Dankgebet werden.“ „Ich aber bin keine Heilige, kein Engel, Benno! mich kannſt Du ohne alle Andacht lieben, Benno zog lächelnd die junge Frau zu ſich heran. „Nein Kind, Du biſt keine Heilige, aber Du biſt mein Weib und haſt als dieſes das erſte An⸗ recht auf meine Liebe. Nur darum? wollte Lina fragen, aber als kluge Frau ſchwieg ſie verſtändig ſtill und glaubte an ihr Glück und an Bennos Liebe. Lange Jahre ſind ſeit den Freiheitskriegen über Waldfelde dahingerauſcht und die ſtolzen Pläne und Träume, mit welchem der General von Dahl⸗ berg einſt hier eingezogen, ſie haben ſich in dieſen Jahren erfüllt. 0 Ein neues Geſchlecht blüht empor in dem alten Herrenhauſe. Der Name Dahlberg hat einen guten Klang überall, und Luiſens Sohn Karl iſt ein echter Stammhalter des alten Geſchlechts. — Trotzdem ihn ſeine Mutter in der größten Einfachheit erzogen, lebte in ihm von früher Jugend an ein unvermerkbarer Zug nach Glanz, Reichtum und Macht. War es ein Erbtheil ſeines armen Vaters, welcher den Reichthum ſo ſchwer entbehren konnte und an dieſer Entbehrung zu Grunde gehen mutzte, oder hatte ſein Großvater, als er ihn über die Taufe gehalten, einen Theil ſeiner ſtolzen Ge⸗ danken und Pläne auf ihn übertragen ? Genug, des Knaben junges Herz war erfüllt von glänzenden khünen Träumen. Gar ſtolz und ſelbſtbewutzt trug er lockige Haupt, als wüßte er ganz genau, daß er der emzige Erbe enmnes alten reichen Ge⸗ ſchlechts ſei. Luiſe machte dieſer Eharakterzug ihres Sohnes nicht wenig Sorge, ihr ganzes Sein ſträubte ſich dagegen, daß ihm das Geld zu Theil werden ſollte, welches ſeinem Vater und Hildegard entzo⸗ gen. Georg hatte ſterben müſſen in Kummer und Elend, ebenſo die Generalin, und Hilde⸗ gards ganzes Leben war von der Stunde an, wo ſie Waldfelde betreten, nur Aufopferung und Enk⸗ ſagung geweſen. — Nein ein Vermögen, das mit dem Elend einer ganzen Generation erkauft, das konnte Niemand Glück und Segen bringen f Erſt als Karl mündig geworden, erfuhr er bon ſeiner Mutter, daß er der Erbe eines großen Ver⸗ mögens ſei. Verwirrt und voll maßloſem Staunen nahm er dieſe Eröffuungen entgegen, dann aber blitzte es zornig anf in den dukeln Augen. „Warum erfahre ich das erſt, Mama?“ fragte er ſehr ernſt. „Warum wurde ich in ſolcher Einfach⸗ heit erzogen? Mußte mir ſo manchen Wunſch ber? „Weil ich kein Geld für Dich haben wollte, woran Jahreslang Unrecht, Kummer und zahlloſe Thränen haften. O Karl nimm es nicht an, weiſe es zurück, es kaun Dir niemals Glück brin⸗ gen, dieſes Geld.“ „Und warum nicht, Mamma! Wer ſoll es an age — J dh 0 0 fa denn bekommen, wenn nicht ich! Ich weiß z wohl, daß mein Großvater ein ſchmutziger Geizhalz geweſen, oft genug haſt Du mir dabon erzählt, Meine Lebensaufgabe ſoll jetzt ſein, das Unrecht, was er gethan, wieder gut zu machen, Segen mit dem Gelde zu ſtiften und unſer altes Geſchlecht wieder zu Glanz und Ehren zu bringen!“ . Luiſe ſah betroffen in das ſchöne, ſtolze Geſicht ihres Sohnes. — Das waren ja faſt die: ſelben Worte, wie ſie ſein Großvater ſo oft im Munde geführt, und woran er mit ſtarer Conſegnenz feſtgehalten. Schluß folgt. 38