— Von bemerkenswerthen politiſchen Neu⸗ jahrskundgebungen wird namentlich aus Paris berichtet. Beim diplomatiſchen Neujahrsempfange im Elyſée haben der Sprecher des diplomatiſchen Corps, Baron v. Mohrenheim, der Botſchafter Rußlands, und Präſident Faure in ihren gegen⸗ ſeitigen Anſprachen überaus friedliche Verſicherungen ausgetauſcht. In überaus beſtimmter Weiſe gab der Vertreter des Czaren ſeiner Zuverſicht auf die Erhaltung des Weltfriedens auch im neuen Jahre Ausdruck, und ebenſo rückhaltlos betonte auch das Staatsoberhaupt ſein Vertrauen auf die nächſte politiſche Zukunft, verſichernd, die Mithilfe Frankreichs bei allen Friedenswerken werde niemals fehlen. Nun, das ſind ja recht erfreuliche Friedens⸗ klänge, welche von der Seine her aus franzöſiſchem wie ruſſiſchem Munde erſchallen, hoffentlich wird ihnen der Verlauf der politiſchen Ereigniſſe des Jahres 1897 entſprechen. Ueber gewechſelte Neujahrstelegramme zwiſchen den Staatsober⸗ hläuptern Europas wußte der Telegraph zunächſt noch nicht viel zu melden. Er berichtete nur von einem herzlichen Depeſchenwechſel einerſeits zwiſchen Kaiſer Wilhelm und dem König Humbert, ander⸗ ſeits zwiſchen dem Czaren und dem Präſidenten der franzöſiſchen Republik. a — Auf dem Gebiete der inneren deutſchen Angelegenheiten hat das neue Jahr einſtweilen noch nichts Neues von Bedeutung gebracht. Der mit dem Jahreswechſel eingetretene Schluß der Productenbörſe an verſchiedenen Plätzen, wie in Berlin, Stettin, Halle, Köln, Braunſchweig u. ſ. w., als Demonſtration der am Börſengetreidehandel intereſſirten Kaufleute gegen die am 1. Januar in Geltung getretenen neuen Börſenordnungen, findet außerhalb der Börſenkreiſe zunächſt noch keine ſonderliche Beachtung. Allerdings kann dieſer eigenthümliche Streik des Kaufmannſtandes noch größere Bedeutung erlangen, indeſſen bleibt einſt⸗ weilen die Weiterentwicklung der ganzen Angelegen⸗ heit noch abzuwarten. Zum Stande der Hamburger Arbeitseinſtellung iſt nichts beſonders Bemerkens⸗ werthes zu verzeichnen, die ſtreikenden Hafenarbeiter halten trotz ihrer ungünſtigen Stellung noch immer tapfer aus. 5 Berlin, 3. Jan Am Neujahrstage iſt eine Alllerhöchſte Cabinetsordre zur Kenntniß der Armee gelangt, die eine ſehr bedeutſame Ergänzung der Einführungsordre zu der Verordnung über die Ehrengerichte der Offiziere im preußiſchen Heere enthält. Ihr Zweck iſt, den Zweikämpfen zwiſchen Offtzieren vorzubeugen, durch eine Erweiterung der Befugniſſe der Ehrenräthe, die von jetzt an alle Streitigkeiten und Beleidigungen von Offizieren untereinander und mit ſolchen Perſonen, die nicht dem Ehrengericht unterſtehen, endgültig entſcheiden. Verſchiedenes. — Mannheim, 3. Jan. In großer Lebensgefahr ſchwebten geſtern die zwei Söhne der in der Kunſtſtraße wohnenden Familie des Zigarrenfabrikanten Benjamin De Jong. Dieſelben haben in einem oberen Stockwerke des betreffenden Hauſes ein gemeinſames Schlafzimmer. Als die 2 jungen Leute früh nicht in die Familienwohnung herunterkamen, ging man hinauf und fand ſie bewußtlos in ihrem Bette liegen. Es ergab ſich alsbald, daß ſie durch das Ausſtrömen von Kohlengaſen die Beſinnung verloren hatten. Es wurden ſofort eine Anzahl Aerzte — es ſollen deren vier geweſen ſein — herbeigerufen, welche während des ganzen Vormittags und Mittags Wiederbelebungsverſuche anſtellten. Nach mehr⸗ ſtündigem Bemühen waren dieſe Wiederbelebungs⸗ verſuche gegen 2 Uhr Nachmittags endlich von Erfolg begleitet. Jetzt ſind die beiden jungen Leute, von denen einer 21 Jahre und der andere 14 Jahre zählen, außer Lebensgefahr. Wie die Ausſtröm ung der Kohlengaſe entſtanden, iſt noch nicht genau feſtgeſtellt. — Heidelberg, 3. Jan. Am 31. v. Mts. ſtarb dahier Oberamtmann Dr. Waſſmanns⸗ dorff. Er hatte ſich vor Kurzem von Pforzheim wohin er vor einiger Zeit von Bonndorf verſetzt worden war, zur Wiederherſtellung ſeiner ſtark angegriffenen Geſundheit hierher begeben. Leider erlag er jedoch ſeinen Leiden. Mit ihm iſt nunmehr der dritte und letzte Sohn des hoch⸗ betagten, allverehrten Herrn Dr. K. Waſſmanns⸗ dorff dahingeſchieden. — Karlsruhe, 3. Jan. Das Neujahrs⸗ anſchießen hat eine große Anzahl von Unglücks⸗ fällen herbeigeführt. Nach den hier eingelaufenen Berichten aus dem Lande ſind die Schüſſe in Hände und Füße an vielen Orten vorgekommen. Hier wurde ein Schriftſetzer verhaftet, der noch 17 ſcharfe Patronen in Beſitz hatte. Ein Knabe erhielt, als er aus dem Fenſter ſah, einen Schuß in das Geſicht. In Bruchſal kamen zahlreiche Verhaftungen und Konfiskationen von Schußwaffen vor, ein Mädchen erhielt einen Schuß in den Leib. In Rheinheim ſchoß ſich ein junger Ehe⸗ mann die Hand ab. In Mannheim wurden ſieben Verhaftungen von Scharfſchützen vor⸗ genommen; eine Frau erhielt einen Schuß ins 75 Auge, das verloren iſt; ein junger Mann erhielt einen Schuß in den Fuß, ein anderer einen Schuß in den Arm. Ein Schütze in Ludwigshafen q. Rh. traf einen Paſſanten in den Rücken. In Neckarau ſoll ein junger Burſche vier Revolver⸗ ſchüſſe auf einen Graveur abgegeben haben; letzterem ſollen noch ſeine Kugeln im Kopf ſtecken. Ein junger Burſche aus Kirchheim bei Heidelberg traf ſeinen Bruder, mit dem er nach Altripp gegangen war, in Geſicht und Hals. Der Getroffene war nach ein paar Minuten tot. Das ihn begleitende Mädchen, eine Fabrikarbeiterin, wurde n ſchwer verletzt; ſie dürfte wohl ein Auge einbüßen. N Der unſelige Schütze iſt 18 Jahre alt. Ein Burſche in Dingelsdorf lud ſeine Piſtole mit Sägemehl, damit es beſſer knalle; der Schuß entlud ſich nach hinten und zerſchmetterte ihm die and. a — Karlsruhe, 2. Jan. (Acciſeordnung.) Es verlautet, die Regierung bereite eine durch⸗ greifende Umgeſtaltung der Acciſeordnung vor und zwar im Zuſammenhang mit den Vorſchriften des bürgerlichen Geſetzbuchs betreffend den Uebergang des Grundeigenthums. — Worms, 2. Jan. Der Gefahr der Erſtickung durch Kohlengas waren heute Morgen hier 4 Menſchenleben ausgeſetzt. Als die Frau des Gaſtwirthes P. das Schlafzimmer ihrer Kinder betrat, um die letzteren zu wecken, fand ſie ſämmtliche bewußtlos vor den Betten auf dem Boden liegend, vor. Durch ſofortige ärztliche Hülfe gelang es bald, 3 davon wieder zum Be⸗ wußtſein zu bringen, während das vierte, eine Tochter von ca. 18 Jahren, bis Samstag Abend noch nicht außer Lebensgefahr war. In dem betreffenden Schlafzimmer befand ſich ein Amerikaner mit Nußkohlen geheitzter Ofen, der jedenfalls, da dieſe Art Kohlen mehr Ruß als Anthracit hervor⸗ rufen, ungenügend Zug hatte, wodurch die Gaſe ausſtrömten und ſo das Unglück veranlaßt wurde. — Havannah, 4. Jan. Der Geſammt⸗ ertrag des Tabaks auf Cuba für 1897 wird auf 150,000 Tons geſchätzt, gegen eine Ernte von 1,100,000 Tons im Vorjahre, oder 75,000 Ballen im Jahre 1897 gegen 5 0 Ball im Jahr 1896. und Herreden als Erzieherin für ihre beiden jüngeren Töchter engagirte. . „Wir werden aber nur bis Donnerstag hier in der Stadt bleiben. Sie müſſen ſich bis dahin bereit halten, uns auf unſer Gut Dorneck zu begleiten,“ erklärte Frau von Dorneck. Roſa verſprach, ſich pünktlich einzufinden. . Als ſie an dem betreffenden Tag mit ihren Koffern eine Droſchke beſtieg, um ihre neue Sellung anzutreten, gewahrte ſie auf der Straße mit einem Gefühl banger Vorahnung wieder jenen Fremden, deſſen Züge ihr verhaßt waren. Höflich lüftete er den Hut, als ſie an ihm vorübergiug; obwohl ſie in keines Blickes würdigte, konnte ſie es doch nicht hindern, daß er, nachdem ſie eingeſtiegen war, den . Wagenſchlag hinter ihr ſchloß und mit anhörte, wie ſie dem Kutſcher Weiſung gab, wohin er ſie e 757 „ Diorneck und deren älteſten Tochter Marie in den Park von Dorneck einfuhr. „Schade, daß es ſchon dunkel iſt,“ bemerkte 0 Fräulein? Marie von Dorneck zu Roſa, „der Weg bis zum Haus iſt ſo reizend, er würde Ihnen herrlich gefallen; ſehen Sie dort den Fluß zwiſchen den Bäumen hindurchſchimmern? Das iſt die ſchönſte Partie von der ganzen Beſitzung.“ * Nach wenigen Minuten wurden die Lichter des Hauſes ſichtbar, der Wagen hielt und noch bevor des jungen Mädchens Fuß den Boden berührt hatte, 1 ſchmiegte ſich der Kopf eines großen Hundes lieb⸗ 5 koſend an ſie, ein paar Kinderarme umſchlangen 1 zärtlich ihren Hals und ein ganzes Chor jugendlicher 1 5 Stimmen hieß ſie in wildem Durcheinander willkommen. Es dunkelte bereits, als Roſa mit Frau von unbeſchreibliche „Gut, daß Du endlich wieder da biſt, Marie!“ klang es. „Ich habe einen wundervollen großen bunten Schmetterling gefangen, Schweſter Marie — Du haſt mir doch Inſectennadeln mitgebracht?“ „Muff iſt geſtern den ganzen Tag fortgeweſen und erſt ſpät abends wiedergekommen.“ „Ein Brief an Dich von Richard iſt gekommen — auch einer an Mama!“ Marie hat auf jede Frage eine Antwort, für jeden Mund einen herzlichen Kuß. Endlich machte ſie ſich von den jüngeren Geſchwiſtern los, eilte die Stufen hinauf und trat in das Wohnzimmer, wo ein ältlicher Herr bei der Lampe ſaß und ſeine Zeitung las. Beim Oeffnen der Thüre ſah er auf und begrüßte die Seinen freundlich, aber ohne jegliche Zärtlichkeit. Herr von Dorneck war einſt ein liebenswürdiger, geſelliger und gern geſehener junger Mann geweſen; aber die Enttäuſchung, die er empfand, als er zu ſpät erkannte, daß er ſich, von einem ſchönen Aeußeren geblendet, für immer an eine eitle, geiſtloſe Frau gekettet hatte, wandelte ſeinen Charakter voll— ſtändig um; er war ein ernſter, ſtrenger Geſchäfts⸗ mann geworden, kalt und anſpruchsvoll gegen ſeine Familie, abſtoßeud und hohnlächelnd gegen die Welt. Während er gegen ſeine drei Töchter wohl ſeine Pflicht erfüllte, im übrigen aber ſich wenig um ſie kümmerte, war er ſtolz auf ſeinen älteſten Sohn Richard und baute all' ſeine Pläne und Hoffnungen auf dieſen. Richard war zu einem hübſchen, klugen jungen Mann herangewachſen, deſſen Leben als Offizier, wie der Vater hoffte, erfüllen würde, was das eigene ihm verſagt hatte. Der jüngere Sohn Karl war dagegen ein ſchüchterner, linkiſcher, ſchwerfälliger Knabe mit häßlichen Zügen und plumper Geſtalt. Der arme junge hatte eine Furcht vor ſeinem Vater; ſeine Mutter machte ſich ſo wenig wie möglich mit ihm zu ſchaffen, ſeine Lehrer klagten, daß er gar ſo ſchwer begreife; ſein älterer Bruder verhönte ihn, ſeine jüngeren Schweſtern neckten und ärgerten ihn, ſelbſt Marie konnte ihn nur bedauern. Sie war ſtets freundlich und geduldig mit ihm, aber er fühlte, daß ſie ihn bemitleidete und das kränkte und bekümmerte ihn. Von den beiden jüngeren Schweſtern war Sylvia ein hübſches, liebenswürdiges Kind, während Camilla, die ältere, klug, aber eigenſinnig ö und unliebenswürdig war. a Wenige Tage nach Roſas Ankunft war alles für ihre Aufgabe geregelt und geordnet, ihre Unter⸗ richtsſtunden und übrigen Pflichten genau eingetheilt. Ihre Stellung konnte kaum leichter und angenehmer ſein; die Kinder hingen bald mit großer Liebe an ihr und Marie brachte ihr eine ſolche Herzlichkeit entgegen, daß Roſa faſt fürchtete, ſie könne vergeſſen, daß ſie auch Erzieherin und nicht nur Freundin ſei; ſelbſt Frau von Dorneck wußte ſie ſich durch tauſenderlei kleine Aufmerkſamkeiten bald unent⸗ behrlich zu machen. l Es mochten ungefähr vier Wochen vergangen ſein, als Richard von Dorneck, der junge Offizier, auf kurzen Urlaub heimkam. Von der erſten Stunde ihrer Bekanntſchaft an hatte Roſa eine beſondere Anziehungskraft für ihn. Nicht nur ſagten ihr feines, beſcheidenes und dabei doch beſtimmtes Auf⸗ treten ihm beſonders zu, auch der Ernſt, der Gleich⸗ muth, mit welchem ſie all' ſeine Artigkeiten und Liebenswürdigkeiten hinnahm, übten einen eigenen Reiz auf ihn aus. Wie? — Sollte es ihm, dem Liebling der ganzen jungen Damenwelt in der vornehmen Geſellſchaft nicht gelingen, in der Erzieherin ſeiner jüngeren Geſchwiſter ein wärmeres Intereſſe für ſich zu erwecken? Fortſetzung folgt. . U A h 1 Die ell Nuemden