1710 5 Erſcheint jeden Dienstag und Ladenburg. — Urg Anzeiger für Ladenbur 1 Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. ttion verantwortlich: Karl Molitor — — —ͤ'n . —— t 1 9 7 werreraenerereeoe. g und Umgegend. 5 Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren 1 Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. r Politiſches. 5 Karlsruhe, 29. Dez. Der Staatsanzeiger Baden enthält eine Verordnung des Groß⸗ kzogs, wonach die Stände zu einer außerordent⸗ hen Landtagſeſſion auf 12. Januar n. J. ein⸗ rufen werden. Demſelben Blatte zufolge wurde u. A. in die badiſche Geſandte am bayeriſchen und württem⸗ bergiſchen Hofe Geheimerath Freiherr v. Bodman, Geh. Commerzienrath Philipp Diffené⸗Mannheim und Commerzienrath Ferd. Scipio⸗Mannheim. Geheimrath Diffené wurde wieder zum zweiten Vicepräſidenten der erſten Kammer ernannt. — erſte badiſche Kammer berufen: der Die einzige Vorlage, die dem Landtage von Seiten der Regierung in dieſer Tagung zugehen wird, hat die Umwandlung der Aprozentigen Staats⸗ ſchuldverſchreibungen in 3 /eprozentige zum Gegen⸗ ſtand. Zur Einbringung dieſer Geſetzesvorlage iſt die Großh. Regierung durch das frühere Vor⸗ gehen in Bayern und die in den letzten Wochen f i urch Kampf zum Glück. Roman von J. Pia. 1 Roſa Waldenau, Lehrerin an der Sebendorfer, lebte mit ihrer Couſine, die ebenfalls wie e war, bei einer alten grämlichen Tante. de „Thereſe“ getauft, wurden ſie zum ed „Roſa“ und „Röschen“ genannt. Erſtere, hübſche Brünette mit ſchlanker Geſtalt und ten dunklen Augen, war ein kluges Mädchen, 0 ihrem Gemüth, aber auch leicht verletzbar ihrem Ehrgefühl und von echt jungfräu lichem z. Röschen dagegen war blond, ſanft, mädchen⸗ h kokett. So verſchieden wie ihr Aeußeres, ſo verſchieden aauch ihr Geſchmack, ihre Anſichten. Eines Nachmittags kehrte Roſa aus der Schule 1 anfangs lugte ſie wohl forſchend in die te, allmälig aber hing ſie ihrem Gedanken nach. nend durchſchritt ſie das kleine Tannenwäldchen, Saume deſſelben bückte ſie ſich und pflückte einen auß großer Sternblnmen. Eben hatte ſie die kleine brücke, die über das ſchäumende Bergwaſſer te, überſchritten und in geringer Entfernung ſte bereits das kleine weiße Haus auf, das ſeit ihrer frühen Jugend eine zweite Heimath als ſie durch einen Schuß erſchreckt wurde und J zuſammenfuhr. zwanzig Schritte von ihr ſtand ein junger Mann, in der einen Hand eine Flinte, während ſeine andere Röschens Rechte umfaßte. „Das war als erſter Verſuch gar nicht ſchlecht,“ rief er lachend, „ein zweites Mal wird es ſchon beſſer gehen. So müſſen Sie die Flinte halten!“ Halb ſchlüchtern ſah das junge Mädchen zu ihm auf, bei dem zweiten Schuß, welchen der junge Mann abfeuerte, aber hielt ſie ſich die Ohren zu und lief eine kleine Strecke davon. Mit bewunderndem Blick folgte ihr ſein Auge. Plötzlich ſchwand das Lächeln von ſeinen Zügen, dieſelben wurden ernſt. Er ließ die Hand mit der Waffe ſinken und ging auf Roſa zu, die er ſoeben bemerkt hatte. „Sie ließen heute aber lange auf ſich warten,“ hub er ein wenig verlegen an. „Ich mußte zwei Schülerinnen zur Strafe zurückbehalten und ſtrafte damit freilich am meiſten mich ſelbſt.“ „Ob Sie dieſer Pflichteu nicht ſchließlich einmal überdrüſſig werden?“ frug er faſt verdrießlich. „O nein — nie!“ entgegnete Roſa ernſt. „Wenigſtens würden Sie es nie eingeſtehen,“ lächelte Robert Karſten. — „Wenn ich dieſe großen Sternblumen ſehe,“ fuhr er nach kurzem Schweigen mit einem Blick auf den Strauß in ihrer Hand fort, „muß ich immer an das alte rothe Schulhaus denken. Erinnern Sie ſich, wie Sie mir auf dem Keine Sie hob den Kopf und blickte um ſich. 4 n prophezeien pflegten? — noch einmal verſuchen?“ Damit bückte er ſich, pflückte eine der am Wege ſtehenden Sternblumen und reichte ſie ihr. Einen Moment zögerte Roſa, da aber begegnete ihr Auge Röschens Blick nnd ſchnell griff ſie nach der Blume. Jetzt trat auch Röschen dichter heran und ſah neugierig zu, wie Roſa ein Blatt nach dem anderen auszupfte. „Nun, ſchnell — ſagen Sie — liebt ſie mich?“ fragte Robert lebhaft, als das letzte Blättchen zur Erde flatterte. „Nein,“ entgegnete Roſa, indem ſie den Kopf hob und ihn eine Minute feſt anblickte. „Nein?“ wiederholte jener, „das glaube ich nicht — ich möchte wetten, daß ſie mich liebt!“ Roſa wurde dunkelroth, während ſie halb abgewendet achſelzuckend meinte: „Sie müſſen es ja wiſſen! Täuſchen Sie ſich nur nicht!“ „Aber Roſa, was haſt Du prophezeit?“ miſchte ſich jetzt Röschen ein, „ich habe genau aufgepaßt —, über alle Maßen verkündete das letzte Blatt. — Kommen Sie, Robert, jetzt werde ich Ihnen Ihr Glück verkünden.“ „Recht ſo,“ verſetzte dieſer; „ſie iſt und bleibt ſeltſam und eigenſinnig wie immer.“ Roſa warf ihm einen langen ernſten Blick zu, Wollen Sie es jetzt nicht Schulwege aus ſolchen Blumen mein Schickſal zu * 2 * dann ging ſie ihres Weges weiter.