Ladenburg. — — und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. Für die Redaction verantwortlich: Karl Molitor Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder d Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. eee, No. 99. .. ˙ ü Mittwoch, den 9. Dezember Politiſches Spitzelthum! d̈,Der vor dem Berliner Landgericht ſpielende Preßproceß gegen die „Journaliſten“ Leckert, ., Lützow u. Genoſſen hat feine Wendung genommen, welche das Intereſſe an dem eigentlichen Gegen⸗ I ſtande der Proceßverhandlungen zu Gunſten anderer Erſcheinungen zurückdrängt. Jetzt fragt man zu⸗ daten ge nächſt nicht mehr darnach, ob die Angeklagten 1 wirklich ſchuldig ſind, durch die Ausnutzung und U Zuſtutzung der Angelegenheit des bekannten Czaren⸗ 0 ö toaſtes hochgeſtellte Hof⸗ und Reichsbeamte, wie . N den Oberſthofmarſchall Grafen Eulenburg, den u ln Staatsſecretar des Auswärtigen v. Marſchall mb u. ſ. w. beleidigt zu haben, ſondern es wendet mat, ſich das öffentliche Intereſſe nunmehr einer immer khn ſchärferen hervortretenden beſonderen Seite des dent, Proceſſes Leckert⸗Lützow zu. Durch die Ausſagen 5 des in demſelben als Zeuge vernommenen Criminal⸗ U kommiſſars v. Tauſch hat ſich herausgeſtellt, daß 4 der Mitangeklagte v. Lützow von der Berliner politiſchen Polizei, deren Vorſtand Herr v. Tauſch iſt, thatſächlich als „Vertrauensmann“, ſagen wir es rund heraus, als Spitzel, verwendet wurde. Der Chef der Berliner politiſchen Polizei hat ſich des v. Lützow bedient, um die Verfaſſer von Artikeln, die in den maßgebenden Kreiſen aus irgend einem Grunde unangenehm berührten, von den Zeitungs ⸗Redactionen auf Hinterwegen zu erfahren, da die betreffenden Namen auf direktem eee dieſes Syſtem ſchon durch einen hochgeſtellten Zeugen im Proceſſe Leckert⸗Lützow ſelbſt erfahren, erklärte doch der Staatsſecretair v. Marſchall bei ſeiner Vornehmung, das Auswärtige Amt habe aus beſonderen Gründen ſeit mehreren Jahren bei der Ermittelung der Urheberſchaft von Artikeln die Hilfe der politiſchen Polizei nicht mehr in Anſpruch genommen. i Ein ſolches Verfahren der Berliner politiſchen Polizei iſt denn auch unter keinen Umſtänden zu billigen, und gerade durch den v. Lützow'ſchen Fall wird es in beſonders häßlicher Weiſe beleuchtet. „Herr“ v. Lützow iſt trotz ſeines großen Namens, der an einen der edelſten unter den deutſchen Freiheitskämpfern aus der Epoche des Volkskrieges gegen den erſten Napoleon erinnert, ein Ehrenmann allerdunkelſter Sorte. In der Freitagsverhandlung hat er zugeſtanden, den Namen Kockutſch auf der Quittung, welche in dem Proceß eine ſo hervor⸗ ragende Rolle ſpielt, gefälſcht zu haben, und zwar erklärte er, ganz in der Hand des Herrn v. Tauſch geweſen zu ſein, der ihm mit Entziehung der gewährten Geldunterſtützung gedroht habe, wenn er keine Nachrichten bringen würde. v. Lützow fügte ſeinem für Herrn v. Tauſch ſo belaſtend klingenden Bekenntniſſe noch die ſenſationelle Ver⸗ ſicherung hinzu, er habe ſeinem Auftraggeber auf Ehrenwort zuſichern müſſen, nichts zu verrathen. Der Criminalcommiſſar bezeichnete zwar ſofort dieſe ganze Erklärung als von a bis 2 unwahr, aber es ſteht doch zum Mindeſten feſt, daß er ſich zur Erreichung ſeiner Zwecke mit einem höchſt anrüchigen Menſchen eingelaſſen hat. Es dürfte ſchon deshalb eine durchgreifende Reorganiſation der Berliner politiſchen Polizei nicht zu vermeiden ſein, ſoll ſie nicht mit dem eigenthümlichen Odium behaftet bleiben, welches auf ihr Gebahren aus dem Proceſſe Leckert⸗Lützow fällt. Im Uebrigen hat der Proceß auf das Treiben eee einer gewiſſen jour naliſtiſchen Clique, zu dere charakteriſchen Vertretern ſolche dunkle Exiſtenzen wie Leckert und v. Lützow gehören, allerdings ei ſcharfes und bezeichnendes Streiflicht geworfen. Es zeigt das verwerfliche Treiben von Preßbanditen, die in ſenſationeller Art bloße Gerüchte wie auch wirkliche Ereigniſſe zurechtſtutzen, lediglich au ſchmutzigſtem Eigennutz, das ſenſationslüſtern Publikum aber verſchlingt die ihm aufgetiſchte „prickelnden“ Artikel, ohne ſich um deren Ent ſtehung und Glaubenswürdigkeit weiter zu kümmern. Hoffentlich bringt der Prozeß Leckert⸗Lützow auch in dieſer Richtung einen wohlthätigen Wandel. Politiſches. — Berlin, 7. Dez. Der Prozeß Leckert Lützow wurde heute unter ungeheuerem Andrang des Publikums fortgeſetzt. Ein großes Aufgebo von Schutzleuten unter Führung eines Polizei lieutenants hielt die Ordnung mit Mühe aufrecht Anweſend ſind: Staatsſecretair Frhr. v. Marſchall Botſchafter Philipp Eulenburg, Polizeipräſtdent v. Windheim. Als Zeuge wird unter anderen der Chefredacteur Arthur Leviſohn vom Berliner Tageblatt vernommen. Derſelbe ſagt aus, daß Artikel des Tageblattes von Tauſch ſelbſt inſpiriert 5 ſeien. Tauſch habe ihm perſönlich geſagt, daß der Angeklagte Leckert im Auswärtigen Amt ver⸗ kehre. Der Zeuge Tauſch beſtreitet das unter ſeinem Eid. Infolge deſſen wird Herr Leviſohn nochmals vernommen. Er beharrt bei ſeiner Ausſage. Hierauf ſtellt Oberſtaatsanwalt Dreſcher den Antrag, den Zeugen Tauſch wegen wiſſentlichen Meineids ſofort zu verhaften, was auch geſchieht. Nach längerem Plaidoyer beantragt der Stagesvnwalt gegen Leckert und v. Lützow je 18 Monate Gefängniß; Dr. Plötz, Redakeeur von der „Welt am Montag“, 1 Monat Gefängniß; Berger, Redakteur der „Staatsbürger Ztg.“, uin! Wege nicht zu erhalten waren. Nach dem eigenen hic Zugeſtändniſſe des Herrn v. Tauſch bediente er ſich jedoch noch einer ganzen Reihe anderer zweifel⸗ Sdcgel] hafter Perſönlichkeiten, um Redactionsgeheimniſſe en I i erfahren und zu verwerthen, wir haben alſo ene e förmliches Syſtem eines politiſchen Spitzelthums . dor uns, welches die politiſche Polizei in der rl, Reichshauptſtadt gerade nicht in einem günſtigen 140 Kachte erſcheinen laßt. Seine Verurtheilung hat an Stationen der Seligkeit. UH Novelle von F. Stöckert. n, . Fortſetzung. i un Nach dieſen Erfolgen nahten jedoch wieder ach littere Stunden der Enttäuſchungen, des Zweifels 9 n ſeinem Können, und nun kamen die letzten 1 dl Monate ſeines Lebens, wo er den berauſchenden Trank des reichen, vollen Lebensgenuſſes geleert und ieder geleert bis zur Erſchöpfung, dann war die Reaction eingetreten, ein allmäliges Erwachen aus dieſem Taumel. Heute aber vernahm er des Schickſals eherne Stimme, die dieſem genußſüchtigen Leben Einhalt gebot ihm andere Wege verſchrieb, Wege der Arbeit, Austen Schaffens, des Erwerbs! Würde er auch 0 Kraft und Ausdauer haben dieſe oft beſchwerlichen Pfade zu wandeln? „Ich will!“ Mit trotziger Energie hatte er es Haut geſprochen, kampfesmuthig leuchtete es in ſeinen Augen, als ſähe er im Geiſte ſchon all die Hinder⸗ liſſe, die es zu überwinden galt. O, er wolle der Welt fortan nichts mehr ſchuldig bleiben, und Niemand ſollte wieder verächtlich auf ihn herabſehen dürfen! 1 Mit ſolchen Entſchlüſſen begab Koſer ſich endlich zur Ruhe. Einen Moment noch ſtand er u Ellinors Bette. Welch' glücklicher, kindlicher Ausdruck lag in den Zügen der ſchon längſt ſüß Schlummernden! Süße Träume ſchienen ihr Lager zu umſchweben. Ahnte ſie eine ſchöne, große Zukunft für ihren Gatten? Gerührt beugte er ſich herab, um einen Kuß auf ihre Stirn zu drücken. Da ſchlug ſie die Augen auf und ſchlang beide Arme um ſeinen Hals. „O Herbert!“ rief ſie wie eine glückliche Gattin, „ich habe dich ſo lieb, und glaube mir, wir werden glücklich ſein, auch ohne das ſchnöde Gold.“ „Ich hoffe es auch, Ellinor,“ ſagte er feſt, „und nun ſchlafe und träume weiter, mein Liebling!“ Sie ſchloß die Augen wieder und ein glück⸗ ſeliger Ausdruck lag auf ihrem Geſicht. Wie ſüß hatten die Worte „mein Liebling“ heute in ihre Ohren geklungen. Noch nie hatte er ſie ſo genannt. Ach wenn es ſo bliebe, wie leicht müßten ſich da alle Entbehrungen tragen laſſen! Entbehrungen tragen! Hatte ſie ſich denn auch die bittere Wahrheit ſchon klar gemacht, und war ſie ſich bewußt, was das heißt? Und war es nicht ein ſehr gewagtes Spiel, was ſie ihrem Mann gegenüber trieb? Doch hinweg mit ſolchen Zweifeln, ſolchen Fragen. Der erſte Schritt war nun einmal gethan und hatte wieder alles Hoffen und Erwarten ſchon Erfolge gebracht, Nun galt es, muthig weiter zu ſchreiten bis das Ziel erreicht war, ein Ziel ſo herrlich, für das kein Opfer zu groß ſchien. Diaß ſie es mit ihreim Gatten erreichte, daran wolltte ſie nicht zweifeln, feſt daran glauben, wie an ein glückverheißendes Evangelium, denn der Glaube allein macht ſtark, und giebt Kraft, Muth und Ausdauer, und das ſind die Waffen, die denen nothwendig, die hohen Zielen zuſtreben. Unter ſolchen Gedanken war die junge Frau wieder ein⸗ geſchlafen und träumte nun von einem neuen gänzlich veränderten Daſein. Einige Wochen ſind vergangen. In den Geſellſchaftskreiſen, in welchen Koſer's ſich ſeither bewegt hatten, haben die auf einmal gänzlich ver⸗ änderten Verhältniſſe derſelben, der Verluſt des Vermögens, eine Zeit lang viel Unterhaltungsſtoff geliefert, bis die Aufmerkſamkeit ſich wieder andern Dingen zuwandte. Man lebt ja ſchnell und vergißt ebenſo ſchnell in unſern Tagen. Was war es ſchließlich auch weiter groß Intereſſantes, Ver⸗ mögensverluſte kamen zu häufig vor, durchgegangene Bankiers, bankrotte Firmen waren an der Tages⸗ ordnung, jede Zeitung berichtete davon. Die Be⸗ troffenen verſchwinden vom Schauplatz, ihre Rolle iſt ausgeſpielt, ſie treten hinter die Couliſſen, der Vorhang der großen Weltbühne rollt herunter und trennt ſie vielleicht für alle Zeit von jener Stätte, auf welcher nur geduldet wird, wer mit Glanz und Luxus aufzutreten vermag. Auch Koſers waren vom Schauplatz zurück⸗ getreten und im Dunkel verſchwunden. Niemand wußte zu ſagen, wo ſie geblieben, der Einzige, der Kenntniß davon hatte, Profeſſor Berner, verrieth es nicht. Die Vorhänge in Koſers einſt ſo gaſtlichen