Ladenburg. enbur Anzeiger für L Exſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. Für die Redaction verantwortlich: Karl Molitor, Ul adenburg und Umgegend. f Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren 7 N15 Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen Druck und Verlag von Karl Molitor, 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. 5 Ladenburg. ener — — — Politiſches. Im Reichstage hat am Montag die er⸗ wartete „große Debatte“ über das deutſch⸗ruſſtſche eutralitätsabkommen anläßlich der dieſen Gegen⸗ und betreffenden Centrumsinterpellation ſtattge⸗ nden. Sie brachte aber weder etwas beſonders Zenſationelles noch zeitigte ſte weſentlich neue Romente in der ganzen von den „Hamb. Nachr.“ auf Tapet gebrachten Enthüllungsangelegenheit. Das Hauptintereſſe bei den betreffenden Reichstagsver⸗ andlungen beanſpruchen die Erklärungen, mit denen nächſt der Reichskanzler Fürſt Hohenlohe und lerguf der Staatsſekretär des Auswärtigen von arſchall die vom Abgeordneten Grafen Hompeſch rz begründete Interpellation des Centrums be⸗ kworteten. Fürſt Hohenlohe gab ſich in ſeiner rwiderung im Allgemeinen ziemlich diplomatiſch d betonte namentlich, daß er nicht in der Lage , über die zwiſchen Deutſchland und Nußland n 1884 bis 1890 geführten Verhandlungen ntlich eine erſchöpfende Auskunft zu geben, da ir die deutſche Regierung die damals eingegangene Verpflichtung zur Geheimhaltung noch fortdauere. Dagegen ließ er durchbicken, daß die Gründe, welche den Grafen Caprivi zum Fallenlaſſen des Neu⸗ tralſtätsabkommens mit Rußland im Jahre 1890 wogen hätten, ſeine Zuſtimmung fänden. Ferner berſprach der Kanzler der aufgetauchten Ver⸗ uthung, engliſche oder überhaupt auswärtige Ent⸗ lüſſe hätten auf die Haltung der deutſchen Politik genannten Zeitpunkt eingewirkt. Zum Schluſſe berſicherte Fürſt Hohenlohe, die herzlichen Beziehungen wiſchen den Dreibundsmächten dauerten trotz der thällungen in den „Hamb. Nachr.“ ungeſchwächt kt, aber auch das freundſchaftliche Berhältniß iſchen Deutſchland und Rußlaud ſei durch die⸗ lben unberührt geblieben. Das Haus nahm ſe werthvollen Verſicherungen mit lebhaftem eifall auf. — ( ee — Samstag, den 21. November en 1896 ame Der Rede des leitenden Staatsmannes folgten unmittelbar die weit längeren Darlegungen des Staatsſecretairs v. Marſchall. In ihnen war Herr v. Marſchall vorwiegend bemüht, die Be⸗ hauptungen, wonach einerſeits die deutſche Politik durch die Nichterneuerung des Abkommens mit Rußland 1890 eine wichtige Friedensbürgſchaft preisgegeben habe und wonach anderſeits das Abkommen mit Rußland den Bündnißverträgen Deutſchlands mit Oeſterreich wiederſprochen habe, zurückzuweiſen. In Bezug auf erſteren Punkt ſetzte der Staatsſecretair ungemein weitſchweifig auseinander, daß mit der wachſenden Zahl der Bündniſſe und der Verträge keineswegs auch der innere Werth jedes einzelnen Vertrages ſiege, derartige Rückverſicherungen, wie das deutſch⸗ ruſſiſche Abkommen, hingen in ihrer praktiſchen Bedeutung immer ſehr von den Umſtänden ab, daß dieſe Bedeutung des genannten Vertrages keine allzugroße geweſen ſei, war Herr v. Marſchall eifrig darzulegen bemüht; aber ſeine Ausführungen klangen gerade in dieſem wichtigen Punkte nicht ſonderlich überzeugend, jedenfalls brachten ſie keine genügende Aufklärung über die Nichterneuerung des ruſſiſchen Vertrages ſeitens Deutſchlands⸗ Mit bemerkenswerther Entſchiedenheit wies aber Herr v. Marſchall die Annahme zurück, das deutſch⸗ruſſiſche Abkommen habe nicht in Einklang mit den Dreibundsverträgen geſtanden, weder dem Geiſte noch dem Worlaute nach ſeien die letzteren durch das Separatabkommen mit Rußland ver⸗ letzt worden. Im ferneren Verlaufe ſeiner Darſtellungen ſpendete der Redner der Staatskunſt des Fürſten Bismarck volles Lob, zugleich vertheidigte er jedoch warm auch die Politik des Grafen Caprivi, die ja Herr v. Marſchall ſelber unterſtützt hatte. Der Staatsſecretair verneinte energiſch, daß Graf Caprivi den Draht der ruſſiſchen Freundſchaft eee eee ſeinerſeits zerſchnitten habe, und knüpfte hieran ebenfalls, wie Fürſt Hohenlohe, die Verſicherung von der Fortdauer der guten Beziehungen zwiſche Deutſchland und Rußland. Des Weiteren wie er darauf hin, daß die Anfänge der ruſſiſch franzöſiſchen Freundſchaft ſchon in den 70er Jahren entſtanden ſeien und bezeichnete am Schluſſe ſeine in patriotiſchen Akkorden ausklingenden Rede di unentwegte Bündnißtreue gegenüber Oeſtreich und Italien, die Pflege der freundſchaftlichen Be⸗ ziehungen zu Rußland, die Aufrechterhaltung eines guten Verhältniſſes zu den anderen Mächten und den erſten Wunſch nach Erhaltung des Friedens als die Grundlagen der deutſchen Politik. Auch 5 Herr v. Marſchall erntete mit ſeinen Erklärungen großen Beifall im Hauſe. Karlsruhe, 18. Novbr. Wie aus Rom gemeldet wird, iſt Herr von Jagemann geſtern abermals vom Papſte empfangen worden, um ein Schreiben des Großherzogs von Baden an den Papſt zu überreichen. 8 Verſchiedenes. ö — Mannheim, 17. November. Montag 8 Morgen bei Einfahrt des Zuges Nr. 38 um 7 Uhr 24 Min. auf Station Käferthal, verſuchte der 13jährige Schüler Otto Sinner, bevor der Zug vollſtändig zum Halten gekommen, auf einen Wagen aufzuſpringen, wobei er ſtürzte und von 11 einem Wagenrad an einem Fuß überfahren wurde. 5 Bei dieſer Gelegenheit können wir nicht genug auf die große Gefahr hinweiſen, welches das Auf; und Abſpringen auf einen noch in der Fahrt begriffenen Zuges zur Folge hat, leider aber trotz Verwarnung und Beſtrafnng immer wieder vorkommt. i — Karlsruhe, 19. Nov. Die auf das Detailreiſen bezüglichen neuen Vorſchriften der Gewerbeordnung ſcheinen vielfach noch mißver⸗ Stationen der Seligkeit. Novelle von F. Stöckert. 5. Fortſetzung. f * ſie ſandte mir ihren Boten in holdeſter talt. 8 „Das ſieht meiner Gattin mal wieder ähnlich,“ chte Frege, „ihr iſt eben nichts heilig, nicht ein⸗ al die größte Ruhe heiſchende geiſtige Thätigkeit. le echte Evastochter, voller Ränke und Schelmen⸗ reiche, der der Baum der Erkenntniß durchaus inen Reſpekt einflößt!, „Und doch möchtet Ihr uns echte Evastöchter cht entbehren, grade ihr Ritter des Geiſtes! denn i ſind es, die Euch inſpiriren, Euch den Cham⸗ gnerſchaum des Daſeins credenzen!“ „Uns himmliſche Blumen in's irdiſche Leben ken,“ fügte Koſer lächelnd hinzu; „während here uns nach weltfernen Stationen der Seligkeit hren möchten, wo es aber oft bodenlos lang⸗ eilig iſt.“ Ellinor hatte ſich abgewandt, ſie ſtützte ſich F das Gitter des Balcons und ſtarrte in die Iudſcheinlandſchaft hinaus, heiße Thränen brannten ihren Augen. War denn das derſelbe Mann, it dem ſie einſt in Thüringen auf dem einſamen elsplateau geſtanden, ſo namenlos glücklich und lig, derſelbe der diefe ironiſchen für ſie ſo krän⸗ , enden Worte ſoeben geſprochen? Und wie gereizt 5 hatte ſeine Stimme geklungen, als trüge ſie die Schuld, daß ſie keine Erfolge aufzuweiſen hatte, freilich ſie inſpirirte ihn nicht, ſie war keine von denen die ihm den Champagnerſchaum des Daſeins eredenzte, und ihr tiefes, zu jedem Opfer bereites Lieben es galt ihm nichts, uichts. „Na, Kind, Du ſchmollſt wohl gar?“ mit dieſen Worten trat er jetzt zu ihr heran, als ſie aber ſtatt zu antworten nur die ernſten grauen Augen voll zu ihm aufſchlug, war es ihm als blickte er in geheimnißvolle Meerestiefen, auf deren Grunde wohl ſeltene Perlen zu finden. Die Unterhaltung war plöltzlich verſtummt, Niemand mochte den leichten Ton von vorhin wieder anſchlagen. War es die zaubervolle Mondſchein⸗ landſchaft, die die Seelen gefangen nahm, daß ihnen ihr Geplauder profan dünkte der hehren Sprache der Natur gegenüber, oder war man nur müde und abgeſpannt. Ziemlich ſchweigſam ging man aus⸗ einander, aus Koſers Geſicht war der Zug leiſer Verſtimmung nicht gewichen; in den nächſten Tagen vertiefte ſich derſelbe mehr und mehr. Die Geſellſchaft von Berner und Frege, zwei Männer, denen es heiliger Ernſt war mit ihren geiſtigen Beſtrebungen, hatten ſein litterariſches Gewiſſen aufgerüttelt, er fand kein rechtes Gefallen mehr an dem geſellſchaft⸗ lichen Treiben und der Champagnerſchaum des Daſeins, den ihm Frau von Frege unermüdlich credenzte, widerte ihn auf einmal an, forſchend blickte er bisweilen in die Augen ſeiner Frau, in dieſen grauen Meerestiefen lag es wie ein dunkles Räthſel, deſſen Löſung er noch nicht gefunden. Frau Melitta verſchwendete übrigens nicht lange ihre Liebesmüh an ihn und wandte ihre ganze Huld einem jungen Officier zu, der Dank ihrer Auszeichnung bald der Mittelpunkt der Geſellſchaft wurde. Koſer ſah ſich bei Seite geſchoben, das v erdroß ihn, verletzte ſeine Eitelkeit. Auch in geiſtiger Hinſicht nahm er nicht mehr den erſten Platz ein, Frege und Berner, ſo beſcheiden letzterer auch auf⸗ trat, gaben den Ton an, wenn ſich die Unterhaltung auf wiſſentſchaftlichen oder litterariſchen Gebieten bewegte. „Wir wollen zu Haus,“ erklärte er eines Tages ſeiner Frau, als ihn der Mißmuth über die Vernachläſſigung, die ihm von allen Seiten widerfuhr, übermannte. Ein feines, faſt unmerkliches Lächeln ſpielte um Ellinors Lippen, ach wie genau ſie ihn durch⸗ ſchaute, ſeine verletzte Eitelkeit aus dieſen Worten heraus hörte, wie ſie jedoch zu dem hübſchen, trotzigen Geſicht aufſchaute, da war es ihr faſt, als müſſe ſie ihn trotz dieſer Schwächen noch inniger 5 liehen und ſie zögerte keinen Moment, ſeinen Wünſchen beizuſtimmen, obgleich ſie ſich jetzt, Dank ihres Freundes Berner, in dem Geſellſchaftskreis für viel wohler fühlte, was galt das jedoch ſeinem Wohlbefinden gegenüber, ſeinem Glück konute und wollte ſie jedes Opfer bringen, und wenn es ſein mußte auch jenes, von dem Berner neulich geſprochen