Ladenburg. Tak! Anzeiger für Ladenbur Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. Für die Redaction verantwortlich: Karl Molitor 05 Die Reichstagsarbeiten. Der Reichstag tritt am 10. November wieder zuſammen, um ſeine im Sommer abgebrochene Seſſion fortzuführen, aber dieſe Fortſetzung iſt kigentlich nur formeller Natur, denn die vielen icht den Reichstag erwartenden neuen und theil⸗ weise recht wichtigen Aufgaben verleihen ſeiner winterlichen Sitzungsperiode, im Grunde genommen, den Charakter einer ganz neuen Seſſion. Das Anzige Glied, welches dieſelbe mit dem am 2. Juli abgeſchloſſenen erſten Hauptabſchnitt der laufenden Seſſion verbindet, wird durch die Novelle zu den Reichszuſtizgeſetzen dargeſtellt, die damals nur in der Kommiſſion erledigt werden konnten. Ihre Plenarberathung bildet darum die erſte Arbeit der Reichsboten nach der großen Vertagungspauſe, und bei der Dringlichkeit und Wichtigkeit den Reformvorſchlägen der Juſtiznovelle — Entſchädig⸗ ung unſchuldig Verurtheilter, Wiedereinführung der Berufung in Strafſachen u. ſ. w. — ſteht zu hoffen, daß ſie nunmehr unter Dach und Fach kommt. An der Spitze der dem Reichstage neu gehenden Vorlagen aber ſteht in politiſcher Beziehung wenigſtens der Entwurf einer Militair⸗ ſtrafprozeßordnung für das geſammte Reich. Zweifellos wird dieſer Geſetzentwurf den Mittel⸗ punkt der Parlamentsverhandlungen abgeben und zum Gegenſtand ſehr lebhafter Debatten werden, da nach den bisherigen übereinſtimmenden Andeut⸗ ungen über ſeinen Inhalt die Reform des Militär⸗ ſtrafprozeßweſens nicht in allen Punkten den Wünſchen des Reichstages entſprechen dürfte. Doch kann man nur dringend wünſchen, daß es hierüber zu einer Verſtändigung zwiſchen den verbündeten Regierungen und dem Reichstage kommen möge, denn ein Scheitern gerade der nun ſchon ſo lange erhofften Militairjuſtiz⸗Reform würde in weiten . Mittwoch, den cht g und Umgegend. 1 0 n 15 Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren N ö 5 Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeige 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. . Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. 11. November eee eee eee Kreiſen des deutſchen Volkes höchſt peinlich empfunden werden. In ſozialpolitiſcher Hinſicht harren des Reichs⸗ tages wiederum hervorragende Aufgaben in Geſtalt der Vorlage über die Zwangsorganiſation des Handwerks und der Novelle zum Invaliditäts⸗ und Altersverſicherungsgeſetz. Mit erſtgenannter Vorlage wird ein bemerkenswerther Verſuch unter⸗ nommen, dem hart um ſein Daſein ringenden Handwerk auf dem Wege der Reichsgeſetzgebung zu Hilfe zu kommen, aber die Anſchauungen über ſein Gelingen ſind in Handwerkerkreiſen ſelbſt ſehr getheilt, wie denn überhaupt ⸗die Ausſichten der Vorlage nicht die günſtigſten ſind, ſo daß ihr Schickſal ziemlich zweifelhaft erſcheint. Was die Novelle zum Invaliditäts⸗ und Altersverſicherungs⸗ geſetz anbelangt, ſo unterzieht ſie eine ganze Reihe von Beſtimmungen desſelben, welche zu ſich immer ſteigernden Klagen Anlaß gegeben hatten, mannig⸗ fachen Abänderungen, ohne jedoch den Kernpunkten des Geſetzes nahe zu treten. Eine größere Vorlage mehr handelspolitiſcher Natur ſtellt das neue Handelsgeſetzbuch dar, welches vielfachen zeitge⸗ mäßen Bedürfniſſen und berechtigten Forderungen des Handelsſtandes entgegenkommt und im Uebrigen mit durch das am 1. Januar 1900 in Kraft tretende bürgerliche Geſetzbuch veranlaßt worden iſt. Ebenfalls mit dem letzteren hängen die Ent⸗ würfe einer neuen Grundbuchordnung und eines Geſetzes über freiwillige Gerichtsbarkeit zuſammen, nur werden beide Sachen dem Parlamente wohl erſt zu einem ſpäteren Zeitpunkte zugehen. Dasſelbe hat zweiffellos auch dem angekündigten Aus⸗ wanderungsgeſetze zu gelten durch welches eine gewiß ſehr nothwendige reichsgeſetzliche Regelung des gerade für Deutſchland ſo bedeutſamen Aus⸗ wanderungsweſens erſtrebt wird. Das Arbeitsprogramm des Reichstages iſt jedoch mit den genannten Berathungsſtoffen noch amtengehälter. Schließlich werden neben dieſem C. keineswegs erſchöpft Da wäre zunächſt der Etat für 1897 98 zu erwähnen; ſeine Berathung wird, wie dies bei den umfaſſenden Etatsarbeiten des Parlaments ja immer der Fall zu ſein pflegt, gewiß ſo manche Arbeitswoche des Reichstages in Anſpruch nehmen. Weiter ſteht die Vorlage über die Umwandlung der Aprozentigen Reichs⸗ anleihen mit Beſtimmtheit zu erwarten, und mit ihr im gewiſſen Zuſammenhang die gleichfalls ſignaliſirte Vorlage über die Erhöhung der Be⸗ Dann erſcheinen noch die Novellen zur Seemannsordnung und zum Reichspoſtdampfer⸗ geſetz. Von ihnen unterzieht die erſtere die jetzt geltende Seemannsordnung verſchiedenen Abänder⸗ ungen und Verbeſſerungen, während die letztere Vorlage eine Erweiterung des Reichspoſtdampfer⸗ verkehrs nach Oſtaſien durch Einrichtung einer vierzehntägigen Verbindung mit China bezweckt. reichhaltigen Buoquet von Regierungsvorlagen ſicherlich auch wieder zahlreiche Initiativanträge, Interpellationen U. ſ. w. zu erwarten ſein, ſo daß auch diesmal ſich den Reichsboten die Ausſichten auf eine lange, arbeitsreiche Sitzungsperiode eröffnet; hoffentlich werden deren Ergebniſſe nur erſprießliche für das Gedeihen und die Wohlfahrt unſeres Volkes und des Vaterlandes ſein. Verſchiedenes. — Friedrichsfeld, 6. Novbr. Heute früh halb 7 Uhr entſernte ſich die Frau des Bahnarbeiters Wenz. Ries auf einige Augenblicke von ihrer Wohnung, um Brot zu holen, verſäumte aber an Hausthüre und Geldſchrank die Schlüſſel abzuziehen. Als ſie zurückkam, waren 200 Mark, welche ſie vor Kurzem für Kartoffel erlöſte, ver⸗ ſchwunden. — Karlsruhe, 6. November. Vom erz⸗ biſchöflichen Capitels⸗Vicariat iſt in einer Anſprache * * * Stationen der Seligkeit. Novelle von F. Stöckert. 12. Fortſetzung. Sie hatten während dieſes Geſprächs beide nicht bemerkt, wie der Himmel ſich plötzlich ver⸗ finſtert, erſt als nun der erſte Donnerſchlag erdröhnte und in den Bergen wiederhallte, blickten ſie erſchreckt auf, war es nicht, als wollte die Natur es ihnen klar machen, daß über den hellſten Lebenshimmel Wolken und Wetter plötzlich heraufziehen können. Ein Regenguß trieb ſie in ihre beſcheidenen Lo gir⸗ räume hinein, dort beobachteten ſie vom Fenſter aus das großartige Schauſpiel eines Gewitters im Gebirge. 5 „Das verſpricht ja ein recht unterhaltender Abend heute zu werden,“ ſagte Koſer vom Fenſter örttretend, er hatte nun genug von dieſem Schau⸗ Piel hier in der Einſamkeit. Voll Sehnſucht dachte an das große Hotel am Genfer See, in welchem ſie zuletzt geweilt, und wo man auch an ſolchen Regenabenden Geſellſchaft und anregende Unterhalt⸗ Ang gefunden, dieſe Gedanken ließen ihn nicht mehr Auf die hehre Sprache der Natur da draußen achten, Während Ellinor noch ganz davon hingenommen Dar. Sie vermißte nichts und dachte au nichts Weniger als an die zuſammengewürfelte Geſellſchaft in den Hotels, mit ihrer oft ſo flachen, ermüdenden Unterhaltung. Ihr war es, als wäre ſie mit Koſer allein auf der weiten Erde, abgeſchloſſen von der übrigen Welt, und ſie hätte das ſehr ſüß und beſeligend gefunden, wenn Koſer nicht ſo entſetzlich gelangweilt ausgeſehen, auf ihm erſchien die Ein⸗ ſamkeit wie ein Alp zu liegen, und er ſehnte ſich in dieſem Augenblick brennend nach den ihm elec⸗ triſchen Licht ſtrahlenden Sälen des verlaſſenen Hotels, nach der Geſellſchaft dort, deren Mittelpunkt er geweſen, nach den ſchönen, eleganten Frauen, die ihm, dem intereſſanten Mann auf alle Weiſe gehuldigt. Arme Ellinor, Dein Traum von einer Station der Seligkeit ſcheint ſich hier nicht erfüllen zu wollen! Es war ihr ſehr unſelig zu Muthe, ein beklemmendes Gefühl erfaßte ſie plötzlich. Sie genügte ihm nicht, beſaß nicht Geiſt genug für ſolch einen Mann. O Gott im Himmel, vielleicht trug ſie die Schuld an ſeiner Unluſt zu aller Arbeit jetzt. Die ſchönen, koketten Frauen, die ihn zu ihrer Beluſtigung auf der Reiſe ſo viel umſchwärmt, die gefielen ihm am Ende doch beſſer wie ſie, und er wäre ganz gewiß ein anderer an der Seite ſolcher Frau, die da ſo ganz anders waren wie ſie, der nichts fremder war wie Koketterie, aber ſo lieben wie ſie würde ihn doch keine, keine! Traurig blickte ſie hinaus in die Landſchaft, das Gewitter war vorüber gezogen, nur aus der Ferne bernahm man noch den Donner rollen, glühend rothe Sonnenſtrahlen des untergehenden Tagesgeſtirn brachen jetzt wie ſiegreich hervor aus den Wolken⸗ maſſen, ſie dünkten Ellinor wie eine Verheißung; durch alle Wolken, die ihrem Ehehimmel trüben mochten, würden ihre Liebe gleich dieſen Sonnen⸗ ſtrahlen immer wieder ſiegreich hervorbrechen. Auch Koſer war jetzt wieder an das Fenſter getreten, die Landſchaft draußen war in der Abend⸗ beleuchtung zauberhaft ſchön, und nahm ihn ſchließlich ſo gefangen, daß er ſeine Sehnſucht nach Menſchen und Unterhaltung darüber vergaß. „Laß uns noch einen Spaziergang machen,“ bat er Ellinor. „Dort nach den Höhen hinauf, die ſo gigantiſch in die Wolken ragen, gleich Rieſen⸗ ungeheuern. Mir iſt, als wollte es licht werden da hinter meinem Hirnkaſten, als müßte ich da oben Geiſterſtimmen vernehmen, die in ſolchen Stunden durch das Weltall tönen, vielleicht bin ich doch ein Berufener der ſie feſthalten darf.“ Wie gerne folgte Ellinor dieſer Aufforderung. Eilig zog ſie ihren Regenmantel über, dann griffen ſie beide nach ihren Bergſtöcken und nun ging es hinaus in den wundervollen Abend, den nahen Höhen zu. Je höher ſie empor ſtiegen, je zauber⸗ iſcher entfaltete ſich das Panorama unter ihnen. „Wie herrlich!“ rief Ellinor, als ſie die Höhe erreicht und nun hinunter ſchauten auf das Thal. Der Gehirgsbach glitzerte und fankelte als ſchaukelten auf ſeinen klaren Wellen tauſende von Diamanten, die ſchneezedekten Wipfel ferner Berge waren wie in Roſengluth getaucht, da drüben auf grünen Matten weideten noch einzelne Kühe, melodiſch klang ihr Glockengeläut durch die Abendſtille. „Ja, ſolch ein durch nichts geſtörter Natur⸗ 5 5