Sodann begab ſich der Klerus und die an der Trauerfeier Teilnehmenden in das Erzbiſchöfliche Palais zur Ausſegung der Leiche. Nach dieſer trugen zwölf Bürger der Stadt den Sarg zu dem von hohen Baldachin überwölbtem Trauerwagen, den 6 Prieſter mit brennenden Fackeln umgaben. Der großartige Kondukt bewegte ſich durch mehrere der Hauptſtraßen zum Münſter. In dem Zuge befanden ſich ber Erbgroßherzog als Vertreter des Großherzogs, die Hofmarſchälle Graf Andlaw und Freiherr v. Freyſtedt als Vertreter der Großherzogin und Erbgroßherzogin, Graf Spee als Vertreter des Fürſten von Hohenzollern, Miniſterialrath Hübſch und erſter Präſident v. Schwartz als Vertreter der Regierungen von Baden und Sigmaringen; Vertreter der Fürſten von Fürſtenberg und von Löwenſtein⸗Wertheim⸗ Roſenberg, des Erzabts von Benron, des Erz⸗ biſchofes von Köln; die Biſchöfe von Fulda, Straßburg, Baſel, Rottenburg, Limburg, Mainz; die Aebte von Oelenburg und Maria Einſiedeln; ferner Generale, Offiziere, Profeſſoren der Uni⸗ verſität, Vertreter der Behörden, Reichs⸗ und Landtagsabgeordnete, darunter der Präſident des Reichtags von Boul, Abordnungen, katholiſche Korporationen und eine große Zahl Prieſter. Als der Zug beim Münſter angelangt war, wurde der Sarg wieder von zwölf Bürgern in das Münſter getragen. Dort zelebrierte der Biſchof von Mainz das feierliche Requiem, Weihbiſchof Dr. Knecht hielt die Trauerrede. Die Abſolution ſämtlicher Biſchöfe und Prälaten am Katafalk und die Einſenkung des Sarges in die Gruft beendete die Feier, die bis kurz nach 12 Uhr dauerte. Der Sarg war mit violettem Sammet bekleidet und mit Silber beſchlagen. Dr. Knecht ſchloß ſeine Rede, indem er die Vorzüge des Verſtorbenen zuſammenfaßte, mit den Worten: Er war ein edler, idealer Menſch, ein echt chriſtlicher Charakter, ein treuer, liebevoller Ober⸗ hirt und Vater.“ — Großſachſen (A. Weinheim), 28. Okt. Gerſten feierten in häuslichem Kreiſe die Georg Peter Schuhmann Eheleute von hier das Jubelfeſt der goldenen Hochzeit. Der Kirchen⸗ gemeinderath, deſſen Mitglied der Jubilar ſchon ſeit 35 Jahre iſt, widmele demſelben eine Pracht⸗ bibel. Herr Pfarrer Schäfer überbrachte unter entſprechenden Worten die Glückwünſche der hohen verliehene ſilberne Medaille. Die Gefeierten erfreuen ſich einer verhältnißmäßig guten Rüſtigkeit des Leibes und des Geiſtes. Möchte ihnen ein ſonniger Lebensabend beſchieden ſein! Heiteres. Auch ein Sport, „Elly, was muß ich ſehen — Du in Thränen?“ — „Ich will mich nur für den nächſten Brillantſchmuck thränieren!“ Kommt zum Turnen! Leib und Seele ſind die Lebenselemente des Menſchen. Die Geſundheit des einen bedingt die Geſundheit des andern und umgekehrt. Der hagere Bücherwurm, der ohne friſche Luft und Licht zu genießen, ſeinen Kopf voll Weisheit propft, kann nie jenes Wohlbehagen empfinden, welches nach körperlicher Arbeit uns die erquickende Ruhe bringt. Es beſteht eine ſchöne Harmonie zwiſchen Leib und Seele, zwiſchen Körper und Geiſt. Dieſe Harmouie erfordert das Ebenmaß beider Teile zu einander, daß der eine nicht vom andern erdrückt werde. „Mens sano in corpore sano“ (in einem geſunden Körper nur kann ein geſunder Geiſt wohnen) lautet das Wort des Lateiners. Wir können nicht ſagen, daß dieſe grundlegende Harmonie zwiſchen Körper und Geiſt ſich in dieſem Jahr⸗ hundert verbeſſert hat. Es iſt zweifellos, daß das leibliche Element im Rückgange begriffen iſt. Das geiſtige Element entgegen iſt über das Ebenmaß hinaus mächtiger geworden und alle die unzähligen Krankheiten des überreizten Nervenſyſtems ſtellen ſich ein. Die Krankheiten koſten dem National⸗ vermögen allzährlich Milliarden. Herz und Lunge können den roten Lebensſaft, Blut genannt, nicht mehr genügend beherrſchen und dem Leiden des Körpers folgt das der Seele, insbeſondere eine mächtige Unzufriedenheit mit ſich ſelbſt und allen andern. Der Rieſengeiſt, der unſere Zeit beherrſcht, wird in ſich ſelbſt zerfallen, wie ein kindiſch werdender Alter, wenn er nicht dem ſchützenden Körper die ebenbürtige Pflege angedeihen läßt. Die Kultur alſo, die den Weg von der Natur abnahm, muß dieſen wieder ſuchen. Hat ſie den Leib vernachläſſigt, die Harmonie zwiſchen Körper und Geiſt noch mehr geſtört, ſo muß ſie entſprechend wieder ausgleichen. Der Naturmenſch hat dieſe Harmonie meiſt feſtgelegt in ſeiner Lebensart, der Kulturmenſch muß ſie ſich zu erhalten ſuchen, er muß Körper und Geiſt gleichzeitig beherrſchen gangenheit einen Bürgen für dieſe Harmonie herausgefunden in dem regelmäßigen Betrieh turneriſcher Leibesübungen. Die deulſche Nation b das Volk der Dichter und Denker, darf den Ruhm für ſich in Anſpruch nehmen, hier der Bahnbricher, . der rettende Arzt geweſen zu ſein. Und wie allez 4 nachhaltige Große, das die Zukunft beherrſcht und zur Unſterblichkeit berufen iſt, ſo hat auch diese Kraft ihre Quelle auf dem Boden des geſamten Volkes. Ihre Waſſer ſprudeln allen Dürſtenden, da wird keine Schicht bevorzugt, ſie iſt der Menſchen Geſundheitstrank geworden, — unſer deutſches Turnen, unſer deutſches Spiel! Dem deutſchen 1 Bbe I Turnen ſind Rivalen entſtanden. Der Kaſte 125 geiſt, der auch die Kulturmenſchen in unzähli 1 fi Grade einteilt, und unſere ganzen Einrichtung 1 U zum Teil beherrſcht, fand etwas beſſeres, wie der moderne Ausdruck lautet, auf dieſem Gebiet, etwas, was nicht jeder hatte, den Sport. Sport und Turnen ringen heute um die Gunſt der Maſſen. Der Sport ſtellt die Einſeitigkeit leiblicher Uebungen dar, das Turnen die vielſeitige ſyſtematiſche, allen Körperteilen gerecht werdende. Radfahren, Rudern u. ſ. w. bildet oder überbildet einzelne Körperteile, das Turnen hingegen ſucht wiederum die Harmonie aller Vewegungsformen darzuſtellen. Darin liegt ſeine kulturelle Bedeutung. Doch das deutſche Turnen wirkt nicht allein direkt auf Leib und Seele, es verkörpert in ſeinem volksthümlichen Weſen auch ein hervorragendes ſoziales Erziehungs⸗ element. Gemeinſames Thun verſöhnt. Arbeit adelt, edelt, beſonders die freiwillige. Der deutsche Turnboden kennt keine trennenden Schranken zwiſchen Hoch und Niedrig, Arm und Reich, er iſt ſomit der Ausdruck des ſozialen Gleichheits⸗ princips in edelſter Form. Entgegen dem Trennen⸗ den im Erwerbsleben, dem Verhältnis zwiſchen Dienenden und Befehlenden, eröffnet es die Hallen allgemeiner Menſchlichkeit und erfüllt damit den hehren Wahrſpruch von der Bruder⸗ und Nächſten⸗ liebe. Fürwahr! eine ideale Gründung, getragen vom Edelſten was Menſchenbruſt gefühlt un Menſchengeiſt erſonnen, würdig des Volkes, da ſie geboren und ehrend die Zeit, die ſie erſtehe ließ zur Geſundung ihres Geſchlechts. Darum geht der Ruf an Alle: Kommt zum Turnen! Haltet euren Leib friſch, macht ihm fähig, den Daſeinskampf zu führen! Vergeßt nicht, daß Körper und Geiſt eine ſich gegenſeitig ergänzende Oberkirchenbehörde ſowie S. K. H. des Groß⸗ und erziehen lernen. So hat nun unſer nervöſes Einheit bilden! Wollt ihr euch ſelbſt, dem Vater⸗ f . gest herzogs und überreichte die von Allerhöchſtdemſelben Jahrhundert aus dem Schutt menſchlicher Ver⸗ lande, der Menſchheit dienen, ſo kommt zum Turnen 1 f e. poniſt habe eben den Ton für die jetzige Zeit getroffen, aber nicht den Ton, der über Welt und Zeit ſteht, und darum an die Unſterblichkeit heran⸗ reicht. Man müſſe erſt abwarten, wie dieſes junge Talent ſich weiter entwickele. „Iſt Mascagni wirklich noch ſo jung?“ fragte Ellinor ihren Mann. „Ja, es heißt ſo, er hat eben Glück gehabt, der junge Mann, wie es unter Hunderten einmal einem zu theil wird.“ Koſer, der auch nicht in die Begeiſterung der meiſten Anweſenden mit einſtimmen konnte, fühlte faſt etwas wie Neid in ſich aufſteigen. Es mußte berauſchend ſein, ſo jung noch einen ſolchen Welt⸗ ruhm erreicht zu haben. Auch er hatte einſt der⸗ artige Ruhmesträume gehegt, und ganz begraben waren ſie jetzt noch nicht. Freilich wenn er es ſo fort trieb wie bisher, dann mochte er ſie nur ruhig einſargen; es war wirklich die höchſte Zeit, daß es anders wurde, die Phantaſie iſt flüchtig wie das Glück, wehe der Stunde, wo der Künſtler, der Schriftſteller ſich ſagen muß! Meine Phanthaſie, die einſt überſchäumte wie die Bäche in der Lenzes⸗ zeit, iſt mir treulos geworden, ich habe dieſe Himmelsgabe zu ſehr vernachläſſigt, nun hat ſie ſich von mir gewandt. Ein leiſes Grauen erfaßte ihn, wenn ſie ihm ſo treulos werden könnte, ſeine reiche, himmelanſtürmende Phantaſie, einſt ſein einziges, ſein höchſtes Gut. „Es iſt doch etwas Schönes um ſolch einen Erfolg,“ mit dieſen Worten trat Berner zu dem jungen Ehepaar heran. „Freilich ſolche ſpontane Erfolge erzielt nur die Muſik, ſie iſt von hinreißender Kraft, wenn, wie hier, die Melodien aus dem Gehirn eines Genies hervorgegangen, und vor einem ſolchen ſtehen wir doch wohl!“ . 1 „Meinen Sie?“ verſetzte Koſer. welt ſo beleidigen.“ „Nun, daran iſt doch kein Zweifel!“ rief da Fräulein Klein, die ſich an Frau Straten angeſchloſſen und mit ihr jetzt zu der Gruppe herantrat. „Ich finde es wahrhaft herzerquickend, wenn ſo ein wirkliches Genie einmal auftaucht in dieſer genie⸗ armen Zeit.“ „Von ſolcher Herzerquickung habe ich leider noch nichts geſpürt,“ ſpöttelte Koſer. „Ja die Damen ſind darin glücklicher dran wie wir, die wir gar zu gern und überall Kritik üben,“ meinte Berner. „Sie geben ſich viel un⸗ befaugener jedem Eindruck hin.“ „O bitte, Herr Doctor,“ unterbrach ihn Fräulein Klein; „die moderne Frau prüft und kritiſirt auch, ſie bildet ſich ihre eigene Meinung und läßt ſich dieſelbe nicht aufdrängen, von keinem Mann und wäre er noch ſo geiſtreich!“ Sie perſoni⸗ fieirte die moderne Frau in dieſem Augenblick ſelbſt in jeder Hinſicht, wie ſie da förmlich kampfbereit, mit energiſchem Geſichtsausdruck vor dem Gelehrten ſtand. „Verzeihen Sie, an die moderne Frau dachte ich allerdings jetzt nicht,“ verſetzte dieſer, Mir ſchwebte etwas ganz anderes vor, eine Frauenerſcheinung, ja, wie ſoll ich mich ausdrücken, wie meine Mutter war, ſie war, und iſt es heute noch, für mich ſtets das Ideal einer deutſchen Frau, freilich wohl jetzt ein etwas veraltetes. Hin und wieder aber begegnen uns doch derartige Erſcheinungen voll des Zaubers des ewig Weiblichen, — ſein Blick ſtreifte Ellinor; ſie fachen die Leidenſchaft nicht au, aber ſie werden treuer und inniger geliebt, wie ihre modernen Schweſtern, der uns Männer ſo gern den Fehde⸗ handſchuh jetzt hinwerfen.“ „Aber Berner!“ können Sie eine Vertreterin der modernen Frauen⸗ rief Koſer lachend, „wie! „Beleidigen! meinen Sie, das ſoll mich beleidigen,“ ſagte die Malerin ſehr gerinſchätzig. „Es giebt auch heute noch genug ſolche in Ihren Augen ideale Frauenerſcheinungen, die ein gütiges Schickſal von Jugend auf auf Roſen gebetet hat, deren reine Stirn nie der rauhe Hauch der Sorgen geſtreift, und die den Kampf ums Daſein kaum von Hörenſagen kennen. Wirft das wechſelnde Leben ſie aber doch einmal hinaus auf die Arena, wo ihre Schweſtern ringen und kämpfen, dann gehen ſte ſicher an ihrer Charakterſchwäche zu Grunde. Ein Zug zur ſtillen Häuslichkeit liegt wohl in den meiſten Frauen, aber dürfen ſie ihm denn folgen, treibt nicht das ganze Leben jetzt f hinaus in die Oeffentlichkeit.“ n Das war ziemlich deutlich geſprochen, und Niemand konnte im Zweifel ſein, worauf die Rede zielte. Mit blitzenden Augen ſah ſich Fräulein Klein um, aber von keiner Seite wurde ihr wider ſprochen, alſo gab man ihr ſtillſchweigend recht, Ellinor lehnte ſich nur feſter auf den Arm ihres Mannes, als ſie ſich jetzt wieder nach ihrer Loge begaben. 9 „Na, Kind, würdeſt Du auch zu Grunde gehen an Charakterſchwäche, wenn das Leben Kämpfe von Dir fordert?“ fragte Koſer ſie lächelnd. . „Ich weiß es nicht, meinen Charakter darauf hin zu prüfen hatte ich ja noch nie Gelegenheit; aber ich habe ja Dich, Du wirſt mich ſchon schützen, und mir beiſtehn, wenn je dergleichen don mir gefordert würde!“ N Eine derartige Perſpective hatten ſie beide wohl noch nie in's Auge gefaßt, ſie zog an ihnen vorüber gleich der flüchtigen Wolke, die nur einen Au enblicksſchatten auf eine ſonnenhelle Landschaft 8 5 3