Anzeiger 2 des haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ Für die Redaction verantwortlich: Karl Molitor, euburg für Ladenbur . 7 Raum 1 N g und Umgegend. Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Die Handwerks-Vorlage. Die für den Reichstag beſtimmte Vorlage ber die Zwangsorganiſation des Handwerks hat or Allem in den Kreiſen des Handwerkerthums elbſt eine ſehr getheilte Aufnahme gefunden, wie dies jetzt auf Grund der aus ihnen vorliegenden zahlreichen Kundgebungen in dieſer Frage feſt⸗ leite 10 geſtelt werden kann. Ein Theil der Handwerker l ſtimmt den geplanten, geſetzgeberiſchen Maßnahmen elf f eniſchieden zu, der andere Theil verwirft ſie ebenſo en d kiſchleden, eine Spaltung, die allerdings ſehr in , chaxakteriſtiſch für eine ſolche Verſchiedenheit der A e Vertreter des Handwerkes über dieſe für das cage letztere in Ausſicht genommene Hilfe der Geſetz⸗ b Ja gebung iſt. Aber es verdient zugleich hervor⸗ e ee gehoben zu werden, daß die Gegner der Hand⸗ 1 werks⸗Vorlage in den. Reihen des Handwerker⸗ ſtandes ſich zweifellos in der großen Mehrheit b 30 befinden, während außerdem auch ſonſt die öffentliche — NMeinung den geplanten Schritten zu Gunſten des Handwerks überwiegend abgeneigt iſt. Beſonders ren bildet gerade der Kernpunkt des geſammten er Mint. Organiſationsprojectes, die Einführung von ſeil. ue Zwangsinnungen, den Gegenſtand ſchärfſter An⸗ beten, uh, arfffe, und in der That muß der Verſuch, eine der kn Wiedergeſundung und Kräftigung des ſo wichtigen Handwerkerſtandes durch Zurückgreifen auf eine mit dem neuzeitlichen Geiſte in ſchroffem Wider⸗ uche ſpruche ſtehende Einrichtung zu wirken, ernſte fäſſe Bedenken erregen. Es handelt ſich hierüber um „„ein recht gewagtes Experiment, deſſen Gelingen, lt zu m ſoweit auf eine nachhaltige Stärkung des Hand⸗ nel; werks gezielt wird, ſchon jetzt fraglich erſcheint, während zugleich die Gefahr nahe liegt, daß eine unge Zwangsorganiſation des Handwerks in der „% geplanten Geſtalt berechtigte Intereſſen anderer alben Derufsſtände schädigen und dem Staate ſelber 1 an unbeguem werden könnte. Der neue Zwang würde m Spie Ladenburg. 1 Ladenburg. — — — — 777 ˙— rene ——— Mittwoch, den 28. Oktober 1896. dem Handwerk vermutlich uur neue Laſten bringen rtentz feei und ausſichtsreiche Beſtrebungen zur Verbeſſerung vorhandener Uebelſtände in den Hintergrund drängen. Die frühere Zunft bot dem Handwerker für den Zwang und die gewerbliche Schranken doch wenigſtens gewiſſe Vortheile, ſie erſchwerte den Zutritt der Mitbewerber und ſtellte für die privilegirten Zunftgenoſſen einen wirklichen Abſatz in Ausſicht. Die neue Zwangsinnung vermag dies nicht zu bieten, ſie würde daher ſchließlich kaum etwas anders ſein, als eine wirtſchaftliche Feſſel, ein Hemmſchuh für eine gedeihliche Weiter⸗ entwickelung des deutſchen Erwerbslebens. Derartige Beſorgniſſe und Erwägungen ſind es wohl auch, welche der Handwerksvorlage ſchon im Bundesrate Schwierigkeiten bereiten. Wenn hierbei ſpeziell die ſüddeutſchen Regierungen als Gegner einer Zwangsorganiſation des Handwerks auftreten, ſo erklärt ſich dies aus dem Umſtande, daß in Süddeutſchland ſtaatlicherſeits bereits in anderer Weiſe kräftig für die Intereſſen des Handwerks geſorgt wird, was namentlich von Württemberg zu gelten hat, ſo daß Zwangsin⸗ nungen für das Handwerk in Süddeutſchland mindeſtens überflüſſig wären. Selbſt wenn jedoch auch der Widerſtand, welchen die Handwerksvor⸗ lage zunächſt im Bundesrate findet, überwunden werden ſollte, ſo wären hierdurch ihre Ausſichten im Reichstage nicht gebeſſert. Die Parteien der Linken mit Einſchluß eines Teiles der National⸗ liberalen ſind ſämmtlich entſchloſſene Gegner der Zwangsorganiſation für des Handwerk, u. auf dieſen ablehnenden Standpunkt dürfte ſich größtenteils auch das Centrum ſtellen, wie z. B. die abfälligen Aeußerungen, welche die Zentrumsabgeordneten Hug und Marbe in ihren ſüddeutſchen Wahlkreiſen über die Handwerks⸗Vorlage gethan haben, er⸗ kennen laſſen. Ein Scheitern der Vorlage im Parlament iſt alſo nicht unwahrſcheinlich, und lich mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß die Reichsregierung bis auf Weiteres gar nichts mehr zur Unterſtützung des Hand⸗ werks unternimmt. Das müßte aber nachher um ſo mehr ein Anſporn für das Handwerk ſein, durch Selbſthilfe ſeine Intereffen nach Kräften zu fördern und zu dieſem Zweck vor Allem das Genoſſenſchaftsweſen in ſeinen Reihen beſſer zu berückſichtigen. Dabei bleibt es den Regierungen unbenommen, auch ohne ſo einſchneidende Maßnahmen nach dem Muſter der Zwangsinnungen dem Handwerkerſtande zu Hilfe zu kommen, wie dies durch die im deutſchen Süden bereits beſtehende verſtändniß⸗ und liebevolle Pflege ſeiner Intereſſen im Verwaltungswege geſchehen könnte. Politiſches. Berlin, 24. Okt. In Rom hat am Sonn⸗ abend die glanzvolle Vermählung des italieniſchen Thronfolgers Victor Emanuel mit der Prinzeſſin Helene von Montenegro ſtattgefunden. Anläßlich des frohen Ereigniſſes ſtiftete der König Humbert 100 000 Fres. für die Armen Roms und befahl dem Miniſter des königlichen Hauſes während der Feſttage den Armen in verſchiedenen Gegenden des Landes reichliche Wohlthaten zu ſpenden. Am Freitag hatte der Kronprinz den deutſchen Botſchafter v. Bülow empfangen und aus deſſen Händen das Hochzeitsgeſchenk Kaiſer Wilhelms, zwei große Porzellanvaſen, entgegengenommen. Am gleichen Tage war Nachmittags im Thronſaale des Quirinals der feierliche Empfang der Glück⸗ wunſch⸗Deputationen des Parlaments durch das Königspaar und den Kronprinzen vor ſich gegangen. Verſchiedenes. — Karlsruhe, 24. Oktbr. (Zum Fall Brüſewitz). Die „Voſſ. Ztg.“ macht darauf auf⸗ merkſam, daß das badiſche Leibgrenadier⸗Regiment St 5 5 5 un, 8 5 . ationen der Seligkeit. Novelle von F. Stöckert. Fortſetzung. üer Wäre hier in dieſem ſchönen Veſitzthum Ellinor 90 nicht ein glücklicheres und vor allem friedlicheres Loos ele geworden, als dasjenige, was ihrer an der Seite Koſers harrte, der ſie ſicher in die ganze Haſt und f Unruhe des modernen Lebens hineinführen würde. El Doch was half jetzt alles Fragen und Grübeln, die Looſe waren einmal gefallen, und Ellinor glaubte b. b B. jo feſt an ihr Glück, Gott mochte geben, daß dieſer — Glaube nicht gar zu ſchnell zerſtört werde. Ing . 1 . 5 Der Herbſt war mit aller Macht in's Land und es gezogen, wilde Stürme brauſten durch den Thüringer 4 Wald, die im Sommer ſo bunt bevölkerten Bade⸗ —.— brter waren verödet, auch auf dem Gute Lichtenow herrſchte tiefe Einſamkeit. Wie ein Gruß aus 0 ener andern Welt flog eines Tages ein Briefeouvert fiat 4 dieſe Stille, das die Vermählungsanzeige Ellinor Sulu Stratens und Koſers enthielt. Vor den Augen 8 Lichtenow war es, während ſie auf dieſer Anzeige 15 „ Fuhten, als ginge ein Vorhang auf, der ihm, dem — Einſamen einen Blick geſtattete ein volles reiches Leben. Natürlich würde das junge Paar ein Haus Machen, die erſte Geſellſchaft, die Koryphäen der Künſte und Wiſſenſchaft würden bei ihnen ein und ausgehen, Ellinor und ihre Mutter verſtanden es ſiu E ja ſo meiſterhaft, es jedem behaglich bei ſich zu machen, er, Koſer, wird dann die Funken ſeines Geiſtes ſprühen laſſen. — — — „Der Viehhändler iſt gekommen, er möchte die gefleckte Kuh behandeln,“ mit dieſen Worten ſtörte ihn ein Knecht in ſeinen Gedanken. O wie öde, wie öde, wie grenzenlos proſaiſch war doch ſein Daſein, und doch hatte er daſſelbe einſt für ein glückliches gehalten, ſich zu den Bevorzugten gezählt, in Hinblick auf ſein reiches, ſchönes Beſitzthum. Ziemlich zerſtreut ſchloß er das Geſchäft mit dem Viehhänder ab, dann trieb es ihn hinaus in die Berge, hinauf nach der Station der Seligkeit. Die hehre Sprache der Natur beruhigte nach und nach ſein Gemüth, und wer dafür noch Verſtändniß hat, der kann und wird ſich nie ganz unglücklich fühlen. Lichtenow war von Jugend auf vertraut mit dieſer Sprache, Lenzes- und Herbſtesſtürme hatten ihm im Kindesalter ihre Wiegenlieder geſungen, und heute da wiegte der Herbſtſturm, der durch die buntgefärbten Wälder brauſte, ſein Herz zur Ruhe. Die lockenden Bilder der großen Stadt verblaßten vor dem Zauber der Natur, und als er heimkehrte, da war Friede in ſeinem Innern. Den Platz ganz ausfüllen, wohin Gott ihn geſtellt, das wollte und konnte er, und mehr kann ſchließlich der Menſch nicht thun. In ſtrenger Pflichterfüllung ſeines proſaiſchen Tagewerkes vernahm er nur noch bis⸗ weilen aus weiter Ferne den Sirenengeſang von Poeſie, Liebe und Romantik, aber er beherrſchte ſein Inneres nicht mehr wie in den Tagen da Ellinor noch in der Nähe weilte. Mehr und mehr verblaßte ihr Bild, und er begann ſich unter den Töchtern des Landes nach einer Hausfrau umzu⸗ ſchauen, denn das Geſchlecht der Lichtenow, deſſen einziger Stammhalter er war, durfte einer unglück⸗ lichen Liebe wegen wahrlich nicht ausſterben. * * * Das junge Ehepaar Koſer hatte ſoeben und zwar zu ziemlich ſpäter Stunde gefrühſtückt. Wie gewöhnlich war man Abend vorher ſehr ſpät zur Ruhe gekommen. Das geſellſchaftliche Leben der Reſidenz ging in den hohen Wogen, die halben Nächte mußten ſchon geopfert werden, um allen Anforderungen der auf der Höhe ſtehenden Saiſon gerecht zu werden. Koſer ſah etwas blaß und überwacht aus, ſeine junge Frau hingegen friſch und roſig, helles Glück ſtrahlte aus ihren Augen. Sie war ſchon in vollſtändiger Toilette, da ſie zur Malſtunde gehen wollte. Seit Koſer das Bildchen, was ſie ihm aus Thüringen mitgebracht, für ein wahres kleines Kunſtwerk erklärt, und ihm einen Platz auf ſeinem Schreibtiſch angewieſen, damit er es immer vor Augen, war ſie von einem heiligen Eifer für die Malerei beſeelt. „Welche Hingabe für die Kunſt,“ ſagte Koſer lächelnd, als ſie ſich von ihm verabſchiedete. „Daß. iſt der Zug der Zeit jetzt, auf irgend einem Gebie