des Generals Sauſſier, von der Menge fortwährend lebhaft begrüßt, diviſionsweiſe vorüberzogen. Am Schluſſe der Parade ließ Kaiſer Nicolaus den Kriegsminiſter General Billot zu ſich auf die Tribüne entbieten und drückte ihm ſeine Befriedig⸗ ung über die Haltung der Truppen aus. Später, nach der Rückkehr in das Hauptquartier, ließ der Czar den General Billot nochmals zu ſich kommen und überreichte demſelben ſein mit Diamanten verziertes Bildniß. Der Parade folgte ein Frühſtück nach, bei welchem der Czar und der Präſident Faure Trinkſprüche wechſelten. Der Czar gab in ſeinem Trinkſpruch ſeiner Bewunderung für Frankreichs Heer und Flotte lebhaften Ausdruck. und wies dann auf die unwandelbare Freundſchaft Rußlands und Frankreichs und auf die zwiſchen den beiderſeitigen Heeren beſtehende Waffenbrüder⸗ ſchaft hin. Abends 6 Uhr reiſte das Kaiſerpaar unter begeiſterten Kundgebungen der Bevölkerung von Chalons nach Darmſtadt ab. Berlin, 11. Okt. Die „Norddeuſche All⸗ gemeine Zeitung“ ſchreibt: Kaiſer Nikolaus hatte ſich bei ſeinen erſten Beſuchen, die den befreundeten Kaiſern von Oeſtreich⸗Ungarn und Deutſchland galten, überzeugen können, daß der europäiſche Frieden in dieſen beiden Fürſten ſeine eifrigſten Schützer beſitze; eben ſo dürfte er England mit der Zuverſicht verlaſſen haben, daß auch von dieſer Macht keine Gefahr für die Harmonie des europäiſchen Concertes drohe, nun muß endlich auch das letzte Bild, das ſich dem Zaren und ſeiner Gemahlin in Frankreich bot, geeignet geweſen ſein, ihn, als erleuchteten Friedensfürſten, mit hoher Befriedigung zu erfüllen. Daß ein Einvernehmen zwiſchen Rußland und Frankreich beſteht, iſt mitten unter rauſchenden Feſten und unter dem Jubel des franzöſiſchen Volkes wieder⸗ holt in Tiſchreden des Kaiſers von Rußland und des Präſidenten der franzöſiſchen Republick zum Ausdruck gekommen. Wir ſehen keinen Grund, nach dem Verlauf der Pariſer Feſttage, die in Deutſchland herrſchende Ruhe und objektive Be⸗ urtheilung der franzöſiſch⸗ruſſiſchen Beziehungen irgend wie zu modifiziren. Da bisher kein ernſter Intereſſen⸗Widerſtreit zwiſchen beiden Staaten vor⸗ handen war, und ſo lange ein ſolcher nicht beſteht, iſt der natürliche Fall nicht gegeben, daß beide Staaten ein gemeinſames Vorgehen beachten und ſich ihre Unterſtützung in Fragen gemeinſamen Intereſſes leihen. Man iſt in Deutſchland mit Recht davon überzeugt, daß insbeſondere Rußland 7 das Einvernehmen nicht zu kriegeriſchen Zwecken auszubeuten, ſondern den friedlichen Aufgaben dienſtbar zu halten wünſcht. Andererſeits hat Deutſchland keinerlei politiſche Intereſſengegenſätze mit Rußland auszugleichen, weshalb wir um ſo unbefangener den glänzenden Verlauf der Feſttage in Cherburg, Paris und Chalons konſtatiren können. f Darmſtadt, 11. Okt. Beim Einzug des ruſſiſchen Kaiſerpaares herrſchte geſtern eine vor⸗ zügliche Ordnung; nicht der geringſte Unfall iſt zu beklagen. Um 1 Uhr war Luncheon für die Familienmitglieder im neuen Palais. Nachmittags 3 Uhr 20 Min. fuhren die ruſſiſchen Gäſte mit dem Großherzogspaar nach dem Mauſoleum auf der Roſenhöhe. Im erſten Wagen ſaßen die Kaiſerin und die Großherzogin, die lenkte, im folgenden Wagen der Kaiſer, der Großherzog und Großfürſt Sergius und Gemahlin. Die hohen Herrſchaften haben die Ausfahrt bis zu dem etwa 1 Stunde von Darmſtadt gelegenen Jagdſchloß Kranichſtein und dem dortigen Park ausgedehnt. Die Rückkehr erfolgte nach halb 6 Uhr. Nach der Familientafel fand zu Ehren des Zarenpaares eine von der Bürgſchaft dargebrachte Serenade ſtatt. Die ruſſiſchen Gäſte nahmen dieſe mit der großherzoglichen Familie vom Palais am Luiſenplatz entgegen. Der Platz war elektriſch beleuchtet. Zahlreiche Gasfakeln waren angebracht und die den Platz umſäumenden Gebäude waren ſchön illuminirt. Am Zug betheiligten ſich etwa 3500 Perſonen und zahlreiche Muſikchöre. Die von den vereinigten Geſangvereinen dargebrachten Chöre fanden allſeits beifällige Aufnahme. Bei⸗ geordneter Köhler ſprach Worte der Begrüßung an die Zarin und brachte ein Hoch auf das Zarenpaar aus. Der Zar dankte dem Vertreter der Stadt mit anerkennenden Worten. Der Aufenthalt am heſſiſchen Hofe, der zumeiſt der Ruhe und Erholung gewidmet ſein ſoll, iſt auf etwa zwanzig Tage berechnet und wird nur durch kurze Ausflüge nach Wiesbaden, Cronberg ꝛc. unterbrochen werden. Während der Anweſenheit des Zarenpaares wird das Glockenſpiel im alten Schloß zur ganzen Stunde die ruſſiſche Nationalhymne „Gott ſei des Zaren Schutz“ und zur halben Stunde die Melodie: „Ich bete an die Macht der Liebe“ aus einer von Demetrius Bartniansky 1822 komponirten Meſſe ſpielen. Denkmünzen, Feſtſchleifen und Poſtkarten, die das Bildniß des ruſſiſchen Kaiſer⸗ paares, ſowie die in Kolorit ausgeführke Triumph, pforte am Rheinthor zeigen, werden auf den 1 Straßen verkauft, von den Karten bereits 10,000 Stück. Erwähnt ſei noch, daß ein ganzer Wagen f voll der herrlichſten Blumen, welche die Kaiſerin 5 in Frankreich zum Abſchiede erhalten hatte, in das Palais gefahren wurde. Als die Wagen des Kaiſers und der Kaſſerin die Poſt paſſirt hatten, ging ſofort ein Telegramm an Se. Majeſtät den deutſchen Kaiſer nach Hubertusſtock ab. Zwiſchen dem Neuen Palaſs zu Potsdam und dem Großherzoglichen Palais dahier iſt eine beſondere telephoniſche Verbindung hergeſtellt. In Hofkreiſen erwartet man für die nächſte Woche die Ankunft des Kaiſers Wilhelm. Darmſtadt, 12. Okt. Der Kaiſer, der Großherzog und Großfürſt Sergius folgten heute Mittag einer Einladung des Offizierkorps des 24. Dragonerregiments in das Kaſino zum Frühſtuück, Kiel, 12. Oktober. S. M. Kononenboot „Habicht“, Kommandant Korvettenkapitän Gercke, iſt heute nach Kamerun in See gegangen. Verſchiedenes. — Schriesheim, 13. Okt. Die Trauben⸗ leſe auf hieſiger Gemarkung findet am Dienſtag, den 20. d. M. von morgens an auf der Seite gegen Doſſenheim und am Mittwoch, den 21. d. M. von mittags ab auf der Seite gegen Leuters⸗ hauſen ſtatt. — Karlsruhe, 12. Okt. Heute Nacht gegen 1 Uhr erſtach in einem Reſtaurant ein hier garniſonirender Premierleutenant einen Eiviliſten. 3 Anlaß ſoll ein kurzer Wortwechſel wegen eines ver dun Mädchens gegeben haben. Der Offizier iſt der 1 Premierlieutenant von Brüſewitz vom hieſigen ne Leib⸗Grenadier⸗Regiment. — Heiteres. Auch eine Muſe. Unter⸗ offizier (zu einem ungeſchickten Rekruten): „Lehmann ich ſehe ſchon, Sie werden die Muſe meiner Kaſernenhofblüthen!“ — (Hinweis.) Der heutigen Nummer unſeres Blattes liegt der Preiscourant für die Winterſaiſon 1896 des J. Verſandt⸗ und Spezial⸗ geſchäftes von Gebrüder J. u. P. Schulhoff i München, Thal 71, Schützenſtraße 8 und Hoch⸗ brückenſtraße 3 bei. Dasſelbe hat ſich durch ſeine reellen Waaren zu enorm billigen Preiſen in der ganzen Umgegend eingeführt und iſt der Bezug in Partien von dieſem Verſandtgeſchäft ſehr zu empfehlen. dieſer Halteſtelle der Seligkeit wieder hinein in des Lebens Wirren. Oder waren es nur die Schatten des Abends, die ſeine Stimmung trübten. Langſam ſtiegen ſie herauf und hüllten das vorhin ſo leuchtende Landſchaftsbild in trübe Dämmerung; weiße Nebel wellten im Thale unten, im Weſten über der untergehenden Sonne lag eine dunkle Wolkenſchicht. Das Felsplateau, wo er vorhin mit Ellinor geſtanden, war ſchon ganz in Däm⸗ merung gehüllt, eine hohe Fichte, die dort einſam ſtand, ſtreckte wie ſehnend die Aeſte hinaus in die abendſtille Luft. Ueber der ganzen Natur lag in dieſem Moment eine tief melancholiſche Stimmung, wie ſie der Dichter Lenau ſo meiſterhaft in ſeinen Schilfliedern feſtgebannt hat. Es war der Ton der Vergänglichkeit alles Irdiſchen, der durch das Weltall zitterte, und mahnend an die Menſchenherzen klopfte. N Man rüſtete ſich zum Heimweg, aber die heitere Stimmung war verflogen, und kehrte nicht wieder. Nur in Ellinors Augen leuchtete die Seligkeit eines übermächtigen Glückes, das kein Schatten des Abends zu trüben vermochte. 5 * *. . * 5 Frau Geheimrath Straten, ſo ſehr ſie ihrem Kinde alles Glück wünſchte, hoffte doch jetzt faſt im Stillen, daß ſie ſich vorhin in ihren Vermuthungen getäuſcht, und das entſcheidende Wort noch nicht geſprochen ſein möchte. Der Gedanke, Ellinor zu verlieren, nicht mehr ihr ganzes Herz zu beſitzen, war ihr, wo er ihr jetzt ſo nahe trat, ganz furcht⸗ bar. Wenn ſie ſich auch unter keinen Umſtänden je von ihrem einzigen Kinde trennen würde, das Verhältniß zwiſchen Ihnen müßte doch, war Ellinor erſt verheirathet, ein ganz anderes werden; der geliebte Mann nahm dann natürlich die erſte Stelle ein; das war uun einmal ſo der Lauf der Welt, und wo es nicht der Fall iſt, wo die Mutter dieſen er ſten Platz behauptet, wird die Ehe kaum eine glückliche zu nennen ſein. Da gingen ſie neben einander her, Koſer ſo ſtolz, ſo ſiegesbewußt, als hätte er eine Welt erobert, Ellinor wie traumbefangen, ſeinen Worten lauſchend. Nun trennte man ſich, ſchweigend ſtiegen Mutter und Tochter im Hotel die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf, erſt als die Thüren des Salons ſich hinter ihnen geſchloſſen, und die Jungfer, die die Gas⸗ kronen angezündet, ſie allein gelaſſen, fiel Ellinor ihrer Mutter lachend und weinend um den Hals. „Ahnſt Du es denn nicht das Glück, das namenloſe Glück Deines Kindes!“ rief ſie. „Er, der ſo hoch über mir ſteht, will mich unbedeutendes Geſchöpf zu ſich empor heben!“ „Ich ahnte es faſt, als ihr allein dort oben auf dem Felſen ſtandet, daß ſolche ſchickſalsent⸗ ſcheidenden Worte geſprochen wurden.“ „Du zweifelſt doch nicht daran, daß ich glücklich werde?“ fragte Ellinor etwas betroffen über den ernſten, faſt wehemüthigen Ausdruck in den Zügen ihrer Mutter. „Wer kann das wiſſen, Kind, wir kennen Koſer noch ſo wenig, auf Reiſen pflegen ſich die Menſchen überhaupt ſtets von ihrer liebenswürdigſten Seite zu zeigen.“ „Ich liebe ihn aber ſo ſehr, und giebt es denn ein größeres Glück, als vereint zu ſein fürs Leben mit dem geliebten Mann?“ Gerührt blickte ihre Mutter ſie an, daß ſie ihn liebte, ſchien ihr genug Garantie, um glücklich zu werden, ſie wußte noch nichts von all dem Elend, was gerade oft ſolche glaubensſelige Liebe über junge Menſchenkinder bringt. Sollte ſie ihr dieſe ſchöne Zuverſicht rauben? Nein, das war keine Aufgabe für eine Mutter, ſchließlich war ſie ja, die erfahrene Frau da, um über das Glück ihres Kindes zu wachen, und das ſollte fortan ihre Lebensaufgabe werden, daſſelbe hatte ihr ja aller⸗ dings immer am Herzen gelegen, bis jetzt aber war das eine ſehr leichte Sache geweſen, nun jedoch, wo Ellinors Lebensglück von einem Einzigen abhing, würde das anders werden, und vielleicht war alle Mutterliebe hier machtlos, und nicht im Stande, ſie vor bitteren Herzenstäuſchungen zu bewahren. Mit ſolchen Gedanken nahm ſie Ellinor in die Arne und drückte ihr den Gutenachtkuß auf die friſchen Lippen. „Gott gebe ſeinen Segen zu dem bedeutungs⸗ vollen Schritt,“ ſagte ſie dann bewegt in ihrer großen Mutterlie e und zärtlich fuhr ſie fort, „und nun ſchlafe und träume ſüß, mein Kind!“ Ellinor aber dachte noch nicht an Schlaf und Traum, lange ſtand ſie auf dem kleinen Balkon ihres Zimmers und blickte hinüber nach dem dom Mondlicht beleuchteten Felſen mit der einſamen Fichte darauf. „O Du meine Station der Selig⸗ keit,“ flüſterte ſie und fragte hin zus in die ſtille Nacht, ob der Geliebte wohl auch noch wache, und ob er vielleicht ſeine Blicke auf denſelben Punkt, ihrer gedenkend, jetzt richtete. 125 Das war nun freilich nicht der Fall, Koſer hatte ſchon ſein Lager aufgeſucht, auf welchem er ſich ſchlafend und ruhelos herum warf, es hin und her erwägend, ob er wohl daran gethan, ſein Schicksal mit Ellinor Stratens zu verknüpfen. Die Bilder von Glanz und Reichthum, die ſeine Phantaſie ihm vorgaukelte, verſcheuchten jedoch bald alle ſolche Be⸗ denken, ſie wurden immer phantaſtiſcher bis ſie ſich zu wunderſamen Traumbildern geſtalteten, in denen er, ein Märchenprinz, durch das goldene Thor schritt, hinter welchem alle Herrlichk der Welt ſeiner harten