Ladenburg. — Anzeiger Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. Für die Redaction verantwortlich: Karl Molitor, 2 0 5 N aum für Ladenburg und Umgegend. Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. No. 82. — ——— — Jen kelſortrn 18 rich ich b lacher gang . 5 8 Politiſches. Darm ſtadt, 8. Oktober. Das ruſſiſche Kaiſerpaar trifft am Samstag Vormittag 9 Uhr auf dem Ludwigsbahnhofe hier ein. Nach Ueber⸗ führung des Zuges auf den Main⸗Neckar⸗Bahnhof bn n K erfolgt daſelbſt der offizielle Empfang. Am Abend 1 werden die Vereine eine Serenade veranſtalten. alen Aug. Wien, 7. Okt. Die Blätter erklären über⸗ 10 Leinſtimmend, daß nach dem Wortlaut der geſtrigen Toaſte des Präſidenten Faure und des Zaren nicht mehr gezweifelt werden könne, daß zwiſchen Frank⸗ reich und Rußland eine Allianz beſtehe, die aber, wie aus dem Tenor der Toaſte erſichtlich ſei, Friedenszwecken diene, weshalb die Völker Europas ruhig und ungeſtört ſich den Arbeiten des Friedens widmen könnten. Berlin, 8. Oktober. Die Ergebniſſe des ationalliberalen Parteitages in Berlin laſſen ſich m Allgemeinen dahin zuſammenfaſſen, daß die drohende Spaltung der nationalliberalen Partei wegen der wirthſchafts⸗ und agrarpolitiſchen Fragen verhütet worden iſt und daß demnach ſich in ihr auch fernerhin Anhänger der ſich bekämpfenden Strömungen auf wirthſchaftspolitiſchem Gebiete arbeit hz Andre falle. meer Emre pere R ag — 1896. E Die Trinkſprüche von Cherbourg machen bei aller Wärme den Eindruck berechneter politiſcher Zurückhaltung; der Czar wie der Präſident ſprachen nur von gegenſeitiger Freundſchaft ihrer Nation, nicht von der Allianz. Auch bei den Trinkſprüchen im Eliſèe wäre es ſchwer, hochpolitiſche Wendungen herauszutifteln. Präſident Faure wies in ſeinem den ruſſiſchen Majeſtäten gewidmeten Toaſt auf den ihnen in Paris bereiteten begeiſterten Empfang hin und betonte, wie das Erſcheinen des Kaiſers Nicolaus in Frankreich die Bande, welche Frank⸗ reich und Rußland mit einander verbänden, beſiegele. Weiter ſprach Herr Faure von der ein mächtiges Kaiſerreich und eine arbeitſame Republik einigenden Union, die ſchon einen wohlthätigen Einfluß auf den Weltfrieden ausgeübt habe und ihn noch weiterhin geltend machen werde. Der Präſident ſchloß mit heißen Wünſchen im Namen von ganz Frankreich für das Wohl des Czarenpaares und Rußlands. Der Kaiſer dankte in ſeinem Erwider⸗ ungstoaſt, welcher dem Präſidenten Faure galt, für den ihm und der Kaiſerin in Paris bereiteten großartigen und glänzenden Empfang und hob dann hervor, wie er, treu den unvergeßlichen Ueberlieferungen, nach Frankreich gekommen ſei, um das Oberhaupt einer mit Rußland durch ſo werthvolle Bande verbundenen Nation zu begrüßen. Auch der Czar betonte, wie die ruſſiſch⸗franzöſiſche Freundſchaft durch ihre Beſtändigkeit nur den glücklichſten Einfluß ausüben könne. Nach dem Bankett im Elyſee begaben ſich das Kaiſerpaar und Präſident Faure gegen halb 11 Uhr zu der Feſtvorſtellung in der Oper; die glänzende Ver⸗ ſammlung begrüßte die Majeſtäten mit ſtürmiſchem Jubel. Es wurden der 2. Act von „Sigurd“ und nach einem Zwiſchenacter Wiedor's „Corrigano“ gegeben. Erſt nach halb 1 Uhr Morgens trafen die Majeſtäten in ihrem Abſteigequartiere in der ruſſiſchen Botſchaft wieder ein. Zahlreiche Unfälle werden aus Paris infolge des Zuſammenſtrömens ſo gewaltiger Menſchenmaſſen gemeldet. In allen Theilen von Paris wurde am Dienſtag die Ankunft des Czarenpaares durch allerlei Feſtlichkeiten bis tief in die Nacht hinein gefeiert. Verſchiedenes. — Ladenburg, 8. Okt. Am verfloſſenen Dienſtag ſtattete Sr. Hochwürden Herr Biſchof Dr. Weber der hieſigen altkatholiſchen Gemeinde einen Beſuch ab. Aus dieſem Anlaſſe fand am gleichen Abend im Saale zur Roſe eine Gemeinde⸗ verſammlung ſtatt, zu welcher ſämtliche Konfeſſionen eingeladen und vertreten waren. Herr M. Heidel begrüßte in einer Anſprache ſowohl Herrn Biſchof Dr. Weber als auch die zahlreich Anweſenden und gedachte mit herzlichen Worten des im Januar verſtorbenen Herrn Biſchofs Reinkens und wurde deſſen Andenken durch Erheben von den Sitzen geehrt. Hierauf hielt Herr Biſchof Dr. Weber einen lehrreichen Vortrag, über den Altkatholizis⸗ mus, über die Gründe, warum ſie beim alten Glauben verharren und das Dogma der Unfehl⸗ barkeit des Papſtes nicht anerkennen und führte aus, daß durch dieſes Dogma die Chriſtusver⸗ herrlichung in eine Papſtverherrlichung umge⸗ wandelt worden ſei. Weiter ſprach der Herr Redner noch über die Anerkennung ſeiner Perſon als deutſchen kotholiſchen Biſchof mit denſelben Rechten und Befugniſſen wie die römiſch⸗katholiſchen Biſchöfe ſowie über die Anfeindungen, die ſie zu erdulden hätten. Herr Stadtpfarrer Steinſiepe ſprach mit eindringlichen, aus tiefer Ueberzeugung kommenden Worten, daß er es mit ſeinem Gewiſſen nicht hätte vereinbaren können, etwas zu lehren, was er ſelbſt nicht glaube und äußerte ſich noch über die weſentlichen Unterſchiede in den Gebräuchen, die die altkatholtſchen von den römiſchkatholiſchen Schlei, zusammenfinden werden. Im Speziellen ſind aber 26 Tah l auf dem Parteitage die Freunde der Wiederein⸗ hn Jig, führung des Zunftzwanges und die Anhänger der ing, N Doppelwährung mit ihren Anſchauungen und Juhm . Forderungen unterlegen, wie die gegen das Zunft⸗ g Jh weſen und die Doppelwährung gerichteten Reſo⸗ lutionen des Parteitages bewieſen. Was die dei Stellungnahme des Parteitages zum Antrage barg gi, Kanitz anbelangt, ſo hat ſich jener wenigſtens indirect gegen letzteren erklärt, durch die Genehmig⸗ Arten! ung der Reſolution des Centralvorſtandes, welche V 2 4 die Forderung der einſeitigen Berückſichtigung der 15 Intereſſen eines Berufsſtandes zu Ungunſten anderer erde Berufsſtände zurückweiſt. 8 Nun! 5 5 g . Stationen der Seligkeit. 2 Novelle von F. Stöckert. f al, Fortſetzung. gb. le Da ritt nun Herr von Lichtenow, dieſer andere, Nücez dahin, dicht am Waldesſaum mit verhängten Zügeln, r! e anhnungslos, daß doch über ihm aus ſchwindelnder Manet Höhe Ellinor Straten lächelnd auf ihn herunter⸗ I e ſchaute. Das war auch einer von denen, die nach ihrem Gelde trachteten, dachte ſie. Einen anderen Ok. . Beweggrund hatte das junge Mädchen allen ihren nt. Bewerbern bisher nie beigelegt, da ihr Herz noch 111 nie mitgeſprochen hatte bei allen derartigen Huldig⸗ 1 ungen. Jetzt freilich war das anders, jetzt vernahm pu ſie laut und vernehmlich die Stimme ihres Herzens 0 bald jubelnd, bald klagend, bald ſehnend, zweifelnd 1 und bangend. Die ganze Stufenleiter ſolcher Töne Ile, war ihr nur zu gut bekannt, ſeitdem Koſer ihren mann Lebensweg gekreuzt hatte, daß dieſe Töne alle in de u, einen beſeligenden Accord nicht harmoniſch zuſammen . klingen möchten. Aber das war wohl kaum zu Deu hoffen, es war eine Thorheit, ein Mädchentraum 110 wie aus Großmutters Zeiten, der eben nicht e war, So dachte und ſeufzte Ellinor. 0 0 1 Der Nachmittag, an welchem man zu dem geplanten Ausfluge auszog, war köſtlich; auf den 10 0 Wäldern und Höhen lag goldiger Sonnenſchein, l! 5 die Luft erfüllte jener echte, duftige Frühlingshauch, der die Menſchenherzen ſo balſamiſch umſchmeichelt, ein Ahnen künftiger Paradieſesſchönheit in ihnen erſtehn läßt, und damit jene Paradieſesſehnſucht wachruft, die wie eine ſchwermüthige Melodie in ſolchen Tagen durch das Weltall tönt. Vernehmen ſie ihn auch dieſen Ton, die beiden Menſchenkinder, die da die ziemlich ſteilen Felſen empor geklommen, und nun dort auf dem ſchmalen Plateau wie los⸗ gelöſt von der Erde ſtanden oder nahm irdiſch Denken und Wünſchen ſie ganz gefangen? Ellinor Straten, die in Begleitung Koſers dieſe kleine Extratour unternommen hätte Welten darum gegeben, wenn ſie jetzt irgend einen geiſtreichen Gedanken gehabt, den auszusprechen es ſich lohnte, aber es wollte ihr nichts Geſcheidtes einfallen, ſie empfand nur voll und ganz die Daſeinswonne hier allein neben dem geliebten Mann zu ſtehen und auf die weite wunderſchöne Welt hinab zu ſchauen. Ach, daß ſolche ſeligen Augenblicke ſo ſchnell vorüber⸗ rauſchen! Wie im halben Traum lauſchte ſie auf die Stimme neben ſich, Koſer ſprach von der modernen Frau, der Frau des ün de siéecle, die ſoweit hinausging über die Grenzen die ſonſt den Frauen geſteckt, Glück und Befriedigung auf ganz andern Gebieten jetzt ſuchte wie ſonſt, wo die Frau einzig und allein ihr Glück in der Liebe geſucht und gefunden. „Vielleicht geſchieht dies nur, weil ſo vielen Tauſenden dieſes Glück verſagt bleibt, und ſie doch wollte,“ meinte das junge Mädchen, und fragte ſich im Stillen, ob auch ihr es verſagt bleiben würde und es möglich ſei, trotzdem glücklich zu werden. Sie ſah ungemein lieblich aus, wie ſie jetzt ſo ſcheu zu ihm aufſah. Eine ſtumme Frage lag in ihrem Blick, die Koſer wohl verſtand. Sollte er ſie beantworten dieſe Frage? Die günſtige Gelegen⸗ heit, die ſo bald nicht wiederkehrte, wahrnehmen? und einer plötzlichen, warmen, halb zärtlichen Regung für ſie nachgebend, faßte er die Hände des jungen Mädchens und fragte ſie ohne viel Umſchweife, ob ſie die ſeine werden wolle. Ellinor war todtenblaß geworden, halb er⸗ ſchrocken ſtarrte ſie ihn an. War es denn Wahr⸗ heit, kein Traum, der ſie narrte, der ſo heiß erſehnte Wunſch ſollte ſich ſo ſchnell erfüllen! Ihr war zu Muthe wie einem Kinde, das vor der Chriſtbeſcheerung ſteht, es nicht faſſen kann, daß all die erträumten Herrlichkeiten, die nun in allem Glanz vor ihm liegen, und nicht wagt davon Beſitz zu ergreifen. Die ganze Welt ſchien ihr verwandelt! Das war nicht mehr derſelbe Himmel, dieſelben Berge und Wälder, alles ſchien wie mit paradieſiſchem Glanz und Schimmer übergoſſen. „Sie antworten mir nicht, Ellinor!“ rief Koſer etwas ungeduldig. „O das Glück, das übermächtige Glück,“ ſtammelte ſie verwirrt, und beim Anblick ihres blaſſen, faſſungsloſen Geſicht erfaßte Koſer ein ihm nicht ganz glücklos durch die ſchöne Welt gehen bisher fremdes Gefühl inniger Rührnng. Es gab