mn Ammer Mücke * laß und Sh Redaction verantwortlich: Karl M 1 1 N Ladenburg. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. 5 reis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. Anzeigen: Die einſpaltige C um 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeige 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. 1 Verlag von Karl Molit — Der Czarenbeſuch in Frankreich. Zur Stunde weilt Czar Nicolaus auf fran⸗ aſchintutehn miedthehln inthratitaln der Jah le Motz ui dug nichr Mere 1 kiten r fett url Mull But ſiſchem Boden, in den Mauern des glänzenden Paris, womit die Auslandsreiſe der ruſſiſchen Majeſtäten in ihr intereſſanteſtes Stadium getreten iſt. Seit Wochen harrte ganz Frankreich in fieberhafter Spannung dieſes „großen Augenblicks“, ſeitdem es zur Gewißheit geworden war, daß Nicolaus II. nicht nur nach Frankreich überhaupt, ſondern ſogar auch nach der Hauptſtadt Paris kommen würde; nun iſt das erwartete Ereigniß eingetreten und hiermit hat der Freudenparoxismus der Franzoſen ſeinen Höhepunkt erreicht. Zu Hunderttauſenden ſind die Provinzler aus allen Theilen nach der Hauptſtadt geeilt, um den kaiſerlichen Gäſten der Republik, vor allem aber dem Czaren ſelber, zuzujubeln, und die Preſſe faſt aller Parteien feiert in ſchier überſchwenglichen Artikeln das „gewaltige“ Begebniß des Tages. Selbſt in den Reihen der franzöſiſchen Ultra⸗ radicalen und Sozialiſten iſt man von dem allge⸗ meinen Begeiſterungstaumel für den Czaren mit ergriffen worden, um die Wette bringen die rötheſten Republikaner im traulichen Verein mit den Parteigängen des Napoleonis und der Orleans dem Selbſtherrſcher aus dem Oſten ihre ſlaviſchen Huldigungen dar, und nur ganz vereinzelt wagen ſich aus dem Lager der franzöſiſchen Umſturzparteien Proteſte gegen den Czarenbeſuch vor. Und woher dieſe beinahe einmüthige lärmende Freude des Franzoſenvolkes über den Czarenbeſuch? Iſt's lediglich die befriedigte nationale Eitelkeit darüber, daß nun auch die franzöſiſche Republik die ruſſiſchen Majeſtäten als ihre Gäſte betrachten darf, daß jetzt zum erſten Male ſeit faſt drei Jahrzehnten ein ruſſiſcher Herrſcher wieder auf dem Boden Frankreichs weilt? O nein, dieſe Empfindungen ſpielen bei den Hunderttauſenden Mittwoch, den 7. Gktober und Aberhunderttauſenden von Bürgern der franzöſiſchen Republik, welche gegenwärtig dem Ruſſenkaiſer zujauchzen, nur eine untergeordnete Rolle. Die Haupttriebfeder ihrer Czarenbegeiſterung iſt und bleibt die Hoffnung, daß der Beſuch des Czaren den Franzoſen endlich die Erfüllung ihres heißeſten Wunſches, der vertragsmäßigen Voll⸗ ziehung des Bündniſſes zwiſchen ihrem Vaterlande und dem Czarenreiche, bringen, daß das feſtliche Ereigniß den bislang noch ungeſchriebenen Pact beider Länder ſchwarz auf weiß aller Welt dar⸗ thun werde. Dies war das eigentliche Leitmotiv aller Betrachtungen von franzöſiſcher Seite über den Czarenbeſuch in Paris von dem Tage an, da das ſignaliſierte Erſcheinen des ruſſiſchen Herrſchers in Paris als unwiderruflich feſtſtehend gelten durfte, und heute klingt es mit verſtärkter Kraft aus den Feſtartikeln der franzöſiſchen Preſſe wie aus allen ſonſtigen Aeußerungen der öffentlichen Meinung in Frankreich über den Czarenbeſuch wieder. Aber wird die Abweſenheit Nicolaus II. in Paris den Franzoſen wirklich die Befriedigung ihres größten Herzenswunſches bringen, wird das Ereigniß in der That die Unterzeichnung eines förmlichen Bündnißvertrages zwiſchen Frankreich und Rußland im Gefolge haben? Nun, da kann man ſchon jetzt behaupten, daß dies ſchwerlich der Fall ſein wird, ein ſolcher ſchwerwiegender Schritt würde zu der ganzen Art und Weiſe, wie bisher das offizielle Rußland ſein Freundſchaftsverhältniß zu Frankreich behandelte, nicht im Entfernteſten paſſen. Gewiß wird der junge Czar den Franzoſen viel Liebenswürdiges ſagen, ja, vielleicht ihnen gegenüber ſogar jene Herzlichkeit entfalten, welche bei ſeiner kürzlichen Zuſammenkunft mit dem Kaiſer Franz Joſef und mit dem Kaiſer Wilhelm ſo auffällig vermißt wurde, aber den von dem Franzoſenvolk ſo inbrünſtig begehrten höchſten Beweis ſeiner Zuneigung zu Frankreich wird Nicolaus II. kaum geben. Weiß er doch ſicherlich trotz ſeiner Jugend ebenfalls, welcher raſchen Wandlung in den politiſchen Geſinnungen gerade die franzöſiſche Nation fähig iſt, wie ungewiß ſelbſt heute noch die Zukunft der dritten franzöſiſchen Republik erſcheint, und ſchon darum dürfte ſich der jugendliche Ruſſenkaiſer, ganz abgeſehen von noch anderen Erwägungen doch hüten, die Bande zwiſchen Frankreich und Rußland zu unlöslichen zu machen! Rußland hat unſtreitig alle Urſache, die Förderung und Unterſtützung, welche es von franzöſiſcher Seite her in den letzten Jahren nach verſchiedenen Richtungen hin erfahren hat, hoch zu ſchätzen, und gewiß beſitzt deshalb der Czaren⸗ beſuch in Paris die Beſtimmung, dieſe ſchätzbare franzöſiſche Freundſchaft für Rußland warm zu halten. Aber zu der von Frankreich einzig ge⸗ forderten wirklichen Gegenleiſtung wird und kann ſich Rußland ſchwerlich verſtehen, das Czarenreich würde alsdann einen zu hohen Gegenpreis zahlen und ſich eine Feſſel anlegen, die es vielleicht ſchon gar bald als äußerſt läſtig und drückend empfinden dürfte. Politiſches. — Berlin, 4. Okt. Der nationalliberale Delegiertentag, welcher geſtern früh bei Anweſen⸗ heit von über 400 Teilnehmern von Geh. Rat Simon eröffnet wurde — nachdem bereits am Samstag abend eine Begrüßungsverſammlung ſtattgefunden hatte — nahm nach ſiebenſtündiger Debatte, an der ſich unter anderen die Abgeordneten Oſann und Friedberg einerſeits und Frhr v. Heyl und Graf Oriola anderſeits beteiligt hatten, ein⸗ ſtimmig einen zum Thema „Allgemeine Stellung der Partei“ geſtellten Reſolutionsantrag an, der lautet: „Der nationalliberale Delegiertentag hält es unter den gegenwärtigen politiſchen Verhältniſſen Stationen der Seligkeit. 5 Novelle von F. Stöckert. 9 Fortſetzung. 1 Sie eilte, ohne ihm Zeit zu einer Antwort zu laſſen, davon den nahen Berg hinauf, dort ließ ſie ſich auf eine Ruhebank nieder und blickte hinaus in die weite, ſchöne Frühlingswelt. Noch nie in ihrem jungen Leben hatte Ellinor ſich einen Wunſch zu verſagen brauchen; Alles, was die Welt nur Schönes bot, und wonach andere Menſchenkinder ſich vielleicht ein ganzes Leben lang vergeblich ſehnen, ihr war es mühelos zu theil geworden. Aber das heiße Wünſchen tief, tief im Innern des Herzens, es ſollte unerfüllt bleiben, und der Geſang aus Fauſt: „Entſagen ſollſt, Du ſollſt entſagen!“ zum erſten Mal auch an ihre Ohren tönen. Man hatte ihr ſo oft verſichert, daß ſie reizend ſei, inte⸗ reſſant. Sollten all ſolche Schmeicheleien, nur ihrem Reichthum gegolten haben, und ſie nicht im Stande ſein, eine tiefere Herzensneigung einzuflößen? Liebte man überhaupt nicht mehr in dieſer oberflächlichen auf das Materielle gerichteten Zeit. Freilich ein Dichter und Schrifſteller wie Koſer mochte hohe Anforderungen ſtellen an das Mädchen, der er ſein Intereſſe, ſeine ganze Liebe zuwandte, und von ihr war es wohl grenzenloſe Vermeſſenheit, ſolchen thörichten Wünſchen nachzuhängen. Andere Dichter, die ihrer Muſe ebenſo treu gedient, ſogar ein Göthe, ein Heine hatten doch aber auch unbedeutende Frauen geliebt, und ſogar geheirathet. Sie hatten allerdings einer andern Zeit angehört, die heutigen Dichter ſangen und ſagten wohl überhaupt nicht mehr viel von Liebe, man warf jetzt ſo ſchrecklich erhaben über alle ſolche Gefühlsſchwärmereien. Ellinor warf das Köpfchen ſtolz zurück als ſie ſolchen Gedanken nachhing, und es blitzte auf in ihren großen graublauen Augen. Nein, lächerlich wollte ſie nicht daſtehen, ſie war doch ſchließlich auch ein Kind ihrer Zeit, das Klarheit in allen Dingen erforderte, keine Illuſtonen duldete, und war ſie auch unerbittlich hart dieſe Klarheit, ſie bewahrte wenigſtens vor Täuſchungen. Niemand, Niemand auf der weiten Welt ſollte je von dieſen unzeit⸗ gemäßen Regungen ihres Herzens etwas erfahren, nicht einmal ihre Mutter! Ach, Ellinor ahnte nicht, daß die Mutter ihres Kindes Herz längſt durchſchaut, und ihm ſo gern zu ſeinem Glück verholfen hätte, wenn es in ihrer Macht geſtanden hätte. Ellinor ahnte ferner nicht, daß Koſer an ihrem Intereſſe für ihn kaum noch zweifelte, und ziemlich ſicher war, daß, wenn er wirklich den Entſchluß faſſen ſollte, um ſie zum werben, er wohl ſchwerlich zurückgewieſen würde. * * * Der junge Schrifſteller hatte die Feder nicht wieder iu die Hand genommen, ſeit Ellinor fort⸗ gegangen war. Sinnend hatte er ihr nachgeſchaut, bis ſie ſeinen Blicken entſchwunden war. Ihr Gang war leicht und ſchwebend, ihre Geſtalt anmuthig. Und waren Ellinors Geſichtszüge auch nicht gerade ſchön zu nennen, ſo lag doch ein ganz eigener Reiz in ihrem zarten Geſichtchen. Jedenfalls beſaß ſie außer ihrem Reichthum noch andere anziehende Eigenſchaften, und eigentlich war er ein Narr, noch zu zögern, ſich nicht des Glückes theilhaftig zu machen, was ihm das Glück großmüthig in den Schooß warf. Wie anders, wie viel reicher und ſchöner konnte ſich dann ſein Leben geſtalten. Er brauchte dann nicht mehr des ſchnöden Mamons wegen ſeine Werke überall anzubieten, brauchte ſich nicht mehr demüthigen Zurückweiſungen derſelben auszuſetzen. Er that einen tiefen Athemzug, denn er dachte daran, wie er frei ſein konnte von allen Alltagsſorgen, und nur die Feder in die Hand zu nehmen brauchte, wenn ſein Genius ihn dazu trieb. Welch leuchtendes Zukunftsbild ſpiegelte ſich vor ſeiner Seele. Auch der Dichtertraum, ein ſchönes Landhaus, fern von dem Geräuſch der Welt und doch in der Nähe der Reſidenz zu beſitzen, ließ ſich dann leicht verwirklichen, immer verführeriſcher, lockender traten ſolche Bilder vor ſeine Seele, und während er, den Kopf zurückgelehnt und in das Blättergewirr über ſich ſchauend, ſolchen Träumen nachhing, näherte ſich ihm das Schickſal, ihn zur Entſcheidung drängend, in Geſtalt eines jungen Mannes, des Herrn von Lichtenow. Fritz von Lichtenow war ein junger Guts⸗