Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ haltungsblatt Mark 1.40, frei ins Haus. enburg und Umgegend. Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren 5 im 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen Für die Redaction verantwortlich: Karl f Ladenburg. Molit 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. ruck und Verlag von Karl Molitor, No. 74 Jubiläumsfeier des 70. Geburtstages des 5 Großherzogs von Haden. 0 Karlsruhe, 9. Sept. Der heutige Tag, der 70. Geburtstag des Großherzogs begann mit Glockengeläute und Kanonenſchüſſen. Vom Turme der evangeliſchen Stadtkirche wie vom Turm des Rathauſes ertönte Choralmuſik. Von 9 Uhr an war Feſtgottesdienſt in den Kirchen. In der katholiſchen Kirche zele⸗ brierte Weihbiſchof Dr. Knecht. Dem Gottesdienſt in der evangeliſchen Kirche wohnten der Groß⸗ herzog wie die Mitglieder der großherzoglichen Familie an. 1 Nach dem Gottesdienſt unternahmen der e Großherzog und die Mitglieder der großherzogliche 1 70 Familie eine kurze Rundfahrt durch die Stadt, überall begeiſtert begrüßt. Um dieſe Zeit — halb 11 Uhr — waren die Straßen ſchon dicht gefüllt; der eigentliche Fremdenſtrom ergoß ſich jedoch noch ungeſchwächt vom Bohnhof her. Um ù12 Uhr fuhren der Erbgroßherzog und die Großherzogin im Vierſpänner⸗Galawagen nach dem Bahnhof zum Empfang der Kaiſerin. Die Fürſtlichkeiten wurden auf der Hin⸗ und Rückfahrt mit brauſenden Hochs begrüßt. Die Kaiſerin trug eine grüne Robe. Fünf Minuten etwa nach Ankunft der Kaiſerin im Schloß erreichte die Spitze des Jubiläums⸗Feſtzuges das Schloß. Der Großherzog mit der Kaiſerin und der Großherzogin erſchienen zuerſt in einer vor dem Portal des Schloſſes errichteten Loge, dann folgten die übrigen Mit⸗ glieder des großherzoglichen Hauſes und die anweſenden fürſtlichen Gäſte. Auf dem Altane des Schloſſes nahmen der Hof und die Geladenen Platz. Die Fenſter des Schloſſes waren von letzteren beſetzt. Auf dem rechten Flügel des Schloſſes ſtand das Offiziercorps, daran anſchließend die Kadetten der hieſigen Anſtalt. Dem Schloß 1896. — — —— —̃—— Ladenburg. 0 2 5 5 f Samstag, den 12. Heptember gegenüber nahm der Sängerbund Aufſtellung, in deſſen Mitte ſtand die Kapelle des 111. Infanterie⸗ Regiments, der die Ausführung der Parademuſik zuflel. Als der Großherzog mit der Kaiſerin und der Großherzogin erſchien, wurden ſie mit begeiſterten Hochrufen begrüßt. 5 Das Wetter während des Feſtzuges war prachtvoll, wodurch der Zug zu voller Entwickelung gelangte. Den Zug eröffneten Zugsmarſchall, Herolde und Fanfarenbläſer. Alle Muſikkorps, bis auf die Dragoner⸗Kapelle vor der Gruppe „Das Volk in Waffen“ und die Kapellen in Tracht waren in hiſtoriſche Koſtüme gekleidet. Der Vor⸗ beimarſch des Zuges dauerte zwei Stunden, der Zug ſelbſt war von eminent großartiger Wirkung, die höchſten Erwartungen wurden weit übertroffen. Zahlloſe Ovationen wurden dem Großherzog⸗Jubilar dargebracht. Der Großherzog dankte in einem fort, die Großherzogin winkte den Damen des Feſtzuges mit einem Tuche freundlich zu. Kaum hatte der Feſtzug das Schloß paſſiert, ſo drängte auch ſchon eine vieltauſendköpfige Menge unaufhaltſam nach, die in weniger als einer halben Minute den Platz vor der Fürſtenloge okkupiert hatte. Oberbürgermeiſter Schnetzler brachte ein dreimaliges Hoch auf den Großherzog aus und nun folgten nicht endenwollende Ovationen, immer wieder trat der Großherzog vor und dankte und immer wieder erneuten ſich die Ovationen. Nachmittags um 4 Uhr fand in der Feſthalle ein von der Stadt gegebenes Feſteſſen ſtatt, an dem über zweihundert geladene Ehrengäſte theil⸗ nahmen, darunter die höchſten Staatsbeamten und Militärchargen, die Vertreter der drei Hochſchulen und die Vertreter der Städte Stuttgart, Darm⸗ ſtadt, Straßburg und Speyer. Die Feſtrede hielt Oberbürgermeiſter Schnetzler⸗Karlsruhe mit Toaſt auf den Großherzog. Der Kaiſertoaſt wurde von Prorektor Baſſermann⸗Heidelberg ausgebracht. Der kommandierende General von Bülow toaſtete auf das großherzogliche Haus. Im Stadtgarten fand während dieſer Zeit ein äußerſt ſtark beſuchtes Volkstrachtenfeſt ſtatt. Abends wurde der Garten feſtlich beleuchtet, der Lauterberg bengaliſch. Im Hoftheater wurde abends eine Feſtvor⸗ ſtellung gegeben, der der Großherzog mit ſeinen fürſtlichen Gäſten anwohnte. Aufgeführt wurde ein Feſtſpiel von Oswald Hancke. Dem Feſtſpiel voraus ging ein von Cornelius Aubner kompo⸗ nierter Huldigungmarſch. Das Feſtſpiel erzielte große Wirkung. Die Muſik iſt von Felix Mottel. Die zur Zeit in Baden wohnenden alten Univerſitätsburſchenſchafter und Aktiven der Landes⸗ univerſitäten begingen das heutige Jubiläum in einem Bankett in der Eintracht. Die Militär⸗ verbandsvereinler bankettieren im Koloſſeumsſaal. Politiſches. Karlsruhe, 10. Sept. S. K. H. der Großherzog empfing geſtern Vormittag den Kom⸗ mandirenden General des 14. Armeekorps, Generaladjutanten Seiner Majeſtät des Kaiſers und Königs General der Kavallerie von Bülow, welcher höchſt demſelben nachſtehendes Handſchreiben Seiner Majäſtet des Kaiſers mit dem Modell des Denkmals für Weiland Kaiſer Wilhelm I. in Berlin überreichte. b Das Handſchreiben lautet: Durchlauchtigſter Fürſt, 5 Freundlich geliebter Vetter, Bruder und Onkel! 5 Zum heutigen Tage, an welchem es Eurer Königlichen Hoheit durch Gottes Gnade vergönnt iſt, das ſiebenzigſte Lebensjahr zu vollenden, ſpreche ich Euerer Königlichen Hoheit Meine wärmſten Glück⸗ und Segenswünſche aus. Die Feier des Ehrentages Eurer Königlichen Hoheit Die Nemeſis. 8 Novelle von Walter Hogarth. 2. 0 Bitte, ſchreiben Sie mir jetzt über neunzig⸗ tauſend Francs noch den Ehrenſchein und morgen früh kommen Sie in mein Hotel und holen ſich die fünzig tauſend Franes, die ich Ihnen noch geben kann. Paſſen Sie auf, morgen bringt Ihnen die blinde Glücksgöttin das zurück, was ſie Ihnen heute nahm.“ Ein furchtbares Verhängniß hatte den gut⸗ müthigen, bis heute Mittag noch ſo feſt auf dem Wege der Tugend ſtehenden Baron von Eggonsberg ereilt. Heute Mittag hatte er noch keine Schulden und heute Nacht ſchrieb er mit zitternder Hand ſchon den zweiten Schuldſchein und ſah ſich mit einer drückenden Schuldenlaſt mit hunderttauſend Francs beladen. Sein Frohſinn, ſein Lebensmuth war dahin und ſelbſt das feine Souper und die auserleſenen Weine, welche Raben beſtellt hatte, vermochten den jungen Mann weder aufzuheitern, noch ſein Gewiſſen einzuſchläfern. Beim Abſchiede U von dem Rittmeiſter ſagte er auf deſſen Drängen 3 demſelben aber zu, morgen von dieſem die fünfzig tauſend Francs noch holen und ſein Glück von 1 Neuem verſuchen zu wollen. * . dem unglücklichen Spielabend eine ſchreckliche Nacht. Der Leichtſinn und die frevelhafte Waghalſigkeit war ſonſt in ſeinem Leben nie ſeine Art geweſen, und er verfluchte den Tag, welcher ihn nach Monaco und in die Geſellſchaft des Rittmeiſters von Raben geführt hatte. Er konnte es gar nicht begreifen wie er die Tollheit hatte begehen können, hundert tauſend Francs zu verſpielen. Unaufhörlich guälten ihn die furchtbarſten Gewiſſensbiſſe, und der Gedanke an das Herzeleid, welches er durch ſeinen Leichtſinn ſeinem hochbetagten, von ihm verehrten Vater bereiten würde, wenn derſelbe, was ja ſchließlich unausbleiblich war, erfuhr, daß ſein einziger Sohn, der bisher ein muſterhaftes Leben geführt hatte, ein toller Spieler geworden und hunderttauſend Frances Spielſchulden gemacht hatte, brachte Rupprecht von Eggonsberg faſt zur Verzweiflung. Dann peinigte ihn auch der Gedanke, wie er aus Rabens Schlingen ſich befreien ſollte. Raben war in ſeiner Weiſe immer noch recht gefällig und großmüthig gegen in geweſen, hatte ihm ſogar noch meitere funfzigtauſend Francs zugeſagt, um morgen ſein Glück von Neuem zu verſuchen. Aber ein von Minute zu Minute wachſender Wiederwille ſtieg jetzt im Herzen Eggonsbergs gegen den Rittmeiſter auf, er entſann ſich auch, daß dieſer ſchon in der Reſidenz wegen ſeiner Neigung zum Harzardſpielen einen verdächtigen Ruf genoſſen hatte, und er ſchrieb deshalb den domöniſchen Verführungskünſten des Rittmeiſters ſein ganzes Unglück zu, und beſchloß, 1 deſſen weitere Gefälligkeit morgen nicht anzunehmen mochte es kommen, wie es wollte. Mit ſtechenden Kopfſchmerzen erwachte Rupprech von Eggonsberg am anderen Morgen ſehr zeitig aus einem unruhigen Schlafe und ſprang wie von Furien gequält ſofort aus ſeinem Bette, denn di Gewiſſensbiſſe über ſein geſtriges wahnwitziges Thun folterten ihn aufs Neue und ließen ihm keine Ruhe. Er kleidete ſich raſch an, beſtellte ſich ein Frühſtück und eilte dann hinaus in den Garten des Hotels und von dort weiter in die herrliche Umgebung Monacos. Nirgends fand der unglückliche junge Mann Ruhe, und kein einziger rettender Gedanke ſtieg in ſeiner Bruſt auf, und ihn von der Spielſchuld zu befreien. „Es iſt unmöglich, gänzlich unmöglich,“ ſeufzte der junge Mann, „ich bin unrettbar einem finſteren Geſchick verfallen und werde meinem guten Vater den ſchrecklichen Leichtſinn beichten müſſen, um die Schuld zu tilgen, denn an die Hoffnung mit dem mir noch von Raben angebotenem Geld im Spiel das Verlorene wieder zu gewinnen, wage ich nicht einmal recht zu denken, und ich will auch mit dieſem gleißenden Verführer, dem Raben, nicht weiter zu ſchaffen haben.“ Eggonsbergs Geiſt ſchweifte weit, weit zurück in ſeine glückliche Kindheit, wo er faſt wie im Paradieſe gelebt hatte, und alle Erinnerungen ſeines vergangenen Lebens verfolgend fand er nicht die