6 cheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unter⸗ denburg und Umgegend. 5 Anzeigen: Die einſpaltige Corpuszeile oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen Druck und Verlag von Karl Molitor, 6 Pfg., Reklamen 20 Pfg. Ladenburg. Politiſches. Berlin, 24. Aug. Der „Reichsanzeiger“ er ärt ſich für ermächtigt 1 10 ſei die Willensmeinung des Kaiſers, daß dem Bundes⸗ rathe wegen der Militärſtrafprozeßordnung der vom Reichskanzler am 18. Mai abgegebenen Er⸗ klärung entſprechend ein Geſetzentwurf dieſen Herbſt vorgelegt werde. Dieſe Erklärung des amtlichen Blattes kommt zur rechten Zeit. Sie kann nur Befriedigung hervorrufen, da ſie unzwei⸗ deutig ausſpricht, daß der Kaiſer den feſten Willen hat, die Frage der Militärſtrafprozeß⸗ ordnung entgegenzuführen. Nun werden wohl die bisher breit ausgeſponnen Erörterungen über die angebliche Gegnerſchaft des oberſten Kriegs⸗ herrn in der Frage der Reform der Militär⸗ ſtrafprozeßordnung in der Preſſe auch aufhören, 8 nur zur Beruhigung des Volkes beitragen würde. Kanea, 23. Auguſt. Geſtern überfielen ungefähr 3000 Aufſtändiſche 20 kleine insgeſammt von 300 Muhamedanern bewohnte Dörfer. Von den Einwohnern wurden viel getötet. Die Auf⸗ rührer verbrannten auf ihrem Zuge 29 Ortſchaften und trieben gegen 1000 Stück Vieh fort. ö Verſchiedenes. — Ladenburg, 21. Aug. Bei der am 14. Juni vorigen Jahres im Deutſchen Reich veranſtalteten Berufs⸗ und Gewerbezählung wurden nach endgiltiger Feſtſtellung des Großh. Statiſtiſchen Bureaus im Großherzogthum Baden insgeſammt 1,719,298 Perſonen gezählt, und zwar waren 844,605 Perſonen männlichen und 874,693 weiblichen Geſchlechts. Bei faſt alleu dieſen Perſonen konnte der Beruf mit großer Genauigkeit — —— Mittwoch, den 26. Auguſt 1896. feſtgeſtellt werden; nur bei 216 Perſonen (27 männlichen und 189 weiblichen) war eine Berufs⸗ angabe nicht vorhanden und führten auch hierzu angeſtellte Ermittelungen nicht zum Ziele. Immer⸗ hin iſt dieſe Zahl von Perſonen ohne Berufs⸗ angabe gegenüber dem Ergebniß der letzten Berufs⸗ zählung vom 5. Juni 1882, bei welcher 862 Berufsloſe ermittelt wurden, eine recht kleine. Welche Veränderungen hat nun der berufliche Aufbau der Bevölkerung in Baden in den letzten 13 Jahren erfahren? Dieſe Frage wird in der „Karlsr. Ztg.“ wie folgt beantwortet: Die in anderen deutſchen Staaten zu Tage getretene Thatſache zeigt ſich auch im Großherzogthum, daß eine immer größere Zahl von Perſonen in den wirthſchaftlichen Kampf hineingezogen werden. Waren nach der Berufszählung vom 5. Juni 1882 unter 100 Ortsanweſenden 43,2 erwerbs⸗ thätig im Hauptberuf, ſo ſind es nach der neueſten Zählung 50,8 pCt. Dementſprechend iſt die Zahl der Nichterwerbsthätigen, alſo der vom Haus⸗ haltungsvorſtand zu ernährenden Perſon 54,0 pCt. auf 46,4 pCt. zurückgegangen. Auffallend iſt, daß das weibliche Geſchlecht in weit höherem Maße in den letzten 13 Jahren zur hauptberuflichen Thätigkeit herangezogen worden iſt, als das männliche. Während nämlich im Jahre 1882 von 100 Frauen nur 23,8 erwerbsthätig waren, wurden für 1895 33,8 feſtgeſtellt, die am wirth⸗ ſchaftlichen Kampf theilnehmen, d. h. alſo 10 pCt. mehr. Dagegen betrug die Zunahme beim männ⸗ lichen Geſchlecht nur 4,7 pCt. Auch in der Ver⸗ theilung der Bevölkerung nach den Berufsarten tritt eine ſehr bedeutſame Erſcheinung zu Tage: Die Abnahme der landwirthſchaftlichen und ſtarke Zunahme der gewerblichen Bevölkerung. Während im Jahre 1882 noch faſt die Hälfte (49,1 Proz.) der badiſchen Bevölkerung der Landwirthſchaft e eee angehörte, entfiel 1895 nur noch 42,4 Proz. der Bevölkerung auf dieſelbe Die nicht unbe⸗ deutende Zunahme der Geſammtbevölkerung im letzten Jahrzent iſt alſo faſt ausſchließlich der Induſtrie zu gut gekommen, deren Antheil von 31,6 auf 35,0 Proz. angewachſen iſt. Weniger bedeutend hat der Handel zugenommen (von 9,1 auf 9,9 Proz.) Als das erfreulichſte Ergebniß der Berufs⸗ und Gewerbezählung vom 14. Juni 1895 dürfte vielleicht die Thatſache erſcheinen, daß die Zahl der Rentner und Penſionäre in Baden dank unſerer deutſchen Sozialgeſetzgebung in den letzten 13 Jahren ſich mehr als verdoppelt hat. — Mannheim, 20. Aug. Schiffe von 20— 25,000 Zentner Traglaſt haben aufgehört zu den großen Rheinſchiffen zu zählen. Gegen⸗ wärtig macht ein neuer eiſerner Dreimaſter des Schiffers Dövenden aus Cleve ſeine erſten Fahrt nach Mannheim, der eine Tragfähigkeit von 41570 Zentner hat. Er kann alſo ſo viel faſſen, als 207 Eiſenbahnwagen oder 4 ſchwere Güterzüge. — Heidelberg, 23. Aug. In der Nacht vom 21/22. d. Mts. iſt der Eilgüterzug 601, der, ohne von der Station Heidelberg angenommen zu ſein, in Wieblingen abgelaſſen wurde, auf den vor dem Einfahrtsſignal des Bahnhofs Heidelberg haltenden Main⸗Neckarbahn⸗Güterzug 345 aufgefahren. Der Schlußwagen des letzteren Zuges wurde zertrümmert und beide Hauptgeleiſe geſperrt. Hilfswagenwärter Koch wurde getödet und Bremſer Jünger verletzt. Um 5 Uhr Morgens waren die Geleiſe geräumt und der Verkehr konnte im ganzen Umfang wieder aufgenommen werden. — Weinheim, 24. Auguſt. In ver⸗ gangener Nacht gegen 1 Uhr ſind hier die Anweſen der Landwirthe Lang und Meiſer, zwei Wohn⸗ häuſer und zwei Scheunen, letztere mit Frucht und Heu angefüllt, total niedergebrannt. Der Nemeſis. Novelle von F. Sttöckert. 8) (Fortſetzung. ) Manchmal war es Iſolden, als müſſe ſie wandern ſoweit ſie ihre Füße trügen, nur ein Ziel vor Augen, und dann niederſinken an Brands Krankenbett, ſeine Verzeihung erflehend. Und wenn er Dir verzeiht, was dann? War das nicht Wetterns Stimme, die da kalt und höhniſch an ihre Ohren klang. — Ja, was denn? Sollte ſie die Seine werden, aus den Kreiſen, in welchen ſie bis jetzt gelebt, herabſteigen, das zweifelhafte Loos eines Künſtler theilen, damit es ihr vielleicht ebenſo erginge wie ihrer ehemaligen Freundin, der jungen Baroneſſe Walden, die einem jungen Schriftſteller die ariſtokratiſchez Hand zum Bund fürs Leben gereicht, Frau Doctor Böhm geworden war, und nun ſchon ſeit Jahren mit dem geliebten Gatten auf die Stunde harrte, wo deſſen Werke endlich Anerkennung finden, und er zu den Berühmtheiten des Tages gezählt werden würde. Dieſe Stunde aber ſchien nicht zu kommen! Die einſtige Baroneſſe lebte nun in ziemlich dürftigen Verhältniſſen, ſie behauptete aber trotzdem glücklich zu ſein, weil ſie ihren Gatten über Alles liebte. Sollte man der Liebe wirklich Alles opfern können, ſich zur Magd erniedrigen, ſelbſt am Feuer⸗ herd ſtehen, kochen, plätten? Nein, nein, ihr wär das unmöglich. Von ſolcher Alltäglichkeit und Sorge würde ihre Liebe, da würde ſie ſelbſt zu Grunde gehen, ſie gehörte eben nicht zu den opfer⸗ freudigen Frauennaturen. Welt und Menſchen ſich dienſtbar machen, das hatte Iſolde immer verſtanden, aber ſelber dienen, ſich ſelbſt demüthigen, das lag ihr ferne, das konnte ſie nicht. . Als Comteß Iſolde glücklich zu dieſer Schluß⸗ folgerung gekommen, da war es ihr wieder, als vernähme ſie des Barons Wetterns Stimme, als rief er ihr triumphirend zu: „Wie freue ich mich über Dich, meine gelehrige Schülerin, es wird mir nicht ſchwer werden, Dich ganz zu meinen Anſichten zu bekehren, und dann wandere ich doch wenigſtens nicht mehr allein auf dieſſer troſtloſen Lebenswüſte, dann habe ich doch eine kühne, verſtändige Lebens⸗ gefährtin!“ Ein leiſes Fröſteln ging durch ihre Geſtalt, und dann lachte ſie in ihrer leichten, loſen Weiſe und flüſterte: „Närrin, die ich hin, es iſt das Beſte, wir treten die Hochzeitsreiſe ſo bald wie möglich an, es iſt der einzige Weg mich ſelber wieder zu finden und all der dummen Gedanken Herr zu werden. Die große Welt und ihre Zerſtreuungen, das war doch ſchließlich Iſoldens Lebenselement, und Baron Wettern würde ihr doch ſicher alle Freiheiten geſtatten, ſich zu amüſiren, zu kokettiren und zu intriguiren. Hier die ländliche Stille allein, die war an Allem Schuld geweſen, ſchwamm ſie erſt wieder mit allen Segeln im vollen Lebensſtrom, dann war ſie wieder ſie ſelbſt, die ſchöne Gräfin Iſolde, die doch allein dazu auf der Welt war zu glänzen, gefeiert 8 zu werden, zu leben und zu genießen. 7. Kapitel. Es fügte ſich, daß Herbert Brands Geneſung ſo weit fortſchritt, daß er an Iſoldens Hochzeits⸗ tage in Begleitung ſeines Freundes Hagen den erſten, weiteren Spaziergang machte. Im eifrigen Geſpräch hatten ſie beide nicht auf den Weg geachtet, bis Herbert plötzlich betroffen ſtehen blieb. „Hier war es, hier ſaßen wir,“ rief er, „die Gräfin und ich, ſie ſang: Wie heißt König Ringals Töchterlein. Rothtraut ſchön Rothtraut und dann —“ „Ja, ja, ich kenne das Alles, das ganze bethörende Liebesſpiel dieſer ſchönen Dame;“ unter⸗ brach in Hagen plötzlich. „Wenn das Schickſal uns Künſtler ſtählen und für höhere Aufgaben reif machen will, dann führt es uns eben eine ſolche Frauenerſcheinung in den Weg, die mit uns ſpielt, uns betrügt, uns an den Abgründen der Ver⸗ zweiflung vorüber führt, und ſchließlich aufs Krankenlager wirft. Sind wir dann erſtanden, dann iſt dieſe Welt allerdings eines großen Theiles ihres poetiſchen Zaubers entkleidet, aber unſer Blick iſt geſchärft, wir dringen ein in die Tiefen des Daſeins, ſehen Welt und Menſchen wie ſie ſind, und nicht wie wir ſie in unſern Bilder verkörpern idealiſirt, oft in ganz unmöglicher Schönheit.“