N Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. 5 * die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg Anzeigen: die I⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder dere Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg Corpuszeile. Neelamen 20 Pfg. Dick und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. N *. 84. Samstag, den 19. Okkober Der ſozialdemokratiſche Varteitag am Somstag nach ſechstäglger Redeſchlacht zu Inde gegangen. Alle Leidenſchaften konzentrierten ich auf das Hauptftück der Tagesordnung, das vel⸗ Aprochene und vielumſirſttene Agrarprogramm debels. Der ganze Streit drehte ſich um die Frage, ob die Kleinbauern zu gewinnen ſeien dadurch, daß an nach Anleſtung des von der Komm iſſſon müb⸗ am ausgearbeiteten Programms ihnen helfe, ſich aus den kümmerlichen Verbältniſſen emporzuorb'iten, der dadurch, daß man ſie ihrem Schickſal überlaſſe und ſie nach und nach zur Ueberzeugung bringe, aß auch ihr Los fich nur b⸗ſſern könne, wenn unter en Hammerſchlägen der Sozialdemokratie die ganze berige Welt in Trümmer finke. Vier Tage lang hurde um dieſe Fragen gekämpft und nicht immer den feinſten parlamentariſchen Formen. Die ledner warfen einander Charlatanerie, Größenwahn, enzenloſe Anmaßung vor; ſie gaben einander deutlich nug zu verſteben, daß ſie von der Sache nichts tſtänden, daß ihre Anſicht gar keinen Wert habe ud dergleichen mehr. Bemerkenswert iſt auch die chniſche Offenheit, mit der darüber beraten wurde, welcher Weiſe der Bauer gefangen genommen, bertöſpelt werden müfſſe. Der „Altmeiſter“ der Sozialdemokratie, Bebel, int feinen Gegnern, Schippel und Genoſſen, ſcharf Zeug gegangen, indem er das gröbſte Geſchütz gen dieſelben in Anwendung brachte und mit leiden⸗ haftlicher Wut über den Hauptaegner des Agrar⸗ agromms, Schippel, berfiel. Es nützte ihm aber les nichts, die Verhandlungen endeten mit einer lederlage der Bebelſchen Vorſchläge, indem gerade in die ſchroffte Form gekleidete Ablehnungs⸗Antrag gulsty mit großer Mehrheit zur Annahme gelangte. zugeſtanden, daß die Hebung der materiellen Lage 1895. In der Begründung dieſes Antrages ſt offen des Bauernſtandes der gegenwärtigen Staats⸗ und Geſellſchaftsordnung neue Kräfte zuführt und den Klafſenkampf des Proletariats erſchwert. Bei der Beſprechung wurde ferner eingeſtanden, daß der mittlere und größere Bauernſtand überhaupt der ſozialdemokratſſchen Agitation unzugänglich ſei; es könne ſich nur um den Kleinbauern handeln. Kaulgky wies bei dieſer Gelegenheit darauf hin, daß unter dieſer Kloſſe zahlreiche Berg⸗ und Fabrikarbeiter ſeien, die ein Stück Land beſitzen, deren Intereſſen ober nicht landwirtſchaftliche find. Gerade dieſe Klaſſe ſei es, die man nicht durch Hebung des Bauernſtandes gewinnen ſondern als Lohnarbeiter in den Klaſſenkampf des Proletariats hineinzuziehen ſuchen ſolle. Damit iſt für die ſtaatserhaltenden Parteien der Weg ſo deutlich gezeigt, wie es nur möglich iſt. Will man die Sozialdemokratie bekämpfen, ſo foll man dem Bauern das Gefühl wirtschaftlicher Sicherheit und eines Lohns ſeiner Arbeit wiedergeben. Man ſoll ferner die Arbeiter dem Kloſſenkampf des Proletariats dadurch entziehen, daß man ſie anfäſſig macht und dem kleinen Beſſtz mit allen Mitteln ſeine Sicherheit garantſert. Wiederum hat der Mund der gefährlichen Gegner unſerer Staatsordnung wider⸗ willig aber unanfechtbar bezeugt, daß die Geſundung des Staats auf keinem anderen Wege möglich iſt, als dem einer geſunden Agrarpolitik. Was die übrigen Gegenſtände betrifft, mit denen fich der Parteitag beſchäftigte, ſo find ſie nicht dazu angethan, beſondere Aufmerkſamkeit zu erregen, ob⸗ gleich manches ein momentanes Intereſſe abgewinnen konnte. Auch einen beſonderen Reſpekt haben die Verhandlungen nicht einfloͤßen können. Dagegen find ſte geeignet, auch die Aengſtlichſten vor der Beſorgnis einer foziald⸗mokratſſchen Herrſchaft, die uns die nächſte Zukunft beſcherren möchte, zu befreien. Dieſe Leute werfen die heutige Staats- und Geſellſchafts ordnung 55 Berlin, 16. Oet. Das deulſch weilt ſeit Dienstag auf reichsländiſchem Boden, wo es die begeiſt⸗riſte Aufnahme gefunden bat. Am genannlen Tage Vormſttags waren die Maj⸗ täten in dem lothringiſchen Städtchen Kurzel eingetroffen und batten ſich von dort aus im Wagen nach der kalſerlichen Beſſtzung Urpſſie begeben, wo ihnen der berzlichſte Empfang zu Theil wurde. Nachmittags kam das Kaiſerpaar zu ein⸗m zweiffündigen Beſuch nach dem feſtlich g⸗ſchmücten Metz und beſſchtigte daſelbſt die altehrwürdige Kathedrale unter Führung des Baurothes Tornow und des den erkrankten Biſchof Fleck vertretenden Generalviears ſehr eingehend. In der ſiebenten Abendffunde krafen der Kaiſer und die Kaiſerin wieder in Urville ein. Der Empfang, welcher den Moj⸗ſtäten in der Haupſtadt Lothringens be⸗ reitet wurde, war trotz der außerodentlich kurz be⸗ meſſenen Friſt für die Vorbereſtungen ein überaus glänzender und geradezu großartiger, brauſender Jubel ſcholl dem Kaiſerpaare beroll, wo es ſich zeigte, entgegen. Dienſtag Abend 8 Ubr fond im Schloß Urville bei den Moj⸗ſtäten aröß⸗re Tofel ſtatt. Kurzel, 17. Okt. Um 11 Ube fand in Anweſenbeit des Kaiſerpaares programmmüßig die Einweihung der neuen evangelischen Kirche ſtatt bei zahlreicher Theilnahme des Publikums. Konſtinopel, 17. Okt. Es herrſcht neuer⸗ dings große Panik. In den letzten Tagen fanden in allen Stadtbezirken wi⸗derum Zufamm'nſtöße ſtott. Viele Todte und Verwundete find zu ver⸗ Der Iluch des Mammons. Nobelle von Leo Werner. b. Fortſezung. Da ſich ober inzwischen herausgeſtellt hatte, daß kuli an den Betrügereien des Banqulers Zacharus ang unſchuldig war, und die beiden Damen gegen⸗ 4 5 her einem großen Unglücke um des Barons Rath n 45 ſo war dieſer ritterlich genug, um ihnen gefällig ſein. zul „Ich werde gleich zu Profeſſor Jürgens fahren ‚ Vin veranlaſſen, möglichſt noch heute Herrn Berlitz nenlage, unterſuchen,“ entgegnete der Baron entgegenkom⸗ a ud, als er von Emma dis traurige Urſache ihres 3,15 0 ommens erfahren hatte. „Ja, ja, ich glaube es, f. 1 war ein zu ſchwerer Schlag für Ihren Herrn Vater,“ ſetzte er dann theilnehmend hinzu. „Er hat 5 einen Gauner wohl die Hälfte ſeines Vermögens loren und der größte Theil des übrigen Vermö nens 85 a in einem verfehlten Unternehmen. Darüber 4 u man den Verftand verlieren, zumal wenn man, 1 es bei Herrn Berlitz der Fall ſchien, etwas zu lits, ſeitig an dem Mamone und dem trügeriſchen Glücke, 7 15 1 ö gehe, 5 5 3 . . date wiſchen dem geiſteskranken Berlitz und ſeinem Diener ſpielten ſich während der Abweſenheit der n Damen auffälige Scenen ab. „Daniel, haſt Du nicht ſchon gehört, daß Un⸗ ſchuldige ins Zuchthaus gekommen find, weil man ſte für ſchuldig hielt?“ frug plötzlich der ſonſt ſtill und tieffinnig auf dem Sofa fitzende Berlitz ſeinen Diener. „Gehört habe ich es wohl,“ entgegnete Dankel, „aber es wird heutzutage wohl ſelten vor⸗ kommen.“ 8 „Aber es kommt doch vor!“ flöhnte der Geiſtes⸗ kranke, „und ich ſage Dir Daniel, daß es bei mir vorkommen wird. Der Schuft, der Zacharus hat mich nicht nur um Geld gebracht, ſondern er hat onderen Leuten, dle er auch betrog, weiß gemacht, ich hätte ſie betrogen.“ „Das iſt nicht möglich, Herr Berlitz,“ erklärte Daniel, „denn Sie find immer ein Ehrenmann ge⸗ weſen unb haben Niemanden betrogen!“ „Das ſagſt Du, Daniel, aber hier in der Refi⸗ denz ſpricht man anders von mir,“ erwiderte Berlſtz und trüb und wirr flackerten ſeine Augen umher. „Komm' Daniel, bringe mich wieder nach Gun⸗ dersdorf. Der — der — der nun wie heißt er doch gleich, der feine Mann — er ſoll mir mein Rö tter⸗ gut zurückgeben und ſein falſchrs Geld wieder nehmen.“ „Sie find wohl heute recht unwohl,“ lenkte Daniel ab, „ich denke, es iſt das Beſte, Sie legen fich zu Bett.“ „Kerl, was ſprichſt Du für dummes Zeug,“ ſchrie der Kranke laut auf, „ich bin ganz geſund und morgen will ich ſelbſt nachſehen, wie es eigentlich auf den Feldern ausſieht.“ Während Daniel zu ſeinem Schrecken bemerkte, daß ſein Herr wirklich verrückt geworden war, kamen die Damen zurück, und ein neuer Jammer ging los, Berlitz ſprach nur noch wahnwitzige Reden, und nur mit größter Mühe konnte er von wahnfinnigen Strei⸗ chen abgehalten werden. Endlich trafen der Baron bou Blankenfeld und der Prof ſſor Jürgens, ein berühmter Arzt für Geiſteskrankheiten ein. „Sagen Sie Herrn Berlſtz, ſch käme mit Herrn Profeſſor Jürgens, um ihm eine wichtige Mittb⸗ lung wegen ſeines Petroleumwerkes zu machen,“ flüſterte der Baron dem Diener zu, und dieſer meldete in der gewünſchten Weiſe die Herren an. Als dieſe aber in das Zimmer trat n, wo fich Berlitz befand, ſprang dieſer wüthend empor und ſchrie; „Sie wollen mich verhaften, mich in's Geſäug⸗ niß ſchl⸗ppen! Ich gehe aber nicht mit, ſondeen will mein Rittergut wieder haben. Fort Herr Baron, mit dem böſen Manne. Fort! Fort!“ „Der Herr leidet on ollmäblich zum Durchbruch gekommenen Verfolgungswahnſinn und an einem bereits ſtark entwickelten Grode don Verrückheit,“ fläſterte der Profeſſor Jürgens dem Barone zu. „Leider ſſt da wenig Ausſicht auf Heilung vorhanden. Im Intereſſe des Kranken wie ſeiner beſorgten An⸗