10 Kr. 74 blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Nreis viertelfährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ * i die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg . Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus-Zelle oder deren Naum 10 Pfg., Vokale Geſchüfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Rarl Molitor, Nadenburg. Corpuszelle. Neclamen 20 Pfg. 1 Samstag, den 14. Se 1895. Politiſches. Berlin, 11. Sept. Der Beſuch des deutschen Reichskanzlers in Petersburg, welcher ſchon ver⸗ gangene Woche ſtattfinden ſollte, iſt nunmehr am Dienstag in Szene gegangen. Am Bahnhofe wurde Fäeſt Hohenlohe von den Mitgliedern der deutſchen Bolſchoft empfangen, ob auch ein Vertreter des Pekersburger Auswärtigen Amtes zur Begrüßung des Reichskanzlers zugegen geweſen iſt, geht aus der betreffenden Meldung nicht hervor. Am Dienſtag Abends 8 Uhr fand beim deutſchen Botſchafter Fäeſten Radolin zu Ehren des Fürſten Hohenlohe Walatafel ſtatt, bei welcher ruſſiſcherſeſts u. A. der Miniſter des Auswärtigen Fürſt Lobanoff, deſſen Gehilfe, Puſchkin, und der Miniſter des Innern Durnowo mitanweſend waren, ebenſo wohnte dem Diner ein Theil des diplomatiſchen Corps bei. — Ein beſondere politiſche Bedeutung befitzt das Er⸗ ſcheinen des leitenden deutſchen Staatsmannes am Newaſtrande ſchwerlich, das Ereigniß hat eben gelegentlich der Rückreiſe des Fürſten Hohenlohe von ſeinen ruffiſchen Beſitzungen nach Deutſchland ſtatt⸗ gefunden und charakterlfitt ſich im Allgemeinen daher nur als ein internationaler Höflichkeitsact. Auch ſtanden der Beſuch Hohenlohe's in Petersburg und ſein am Mittwoch nachgefolgter Empfang beim Zaren in Peterhof ja ſchon längſt feſt. Natürlich legt aber der ganze Vorgang immerhin erfreuliches Zeugniß von den gegenwärtigen guten offiziellen Beziehungen zwiſchen Deutſchland und Rußland ab, darüber hinaus ragt aber ſeine Bedeutung nicht. Auch iſt es ein merkwürdiges Zuſammentreffen, daß gerade zum Zeitpunkte des Beſuches des deutſchen Kanzlers in Petersburg der ruſſiſche General Dragomiroff der Manövergaſt der franzöſiſchen Republik iſt, eine kleine 1 Demonſtratſon, deren Abſicht unſchwer zu errathen iſt. — Der Herbſtbeſuch des Kaiſers in den Reichs⸗ landen ſteht nunmehr feſt. Der erlauchte Monarch gedenkt am 16. Oktober in ſeiner lothringiſchen Befitzung Urville, über Diedenhofen und Buſendorf kommend, einzutreffen und am nächſten Tage der Einweihung der neuen evangeliſchen Kirche in Kurzel beizuwohnen. Abends begiebt er ſich über Remilly nach Straßburg und wohnt von dort aus der Ent⸗ hüllung des Kaſſer Frledrich⸗Denkmals bei Wörth bei. Dann reiſt der Kalſer nach Karlsruhe weiter. — (Italien). In Rom wird zu der bevor⸗ ſtehenden 25jährigen Jubelfeler der Beſetzung Roms durch die italieniſchen Truppen gerüſtet. Dieſe Vor⸗ hereſtungen haben nun eine recht merkwürdige Ein⸗ leitung erfahren, dadurch, daß die Polizei ſämmkliche in Rom aufhältlichen, unter Polizei⸗Aufficht ſtehenden oder ſonſtwie verdächtigen Individuen verhaftete; dieſelben ſollen erſt nach Beendigung der Jubiläums⸗ fefllichkeiten wieder aus der Haft entlaſſen werden. Stettin, 11. Sept. Der Kaifer führte heute die Südarmee auf der ganzen Linie zum Siege. Die Abſicht der Nordarmee, den Gegner gegen die Oder zu drängen, wurde vollſtändig vereitelt. Die Nordarmee ſelbſt wurde ſchon frühzeitig aus allen ihren Stellungen verdrängt; namentlich bot die Wegnahme des Hohenholzer Waldes durch das Kalſer⸗ Franz⸗Gardegrenadierregiment ein hervorragendes militäriſches Schauſpiel. Bereits um 10 ½ Uhr war augenſcheinlich der Sieg der Südarmee entschieden, es wurde „Das ganze Halt“ geblasen, nach kurzer Zeit aber der Kampf nochmals aufgenommen, der damit endigte, daß die Nordarmee noch weiter zurück, geſchlagen wurde und die Südarmee beim Abſchluß des Manövers ſehr weit vorgerückt war. Kaiſer Wilhelm hielt fich fortgeſetzt in der Gefechtslinie pfember zwiſchen dem Gardekorps und dem 3. Armeekorps · Auch der Kaiſer von Oeſterreich zeigte ſich, ſeinen Standpunkt wi⸗derbolt wechſelnd, auf verſchiedenen Punkten des Mansöͤverfeldes und verfolgte, wie der König von Sachſen, den Verlauf des Kampfes mit großem Interreſſe. Stettin, 12. Sept. Der Kaiſer Übernahm nach dem geſtrigen Manbdver das Oberkommando der Nordarmee und führt dieſelbe heute gegen die Südarmee. Abends fieben Uhr fand ein Diner im Schloſſe ſtatt, wobei der Kalſer wie geſtern zwiſchen dem Kaiſer von Oeſterreich und dem König von Sachſen ſaß. Der öſterreichiſche Botſchafter Szoegenyi erhielt das Grotzkreuz der roten Adlerordens, der deutſche Botſchafter Graf Eulenburg das Großkreuz des Leopoldordens. Petersburg, 12. Sept. Der deutſche Reichs⸗ kanzler Fürſt Hobenlobe wurde geſtern vormittag ½ 12 Uhr im Peterhof vom Kalſer in längerer Audienz empfangen und bierauf auch von der Kaiſerin. Um 4 Uhr empfing der Reichskanzler den Gegenbeſuch des Miniſters des Auswärkigen Lobanov und nun um 6 Ubr die Vorſtände aller deutſchen Vereine. Um ½8 Uhr fand bei Lobanow zu ehren Hohenlohe's ein Diner ſtatt, an welchem Fürſt Radolin, der Miniſter des Innern Durnewo, der Adjunkt des Miniſters des Aeußeren Geheimrat Schiſchkin, der engliſche und öſterreichiſche Botſchafter und der bayeriſche Geſandte teilnahmen. Verſchiedenes. — Ladenburg, 13. Spt. Die elek- trische Ausstellung in Karlsruhe, deren Hanptzweck darin beſteht die Verwendung der Elek⸗ trizität im Kleingewerbe vorzuführen, iſt bis 13. Oltober, Werktags von 9 Uhr, Sonntags von 11 Der Iluch des Mammons. Novelle von Leo Werner. 7 Fortſetzung. Dabei ging er ſtets ſchlau zu Werke und war dabei verſchwiegen wie das Grab, denn ſoviel wußte Daniel bereits von ſeinem Dorfe her, daß jede ordentliche Liebensgeſchichte zunächſt etwas Heim⸗ liches an ſich haben und nicht gleich den übrigen dabei interreſfiten Perſonen verrathen werden durfte. So ging er jetzt auf ſeinem Helmwege auch gleich mit zur Poſt, fragte dort ſo leiſe, daß ihn der Poſtbeamte kaum veiſtehen konnte, nach einem poſtlagernden Briefe mit der Bezeichnung G. G. 99 und ſah zu ſeinem Eiſtaunen, daß ihm der Poſt⸗ beamte zwei poſtlagernde Briefe mit der Ueberſchrift Überreichte. „Da muß in Gundersdorf etwas paffirt ſein, daß der Herr Forſtaffiſtent gleich zwei Briefe ſchreibt,“ dachte Daniel und ließ kopfſchüttelnd die beiden Schreiben in der inneren Bruſttaſche ſeines Rockes derſchwinden, und dann ging er eiligen Schrittes nach Hau ſe. Berlitz hatte in der R ſidenz eine ſehr ſchöne Wohnung gemiethet und dieſelbe mit prächtigen neuen Möb In ausſtatten loſſen. Für die kleine Familie war die Wohnung allerdings zu groß, denn ſie beſtand aus einem feinen Salon, zwei großen und vier kleinen Zimmern. Aber Berlitz liebte es, in jeder Hinficht als reicher Mann aufzutreten, und bereits jedem Beſucher ſeiner Wohnung Neſpect vor ſeinem Geldſacke einzuflößen. Bedächtig ging eben Daniel mit der großen Reiſetaſche die breite Treppe, welche zu ſeines Herrn Wohnung führte, hinauf, und bewunderte nun wohl zum hundertſten Male die feine Einrichtung des ſchönen Hauſes. 8 Am Eingange der Wohnung war ein glänzendes von schwarzem Glaſe hergeſtelltes Schild, auf welchem der Name „Bernhard Berlitz“ in goldenen Buchſtaben prangte, vor einer halben Stunde von einem Firmen⸗ maler befeſtigt worden, und Daniel ſtand ganz erſtaunt vor dieſem Schilde. „Wieder etwas Neues!“ brummte er treuherzig, und ſetzte naiv hinzu: „Was man bier Alles in der Refidenz haben kann, das hätte ich mir in Gundersdorf nie träumen laſſen.“ Dann trat der brave Burſche in die Wohnung, nachdem er bevor vorſchriftsmäßig zweimal leiſe auf den Knopf der elektriſchen Klingel gedrückt hatte, und übergab, wie es ihm ſein Herr befohlen hatte, der Frau Suſanne die Reiſetaſche. „Na, Gott ſei Dank, daß Du mit der Reiſe⸗ taſche wieder hier biſt, Daniel,“ erwlederte die alte Dame, und wog die Taſche in den Händen. „Du bringſt wohl die ganzen Reichthümer wleder mit, Daniel?“ „Nein, nicht alle,“ entgegnete dieſer. „Herr Berlitz hat eine Anzahl der Staatspapiere dem Herrn Ban quier Zacharus gegeben, wo fie wahrscheinlich viel Zinſen bringen ſollen.“ „Ich will dich nicht ausforſchen Daniel,“ fiel, ihm dorauf Frau Suſanne in's Wort, „Herr Berlſtz liebt das nicht, und ich will auch nicht von Dir erfahren haben, wo mein Bruder geweſen iſt.“ „Schon gut, ſchon gut!“ rief Daniel mit den Augen zwinkernd, „ich habe wieder einmal unnütz geplappert.“ Dann ging er leiſe aus dem Zimmer und ſchlich auf den Zehen vor die Thüre der Stube des Fräuleins. Er pochte leiſe an die Thüäre, und als „Herein“ gerufen wurde trat er ein und übergab dem gnädigen Fräulein die beiden Briefe. Ich danke Dir Daniel,“ ſagte Fräulein Emma, als ſie die beiden Briefe mit einem leichten Erröthen entgegennahm. „Haben gnädiges Fräulein Befehle für mich?“ frug der Diener noch. g „Nein, jetzt nicht,“ erwiderte die junge Dame worauf Daniel ſich aus dem Zimmer wieder entfernte · „Zwei Briefe von Franz!“ flüſterte Emma Berlitz, und wurde ordentlich verlegen darüber, welchen Brief ſie zuerſt öffnen ſollte. Sie prüfte den Poſt⸗ ſtempel auf beiden Briefen und fand, daß der eine am frühen Morgen und der andere am ſpäten Abend aufgegeben worden war. Nun öffnete Emma natürlich zunächſt den zuerſt aufgegebenen Brief. Derſelbe e