b blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Allgemeiner Anzeiger für Hadenßurg Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. vierteljährlich Mark 1.—, mit jlluſtriertem Unterhaliungs⸗ zr die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg und Amgegend. Anzeigen: 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Jadenburg. nblal 1 die I⸗ſpaltige Corpus⸗Jeile oder deren Na Corpuszeile. Neelamen 20 Pfg. ft E Samstag, den 20. Juli 1895 Die Criſts in Nulgarien. Durch zwef durchaus verſchiedene, aber ohne Zweifel in geiſtigem Zuſammenhang ſtehende Ereig⸗ Affe iſt das Fürſtenthum Bulgarien in eine ganz dae — Del unberechenbare Criſis geſtürzt worden. Bulgarfen hat in dieſen Tagen ſeine ganze ruhmvolle Ver⸗ Male angenheit, welche auf die Erlangung der Selbſt⸗ 8 ündigkeit und Freiheit des bulgarſſchen Volkes ge⸗ ſchtet war, verleugnet; denn während eine bulgariſche ö e putotlon unter Führung dis Metropoliten Klement ut ud des Kammerpräftdenten Theodoroff in Peters⸗ . urg mit Erfolg um Rußlands Gunſt wirbt, haben ulli je Helfershelfer der Ruſſenfreunde und Panſlapiſten en früheren bulgarſſchen Miniſterpräfidenten Stam⸗ low, der ſeiner Zeit mit ſo großem Erfolge Bul⸗ ariens Selbſtſtändigkeit gegen Rußland vertheidigte, euchelmörderiſch überfallen und mit Dolchflichen der⸗ rt zugerichtet, daß er Donnerſtag früh verſchied. Eibärmlich, heuchleriſch, in hohem Grade ekelhaft iſt „wenn die ſitzige bulgariſche Regierung und die zt herrſchende ruffiſche Partei ihre Hände in Un⸗ uld wäscht und das Gerücht verbreiten läßt, als Stambulow das Opfer einer Privatrache ge⸗ orden. Auch der Umſtand, daß die bulgariſche egierung einen Preis auf die Mörder Stambulows eſetzt hat, darf Niemanden jrre führen, denn die rlentaliſche Verſchlagenheit ſpottet in Bezug auf en 1 * 1 8 lem a — olitiſchen Meuchelmord jeder Beſchreibung. Es iſt im uch klar, daß Stambulow den jitzigen Machthabern 2 Bulgarien, jedenfalls im gegenwärtigen Augen⸗ lick, ganz beſonders gelegen ſtarb. Sie haben eine Vernichtung Stambulows unter Zuhilfenahme einer kläglichen parlamentariſchen und gerichtlichen Farce handelte. Ohne Zweifel hat die Unterſuchung aber auch unter dieſen Umſtänden keine Erfolg verheißen⸗ den Ergebniſſe geliefert. Der Lebendige konnte ſich vertheidigen, über den Todten kann man zufammen⸗ lügen, was man für zweckdienlich erachtet. Der 15. Juli wird daher ein ſchwarzer Tag in der Ge⸗ ſchichte Bulgariens bleiben; nicht bloß Stambulow, ſondern hoͤchſt wahrſcheinlich das ſelbſtſtändige Bul⸗ gariev in eigener Perſon iſt an dem Tage zu Tode getroffen worden. Schon lange war Stambulows Haupt für den Meuchelmord gezeichnet. Seit ſeinem Sturze fühlte er ſich keinen Tag ſeines Lebens ſicher und höchſt ſchwächlich war der Schutz, den ihm die öffentliche Gewalt nicht nur gegen Beleidigungen aller Art, ſondern auch gegen thätliche Bedrohungen gewährte. Er mußte ſich ſelbſt mit Beſchützern um⸗ geben, ſich in ſeinem Hauſe ſozuſagen verſchanzt halten. Nun hat man ja den einſtigen berühmten Trüger der bul gariſchen Selbſtfländigkeit auf andere ſchändliche Weiſe unſchädlich gemacht; aber in Einem haben ſich die Thäter und ihre Mitſchuldigen ver⸗ rechnet. Die Teilnahme und die Werthſchätzung Europas, welche früher den Bulgaren ſo eifrig zu⸗ gewandt wurde, und ihnen eine ſo große moraliſche Stütze war, iſt ihnen unrettbar verloren gegangen; denn wer mag noch Sympathien für ein Volk haben, welches ſo außerordentlich wankelmüthig und er⸗ bärmlich in ſeiner politiſchen Gefinnung iſt, welches heute das verbrennt, was es geſtern noch angebetet hat! Und ob die Bulgaren nun bei den Ruſſen das ihnen angeblich fehlende Glück finden werden, dürfte doch noch ſehr zweifelhaft ſein. Auch werden England, Deutſchland, Oeſterreich, Italien, die Türkei und Rumänien ſchwerlich geſtatten, daß Bulgarien ein Tummelplatz für ruffiſche groberungs⸗ pläne im Orient werden wird. Politiſches. Berlin, 18. Jull. Unter den zahlreichen Artikeln, in denen jetzt die Erinnerung an den großer Krieg vor 25 Jahren gefeiert wird, berdient ein Leitartikel der „Nordd. Allg. Zig.“ Beachtung, weil er bei aller Wärme des Patrſotismus die friedliche Tendenz der bevorſtehenden Gedüchtnisfeiern ſcharf hervorhebt. Er betont, daß ſich kein Zug der Prahlerei, der hofführtigen Ueberhebung und der Provokation in die Erinnerungsſeſte miſchen werde, und daß bei aller Entſchloſſenheit, die Denkart ſtark und das Schwert ſcharf zu halten, ſich der aufrichtige Wunſch nur in der einen Richtung bewege, in Frieden zu bewahren und auszubauen, was 1871 als notwendiger und durch leine Macht der Welt auf die Dauer zu ver⸗ hindernder Abſchluß der Entwicklung Deutſchlands aus einer trüben Vergangenheit der Schwäche und der Zersplitterung heraus gewonnen worden iſt. Dann ſchließt der Artikel: „Wir können noch mehr ſagen: Wit würden einen gegen uns gerichteten Revanche⸗ krieg Frankreichs nicht verſlehen, er wäre ein Anach⸗ ronismus. Es liegt uns bei dieſen Worten nichts ferner als die Abficht, auf Frankreichs Entschließungen mit beſonderem Eifer einwirken zu wollen; wir erwarten dieſe Entſcheidung im Gegentheil mit kühler Gelaſſenheit. Aber man muß blind ſein, wenn man nicht erkennen will, daß wir in eine Phaſe der Weltgeſchichte eingerückt find, in der die europäiſchen Staaten mit Kriegen, in denen ſie ihre Kräfte gegenseitig zerfleichen, einen un verantwortlichen Luxus treiben und die Zukunft Europas, vor allem in wirtschaftlicher Hinſicht, freventlich aufs Spiel ſetzen. Die Aufgaben der Gegenwart für die europäiſchen . * 1 Unterſuchung gegen ihn einleiten laſſen, welche von e Alnfang an in ihrer ganzen Einleitung und Durch⸗ Sten, führung verfaſſungswidrig war, und bei welcher es — ] ſich von vornherein nicht um Gerechtigkeit, ſondern lol um die moraliſche und womoͤglich auch phyftſche · Oeläuterte Herzen. Sten Novelle von Johann Berger. Fortſetzung. ö Der folgende Tag war ein Sonntag. Der egen hatte in der Nacht aufgehört, ein heiterer Morgen brach an und die Sonne ſtieg im Oſten ler dus einem Meer von Purpur und Gold. Feierliche Dlockenklänge ſchwebten durch die Luft und weckten eidet,, Annie aus tief erquſckendem Schlaf. Schnell ſprang oft, die aus dem Bett und kleidete ſich an. Keinen hellen ahnt Promenaden⸗Anzug legte ſie an, ſondern ein einfaches warzes Wollkleid mit ſchwarzem Perlenbeſatz und n weißes Baſthütchen mit hellblauem Band. waſee Sie wollte zur Kirche gehen, obgleich ſie ſonſt keine eifrige Kirchgängerin war. Aber heute unter Wein dem Ein flus ihres geſteigerten Gemüthslebens konnte b. , tie dem boheltsvollen Zauber der Glockentöne nicht mmh w derſtehen, es zog ſie mit Gewalt ins Gotteshaus. uc de Die Mutter, welche ſich immer noch unwohl et fi hlte, hatte ihren Brunnen im Bette getrunlen und b. egte ſich eben wieder zum Schlafen zurecht, als Annie — zu ihr ins Zimmer trat. Dieſe mußte heute ihren er Kaffte allein trinken und dann eilte ſie hinaus in den herrlichen Frühlingsmorgen. „ben Ein Trunk friſcher Morgenluft war für das ö junge Mäbchen daſſelbe, wie für andere Sterbliche ein Trunk sprudelnden Champagners. Ex belebte ten, ihre Nerven und regte Geiſt und Körper an. Als ſie in die Nähe der Stadtkirche kam, wo an Sonn⸗ und Feiertagen Meſſe und Hochamt war, ſttömte ſchon eine Menge Leute im Sonntagsſtaat aus den Häuſern. Sie hielten die großen Geſang⸗ bücher vor der Bruſt und in den Händen den Roſen⸗ kranz. Auch viele Kurfremden eilten zum Gottesdienſt und Landleute von Fern und Nah in heimiſcher Landestracht. Vor dem Kirchenportal entſtand ein großes Gedränge und Annie wurde vom Menſchenſtrom vorwärts geſchoben und hinein ins Golteshaus. Eine ſchwüle weihrauchsgetränkte Luft ſchlug ihr entgegen, blendender Kerzenglanz umfluthete fie. Vor dem reichgeſchmückten Hauptaltar ſtanden der Dechant und zwei Kapläne aus dem ritterlichen Orden der Kreuz⸗ herren mit dem rothen Stern. Sie murmelten lateiniſche Gebete, die ſie nicht verſtand. Dann er⸗ ſcholl Orgelton und der fromme Geſang der Gemeinde miſchte fich mit den feierlichen Klängen. Faſt auf allen Gefichtern war gläubige Andacht und Befriedi⸗ gung zu leſen. Zuweilen hörte man leiſes Seufzen und Weinen. Die ergreifende Gewalt der religlöſen Uebung ſchwebte überwältigend durch das Gotteshaus. Annie, obwohl Proteſtantin, wurde don dieſer Feier in der katholiſchen Kirche doch auch mächtig ergriffen und ſie betete andächtig für ihr Glück und ihren Seelenfrieden. Sie wüde auch noch länger in der Kirche geblieben ſein, voch es kam ihr vor, als hätte ſie in der nahezu überfüllten Kirche eine Ohnmacht zu befürchten und fie trat deshalb wieder hinaus ins Freie⸗ Sie ſah nach der Uhr, es war noch ſtrüh. Da Mama jedenfalls noch nicht ſchlief und ſte nicht ver⸗ miſſen würde, wollte ſie noch einwenig herumſtreiſen. Unterhalb der Kirche, am rechten Ufer der Tepl, befand ſich die Sprudel⸗Kolonade, ein Prachtbau mit impoſanten Dimenſtonen. Sie war bis dahin noch nicht hier geweſen und nun freute ſie ſich, daß ſich ihr jetzt Gelegenheit bot, die merkwürdige Heil⸗ quelle kennen zu lernen. Ohne langes Säumen trat ſie in die weite Trinkhalle ein, in deren Mitte ſich das große Reſer⸗ voir befand, aus dem das heiße Thermalwaſſer in kurzen brauſenden Stößen ſchäumend und dampfend hoch in die Luft ſteigt. Sie blieb ſtaunend vor dieſem großartigen Naturwunder ſtehen, das ſeines Gleichen nicht viel auf Erden hat. Um ſie herum wandelten hunderte von Kurgäſten, welche alle von dem heilktäftigen Born Linderung ihrer Leiden erhoffen. Die Brunnenmädchen hatten alle Hände voll zu thun, um die Becher mit dem perlenden Sprudel zu füllen und die andrängende Menge zu befriedigen. ö Annie beobachtete mit immer mehr ſteigendem Intereſſe das maleriſche Wandelbild umher. Es war ihr alles neu und von fefſelndem Reiz. Dann miſchte ſte fich unter die fremden Leute, welche in der pracht⸗ vollen Sprudel⸗Kolonade im langſamen Kurſchritt