blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. ſar die Redaktion derantwortlich: Karl Molitar, Ladenburg Allgemeiner Anzeiger für Jadenßurg und Amgegend. erſchein jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis viertelfährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ 95 Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Dru und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. CTorpuszeile. Neelamen 20 Pfg. Nr. 55 Milkwoch. den 10. Juli 1895 Volitiſches. Stockholm, 6. Juli. Der deutſche Kaſſer pofſterte heute Vormittag an Bord der „Hohenzollern“ die Feſtung Frederlksborg. Er wurde von der Feſt⸗ ö 0 Zahlungen ausführen, nicht zur Verfügung geſtellt würden, find die gedachten Banken und Bankhäuſer mit den hiezu erforderlichen Mitteln für Rechnung der rufiſchen Regierung zu verſehen unter den Be⸗ ung aus mit Salutſchüſſen und Hurrah begrüßt, welche die „Hohenzollern“ erwiderte. Auch das dort liegende ſchwediſche Geſchwader gab Salutſchüſſe ab. Um 12 Uhr ankerte die „Hohenzollern“ auf Strömmen. Sofort ſtatteten der König und der Kronprinz von Schweden ſowie die Prinzen Karl und Eugen einen Beſuch an Bord ab, worauf dieſelben nach Logards⸗ krappau zurückkehrten. Hier landete um 1252 / Uhr der Raiſer, auf der unterſten Stufe vom König auf das Herzlichſte begrüßt. Große Volksmaſſen hatten ſich in den Straßen verſammelt, um der Ankunft des Kalſers beizuwohnen. An den Häuſern war Uberall prächtiger Blumen⸗ und Pflanzenſchmuck an⸗ gebracht, auch die Schiffe im Hafen find mit Flaggen reich geziert. Petersburg, 7. Jull. Geſtern abend wurde der Vertrag über die Emiſſion der chineſiſchen 4 proz. Holdanleihe von 400 Millionen Frcs. ſeitens der 6 franzöfiſchen und 4 ruffiſchen Banken ſowie ſeitens der chinefiſchen Bevollmächtigten unterſchrieben. Die Tilgungsfriſt beträgt 36 Jahre. Bis dahin kann weder eine Konverſion noch Tilgung ſtattfinden. Die Anleihe iſt garantirt durch Seezölle und Hinterlegung von Zollwerten. Falls China ſeinen Zahlungs⸗ verpflichtungen nicht terminmäßig nachkommt, über⸗ nimmt Rußland deren Erfüllung. Der Wortlaut des diesbezüglichen kaiſerlichen Ukaſes iſt folgender: In den Fällen wo aus irgend welchen Gründen die Summen welche für die Zahlung fälliger Coupons gezogener Obligationen der chinefiſchen Anleihe er⸗ forderlich find, den Banken u Bankhäuſern, die dieſe 8 — dingungen, welche die ruſiſche Reglerung d. h. der Finanzminiſter feſtgeſetzt hat. Ueber den Abſchluß weiterer chineſiſcher Anleihen enthält der Ukas nichts. Paris, 6. Juli. Im Miniſterrath kündigte Admiral Besnard an, das ſpaniſche Geſchwader werde auf der Heimfahrt am 14. Juli in Cherburg Aufenthalt nehmen; die ruffiſchen Schiffe „Navarin“, „Rjurik“, „Grosjaſtiſchi“, auf der Fahrt von Kiel nach dem fernen Oſten, laufen ebenfalls Cherbourg an. — Die Neuwahlen zu den Generalräthen finden am 18. Juli ſtatt, — Die indirteten Steuern des Juni weiſen gegen den Juni des Vorjahres eine Mindereinnahme von ſechs Millionen Franken auf. Paris, 7. Jull. Det Pröfident der Republik empfing die Wittwe des Oberſten Petitpled. Der Oberſt hatte das Straßburger Artillerieregiment kommandirt und vor der Capitulation die Fahne bei ſeinem Hauſe vergraben. Seine Frau, die die Fahne heimlich ausgrub, brachte ſie in dem Ueber⸗ zieher ihres Kindes verſtickt nach Coblenz, wo der Oberſt gefangen war. Von hier brachte ſie die Fahne in ihr Kleid eingenäht, nach Frankreich zu⸗ rück. Dieſe Fahne hat die Wittwe heute dem Präfidenten Faure überreicht, der ihr ſeinen Dank ausdrückte, und anordnete, daß die Fahne in das Invalidenhotel gebracht werde. St. Quentin, 7. Juli. feierliche Enthüllung des Denkmals zur Erinnerung an die Vertheidigung von St. Quentin im Jahre 1557 ſtatt. Der Miniſter des Auswärtigen, Hano⸗ taux, hielt hierbei eine Rede, in der er an die traurige Lage des vom Feinde überzogenen Frank⸗ Heute fand die reichs im Jahre 1557 erinnerte und hinzufgte, Frankreich, das im Jaufe ſeiner Geſchichte wieder⸗ holte Schickſalsſchläge erlitten, habe ſich immer wieder erhoben. Es habe um ſich mehrere mächtige Re⸗ gierungen, deren Herrſchaft unerſchütterlich ſchlen, zuſammenbrechen ſehen. Dieſe Lebenskraft verdanke Frankreich nicht allein ſeinem ſtarken Patriotismus, ſondern der unleugbaren Nothwendigkeit ſeiner Rolle unter den andern Völkern, welche ihm ſtets werth⸗ volle Sympathien und ausdauernde Mithilfe ein⸗ getragen habe. Frankreich müſſe ſich den ihm von ſeiner Beſtimmung zugewieſenen Aufgaben treu er⸗ weiſen und eine wachſame Hüterin der edlen Ideen und großen Grundſätze bleiben, die auf dem Rechte beruhen, welches gefichert iſt durch ſeine Stärke und das weiſe Haushalten mit ſeinen Kräften. Sicher in ſeinen Freundſchaften zur Begeiſterung und zu Opfern fähig, könne Frankreich mit Vertrauen der Zukunft entgegenſehen. Jerſchiedenes. 5 — Ladenburg, 8. Juli. Ein wirth⸗ schaftliches Capitel in dieſen warmen Julitagen, zum Beginn der Reiſeſaiſon zu erörtern, iſt nicht immer lohnend, aber es wird doch gut ſein, die Angelegen⸗ heit nicht einfach dem Sommerſchlaf zu überlaſſen. Während jetzt ſo Viele in der freien Natur Erholung und Erquickung ſuchen, nimmt mancher geplagte Kaufmann und Gewerbetreibende ſein Contobuch aus dem Regal, überfliegt die Poſten, die der Er⸗ ledigung noch harren und beginnt wiederum jene weißen Blätter auszufüllen, die wir Rechnungen nennen. Es iſt die wiederholte aber nicht verbeſſerte Auflage. Zum Jahreswechſel ſchon wanderten dieſe Brieſchen hinaus, und gute Wünſche und frohe Hoffnungen wurden gewiß mit hineingepackt. Aber Oeläuterte Herzen. Novelle von Johanna Berger. Fortſetzung. Am nächſten Morgen blaute der Himmel wieder in reinſter Klarheit über Berg und Thal. Nur dos Erzgebirge war noch von zarten Duftſchleiern eingehüllt, bis doch allmählich Kuppe von Kuppe ſichtbar wurde. Auf den Dächern der Kurſtadt brannte die Sonne heiß und ihn den Straßen brütete ſchwüle Luft. Darum ſtrömte Alles ins Freie, in den kühlen Wald, der im herrlichſten Frühlingsſchmuck prangte. Hell⸗ grün ſchimmerte das friſche Blätterwerk der Buchen und Birken, die dunkeln Tannen trieben röthliche Kerzchen. Das Gras war noch frei von jeglichem Staub und mit bunten Blumen maleriſch untermiſcht. Alles grünte und blühte, duftete und leuchtete. Bienen ſummten, Käfer ſchwirrten und im Gezweig jubellcten die Vögel. Frau Räthin Göhren war wieder frühzeitig am Mühlbrunnen erſchienen, um gewiſſenhaft die ihr vorgeschriebenen drei Becher zu trinken. Dann kam Annie, um ſie zum Frühſtück abzuholen. in gemeſſenem Kurſchritt gingen ſie an der Häuſer⸗ reihe der alten Wleſe entlang, wo es kühl und ſchattig War, bis zu den Puppſchen Anlagen. Da alle Kaffee⸗ ö 1 g 1 Langſam tiſche bereits beſetzt waren, beſchloſſen fie weiter zu wandern und zwar auf den bequemen Promenadenwege, welcher das gewundene Thal der Tepl durchſchneidet. Zu beiden Seiten ragten ſteile grüne Waldberge, ſchroffe Felſen und Granitblöcke empor. Zuweilen buchtete ſich das Flüßchen zu einem weiten Waſſer⸗ becken aus, wo im warmen Schein der Morgenſonne Forellen und kleine Fiſche ſpielten. Immer mehr und mehr verengte ſich das Thal, dann öffnete es ſich wieder ein wenig und nun ſchimmerte aus grünem Waldesgrund und dicht an die pitor sken Felſenwände gelehnt, eine freundliche Sommerwirthſchaft hervor mit geſchmackvollen Veran⸗ den und Pavillons. Das war der Freundſchaftsſaal, der von den Kurfremden mit Vorliebe beſucht wurde. Die ſtundenlange Wanderung hatte die Damen müde und hungrig gemacht. Im Garten unter einer großen Buche befand ſich eine Ruhebank mit einem gedeckten Tiſchchen davor. Hier ſetzten ſie ſich nieder. Ein ſauberes Mädchen eilte raſch herbei und brachte auf blankem Tablett den duftenden Mokka und ein bundgeblümtes Porzellantellerchen mit knuspeigen Kipfeln und Hörnchen, wie man in Oeſterreich das Kaffergepuͤck nennt. Im kühlen Baumſchatten ſaß ſich's ſchön, der Wald hauchte würzige Harzluft aus, und oben im Buchengipfel ſang die Droſſel ihr beſtes Lied. Die Räthin war heute in außerordentlich guter 0 e Sitz gelegt, ſich recht behaglich darauf nledergeſetzt und alhmete mit Wonne den Azon des Waldes ein. Nachdem ſie ſich an dem guten Kaffee und dem trefflichen Gebäck gelabt hatte, ſetzte ſie ihre Brille auf die Naſe, zog aus dem rothſammetnen Pompa⸗ dour die letzte Nummer der Stettiner Zeitung hervor und begann eifrig zu leſen. Zuerſt mit beſonderem Interreſſe die verſchiedenen Familiennachrichten und Anzeigen. Dann kam das Feuilleton mit dem ſpannenden Roman an die Reihe, zuletzt ſämmtliche Bellagen. Sie fand mit Leſen gar kein Ende, nur die polltiſchen Artikel ließ ſie außer Acht. Nun kam auch noch die Mizie, das Koffeemädel, angerannt, die ein ſpendiges Trinkgeld erhalten hatte und legte einen großen Stoß Badeblätter auf den Tiſch. Der alten Dame wurde es immer gemüthlicher zu Muthe, denn leſen war ihr einzige Penſton. Annie ſaß ſtumm und mit ernſtem Geſicht auf ihrem Platz und bedrabtete die umliegenden Berge, den hübſchen Garten mit ſeinen Raſenplätzen und Blumenbeeten, und die blaudernden Menſchengruppen rings umher. Bald aber fand ſie an dieſem müßi⸗ gen Stillfitzen etwas auszuſetzen. „Ich mochte noch ein bischen weiter gehen, Mama,“ ſagte ſie. „So geh doch!“ erwiderte dieſe. „Ich will mein Tuch mitnehmen und mich ins Gras legen — ich ſchaue ſo gern in den blauen Himmel hinein!“ ſagte Annie,