015 . blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. 5 Geſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. — Nees vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ ſr die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus-Zelle oder dere; Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ 5 Hrus und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. und Privatanzeigen 6 Pfg. Corpuszeile. Reelamen 20 Pfg. it Nr. 54. Famsfag, den 6. Juli 1895 4 Ke, 1 Ebel Wilhelm der Große. A, „Zum Gedächtn i Raiſer Wilhelms des Großen 4 00, kaufe ch den Kanal; Kaiſer Wilhelm⸗Kanal!“ Das ein, parken die Worte, mit denen unſer Kaiſer die drei — danmerſchläge bei der Schlußſteinlegung in Kiel de Anleltete. So kurz dieſer Spruch iſt, ſo reich iſt ue gen Inßalt; hat er doch der Welt zwei große Ueber⸗ as wü raſchungen bereitet. Auf den Atlanten wird fortan bei der Ver⸗ Ibündg Undung der Nord⸗ und Oſtſee der Name Kaiſer⸗ WMibelm⸗Kanal prangen. Mit ſicherem Blick hat l, unser Kaiſer erkannt, daß dieſe Bezeichnung des ge⸗ ſortgecen waltigen techniſchen Werkes ein dauernderes Denk⸗ neturgag zeichen ſeines unſterblichen Großvaters ſein werde, nden. als Bildſäulen und Denkmäler aus Erz und Marmel⸗ Jul n ten, und daß dieſes größte Bauwerk, welches ofen Deulfchland geſchaffen hat und welches ohne das „u. Reich nie zu Stande gekommen wäre, mit dem ttgart, . des Reiches für immer verbunden werden 6. müſſe. 5 Die andere Ueberraſchung, welche die kalſer⸗ lichen Worte enthal ten, iſt die Bezeichnung Wilhelm des Erſten als Wilhelm des Großen. Schon mehr⸗ mals iſt von Lehrern der Geſchichte ia Vorleſungen Über die deutſchen Einheitsbefirebungen der Verſuch gemacht worden, dem Begründer unſeres Reiches den Nomen des Großen beizulegen. Wenn nun ſein Enkel dieſe Bezeichnung wieder aufnimmt, ſo müſſen kit ſlelten u je Jet riechende lichen g. ift fadthal Ml. bi alther, Ff Gründe dazu veranlaßt haben. Als Kafſer Wilhelm der Erſte zu ſeinen Vätern berſammelt war, da hat der größte lebende Sprach⸗ meiſter, der treueſte Diener ſeines Herrn, die Charaktereigenſchaften des greiſen Helden in die Worte „Heldenmuth“, „Hingebung“, „Arbeitſam⸗ hn — das fleht wohl außer Frage — gewichtige heit zu Macht und Glanz führte und dem deutschen keſt“ und „Pflichttreue“ zuſammengefaßt. Fürſt Bismarck hat damit ein Urtheil ausgeſprochen, wie es nie ehrender und wahrer einem Kalſer und König ins Grab gefolgt iſt. Und in der That hat Wilhelm der Erſte die böchſten menſchlichen Tugenden vereint mit den edelſten Tugenden eines Herrſcherg. Sein ſchlichtes, be⸗ ſcheldenes, allem unnützen Prunke abholdes und doch innerlich ſo vornehmes Weſen wird in aller Zukunft den koftbarſten Spiegel Derer bilden, die eine Krone tragen. Seinen ſicheren Takt muß man bewundern und die Entſagung, die er ſelbſt in der Verfolgung ſeiner Lieblingsgedanken übte; man muß ſich beugen vor dem klaren Verſtande, der ihn feſthalten ließ an ſeinen geiſtesgewaltigen Gehülfen, an den glänzenden Geſtalten der Bismarck, Roon und Moltke und ſeine Weisheit, Milde und Gerechtigkeit preiſen, mit der er nach drei ruhmreichen Kriegen im Frieden ge⸗ waltet hat. Aber dieſe Eigenſchaften und Verdienſte würden die Nachwelt noch nicht veranlaſſen, ihrem Träger denselben Beinamen zu geben, den ſie einem Al xander, einem Otto und einem Friedrich zuerkannt hat; aber Wilhelm der Erſte hat noch ein Verdienſt auf⸗ zuweiſen, auf das neben ihm kein anderer Monarch Anſpiuch erheben kann. Er war es, der den er⸗ blaſſenden monarchiſchen Gedanken neu belebte, auf's mächtigſte unterſtützt von dem gewaltigen eiſernen Kanzler, Deutſchland aus der ohnmächtigen Zerrifſen⸗ Namen, vocher im Auslande vielfach ein Gegenſtand des Spottes, wieder Achtung verſchaffte. Der Traum unſerer Vater, die deutſche Einheit, die Tauſende vergebens erſtrebt hatten, iſt durch ihn und den großen Staatsmann, ſeinen treueſten Diener ver⸗ wirklicht worden, und das deutſche Kaiſerreich, das nunmehr feſiſteht, morgen Abend von hier abreiſen gegenwärtig an der Spitze der Nationen marſchirt iſt ſein Werk. Und gerade in dem Augenblicke der Schluß⸗ ſteinlegung des Kaiſer Wilhelm ⸗Kanals mußte der Gedanke unſeres Kaiſers, den Schöpfer des Reiches durch den Beinamen des Großen zu ehren, auf fruchtbaren Boden fallen. Möge er in den weſteſten Nrelſen Wurzeln faſſen. 5 Pol itiſches. — Berlin, 3. Juli. Anläßlich des Atten⸗ tatsverſuchs gegen den Polizeioberſt Krauſe tele⸗ graphttte der Kalſer an dieſen: „Mit Abſcheu babe ich von dem Anſchlag vernommen, der gegen Sie geplant worden war. Durch Gottes gütige Vor⸗ ſehung iſt mir ein braver Offizier, ein unermüdlich treuer Diener meiner Vorfahren und meiner Perſon erhalten geblieben. Möge Ihre bewährte Kraft noch lange zum Wohle des Gemeinweſens meiner Refldenz und Ihrer braven Schutz mannſchaft urs Allen er⸗ balten bleiben.“ Die „Nationalztg.“ ſchreibt: Die Nachforſchungen nach dem Ucheber des Attentats gegen den Polizeloberſt Ktauſe haben ſich nicht auf entloſſene Schutzleute und Nachtwächter beſchränkt, vielmehr weiſt der Umſtand, daß der gefundene Revolver belgiſches Fabrikat, ferner, daß zum Ver⸗ packen der Benzinflaſchen auch eine vorjährige, hier unb kannte belgiſche Zeitung benutzt worden iſt, nach Belgien hin und laſſen anarchiſtiſchen Urſprung ver⸗ muthen. Kiel, 3. Jull. Das Befinden der Kaiſerin iſt fortgeſetzt recht günſtig. Die Kaiſerin wird, wie 1 und Freitag auf Wildpark⸗ Station eintreffen. Den geſtrigen Tag konnte ſie bereits außerhalb des Beltes zubringen. 2 Mohr . dem Ol cheat B ftir ert i er Git „ one 1 Oeläuterke Herzen. Novelle von Johanna Berger. 3. Fortſetzung. Ich beſuche Karlsbad in jedem Sommer und abe die Dame ſeit drei Jahren regelmäßig hier angetroffen,“ erwiderte er, während er ſeine goldene Brille zurechtrückte. „Sie iſt Mexikanerin, eine Lady Lucia Campello, Wittwe und unumſchränkte Herrin eines coloſſallen Vermögens — und derjenige Stern der Badegeſellſchaft, welcher alle andern Sterne verdunkelt. Sie iſt eine gefährliche Zaub: rin, die mit raffinir⸗ ter Koletterie und anderen Künſten die Herrenwelt an ſich lockt und zu ihren Füßen zwingt, trotzdem ſie vielleicht nicht einmal im Traum daran denkt, ſich von Neuem zu vermählen.“ „Wie löanen Sie das Alles ſo genau wiſſen, Herr Profeſſor ?“ lachte die Räthin. „Wenn man ſo viel Zeit und Gelegenheit hat, wie ich, das Thun und Treiben dieſer Dame zu beobachten, kann man auch darüber urtheilen, meine ö Enadige. Ich wohne in demſelben Hotel wie Lady Campello.“ „So, ſo, dann it's freilich erklärlich. Aber was lönnen Sie uns von dem hübſchen Offizier wächſen zog und wo ſich eine ſchattige Laube befand. „Nicht viel! Ich kenne ihn nur vom Anſehen. Er verkehrt faſt nur mit Offizieren und gilt als ein ſehr feiner Mann. Manche Leute behaupten faßt allerdings, er ſei ein wahrer Don Juan und breche kick manches Mädchenherz. Doch wer ſoll dies ſo genau wiſſen. Das Herz der reichen Mexikanerin wird er übrigens ſchwerlich brechen, denn ſie beſitzt keins, und läßt ſich nur die Huldigungen des ſtatt⸗ lichen Offiziers, der meines Wiſſens zum erſten Male in Karlsbad iſt, gefallen.“ Auf Annies Wangen kam und ging ein dunkeles Noth, ſie riß ungeduldig an ihrem Maiblumenſtrauß herum, daß die zarten Glöckchen zu Boden fielen. Sie war offenbar empört, daß der Profeſſor ihren hübſchen Tänzer ſo verunglimpfte. „Bitte Mama, laß uns aufbrechen!“ ſtieß ſie unmuthig hervor. „Gewiß, liebes Kind! Ich hobe ſchon meine Zeit verplaudert und der Arzt hat mir am Vormit⸗ tag ein Sprudelbad verordnet,“ verſetzte lebhaft die Räthin und verabschiedete ſich haſtig, doch mit großer Wärme von dem Peofeſſor, der ſich gleichfalls von ſeinem Plotze erhoben hatte. Annies Augen flammten ihn zornig an, als ſie ſich kühl und kurz vor ihm verneigte. Vor ihrer Wohnung angelangt, trafen die Damen ihre liebenswürdige Wirthin im Vorgärtchen an, in dem ſie eine Fülle von Blumen und blühenden Ge⸗ Die Räthin verweilte noch ein wenig hier, um von ihrer Begegnung mit dem Profeſſor, dem Sohne eines Jugendfreundes, zu erzählen. Annie ging ſofort ins Haus und ſtieg raſch die breite Treppe zum Oberſtock hinan. In ihrem Zimmer ſetzte ſie ſich in die dunkelſte Ecke und ließ den Kopf hängen. Alles, was der Profeſſor über den Leutenant geſagt hatte, ſchoß ihr noch einmal durch den Sinn. — Aber was entrüſtete ſie ſich ſo darüber? — Was ging es ſie an, ob er ein Don Juan war oder nicht? Sie kannte ihn kaum, und ob er wieder mit ihr tanzen oder ſonſt dei einer paſſenden Gelegenheit die Bekanntſchaft erneuern würde, war doch noch die Frage. Es war am Beſten, nicht mehr an ihn zu denken — wie tböricht von ihr, fich über einen ihr wildfremden Menſchen zu erregen? Nachdem ſie ſoweit mit ihrem Grübeln gekommen war, lief ſie zum Fenſter, öffnete es, ſah munter in den blübenden Garten hinab und lauſchte dem Geſang der Vögel. Nach dem Mittagsmahl im Hotel blieben die Damen daheim und tranken ihren Koffee in der freundlichen Veranda vor dem Hauſe. Die Launen des Frühlings hatten das Wetter verändert und es regnete in Strömen. Die Räthin hatte es ſich bequem gemacht. Sie lehnte ihn einem weichen Armfſeſſel und las das Karlsbader Badeblatt und die Kurliſte und war ſi einmal beim Leſen, dann hörte ſie ſobald nicht wieder auf,