blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. r. 50, Allgemeiner Anzeiger filr Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltunge⸗ für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg ger Samstag. Ladenburg und Amgegend⸗ Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder deren Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. Druck und Perlag von Narl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Neclamen 20 Pfg. 1895 — Die Jeſtlichleiten in Hamburg und Kiel. Am geſtrigen Mittwoch nahmen die zur Ein⸗ weihung des Nordoſiſeekanols in Szene geſetzten großartigen Feſtlichkeſten ibren Anfang in der alten Hanſaſtadt Hamburg, die ſich dementsprechend in ein außerordentlich reiches und ſchönes Feſtgewand ge⸗ worfen hatte und zu der aus der näheren und wei⸗ teren Umgebung wie aus weiter Ferne Hunderktau⸗ ſende von Gäſten geplgert waren. Auf den Dächern ut er und in den Läden waren Tribünen errichtet, die ſich bt D dicht beſetzt zeigten. Trotz des ungeheuren Verkehrs aufen, in den Straßen war die Ordnung muſterhaft. d. Bl. Kurz nach 7 Uhr morgens traf der König von — Scchſen ein, bald darauf der Großherzog von Baden und in einem weiteren Zuge der Großherzog von Heſſen mit dem Herzog von Sachſen⸗Koburg⸗Gotha. Sümmtliche Fürſtlichkeiten wurden von Senatsmit⸗ gliedern empfangen und nach dem Abſchreiten der Ebrenkompagnien in ihre Wohnungen geleitet. Der König von Württemberg begab ſich nach ſeiner An⸗ kunft um 12 Uhr ſofort in den Zoologiſchen Garten zum Frühſtück, an dem außer den Fürſtlichkeiten der Reichskanzler, viele Miniſter und Senotoren, im — ganzen etwa 120 Perſonen an 12 Tiſchen theil⸗ vaſſe nahmen. 8 ein, Anh Kurz vor 3 Uhr traf Prinz Heinrich mit Ge⸗ folge ein, von den Bürgermeiſtern Lehmann und Mönckeberg auf dem Bahnhofe empfangen und be⸗ grüßt. Nach 4½ Uhr lief der Kaiſerzug langſam in den Bahnhof ein. Unter begeiſterten brauſenden Hurrahrufen des zahlreſchen Publikums entſtieg der Kaiſer in der Uniform der Garde du Korps dem Salonwagen ſchritt auf den Bürgermeiſter Lehmann zu, welcher in einer kurzen Anſprache demſelben den Willkommengruß und die Huldigung der Stadt Hamburg darbrachte; dem Kaiſer folgten die ver älteſten kalſerlichen Prinzen in geſchmackvoller Ma⸗ troſenleidung. Die Fahrt vom Dammthor⸗Bahnbof bis zur Landungsbrücke bei St. Pauli geſtaltete ſich zu einer einzigen ununterbrochenen Huldigung, welche Hamburgs Bevölkerung dem Kaiser darbrachte. In der Umgebung des Rathhauſes hörte man fortwährend Hocheufe, als die Fürſten zum Feſtmahl anfuhren. Um 6½ Uhr traf der Kaiſerwagen im Rathhaus ein. Nach dem Cercle im Vorſaal betrat der Kaiſer den Speiſeſaal. übrigen Tiſchgäſte folgten. Der Anblick der beſetzten Tafel war großartig. Der Kaiſer zeigte eine allge⸗ mein auffallende heitere, vergnügte Stimmung. Er unterhielt ſich hauptſächlich lebhaft mit ſeinem Tiſch⸗ nachbar zur Rechten, dem Prinzregenten Luitpold. Auch mit dem neben dem Prinzregenten fitzenden König von Württemberg und dem links vom Kaiſer ſitzenden Bürgermelſter Lehmann, dem König von Sachſen und dem Großherzog von Baden führte der Kalſer lebhafte Geſpräche. Nach dem zweiten Gange hielt der Bürgermeiſter Lehmann eine Anſprache an den Kaiſer: Der Kafſer und das Reich hätten den Nordoſtſeekanal geſchaffen. Hamburg ſei durch den Kaiſer auf Wunſch des Senats zum Ausgangspunkt der Feier gemacht. Dadurch erwies der Kaiſer Ham⸗ burg eine große Ehre. Die glänzendſte Verſammlung erhabener Fürſten und hervorragender Männer, die jemals dieſe Stadt durch ihren Beſuch ausgezeichnet, habe er heute hier begrüßt. Er heiße alle namens des Senats, der Bürgerſchaft und der ganzen Be⸗ völkerung herzlichſt willkommen. Der heutige Tag ſei der denkwürdigſte Tag, den Hamburg je geſehen. Im Hinblick auf das geſchoffene Werk habe die Stadt Hamburg noch einem beſonderen Danke Aus⸗ druck zu geben, weil die Elbe als Lebensader der Die Fürſten und die Stadt gleichſam die zweſte Mündung in ein zweites Meer erhält, ſo doß künftig die Wogen der Nordſee und die Wogen der Oſtſee ſich an unſeren Geſtaden kreuzen. Der Segen der neuen Verbindung beider Meere kommt nicht nur den deutſchen Küſten zu gute, er fördert und belebt nicht minder den internationalen Verkehr. Die internationale Bedeutung des Kanals iſt durch die Anweſenheit der hohen Vertreter der meiſten ſeefaßrenden Nationen verbürgt. Danken wir den Schöpfern dieſer berrlichen Anlagen, danken wir dem Kaiſer und dem Reich. Mögen alle Hoff⸗ nungen in Erfüllung gehen, welche ſich an die Er⸗ oͤffnung der neuen nationalen und internationalen Waſſerſtraße knüpfen. Indem wir Ihnen hochver⸗ ehrte Gäſte glückliche erſte Fahrt durch den Kanal und eine frohe Feier in Kiel wünſchen, hoffen wir, daß an derſelben die Kaiſerin, deren Abweſenbeit wir heute ſchmerzlich beklagen, in wiederhergeſtellter Geſundheit teilnehmen wird. Der Bürgermeſſter bat hierauf den Kaiſer, ein Telegramm an die Kaiſerin verleſen zu dürfen. Nach Verleſung des Telegramms fuhr der Bürgermelſter fort: Hier aber dürfen wir Sie bitten, ſich zu vergegenwärtigen, daß es ein deutſches Werk iſt, deſſen Eröffnung wir entgegen⸗ ſehen und Sie daher erſuchen, allſeitig in den Ruf einzuſtimmen, der Kaiſer und die Kaiſerin, ſowie die erhabenen Verbündeten des Kaiſers und des Königs, ſie leben hoch. — Auf die Rede des Bür⸗ germeiſters erwidernd, dankte der Kaiſer für den außergewöhnlich warmen Empfang. Der gleich einer Windsbraut ihm entgegenſchallende Jubel ſei der Ausfluß des Pulsſchlages des geſam aten deutſchen Volkes, welches das ſtolz geeinte Reich in ſeinen Fürſten und anderen hohen Gäſten vertreten ſehe. Der Kaiſer gedachte in Dank und Wehmuth des großen Kaiſers und ſeines herrlichſten Sohnes, unter DTrug-Glück. Novelle von Thekla Hempel 5 Fortſetzung. 1 Eliſabeths Pflichten⸗Kreis hatte ihren Ab⸗ ſchluß gefunden, ſie fühlte, daß fie hier nicht mehr nöthig war, trotz aller Freundlichkeit welche ihr zu theil ward; vor der Hand beſchloß ſie zu den Eltern zu reiſen, deren dringender Wunſch es war, die Tochter einige Zeit bei fich zu haben, dann aber aufs neue unter den Fremden ihren Etwerb ſuchen. An einem Spütnachmittage ſaß ſie am Fenſter vorher durchwacht bei einem Verwundeten, ebenſo Nachfinnen wohl. tarzinden Schneeflocken und ihre Gedanken flogen weit zurück zur Vergangenheit; wie wunderbar Gott ſie geführt, wie ſo ganz anders ihr Leben ſich geſtaltet, als ſie gedacht und gewünſcht. Kaum von den ſühlte ſte fich unbefriedigt, verlangte nach ganz anderem. Der Mutter Vorwürfe, daß ſie nie zufrieden, erſchienen ihr ungerecht. Mit dem Fuße hätte ſie anſſtampfen mögen, daß ſie ſtets daſſelbe einfache weiße Kleid nagen mußte, die ſelbſtgezogene Blume im Haar. In derſelbden Geſelligkeit machte die Tochter des reichen Getreidehändlers fich breit im ſeidenen Schleppen⸗ gewand direkt ous Paris bezogen, ſie muſterte mit ſpöttiſchen Blicken die Toilette von der Tochter des Oberſten. Endlich war es erreicht, was ſie glühend erhofft; ihr Vater war Regimentskommandeuer in der Haupſtadt. O, warum ſahen ihre Bekannten nicht, wie ihr Hofkleid glänzte in den Spiegelwänden des Fürſtenſchloſſes, wie ſie gefeiert, bevorzugt ward. Dott ſah ſie Herbert von Löwen wieder, ſie liebte ihn, allein größeres Glück noch wollte ſie erringen, ſie hieß ihr Herz ſchweigen. Hoͤher hinauf ging ihr Flug, unter Palmen zu wandeln. Sie that es nicht ungeſtraft, es folgte in einem Zaimmer im Erdgeſchoß; ſie hatte die Nacht zu ihren Füßen, da hinab! Rlefen ſie nicht? Klagte Tages über treulich geholfen, nun thot ihr ein stilles Sie blickte hinaus zu den luſtig Eltern eingeführt in die Geſelligkeit der kleinen Garniſon, der Sturz zur Tiefe, Krankheit, Armuth, man ver⸗ wies ſie aus dem Fürſtenſchloß. Die Wellen rauſchten nicht eine Stimme traurig, mitleidig an ihr Ohr? — Ihr Kopf iſt ſchwer, ſie will enkfliehen, allein die Füße verſagen den Dienſt, Zu ihm! Er iſt in Noth, in Gefahr, er ruft ſie! Sie wendet alle Kräfte an, endlich ſchlägt ſie die Augen auf, alles war ein böſer Traum, ſie hatte den feſten Schlaf der Ueber⸗ windung geſchlafen. Noch finkt der Schnee in dichten Flocken herab, nur die Dämmerung hat mehr noch das Tageslicht verſcheucht. durch einen Laut im Nebenzimmer unterbrochen. Sollte der ſchwerleidende Offizier der Hilfe bedürfen, ſie überlegte nicht lange, flößt die Thür auf. Er Da wird die tiefe Stille ſteht ihr gegenüber in bequemer Interlumsuniform, den Verband von den Augen gelöſt. Wortlos blickt er ſie an; endlich löſt es ſich von ſeinen Lippen: „Eliſabeth, Du biſt es, ich ſehe Dich wieder.“ „Um des Himmelswillen, Herr von Löwen, laffen Sie ſich den Verband umlegen, es könnte Ihnen ſchaden!“ „Nur wenn Du mir ein beſſeres Wort gönnſtl“ „Herbert, ich liebe Dich ſchon lange, Todesangſt habe ich um Dich getragen, folge mir!“ Mit ſorgſamer Hand verhüllte fle die ſchmerzenden Augen. Nun ſſtzen fie Hand in Hand. „Ich hörte, daß Du in die Fremde gegangen: dann, ſogar bis in Feindesland drangen ſo viele wahre und unwahre Nachrichten, Du ſeiſt eines reichen Mannes Frau geworden; ich wollte ſterben, allein mein Wunſch erfüllte ſich nicht. In Verzweiflung kehrte ich zurück ins Vaterland. Warum durſte ich nicht ſterben, nachdem ich meinte, Dich guf immer verloren zu haben? Nun danke ich Gott, daß ich lebe: Ich löſte ſoeben zum erſten Male den Verband, ich ſah Dich! Oh, mein Lieb, ſei mein, laß mein ganzes Leben Dir beweiſen, wie innig ich Dich liebe. Alles will ich ertragen, um das Augenlicht wieder zu erlangen.“ 0 „Und wenn Gott es anders beſtimmt hat, dann laß mich Dich führen und leiten, laß mich Dein hartes Loos Dir erleichtern nach meiner Kräften. Erſt als ein anderer Mann meine Hand bege