Preis viertelfährlich Mark 1.—, mit iluſtriertem . blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg Nr. 47. NMilfwoch, den 12. Juni Corpuszelle. Neelamen 20 fg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. . 10895 Die Gewitter⸗ und Hochwaſſer⸗Kataſtrophe in Württemberg. Balingen, 9, Juni. Geſtern Morgen von 9 Uhr an beſichtigte König Wilhelm in Balingen unter heißen Thränen die Unglücksſtätten und ſpen⸗ dete den Schwerbetroffenen aus eigener Kaſſe. Das Elend iſt welt größer, als man vorgeſterv noch dachte. Der König beſuchte ferner Laufen, Ebingen und Margrethauſen. Über den Aufenthalt in letz⸗ terem Orte wird der „Frkf. Zig.“ u. A. telegraphirt; In Margrethauſen bot ſich ein Bild der Zer⸗ ſtörung, wie es ſchrecklicherweiſe in keiner der ver⸗ wüfteten Orlſchaften zu ſehen war. Auch hier iſt Steine, Trümmer und Balken find hoch aufgeſchichtet. Gleich am Dorf⸗ eingang ſteht noch das Bruchftück eines Hauſes, das zum größten Theil weggeſchwemmt wurde; alle Be⸗ wohner, Mann, Frau und drel Kinder, ertranken, die Leichen wurden heute beerdigt; ein Kind iſt noch nicht aufgefunden. Daneben find mehrere Häuſer völlig zerſtött, viele arg beſchädigt. Die Bebölkexung ſteht noch unter dem Eindruck der furchtbaren Er⸗ lebniſſe, die Bewohner dieſes Ortes find größtentheils ſehr arm, ſo daß die Kataſtrophe hier doppelt arg trifft. Außer dem Schaden an Gebäuden und Wieſen iſt auch der an Vieh bedeutend. Auf eine lange Strecke iſt die Straße demolirt. Die Eyach hat hier wie in Frommern den Lauf verändert, den Straßenkörper tief heruntergeriſſen und ſich ein neues Bett gewühlt. Der König ließ ſich hier ebenſo wie in den übrigen beſuchten Ortſchaften von den Orts⸗ behörden, Geistlichen und den Betroffenen ſelbſt den Hergang der Kataſtrophe erzählen; er ging auch in das Innere ver ſchrecklich zerſtörten, mit Schlamm und Trümmern angefüllten Wohnungen. Sichtlich bewegt von dem Geſchehenen, erklärte er den Be⸗ troffenen, er füßle ein lebhaftes Bedürfniß, ſeine Theſlnahme auszudrücken und zu beweiſen, und hinter⸗ ließ aller Orten namhafte Spenden zur Linderung der ſchlimmſten Nolh. Nachdem auch noch Lautlingen beſucht war, fuhr der Hofzug nach Balingen zurück. In allen Orten wurde der König von der Be⸗ völkerung lebhaft und warm begrüßt. Um 3 Uhr erfolgte die Rückfahrt nach Stuttgart. Wie der „Schw. M.“ aus ſicherer Quelle ver⸗ nimmt, hat die Königin in landesmütterlicher Für⸗ ſorge für die waſſerbeſchädigten unglücklichen Bewohner des Bezirks Balingen aus ihrer Privatſchatulle dem Hilfskomitee in Balingen 3000 Ma zuweiſen laſſen. Von Ulm iſt eine dritte Abtheilung Pionire mit Pontons und Brückenmaterial nach den Unglücks⸗ ſtätten abgegangen. Dem Hilfskomitee find Abge⸗ ordnete aller politiſchen Parteien beigetreten; es werden Sammlungen für die Opfer der ſchweren Kataſtrophe veranſtaltet. Vol itiſches. Berlin, 8. Junl. Der Kaiſer hat in dieſen Tagen anläßlich ſeines jüngſten Beſuches in Kiel die Vorbereitungen für die Einweihung des Nordoſtſee⸗ Canals ſowie den Kanal ſelbſt einer letzten Beſich⸗ tigung unterzogen. Am Montag früh gedachte der erlauchte Monarch von dem Kieler Ausflug wieder im Neuen Palais bei Potsdam einzutreffen, um dann den größeren Cavallerie⸗Befichtigungen und Uebungen beizuwohnen, welche in den Tagen vom 10. bis mit 14. Juni auf dem Bornſtedter und Tempelhofer Felde ſtatlfinden. Hierbei wird auf Einladung des Kaiſers auch Erzherzog Franz Sal⸗ vator von Oeſterreich zugegen ſein, deſſen Ankunft im Neuen Palais noch im Laufe des Sonntag erwartet wurde. — Vom Kalſer iſt jetzt die Entſchedung in der Frage der Einführung neuer Ausrüflungs⸗ und Bek eidungsſtücke für das Heer getroffen worden. Auf Grund der ihm vorgelegten Proben hat der Monarch eine Reihe von Veränderungen in der Aus⸗ rüſtung wie in der Bekleidung der Fußtruppen ver⸗ fügt, und ſollen dieſe Aend rungen nach Maßgabe der hierzu verfügbaren Mittel zur Ausführung ge⸗ langen. Das Kriegsminſſterlum iſt angewleſen, das Weitere zu veranlaſſen. — Zwei militäriſche Actionen von deutſcher Seite in fernen Zonen werden gleichz⸗itig gemeldet, aus Kamerun und aus Oſtaſten. In Kamerun bat die kaiſerliche Schutztruppe den ſchon ſeit längerer Zeit aufſtändiſchen räuberiſchen Bakokos⸗Stämmen eine ſchwere Niederlage am unteren Samagafluſſe beigebracht. Die Bakokos verloren allein an Todken 200 Mann, zahlreiche Gefangene fielen in die Hände der Deutſchen, dier Hauptorte der Feinde wurden zerſtört. Der deutſche Verluſt beziffert ſich auf 12 Todte und 47 Verwundete. Es iſt mit Sicherheit anzunehmen, daß dieſe empfindliche Niederlage der Bakokos die Eröffnung ihres Landes für den Handel zur Folge haben wird. In Oſtaſien hat das deutſche Kanonenboot „Iltis“ die formoſaniſchen Rebellen Mores lehren müfſen. Von der chinefiſchen Beſatz⸗ ung die Forts in Tamſui wurde auf einen deutſchen Handelsdampfer, welcher mit Flüchtlingen an Bord in See gehen wollte, gefeuert. Infolge deſſen be⸗ ſchoß der „Iltis“ die Forts, dieſelben wurden zum Schweigen gebracht, die Beſatzung floh. Alsdann ging der erwähnte Dampfer ungehindert in See. — Friedrichs ruh, 9. Juni. Geſtern nach⸗ mittag traf der preußiſche Kriegsminiſter Bronſart von Schellendorf zum Beſuche des Fürſten Bismarck ein, übernachtete hierſelbſt und reiſte heute vormittag Fortſetzung. Zwei Tage vor unſerer Hochzeit kehrten wir gegen Abend von einem Spaziergang zurück; mein Bräutigam verabschiedete ſich ſogleich; er habe noch viel zu erledigen, bis morgen der erſehnte Urlaub beginne. „Dafür gehöce ich Dir ſodann vollſtändig an,“ vetſicherte er mir. Er erſchien mir an dem Tage ſo erregt, ſah bald todtenbleich aus, glühte dann wieder wie im Fieber, daß ich beſorgt nach ſeinem Befinden frug. Er lachte über meine Angſt, behauptete, die Sehnſucht nach mir habe ihn in der letzten Zeit ſo oft erregt. „Welch ein Glück, wenn der letzte Abſchi d vorbri iſt, und es giebt für uns keine Trinnung mehr!“ Mit dieſen Worten ſtürmte er hinaus; ihm nach, bis er mir entſchwand, und begriff nicht, daß mir urplötzlich der beüngſligende Gedanke kam, ich ſehe ihn nicht wieder, ein Gedanke, ſo furchbar, ſo verzweifelnd, daß mir der Athem ſtockte, minuten⸗ lang lämpfte ich mit einer ſchrecklichen Beklemmung, mein Herzſchlag ſtockte, dann war es vorbei, ich athmete tief auf und lachte herzlich über ſolche Wahnvorſtellung jetzt im hoͤchſten Glück! Unter mir hörte ich hämmern, pochen, hin und wieder gehen, man bereſtete in einem der großen Geſeliſchaftsräume alles für den Polderabend vor, meine Gegenwart wäre ſlörend geweſen. Träumend von der Zukunft, ſaß ich in meinem Zimmer allein. Der Mond ſchien hell durch das Fenſter, ſeine Strahlen beleuchteten magiſch das weiße Atlasgewand, mein Brautkleid; im Nebenzimmer hatte man es auf einem Ruhebett ausgebreitet, weithin lag die Schleppe auf dem Teppich ausgebreitet, ſie erſchien mir wie glänzendes Silber, als durch die weitgeöffaete Thür mein Blick darauffiel. Ich konnte mir nicht verſagen, das Kleid überzuwerfen; ſtolz erhobenen Hauptes ftand ich vor dem großen Spiegel, nicht wie es ſich geziemt für die im höchſten Glücke demüthige Braut, ſondern wie eine regierende Fürſtin. „Barmherziger Himmel, Fräulein, das Braut⸗ kleid darf keine anziehen, bis ſie darin zum Traualtar gehen wird, es giebt ſonſt Unglück!“ rief raſch eintretend Brigitte, eine alte treue Dienerin des ich blickte und ſegnete es. Hauſes, Haſtig riß ſie mir es herunter und bekreuzte Ich konnte mich des Schreckens nicht erwehren und bedurfte längere Zeit, ehe ich die Ruhe meiner Seele wieder fand. Am Tage vor der Hochzeit kam mein Bruder mit ſeiner Frau, mein Vormund und mehrece meiner Jugendfreundinnen; mein Bräutigam hatte mir versprochen, zu uns zur Begrüßung zu kommen, ebenſo wartete ich vergebens auf das Boquet, er pflegte täglich Blumen zu ſchicken, nur an dem Tage blieben ſie aus. Der Mittag ging vorüber, Nachmittag ſuchte mein Bruder ihn auf; der Burſche hatte ſeine Wobnung aufgeräumt, verſchledene Koffer gepackt, zum Theil für den Auf⸗ enthalt in der Villa, die andern für unſere neue Wohnung in der Haupſtadt, wie ſein Herr beſtimmt, von im ſelbſt wuſte er nichts. Oh, dieſes qualvolle Warten! Der Abend nahte, man zog ſich zurück, für den Abend Toſlette zu machen. Für mich war es eine kleine Erleichterung, mich nicht mehr von fragenden, neugierigen Augen beobachtet zu wiſſen, nicht mehr daſſelbe unerſchöpfliche Thema zu hören, wo er blieb. Ich beeilte mich gegen ſonſtige Gewohnheit, im duftigen, weiße Gacekleid, reich mit Spißen verziert, zarte Roſen auf dem Anzug verſtreut und in einem Kranz zuſammengefügt auf dem Kopfe, ſtand ich und — wartete, wartete in Verzweiflung! N An meiner Thür lauſchend, horte ich Schritte, das Klirren eines Säbels, es kam näher, ſteif ſtand ich nun plotzlich da, er ſollte fühlen, wie ſehr er mich gekränkt! Ich vernahm meines Bruders Stimme, dann die Antwort. Das war ein Fremder, nicht er ſelbſt. Erſchrocken verbarg ich mich hinter einer 5 5 hörte Worte, welche mir das Blut gerinnen ließen: „Es wird mir namenlos ſchwer, allein es iſt leider kein Zweifel mehr —- Schuldenlaſt — Enteh⸗ rung — falſche Wechſel — nur ſchleunige Flucht