1 Erden. tai 1893, urge Allgemeiner Anzeiger für 0 leſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. 12 0 Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungg⸗ blatt Mt. 1.40 frei ins Haus. far die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg 2 Mittwoch, den 5. Juni Corpuszelle. Neclamen 20 Pfg. Druc und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. r — Deutſchlaud und Frankreich. Auf das recht erträglich und mindeſtens normal gewordene Verhältniß zwiſchen Deutſchland und Frank⸗ reich, wie es itzt hauptſächlich infolge der loyalen und entgegenkommenden Haltung der Berliner maß⸗ gebenden Kreiſe geſtaltet hat, droht durch das erneut ousbrechende lärmende Treiben der unvetbeſſerlichen Chauviniſten jenſeits der Vogeſen wieder ein Schatten zu fallen. Gerade jene Vorgänge aus jüngſter Zeit, welche eine beſonders erfreuliche Wendung in den gegenſeitigen offiziellen Beziehungen beider Mächte markirten, find von den galliſchen Hetzpatrioten zum willkommenen Anlaß benützt worden, aufs Neue dle Fahne der Undverſöhnlichkeit und der Revanche politik gegenüber dem deutſchen Nachbar aufzupflanzen. Das gemeinſame Vorgehen Deutſchlands und Frank⸗ reichs im Bunde mit Rußland zur Abänderung des Ftiedensvertrages von Sh monoſeki wie die freund⸗ schaftliche Berliner Einladung an Frankreich zur Be⸗ theiligung an der Einweihung des Nordoſtſee⸗Canals und die Annahme dei Einladung durch das Miniſte⸗ rium Ribot find den berufsmäßigen Deutſchenhetzern ein Dorn im Auge und ſeit Wochen wird von ihnen in dieſen Punkten der Hebel geſetzt, um die öffent⸗ liche Meinung ihres Landes zu verwirren und aber⸗ mals gegen die versöhnlichen Abſichten Deutſchlands aufzuſtacheln. Leider find dieſe hetzeriſchen Beſtrebungen bei einem großen Theile des Franzoſenvolkes nicht ohne Erfolg geblieben, wie die immer entſchiedener ſich bekundende Volksſtrömung gegen das Zufſammen⸗ gehen Frankreichs mit Deutſchland in der oſtaftatiſchen Frage vnd gegen die Entſendung des franzöfi chen Geſchwaders nach Kiel beweiſt. Und nicht nur in den Köpfen der breiten uitheilsloſen Maſſe herrſcht die chauviniſtiſche Auffoſſung der erwähnten Vor⸗ —— — — — Trug Glück. Novelle von Thekla Hempel. Fortſetzung. Am Eingang des Parkes war ein großer Teſſch, im Sommer häufig zum Kahnfahren benutzt, man ſitzte nach der kleinen, ſchattigen Infel inmſtten deſſelben über, um dort die angenehme Kühle zu genießen. Im Wamter ward ihm der nöthige Eisvor⸗ rath entnommen, der größte Theil aber zum Schlitt⸗ ſchuhfahrten benutzt. — — günge vor, ſondern auch bei Leuten, denen man doch wahrhaftig einen freieren politſchen Blick zu⸗ trauen ſollte. Die Rede des Rohaliſten Beaumanoir im Senat gegen die deutſch⸗franzöſiſche Eatente in Oflaften und gegen den Beſuch des franzöfiſchen Geſchwaders in Kiel läßt erkennen, wie ſehr in unſerem 110 5 wiſtlichen Nachbarlande auch ange⸗ ſehene Politiker und Parlamentarier bewußt oder unbewußt dem Treiben j ner Elemente in Frankreich Vorſchub leiſten, welche auf alle Fälle eine Dauer verſprechende Annäherung zwiſchen Frankreich und Deutſchland verhindern wollen. Es iſt nun zweifellos, daß man in den offt⸗ ziellen Kreiſen der franzöfiſchen R'publik von dieſen Wühlerelen durchaus nichts wiſſen will, wie die regierungsſeitig gegebene Erwiderung auf die Beau⸗ manolriſche Intecpellatlon hinlänglich bekundet. Aber noch immer hat in Frankreich die j⸗wellige Regierung einen ſchwierigen Stand gehabt, wenn es dem Ge⸗ ſchrei der radſkalen Chauviniſten im Lande gelang, die Volksflimmung aus irgend einem Anlaß wieder einmal gegen das verhaßte Deutſchland einzunehmen Es ſteht zu fürchten, daß auch das Cabinet Ribot dieſe Erfahrung machen muß, falls die antideutſchen Wühlereien in Preſſe und Parſament ſp ziell wegen der „Kieler Frage“ noch eine Weile ſo weiter gehen, und gerade der Umſtand, daß ſich das deutſche Volk anſchickt, die 25jährige Wiederkehr der ruhmvollen deutſchen Siege auf franzöſiſchem Boden zu feiern, erſcheint nur zu ſehr geeignet, den Chauviniſten an der Seine friſches Waſſer auf ihre Mühlen zu treiben. Nun, vielleicht zieht die drohende Strömung dis mühſam genug hergestellten beſſeren Verhältniſſes zwiſchen Deutſchland und Frankreich doch wieder vorüber, ohne tiefere Spuren zu hinterloſſen. Es iſt aber auch moglich, daß fich die jenſeits der Vo⸗ geſen erneut angefachte abgeneigte Stimmung gegen Deutſchland anhält und nachher müßte allerdings mit einem abermaligen Platzgreifen der früheren kalt⸗höflichen Beziehungen zwiſchen Berlin und Paris gerechnet werden. Eine ſolche unerquickliche Geſtal⸗ tung der Dinge wäre im allgemeinen Friedensinter⸗ eſſ- zu bedauern, aber um ſie moͤglichſt aufzuhalten, dazu würde für Deutſchland wahrlich kein Grund vorliegen. Frankreich hat der loyalen und freund⸗ ſchaftlchen Haltung Deutſchlands in gar manchen internationalen Fragen der beiden leßten Jahrzehnte Vieles zu verdanken; wenn jenes in ſolchen Fällen künftig etwa nicht mehr auf das uneigennützige und ſelbſtloſe Entgegenkommen der deutſchen Regierung zählen könnte, ſo würde nur Frankreich den Schaden bon einer derartigen Wendung haben. Folitiſches. 5 — Die in voriger Woche in der alten Hanſaſtadt Lübeck ſtattgefundene feierliche Grundſtein⸗Legung zum Elbe⸗Trabe⸗Canal hat ſich zu einem bedeutungsvollen und glänzenden Aete geſtaltet. Zahlreiche Ehrengäste wohnten der Grundſteinlegung del, unter ihnen die Miniſter Dr. M quel, Dr. v. Bökticher und Thielen, der preußiſche Geſandte v. Kiderlen⸗Wächter, General Graf Walderſee u. ſ. w. Die Hammerſchläge für den Kaiſer vollzog Herr v. Klderlen⸗Wächter unter dem Ausdrucke des Wunſches des Fortbeſtandes der alten Freundſchaft zwiſchen Preußen und Lübeck. Später folgte ein Prunkmahl im Nathhausſaale nach. Bürgermeiſter Dr. Behn brachte den Kaiſertoaſt aus, in demſelben den jetzigen Kafſer als Vollender des Nordoſtſee⸗Canals und Förderer der deutſchen Binnen⸗ ſchifffahrt feiernd. Es folgten dann noch eine ganze Reihe von Trinkſprüchen, unter ihnen ragte namentlich die bedeutſame Rede des Finanzminiſters Dr. Miquel — — —— An einem ſehr laltem Tage im Januar tummelte ſich eine große Geſellſchoft von Herren, Damen und Kinder auf der ſpiegel⸗ glatten Fläche.. Heitere Unterhaltung, fröhliches das war nicht Jubel. ehe mein Haar ergtaut. Ob ich dann wohl einen beſchel⸗ denen Platz finden werde, wo ich ausruhen darf von Mühe und Arbeit, ohne andern zur Laſt ſein? Ich darf nicht klagen, ich habe mir ſelbſt mein Geſchick erwählt, ich muß es tragen!“ Die Stimmen kamen näher, man folgte der Einladung ſich in den behaglich durchwärmten Räumen der Villa zu neuem Vergnügen zu ſtätken. Die inder konnten ſich noch nicht von dem Eiſe trennen. Eliſabeth eilte, um bald zurückzukehren, denn Fräu⸗ lein Berend fühlte ſich heute nicht wohl, ſie litt mehr als lonſt an ihrem alten Herzleiden, ſie ſollte des⸗ halb nicht viel allein ſein. Das junge Mädchen kehrte mit einbrechender Dämmerung zurück; noch immer klangen Kinderſtimmen vom Eiſe her. Aber Nein, ein gellendes Durch⸗ einander, Kreischen, Rufen, und lautes Weinen. Lachen ſchlug an Eliſabeth's Ohr, welche ſich ſoeben zu einem Ausgang rüſtete; ſie wollte im Auftrag ihrer Herrin noch ehe es dunkelte, in der Stadt verſchiedene Beſorgungen ausführen. fern das fröhliche Treiben b obachtend. Seit ihrer Sie ſtand von Begegnung mit Graf Bretow lebte ſie noch weſt zurückgezogener als vorher. den Sorgloſen, welchen das Liben nur Kränze flicht,“ „Ich gehöcte nicht zu Man ſchien im Hauſe nichts zu hören. Im ſchuellſten Lauf eilte Eliſabeth nach dem Teich; lauter, ver⸗ zweifelter klangen die Stimmen; die Kinder ſtürzten ihr jammernd entgegen. Nur mit Mühe entnahm ſie ihren verworrenen Berſcht, daß eines von ihren Gefährten im Elſe eingebrochen ſei. Alle bei Seite ſchieben, den Mantel von ſich weifen und ſchnell wie der Blitz nach der Unglücksſtelle eilen, war das flüſterte ſie leiſe zu ſich ſelbſt, „meine Zl gehört ernſten Pflichten für Andere, vorüber iſt die leicht⸗ lebige Jugend. alt, und doch lann noch manches Jahr dahin gehen, . ö Oft meine ich, ich wäre ſchon recht 1 1 Werk eines Augenblicks. Trotz aller Vorſichts⸗ maßregeln an der Stelle, welcher man das Eis entnommen und trotz des ſtreugſten Verbotes, hatte hatte ein kleines, achtjähriges Mädchen ſich dahin — gewagt. Das laute Geſchrei verſtummte, mehr und mehr verſchwand der Körper unter dem Eiſe, nur die Aermchen ſtreckten fich wie Hilfe erflehend empor; krampfhoft faßten die Händchen nach dem Eis, immer auf's neue brach es; Rettuug ſchien vergebens. Vorfichtig ſchob ſich Eliſabeth knieend vorwärts, unter ihr knackte es, ſie mußte ein Stück zurück, und doch war ein j'der Augenblick nur zu koſtbar. Wieder wagte fie den Verſuch, vergebens, das Eis brach, bis unter die Arme reichte das eifig kalte Waſſer, ſie war näher dem Ufer, ſie fühlte Grund unter den Füßen, allein die Glieder erſtarrten, die Sinne drohten ihr zu vergehen. Und ſie mußte doch vorwärts, mußte das junge Leben retten, ſchon verſchwanden die Aermchen mehr und mehr. „Herr erbarme Dich,“ bat ſie in Todesangſt. Da, wenige Schritte noch, ſie erfaßte es und ſchleudert es weit hin auf feſtes Eis. Gerettet! Sie hört mit den jammernden Kinderſtimmen die von Erwach⸗ ſenen ſich miſchen, Schritte hallen auf der Eisfläche. Das Werk iſt gethan, einmal noch ſchlägt ſie die Augen auf, über ihr leuchtet der Abendſtern, ſie fallen zu, ſie fink tiefer und tlefer. Mit naſſen Armen umfängt ſie der Tod. Die Kinderſtimmen dringen endlich bis in das Haus, man trennt ſich von der Unterhaltung beim Kaffee⸗ genuß. Einer der Herren eilt allen voran, ſchon hält er die kleinen im Arm, er giebt die tröſt⸗ liche Verſicherung, daß ſie lebt. „Aber das Fräu⸗