Berlin, blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg 5 Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltunge Mittwoch den 3. April. Amzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder deren Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. RHD .ʃ—̃—ʃTLT—U—.Zrr ...... ——— Corpuszeile. Neclamen 20 Pfg. Druck und Verlag von Narl Molitor, Ladenburg. Politiſches 30. März. Der Reichstag hat am Sonnabend ſeine Oſterferien angetreten, die etwas über drei Wochen dauern werden. Unter eigen⸗ artigen neuen Verhältnſſſen iſt der erſte große Ab⸗ ſchnitt der am 5. Dezember vorigen Jahres be⸗ gonnenen Seſſion jetzt zum Abchluß gelangt, der in⸗ folge des Reichstagsvotums bett ffs einer Ehrung Bismarcks ſtattgehabte Wechſel im Peäfidium iſt und bleldt bezeichnend für die eingetretene neue Lage im Reichstage. Als Proteſt gegen jenen verneinenden Beſchluß der augenblicklichen Mehrheit haben die Rechte und die Nationalliberalen auf jede fernere Vertretung im Vorſtande verzichtet, womit ſich ein tiefer Riß zwiſchen dieſer Seite und vor Allem dem Centrum dokumentirt, und dieſer latente Konfl et wird ſchwerlich fördernd auf die weiteren Geſchäfte des Reichstages einwirk'n. Was nun die Arbeiten des Parlamentes in dem j zt vollendeten Seſſtons⸗ abſchnitte anbelangt, ſo hat es in demſelben von ſeinen eigentlichen großen Aufgaben nur eine ge⸗ löſt, es hat den Etat d finitiv fertiggeſtellt. Dafür konnte aber noch kein einziger der anderen wichtigeren Geſetzentwürfe zur zweiten Plenarberathung gebracht werden. Von ihnen find in der Komm ſſion zur Erledigung gelangt die Novelle zum Zolltarif und dann endlich die „Umſturz⸗Vorlage“, letztere meiſt nach den Vorſchlägen des Centrums! Die zweite Commiſſionsberathung der Tabakſteuer⸗Vorlage wird dagegen erſt nach Ablauf der Oſterpauſe ihren An⸗ fang nehmen, freilich mit ſehr ungünſtigen Ausfichten für dieſe in eiſter Leſung ſo gut wie geſcheiterte Vorlage. Die Finanzreform⸗Vorlage kann von der nämlichen Commiſſion natürlich vor Erledigung des Tabakſteuer⸗Geſetzes nicht in Angeff gevomm n werden. Die Nopellen zu den Juſtizgeſetzen und zur Gewerbeordnung befinden ſich noch in den be⸗ treffenden Ausſchüſſen, während das gleich zu An⸗ fang der S ſſion eingebrachte Geſetz gegen den un⸗ lauteren Wettbewerb überhaupt noch nicht zur Be⸗ tathung gekommen iſt, ebenſo die allerdings erſt ſpäter eingegangene Vorlage über die Beſtrafung des Sklavenhandels und die Nov lle zum Branntwein⸗ geſetz. Der Reichstag hat demnach noch immer den gtößeren Theil ſeines Berathungsprogrammes auf⸗ zuarbeiten, und es dürfte ſich daher die Seſſion bis Pfingſten hinziehen, vorausgeſetzt natürlich, daß ihr kein vorzeitiges Ende beſchieden iſt. In ſeinen beiden letzten Sitzungen vor der Oſterpauſe hat ſich der Reichstag noch mit dem bekannten Antrage Kanitz auf Schoffung e nes Reichsg⸗treide⸗Monopols befaßt. Die Freitagsdiskuſſſon hierüber leitete der Antrags ⸗ ſtler, Abg. Graf Kanitz ſelber mit einer Rede ein, in der er nochmals alle Momente zu Gunſten ſeines Antrages hervorhob, namentlich betonte Graf Kanitz, daß der Antrag durchaus nicht eine ſozialiſtiſche, ſondern eine antiſozialiſtiſche Tendenz befitze. Dann entwick lte Reichskanzler Fürſt Hohenlohe die Gründe, welche die Reichsregierung beſtimmen, ſich ablehnend gegen den Antrag Kanitz zu verhalten, auf deſſen Widerſpruch mit den neuen Handelsverträgen und auf die mancherlei hochbedeaklichen Folgen einer Verſtaatlichung des Getreidehandels hinweiſend. Dafür wies der Reichskanzler auf Reformen der Börſen⸗ Branntweinſteuer⸗ und Zuckerſteuergeſitzgebung, auf Einſchränkung der Tranſitlager u. [. w. als geeignete Maßnahmen zur Hebung der Land wirthſchaft hin. Im weiteren Verlaufe der Sitzung bekämpfte Abg. Dr. Paaſche (nat.⸗ub) den Antrag, während ihn Abg. b. Piötz, der Führer des Bundes der Land⸗ wirthe, ſelbſtverſtändlich empfahl. Zugleich richtete Abg. v. Ploͤtz Angrſffe auf den Staatsſekretär von Marſchall und auf den Landwirthſchaftsminiſter von Hammerſtein, beide Herren entgegneten energisch. Dazwiſchen plaidirte noch Abg. v. Hammerſtein (conſ.) für den Antrag Kanz, zuletzt ſprach Abg. Richter, dies in ſeiner ſarkaſtiſchen Weiſe. Bei der am Sonnabend fortgeſetzten Debatte iſt der Antrag Kanitz abgelehnt worden. — Eine überraſchende Wendung wird vom oſtoſtatiſchen Kriegsſchauplotz gemeldet. China hat das Anerbieten eines Waffe nſtillſtandes gemacht, und die jopaniſchen Friedensunterhändler find vom Mikado ermächtigt worden, das Anerbieten bedingungslos anzunehmen; dies geſchieht in Anbetracht des un⸗ erwarteten Mordanſchlags auf Lihungtſchang. Dire klor im jopaniſchen Auswärtigen Amte, Kurino, erklärte, der Waffenſtillſtand werde in Kraft bleiben bis zum Abſchluß der Friedensverhondlungen, werde aber nicht zur Folge haben, daß die Jopaner ſich aus China zurückziehen. Ob der Entſchluß des Mikado allein aus der Entrüſtung über die Unthat eines japaniſchen Fanatikers hervorgegangen iſt, oder ob militäriſche Erwägungen die Rückſicht auf das immer begehrlicher auftretende Rußland, das Auftreten der Cholera im japaniſchen Lager und andere Umſftände mitgeſprochen haben, iſt aus den bisherigen Meldungen nicht zu erſehen. — Aus Friedrichs ruh wird gemeldet, daß daſelbſt am Samstag die Poſt zwei aufgehaufte Waſchkörbe mit Briefen brachte. Auch die Geſchenk⸗ ſendungen haben ihren Höh punkt erreicht. Neuer⸗ dings kreffen meiſt Erzrugniſſe der Kunſt und des Kunſtgewerbes ein, eins immer prächtiger als das andere; es fehlt ſchon an Platz zum Aufſtellen. Auffallend iſt der unerſchöpfliche Reichtum an origi⸗ nellen Gedanken; es teifft ſich ſelten, daß zwei Slücke In der neuen Welt. Roman von P. Olle verio 9 11 . 18. Capitel. Aus Arthur's Tagebuch. Als mein Blick wieder klarer wurde, hatte Richard meine Schulter losgelaſſen, und ich ſah, daß er ſich abgewendet und das Geſicht mit beiden Händen bedeckt hatte. Jetzt fürchtete ich mich nicht mehr vor ihm. 5 „Sie iſt heute begraben,“ ſprach ich milder als bisher. f „Chriſta ſagte ſtets die Wahrheit,“ murmelte er vor ſich hin und ſeine Stimme bebte heftig. Im nächſten Moment warf er fich, das Geſicht noch immer in den Händen vergraben, zu Boden, und ſchluchzte laut. „Todt!“ rief er wieder und wieder. Und ich komme zu ſpät!“ Er ſchien meine Anweſenheit völlig vergeffen zu haben, bis ich die Hand auf ſeinen Arm legte, denn es war furchtbar, ſeine Verzweſflung mit anzuſehen. 5 5 „Todt! „Chriſta,“ ſchluchzte er, „ich habe Gertraud geliebt, — habe fie namenlos geliebt! Sie iſt die einzige Frau, die je den Weg zu meinem Herzen gefunden hat. Ich komme hierher, ſtecke meinen Kopf in den Löwen Rachen, um ſie zu finden, und komme zu ſpät!“ Ich fühlte in dieſem Moment das innigſte Mitleid für ihn. „Richard,“ tröſtete ich, ihn zum erſten Mal mit ſeinem wahren Namen nennend, „verzweifeln Sie nicht, wenn Sie wollen, und darnach leben, werden Sie ſte dereinſt wiederſehen.“ „Chriſta,“ entgegnete er fich noch immer an mich klammernd, „ich bin ein ſchlechter Menſch ge⸗ weſen, Sie wiſſen nicht die Hälfte von dem, was ich gethan habe. Das Beten habe ich verlernt. Und wenn ich mich nicht in Acht nehme, werde ich fie ni-mals wiederſehen. Erbarmen Sie ſich meiner, Chriſta, und beten Sie für mich, — jetzt, während ich hier bin.“ Ich zögerte. Es war eine ſeltſame Wendung, welche unſere Unterredung genommen hatte. Ich traute meinen Ohren kaum und konnte noch nicht glauben, daß er im Ernſt sprach. Doch da hob er Er richtete ſich auf und blickte verflört um ſich Dana ſank er zu meinen Füßen nieder und vergrub das Geſicht in den Falten meines Kleides. flebend den Blick zu mir, und als ich ſeine Augen voll Thränen ſah, zögerte ich nicht länger. . 5 * . ch bin jetzt aus det Tiefe meines Herzens froh, wenn ich an das Gebet denke. Rlchard wand ſich mehr zu meinen Füßen, als er dort kniete, während er das Geſicht wie zuvor verborgen hielt; aber er ſprach jedes meiner Worte nach Und als ich ſchwieg, fügte er ſelbſt noch einige Worte hinzu. Obgleich wir es Beide nicht wußten, war es doch das Gebet eines am Rande des Grabes Stehenden; und ich hoffe und glaube, daß es Er⸗ hörung fand. Es folgte ein langes Schweigen, während deſſen 0 das Heulen des Sturmes uns wieder in die Segen⸗ wart zurückrief. Das Feuer im Kamin war ni'der⸗ gebrannt und im Zimmer war es kalt geworden. Richard erhob fich. „Reichen Sie mir die Hand, Chriſta, zum Zeichen, daß wir endlich Freunde geworden find,“ ſagte er, während er mir ſeine Rechte entgegenſtreckte. Wir drückten uns feſt die Hände und waren nun gewiß keine Feinde mehr. Ich hatte die Hoff aung auf Osca'rs und 1 ö Fanny's heutige Rückkehr noch nicht aufgegeben und ging durch die Küche nach der Hinterthür, welche ich Dabei oͤffnete, um in das Freie hinauszuſehen. löſchte mir ein Windſtoß das Licht aus. Gleichzeitig lam Jemand hereingeſtürzt, nahm f N mich in ſeine Arme und lief mit mir, als gälte es das Leben, der Scheuge zu, einem feſten Steinge⸗ bäude, welches bedeutend höher lag, als das Haus Einen Moment lang horte ich das Waſſer rauſchen ö Der