237 blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. für die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Jadenhurg 155 1 1 Mittwoch den 6. Februar. Allgemeiner Anzeiger für Sadenburg und Amgegend. 0 1 1 Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend, Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ Corpuszeile. Neclamen 20 Pfg. Druck und Perlag von Karl Molitor, Ladenburg. —— Im Reichstage iſt die u. ſ. w.) und der hiermit zuſammenhängenden Centrumsanträge mit der Debatte vom Freitag end⸗ lich zum Abſchluſſe gebracht worden. Dieſelbe wurde durch den Centrumsabgeordneten v. Strombeck in bemerkenswerther Weiſe eröffnet, denn er bekämpfte Namens einer Minorität des Centrums die Anträge ſeiner eigenen Parteigenoſſen auf Einſchränkung des Haufirhandels ganz entſchieden; ſpezull hob Abg. v. Strombeck hervor, daß durch ein derartiges eng⸗ herziges geſetzgeberiſches Vorgehen die meiſt vom Haufichandel lebende arme Bevölkerung des Eichsfeld geradezu ixiſtenzlos gemacht werden würde. Schließ⸗ lich gab der Redner ſogar der Hoffaung Ausdruck, daß die Anträge Hitze⸗Geöber, folls ſie vom Reichs tage doch angenommen werden ſollten, vom Bundes rathe abgelehnt werden würden. Ungefähr denſelben Standpunkt nohm der nationalliberale Abgeordnete Dr. Haſſe ein, er erklärte ſich im Allgemeinen für neulich abg⸗broch⸗ne erſte Leſung der Novelle zur Gewerbrordnung (Einſchränkung dis Wandergewerbes die Regierungsvorlage und gegen die Centrumsan⸗ träge. Namentlich ſcharf wandte ſich Herr Dr. Haſſe, als parlamer tariſcher Vertreter der Buchhändler⸗ Stadt Leipzig, gegen die in dieſen Anträgen vor⸗ geſchlagene Knebelung des Colportage⸗ Buchhandels, ſchlagend wies der Redner nach, daß durch die an⸗ geſtrebte Beſch änkung dieſes wichtigen buchhändleriſchen Zweiges die Verbreitung ernſter und wiſſenſchaftlicher Litteratur mehr leiden würde, als das verſchwindend kleine Quantum der „Schundromane“ und anderer bedenklicher litterariſcher Eizeugniſſe. Abg. Hetze, der bekannte Sozialpolitiker des Centrums, vertheioigte die Tendenz der von ihm mit geſtellten Anträge gegen die Ausführungen der beiden Vorredner, während der preußische Handelsminiſter v. Berlih ch den Hauftrhandel ebenfalls gegentäber den Beſteebung n der Anttäge Hitze öber in Schutz nahm, im Uebrigen ſt lte er weitere Auf chlaſſe ſeiters der Regierung in der ganzen Frage bei den Comm ſſions⸗ verhandlungen in Ausficht. Abg. Schmidt⸗Beil'n (ſoz.) verſuchte unter den gewohnten Ausfällen der ſozlaliſtiſchen Ra dner gegen die heutige Geſellſchafts⸗ ordnung nachzuweiſen, daß de Reglecungsvorlage ihren Zweck völlig verfehlen werde. Auch der Antiſmt Gräfe bekämpfte ſcharf eine Reihe don Be ſtimmungen des R'gierungs ntwurfes, dafür plaidirte er mehr im Sinne der Centtumsanträge. In humoriſtiſch angehauchter Manier krit'ficte Abg. Mey er (fr. Bgz.) ebenfalls abfällig verſchiedene Punkte der Vorlage, während er ſich zugleich gegen die vom Centrum beantragten Beſchräntungen des Calportag buchhandels aussprach. Nach einem Schluß wort des Centrums⸗ abgeordn ten Schwarze wurden die Regierungsvoclage und die erwähnten Centrumsanträge an eine beſondere Commiſſon verwieſen, worauf ſich das Haus bis nächſten Dienstag vertagte. in den engliſchen Gewäſſern, welcher der Bremer Lloyd⸗Dampfer „Elbe“ zum Opfer fiel, iſt in ihren eigentlichen Urſachen noch immer nicht genügend auf⸗ geklätt. Jedenfalls haben eine Reihe widriger Um⸗ ſtände zuſammenge wirkt, um dem ſchweren Sch ffs⸗ unglück jene beklagenswerthe Ausdehnung zu geben, die es durch den Verluſt ſo zahlreicher Menſchenleben aufweiſt. Die eingeleitete Unterſuchung wird hoff ent⸗ lich wegigſtens die baldige Aufklärung darüber bringen, wem die meiſte Vecantwortlichkeit für die ſtattzehabte Kataſtraphe zur Laſt gelegt werden muß, ſoweit hierbei eben menſchliches Verſchulden mit in Frage Anzeigen: die 1⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder dere Raum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. 1895. komm', Beileldst⸗legramme anläßlich des erſchllttern⸗ den Ereignſſes find der Direktion des Norddtutſchen Lloyds in Bremen außer vom deutſchen Kaiſer paare noch von vielen anderen Seiten zugegangen, ſo vom Reichskanzler Füärſten Hohenlohe, dom Staats ſektetür v. Stephan, vom Großherzog von Oldenburg, von der Königin von England u. ſ. w. — Die J paner haben in voriger Woche dit Landforts von Wei⸗Hai⸗Wel, der ſtärkſten Seef ſtung, nach eintägigem Kampfe erobert. Nur die Seeforts widerſtehen noch, fi werden aber kräftig von den japaniſchen Batterien und der Flotte beſchoſſen. Am Freitag find in Hiroſchima die chineſtjchen Feiedens⸗ unterhändler vom Grafen Ito, dem leitenden Miniſter Jopans, ſowie vom V comte Mutſu empfangen worden. Paris, 3. 8 br. Das Leichenbegängniß des Marſchalls Canrobert wurde heute Mittag unter ſehr zahlreicher Betheiligung abgehalten. Der Leichenzug verließ das Sterbehaus um halb 12 Uhr Vormittags. Die Garniſon bildete Spalier. Die offizielen 2 Perſönlichkeiten hatten ſich direkt nach dem Invaliden⸗ 5 Dom begeben. — Die erſchütternde große Sch iffskataſtrophe Unter den Kränzen wurden beſonders bemerkt die jenigen der ausländi chen Souv:täne, der italieniſchen Kolonie und des ruffiſchen Heeres. Während der Leichenzug die Straßen pal ficte, entblöſte die dort verſammelte Menge erfurchtsvoll das Haupt. Nach der Rede des Ktiegsminiſters defilirten die Truppen vor dem Sarge, dann wurde dieſer in die Gtuft verſenkt. Das Leichenbegängniß vollzog ſich in vollkommen feierlicher Ruhe. Nach der Ankunft des Zuges der Leiche des Marſchalls Canrobert in der Invalldenlirche fand ein feierlicher Gottesdienſt ſtatt, dem die Angehörigen, die Miniſter, die Generale, das dipiomatiſche Corps, / — In der neuen Welt. Roman von P. Olleverio. 6. Kapftel. Chriſta's Erzählung. Eines Tages fand ich ſie in Thränen, und der Anblick erfüllte mich mit Schrecken, denn ich konnt⸗ mich kaum erinnern, ſie jemals weinen geſehen zu haben. Sie hatte nie eine wirkliche Sorge kennen gelernt und war ſtets der verwöhnte Liebling von uns Allen geweſen. Was mochte ihr jeßt Thränen entlocken? Vergebens bat und drang ich in ſie, mir ihr Vertrauen zu ſchenken und den Grund ihres Kummers mitzutheilen; ich erhielt nur eine ausweichende Antwort. „Es iſt nichts,“ ſagte ſie ſich baſtig Augen und Wangen ttocknend, „ich habe nur Kopfſchmerzen und fühle mich etwas gedrückt. Sage Fanny nichts davon.“ Darauf gab ſie mir einen Kuß und ich versprach, nſchts zu ſagen. In dieſelbe Zeit ungefähr fielen zwei wichtige Ereign ſſe unſeres etwas eincörmigen Lebens. Gertraud und ich erhielten an ein und demſelben Tage einen Heirathsantrag. 0 i Es war bei einer Landpartie, welche die Jung⸗ g'ſellen der ganzen Nachbarſchaft veranſtaltet hatten, und bei der wir, mit zwei Ausnahmen, die einzigen unverheiratheten Damen waren. Magdalene Aus bach hatte, wie man uns ſagte, die Einladung aus⸗ geſchlagen. „Ich glaube, ſie geht nirgends hin,“ hörte ich einen der Herren zu einem andern ſagen — „viel- leicht iſt es bei ihr im Oberſtübchen“ — dabei deutete er auf ſeine Stirn — „nicht ganz richtig.“ „Das meine ſch auch,“ entgegnete der Andere. „Iſt angenehm für Ausbach.“ „O, ſie iſt nicht gefährlich, nur aufgeregt und bdurſchikos und bedarf einiger Aufſicht, deßhalb läßt er ſie nicht in Geſellſchaft gehen.“ „Was um ſo beklagenswerther iſt, da die Damen hier ſo ſpärlich vertreten find,“ fügte der erſte Sprecher hinzu. „Seibſt eine Verrückte wäre mir lieber als gur keine.“ „Gertraud ſtand neben mir und hatte das kurze Geſpräch auch mi angehört. Ob fie an Magdalenens geiſtiger Geſundheit zweifelte oder nicht, aber ich bein rkte, daß ihr das Blut einen Augenblick heiß zu Kopfe ſtieg und die Hand, welche ſie auf meinen Arm legte, heftig zitterte. Gertraud's ſowohl als auch mein Verehrer waren Landeigner, deren Beſitzthum nur wenige Stunden von unſerem Hauſe entfernt lag. Beide flammten von guter Familie und waren fein gebildete Männer. Der meine war der hübſchere der ihre der klügere, und Beide hatten das Uaglück fich einen 5 Korb zu holen. Freſlich war die Art, in der wir dieſelben aus⸗ f theilten, eine verſchedene. Ich wies den Antrag rundweg ab, während Gertraud einer weiteren Hoff⸗ nung Raum ließ. Ich hatte ſchon ſeit längerer Zeit gewußt, daß Mox Indau ſich für mich intereſftrte, aber mein deutliches Benehmen ihm gegenüber hatte ihn nicht zu überzeugen vermocht, daß dieſes Intereſſe nicht auf Gegenſeitigkeit beruhte, er wollte ein feſtes ent⸗ ſchiedenes „Nein“ hören. Gertraud aber erröthete und zögerte, indem ſie Hugo Bergen abwies, und ſprach nicht ſo entschieden, wie ſie hätte thun ſollen. Obgleich er daher ſeine Zurtickweiſung vor der Hand als ſolche hinnahm, ſo glaubte er ſich doch berchtigt, ſeinen Antrag in einiger Zeit erneuern zu dürfen. Nach dem, was ich päter durch die Naächſtbethelligten ſelbſt erfuhr, kann ich heute ſo ſchreiben. Fanny ſowohl als ich waren überzeugt, daß Gertraud in ihrem innerſten Herzen den ehrenhaften, treuherzigen Hugo entschieden lieb hatte, und nur der Wunſch, ſich der Freiheit noch etwas länger zu bewahren ſie derhindert hatte, ſeine Werbung ſofort anzunehmen. „Gertraud weiß, daß ſie hüdſch iſt, und läßt ſich gern den Hof machen,“ meinte Fanr g, als wie