blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Ihr die Kedaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend, Preis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ D Mittwoch den 25. Juli. Anzeigen: die I⸗ſpaltige Corpus⸗Zelle oder dere Naum 10 Pfg., Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg. 0 Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. Corpuszeile. Reclamen 20 Pfg. 18904. Nr. 59. „ Politiſches Berlin, 22. Juli. Obwohl Mldelm ſeine eigentliche Nordlandsfahrt bereits in poriger Woche beendigt hat, dürfte der Monarch doch eu in dieſen Tagen nach Deutſchland zurückkehren, da er auch nach den herrlichſten Gebirgslandſchaften des ſüdlichen Norwegens einig: Ausflüge unternahm, Wie verlautet, beabſichtigt der Kaiſer Wilhelm im Auguſt der Inſel Helgoland wieder einen Beſuch abzuſtatten. i — Jn der vielbeſprochenen Innungs⸗ und Handwerkerfrage empfiehlt die offiz die „Nordd. Allg. Zig.“ den Innungen, ſtatutariſch zu beſtimmen, daß, wer überführt werde, Pfuſcharbeit, ſei es an Ramſch⸗ dazare oder an Private und, wie es in dieſen Fällen meiſt geſchehe, zu Schleuderpreiſen geliefert zu haben, dan der Innung ausgeſchloſſen ſein ſoll, ſo gewönne damit die Innungsmitgliedſchaft den Eharakter einer um Publicum bezüglich der Güte der erhaltenen Helftung übernommenen Garantie. Dieſen Vortheil würde das Publikum ſehr bald zu würdigen ver⸗ liehen, und beide Theile, die Handwerker und ihre Runden; würden ſich gut dabei ſtehen. Im Weiteren über würde durch eine ſolche ſtatutariſche Satzung in Verbindung mit dem im 8 100 e der Gewerbeordnung den bewährten Janungen ertheilten Privileg der Lehrlingshaltung auch die Lehrlingsfrage ein ganz anderes Ausſehen als heute erhalten. — Nach neueren Meldungen haben ſich die Finanzen des deutſchen Reiches bedeutend gebeſſert und soll das zu deckende Defizit für das neue Etats⸗ jahr nur 8 Millionen Mark betragen. Die Reichspoſt, die Reichseiſenbahnen, die Wechſelſtempelſt ner, die Zucker⸗ Salz⸗ und Brauſteuer weiſen alle erhöhte Ennabmen auf, zeigen alſo auch eine Hebung des Geſchäſtsverkehrs. ö der Kaiſer — Nach Meldungen aus Liſſabon und London ſoll ein Conflet zwiſchen Diutſchland und Poitugal dadurch entſtanden ſein, daß deutſche Kriegsſch ff die Rionga⸗Bai ſüdlich vom Rovumafluß beſezten und deutſche Flagge in Kiongo hißten, was die Portu⸗ gieſen kraft des Vertrags vom D eeimber 1886 als ihr Geblet beanſpruchen. daß Deutſchland Kionga kraft der vom Sultan von Zanzibar erworbenen Rechte beſetzt habe, da dieſer vor dem erwähnten Vertrage Deutſchland das Recht zugeſtanden habe, das ganze Gebiet nördlich von Es wird gemuthmaßt, den Premo Premio dionore nebſt italleniſchem ö Ehrenkreuz. Neckarhauſen, 23. Juli. Am 8. Juli bielt der Männer⸗Geſangverein im Gaſthaus zum der Mitte der Tunghi⸗Bal zu besetzen. Weitere Auf; klärungen in dieſer Angelegenheite find jedenfalls abzuwarten. — Die öffentliche Meinung in Rußland wird gegenwärtig wieder wie im Votjahre von der Tholera beherrſcht, denn dieſe furchtbare Seuche breitet ſich in vielen ruſſiſchen Städten zumal in Petersburg ungemein aus. Nach Anſicht der Sani⸗ käts⸗Commiſſion iſt daran hauptſächlich die große Unreinlichkeit ſchuld, welche in vielen Straßen und Hafenplätzen der ruſſiſchen Städte herrſcht. Verſchiedenes. — Schriesbeim, 23. Juli. Morgen Mitt⸗ woch Abend halb 10 Uhr findet hier eine Schloß⸗ ledigen Johannes Bühl 'r, Sohn des Hofbauern Frz. beleuchtung ſtatt. — Schriesheim, 23. Juli. Auf der inter⸗ nationalen Ausſtellung zu Venedig unter dem Ehren⸗ präftdium des Herzogs die Salbe, des Kammerprä⸗ ſidenten und der Miniſter Bareelli und Sarocco er⸗ rang die Weingroßhandlung Auguſt Drucker & Co. Nachfolger zu Erbach Rheingau (Inhaber Joh. Nicolaus Güßbacher) für ihre ausgeſtellten Rheingauer und Cabinetweine die goldene Medaille mit Ehrendiplom und im engeren Conkurrenzkampf Hieſch eine muſikaliſche und theatral ſche Abendunter⸗ f haltung ab, mit einem reichhaltigen Programm. Die Aufführungen fanden ſo großen Beifall, daß auf plelſeitiges Verlangen geſtern Abend eine Wiederholung der Aufführungen ſtattfand, und war der Beſuch ein ſebr zahlreicher und die Stimmung eine heitere. Der Verein bewies damit, daß der Leiter desſelben ſowie die Mitglieder ſich bemüht haben in kurzer Zeit ganz vortrefflich 3 zu leiſten und iſt nur zu wünſchen, daß derſelbe nicht nur an Mitglieder wieder zunimmt ſondern auch die Anhänglichkeit der Einwohnerſchaft gewinnt. — Wolfach, 20. Juli. Soeben wird da⸗ hier die Nachricht verbreit⸗l, daß geſtern Abend etwas nach 6 Uhr im benachbarten Schapbach der Sohn des früheren Bözirksraths Franz Sales B., Johannes B., von einem Jagdauffeher erſchoſſen wurde. Als Urſache wird Eiferſucht angegeben. Der Thäter gehört einer achtbaren Familie an. — — Schapbach, 20. Juli. Die Schreckens⸗ nachricht, daß der Jagdaufſeher Jakob Vetter den mit ſeinem Fuhrwerk von Wolfach heimkehrenden Sales Bühler, unweii ſeines elterlichen Hauſes von einer Wal dliſtere aus erſchoſſen hat, iſt Thatſache, Die Kugel war dem Unglücklichen durch die Bruſt gegangen. Heute Morgen gegen 6 Uhr wurde der Mörder, nachdem er ſich die Nacht über im Freien. umherg trieben, in einem Kartoffelfelde oberhalb des Dorfes ſitzend, vom Gendarm Hettenbach verhaftet und in das hiefige Orts(pital verbracht, weil er nicht mehr gehen konnte. Nach ſeinen Angaben will der —— — — 2 —ü—äͤ Verſchlungene Tfade. Roman von A. Nicola. (Nachdruck verboten) Meine Kindheit glich einem Frühlingsgarten, in welchem rauhe Winde und Nachtfröſte manche Vebensblühte vernichten. Ich verlor meine Mutter lurz nach der Geburt, den beſten und zärtlichſten Valer aber, als ſch noch ein Kind war. Meine Stiefmutter behielt mich bei ſich und war mir eine gute Erzieherin. Nach dem Tode meines Vaters 985 mußten wir beide unſer ſchönes Landgut verlaſſen, das an den Majoratserbe überging. ö Wir bezogen ein kleines, aber hübſches Haus in der Nähe der Befitzung des Herrn von Berey, eines intimen Freundes meines Vaters. Herr von Berty beſaß einen einzigen Sohn, Namens Guido. Er war ein bildhübſcher, luſtiger, gewandter Knabe, der alle Spiele und athletiſchen Künſte jeder Art eben ſo ſehr liebte, als er alle ernſte Studien haßte. Guido zählte drei Jahre mehr als ich und war bald mein beſtändiger Begleiter und Sp elgeſährte. So floß unſer Leben eine zeitlang ruhig dahin, aber mit jedem Jahre ward meine Stiefmutter leidender, von welcher ich zu erzählen im Beguff ſtehe, befanden wir uns ihres leidenden Zuſtandes halber ſeit Wochen an der See. Auch Guido war mit ſeinen Elt — die Bewohner des Seebades in große Aufregung verſetzt hatte. Ich ſtand im Reitkleid mit der Gerte in der Hand am Fenſter und ſchaute nach Guido aus, der mich zu einem Spazierritt abholen wollte, Es war am Morgen nach einem Sturm, der als ich ein kleines Mädchen erblickte, das direkt auf unſer Häuschen zugetrippelt kam. Veranda blieb es einen Moment zögernd ſtehen, Am Fuße der f 1 dann ſtieg es die Stufen herauf, trat in's Z mmer und ſchaute ſich, wie nach Jemand ſuchend, ringsum. Meine Mutter blickte die Kleine, die vermuthlich draußen im Sande geſplelt und ihre Kameraden verloren hatte, verwundert an. „Du haſt Dich wohl verlaufen ?“ ſprach ſch 0 an. „Wohin willſt Du? Wie heißeſt Du 10 „Throdor's Liebling!“ erwiderte die Kleine. Ich ſah meine Mutter lachend an. „Komm' einmal her zu mir,“ ſagte ſie darauf. Die Kleine kam zu ihr heran; meine Mutter nahm ſie auf den Schooß, ſtrich ihr die braunen Locken aus der Stirn und richtete freundlich ver⸗ ſchiedene Flogen an ſie, aber das Kind ſchüttelte nur den Kopf, that einen tiefen Seufzer und ſchmiegte fich daun an meine Mutter. „Madeleine,“ ſagte dieſe plötzlich zu mir, erinnert Dich die Kleine nicht an irgend Jemand? Komm und ſieh ſie Dir einmal genau an — iſt leinen Edith nicht auffallend ähnlich?“ lebhaften Weiſe bei uns ein, aber beim Anblick des mei Edith war das einzige, leider früh verstorbene Kind meiner Stiefmutter. Ich beugte mich zu der Kleinen herab, und — ſie ſah m inem verſtorbenen Schweſterchen ganz ähnlich; ſie hatte dieſelben großen Augen, das ſelbe dichte kaſtanienbraune Haar, dieſelben korallenrothen Lppen und rofigen Wangen. Und die kleine Edith war ungefähr ebenſo groß geweſen, als ſie ſtarb. „Willſt Du mir nicht ſagen, wie Du heißeſt, liebes Kind?“ wiederholte meine Mutter mit bewegter Stimme, als ſie ſah, wie auch mir die Aehnlichkeit au fiel. Theodor's Liebling.“ wiederholte das kleine Ding ſchläͤfrig, dann rückte es ſich zurecht und ſchlief auf dem Schooße meiner Mutter ein. „Wie ſpaßhaft, Mama,“ rief ich aus; „wer mag ſie nur ſein?“ „Das wird ſich ſehr bald aufklären,“ berſetzte meine Mutter; „das Kind hat ſich jedenfalls ver⸗ laufen. Sicher iſt es reicher Leute Kind; ſieb' nur die elegante Kleidung. Ach, ihre Angehörigen werden ſie nur zu bald zurückfordern.“ Ich verſtand, was die Mutter mit dieſem „nur zu bald“ meinte, denn ihre Augen hingen wie gebannt an dem lieben Kindergefichtchen, das ſie gleich im erſten Momeent ſo ſeltſam gerührt hatte. Bald darauf trat Guido in ſeiner gewohnten,