blatt Mk. 1.40 frei ins Haus. Nr. 43. Erſcheint jeden Dienstag und Freitag Abend. reis vierteljährlich Mark 1.—, mit illuſtriertem Unterhaltungs⸗ ir die Redaktion verantwortlich: Karl Molitor, Ladenburg 1 Mittwoch den 30. Mat Anzeigen: 10 Pfg. Druck und Verlag von Karl Molitor, Ladenburg. 5 die 1⸗fpaltige Corpus⸗Zelle oder deen „Lokale Geſchäfts⸗ und Privatanzeigen 6 Pfg Corpuszeile. Neelamen. 20 Pfg. 5 r h ne Kraftprohe der Sozialdemokratie. In der Reichshauptſtadt iſt bekanntlich ſeit lurzem ein eigenartiger Kampf zwiſchen einer Anzahl Brauereien und der Sozialdemoktatie entbrannt, welcher allmälich das Interriſſe immer weiterer Kreiſe auch außerhalb der Mauern Berlins auf ſich zieht. Mie man weiß, knüpft dieſer „Bierkrieg“ in ſeinem Ueſprunge an die ſozialdemokratiſche Maifeier an. Eine Anzahl Böttchergeſellen verſchiedener Brauereien ließen am erſten Mai trotz des bekundeten gegen⸗ thelligen Willens ihrer Arbeitgeber ruhen, woran fich dann die „Ausſperrung“ der betreffenden Arbeiter, weſter die Streik Erklärung ſeitens der letzteren, ſowie die Verhängung der „Sperre“ zunächſt über die Nixdorfer Vereinsbrauerei anreihten. Die Berliner Brauereibefitzer erklärten ſich aber, mit einer einzigen Ausnahme, für ſolidariſch mit der genannten Brauerei und drohten mit der Entlaſſung eines Theiles der widerſpenſtigen Böttchergehilfen, wenn der Bohcott genes Etabliſſements nicht bis zu einem beſtimmten Tage wieder aufgehoben werden ſollte. Jetzt miſchte ich jedoch die offizielle Leitung der ſoztaldemolratiſche Partei in die Sache, die ſozialiſtiſchen Führer traten Iffentlich und in aller Form für die gemaßregelten Böttchergeſellen ein und erklärten gegen ſieben Brauereien, die willkürlich aus dem Geſammtverband der Berliner Brauereien herausgegriffen wurden, den Bohcott, welcher, ſo lange dauern ſoll, als die von Seiten der ſtreikenden und inzwiſchen gänzlich ent⸗ laſſenen Brauereigehilfen erhoben weitgehenden For⸗ derungen von den Brauereibefitzern nicht genehmigt worden find. mokratie fü die mit vollem Recht von ihren Arbe t⸗ end in: idwitrlh⸗ aſchinel 000, Wu en bel bebern entlaſſenen Böttchergeſellen der Brauereien hat — — . — — —U—Uäͤͤ— . Mit dieſer Parteinahme der off ziellen Sozialde⸗ der Bohcott ein ganz anderes Ausſehen und eine ganz andere Bedeutung erhalten. Jetzt ſtellt der Vor⸗ gang nicht mehr ein lediglich lokales Ereigniß dar, ſondern eine große Kraftprobe der Umſturzpartei gegenüber der verhaßten „Bourgeoiſie.“ Es handelt sich bei dem Vorgehen der Herren Singer, Bebel, Liebknecht u. ſ. w. gegen die fteben Berliner Brauereien um nichts mehr und nichts weniger, als um den Verſuch dem „Unternehmerthum“ den Welt⸗ feiertag branchenwelſe aufzuzwingen, um den Arbeit⸗ gebern überhaupt in Zukunft die Bedingungen der Sozialdemokratie vorzuſchreiben und hiermit die Herr⸗ ſchaft der Arbeitnehmer über ihre Brodherrn, über die Vertreter des Kapftals, zu proklamiren. Es kann kaum mehr einem Zweifel unterliegen, daß der Ber⸗ liner Brauerboycott von den Führern der Sozial⸗ demokratie als eine erſte Probe, wie weit wohl in dieſet Beziehung die Macht der ſozialdemokratiſchen Partei eigentlich reiche, inſomirt worden iſt, daß der gegen die Berliner Brauereien proklamirte Kampf zeigen ſoll, inwieweit ſich zunächſt in einem einzelnen größeren Gewerbe die Freigabe des erſten Mai für die Arbeitnehmer erzwingen laſſen werde. Gerade deshalb find eben die Berliner Vorgänge von weit⸗ tragender prinzipieller Bedeutung. Unterliegen die Berliner Brauereibefitzer in dem ihnen aufgezwun⸗ genen Kampfe, oder geben ſie von ſelbſt kleinmüthig bei, ſo werden dem jetzigen Vorſtoße der Sozial⸗ demokratie gewiß immer neue werthſchaftliche Angriffe gegen alle übrigen größeren Gewerbe nachfolgen und das Ende von Allen wird ſchließlich eine tiefgehende wirthſchaftliche Zerrüttung ſein, die den politiſchen Zielen und Zwecken der Sozialdemokratie nur kräf⸗ tigen Vorſchub leiſten kann. Der Berliner „Bierkrieg“ iſt darum in letzter Linie ein Vorſtoß der ſozialdemokcatiſchen Parteitaktiker 5 Im Strome des Lebens. Roman von Jenny Piorkowska. 10. Eben folgte mein Auge den beiden Damen, de Arm in Arm durch den Saal ſchritten, mit Ruſterndem Blick, ob die im Coſtüm der Marja Stuart nicht Jeſephine ſel, als ein Herr, ein alt⸗ Nutſcher Ritter, zu mir trat und auf eben dieſe Masten zeigend, meinte: „Dieſe zwei find, glaube ich, die eleganteſten iweilet, cg. — 1894 ung dal 1894. en bel eilet, 0 Fofiäme im ganzen Saal.“ „Wer find fte?“ „Fräulein Joſtphine und ihre Coufine.“ „Welche Coufine ?“ „Die mit dem jungen Franzoſen verlobt iſt 1575 an ganz hübsches Mädchen, aber ſo reizend wie heute ö ml habe ich ſie noch nie geſehen., „Miſſen Sie, wo Rodegg ift?“ fragte ich. g „Noch habe ich ihn nicht ausfindig gemacht, lber wenn Sie Fräulein Joſephine im Auge behalten, werden Sie ihn bald finden — ſtcherlich iſt er nicht wet von ihr! — Ihr Cavalier behält fie ſcharf im Ange,“ fuhr die Maske fort, indem ſie ſich ueben Ait auf dem Sopha niederliiß. Ack auf den schwarzen Domino, der wenige Schritte Aer mir ſtand, jezt näher kam und mich mit leiſer Summe bat, mit ihm zu tanzen. Haſtig lehnte ich Der Rchtuag ſeiner Augen ſolgend, fiel mein — ab und wandte den Kopf nach der anderen Seite. —— — gegen das geſommte Mürgerthum übethaupt eine kecke Herausforderung an die Adreſſe der bürgerlichen Geſellſchaft, dus ganze Bürgerthum hat deshalb ein gemeinfames Iatereſſe an dem Ausgange des Ber⸗ liner Bierbohcotts. Wenn die Verrufserklärung der ſozialiſtiſchen Führer gegen die Brauereien vergeblich bleibt, wenn fich dieſelben nicht zum Copituliren berſtehen, nun, ſo wird die ſozialdemokratiſche Parteileitung ein ander Mal gewiß vorfichtiger ſein ſich mit ihrem ganzen Einfluſſe in einem ſolchen wirtſchaftlichen Streite zu engagieren. Bleiben die Herren aber Sieger, ſo würde der Terrorismus der Soziald⸗ mokratie hiermit einen Triumph verzeichnen können, deſſen Folgen und Nachwirkungen nicht nur das „Unternehmerthum,“ ſondern überhaupt auch die bürgerliche Geſellſchaft empfindlich genug ver⸗ ſpüren würden. Verſchiedenes. — Heidelberg, 27. Mal. Die „Straß. Poſt“ ſchreibt: Wir leſen in der „Kreuzztg.“ was folgt: Bekanntlich iſt die Beobachtung des Ver⸗ brennungs⸗Prozeſſes einer Leiche verboten. Hier in Heidelberg z. B. iſt dies nur dem Dienſtperſonal und in dringenden Fällen dem Bezirksarzt geſtattet. Ausnahmsweiſe kann es die Friedhofs kommiſſion auch den nächſten Leidtragenden erlauben. Ueber den Gtund dieſer ſtrengen Verbote ſagt ein Artikel des „Katholik“ (Mai⸗Heft) über die „Leichenver⸗ brennung“: „Wie Augenzeugen verſichern, bietet die brennende Leiche im Feuerofen einen entſetzlichen Anblick ſelbſt in dem Falle dar, daß der Ofen bis zur Weißglühhitze gebracht worden iſt. In einem Momente, nachdem der Sarg in den Verbrennungs⸗ raum gebracht worden, zerfänt dieſer mit dem Ge⸗ wande der Leiche, und der Leichnahm liegt blos da. „Fräulein Josephine, darf ich um dieſen Tanz bitten 7“ wandte ſich da eine andere Stimme zu mir, in der ich, obwohl ſie oſſenbar verſtellt war, Rodegg zu erkennen meinte, daß ich ohne Zögern ſeinen Arm annahm und mt ihm unter die Reihen der Tan⸗ zenden trat. Es ward mir nicht ſchwer, ihn bei dem Glauben zu laſſen, daß ich Josephine ſei. „Wieſo haben Sie mich ſo ſchnell herausge⸗ funden?“ fragte ich, Joſephines kokettes Lachen ſo täuſcheud nachahmend, daß ich vor mir ſelbſt erſchrack. „Mir ward das nicht ſchwer.“ 5 „O, helfen Sie mir die Anderen entdecken. Wer iſt unſer Gegenüber in den ſpaniſchen Coſtim?“ „Wie, das fragen Sie mich! — das iſt ihr Vetter.“ . „Ich zweifle, daß ſie überhaupt hier im Saale „Und wer iſt der ſchwarze Domino dort?“ „Das iſt die einzige Maske, über die ich mir noch nicht klar bin: ich glaube, ſie hat noch mit Niemond getanzt, ich habe ſie ſogar noch mit Niemand ſprechen ſehen. Ich werde mich, wenn demaskirt wird, in ihrer Nähe halten.“ „Bis dahin kann ſie verſchwunden ſein.“ „Das iſt wahr. Uebrigens hält er ſich ganz auffallend in unferer Nähe. Wenn Sie ſich nun einmal in eine Unterhaltung mit ihm einließen und — ihn ſo ausfindig machten ? Mich meidet er offenbar, und doch bin ich begierig zu erfahren, wer er iſt.“ Sobald dieſer Tanz zu Ende war, wandle ich mich an den ſchwarzen Domino. „Wollen Sie mir den Arm reichen? mein Vel⸗ ter hat ein anderes Engagement.“ Er gab mir den Arm, doch ſprach er leiſe und mit ſo ſorgfältig verſtellter Stimme, daß es mir un⸗ möglich war, etwas über ihn zu entdecken. Der lange, faltenreiche Domino verhüllte ſeine Geſtalt vollſtändig, und die Kapuze war ſo tief ins Geſicht gezogen, daß es unmöglich war, etwas von feiner Gestalt oder ſeinen Zügen zu entdecken. Dagegen war mein Bemühen, meine Coufine Joſephine weiter nachzuahmen, ihm gegenüber vergebene Mühe. „Mich können Sie nicht täuſchen,“ ſagte er leiſe, „nicht Fräulein Josephine ſollte die kleine blaue Schleife tragen.“ Ich ſtutzte. Was für einen Streich hatte Li⸗ ſette mir da gespielt? — Der Tanz war vorüber, die Geſellſchaft ver⸗ ſtreute ſich. „Wollen wir nicht ein wenig friſche Luft ſchöpfen e, Ich nahm ſeinen Arm und trat mit ihm hinaus auf die Terraſſe. „Nein, nicht hier; laſſen Sie uns einen ein⸗ ſamen Platz aufſuchen, wo wir einige Minuten un⸗ ö geſtört find.“